Montag, 27. Oktober 2008

Schneewittchen und die sieben Sklaven

Ich wurde ein wenig zu dem folgenden Beitrag von
jemandem bei wkw "inspiriert". Es wird
diesmal ein wenig experimentell, deswegen nicht
erschrecken, dass ich den Pfad des "Märchens"
gewählt habe.

Und wie alle Märchen beginnen, so beginnt auch dieses:


Es war einmal vor gar nicht langer Zeit, um genau zu
sein, es muss eher heißen: es ist einmal... denn diese
Geschichte spielt im Hier und Jetzt genauso wie in der
Vergangenheit. Das Phänomen trat gar schleichend auf,
es geschah und geschieht in der Gesellschaft des
modernen Westens, es geschieht mitten unter uns. Und
einzig und allein "sie" ist Schuld daran:
Schneewittchen.
Ihr Wesen gar verzaubernd, ihr Haar schwarz wie
Ebenholz, ihre Haut weiß wie bestes Porzellan und ihr
Lippenstift genau wie die Pumps mit 12 Zentimeter
Absatz aus einem Rot so intensiv und tief wie das Blut,
dass durch unser aller Adern fließt.
Nun, die junge Dame war hübsch, sehr hübsch sogar. Sie
vermochte es, die Köpfe der Männer auf jeder Straße zu
verdrehen, dass die Wirbel knackten. Wenn sie mit den
Fingern schnippte, glich es einem Peitschenknall in
einer stürmischen Nacht, keiner konnte es überhören
oder ignorieren, jeder war von ihr gefesselt. Doch
Obacht! Das ist nicht alles, was Schneewittchen war.
Sie war nicht nur schön, sie war auch klug. Immerhin
leben wir in modernen Zeiten, deswegen muss eine Frau
auch eine gewisse Intelligenz an den Tag legen. Sie
konnte sich sehr wohl in dieser Kategorie mit (aber
auch gegen) die Männer behaupten. Und das Wichtigste
(Interessanteste für alle Männer) war, dass sie noch
alleinstehend war.
Ihr gefiel der Zustand nicht sonderlich, denn nur zu
gerne sehnte sie sich nach einer Partnerschaft. Auch
das Phänomen "Kinder kriegen" war nicht in
allzu weiter Ferne für Schneewittchen, immerhin war sie
im fortpflanzungsfähigen Alter.
An Beziehungen mangelte es Schneewittchen nicht, doch
immer wieder stieß sie gegen eine Mauer: kein Mann
vermochte es, sie in allen Lebenslagen das Wasser zu
reichen.
Sie begann, an sich selbst zu zweifeln, sie begann,
alle ihre Träume in Frage zu stellen und sie stellte an
Gott die bange Frage: "Werde ich jemals den Mann
finden, der es vermag, mir alle meine Träume zu
erfüllen?"
Und zu ihrer eigenen Überraschung - sie stand gerade im
Freien, nur der Himmel und ein paar Tiere waren Zeugen
- öffnete sich der Himmel und kein geringerer als Gott
sprach zu ihr: "Was, liebes Kind, wünschst du dir
für einen Mann?"
Schneewittchen erschrak, nie hatte sie eine Stimme
gehört, die wie so ein tiefes Grollen bedrohlich zu ihr
sprach. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und
antwortete ihm: "Ich möchte einen Mann, der mich
über alles liebt. Er muss mit mir über alles reden
können, wie eine beste Freundin. Er muss mir immer zur
Seite stehen, wenn ich seinen Rat brauche - oh ja,
speziell einen Freund, der mit mir Kleidung einkaufen
geht, der würde mir fehlen."
Gott sprach: "Und das ist alles?"
Aber Schneewittchen entgegnete: "Oh, bei weitem
nicht. Ich brauche einen Mann, der es vermag, mich zu
beschützen, wenn ich in Gefahr bin. Und ich brauche
einen Mann, der mit mir tanzen geht, immerhin weiß ich,
es ist so schwer, einen Mann zu finden, der tanzen
kann. Dann brauche ich einen Mann, der gut genug ist,
mir meine finanziellen Wünsche zu erfüllen, denn ich
bin zwar fleißig, aber es wäre schön, wenn mein Mann
mir meine Herzenswünsche erfüllen könnte. Ach ja,
und... ", und da wurde Schneewittchen ein wenig
rot an den Wangen, "es wäre schön, wenn er in der
Lage wäre, mich sexuell zu befriedigen!"
Für einige Sekunden schwieg der Himmel und
Schneewittchen bekam Angst. Hatte sie sich das Gespräch
mit Gott nur eingebildet?
Gebannt schaute sie in den Himmel und zuckte zusammen,
als sie das lauteste und schallerndste Gelächter ihres
Lebens hörte.
"Nun, Schneewittchen", sprach Gott, als er
sich endlich beruhigt hatte, "anspruchslos bist du
ja nicht gerade! Aber ich denke, ich habe eine
Idee..." Auf Schneewittchen's Gesicht
zeichnete sich ein Lächeln ab, voller Freude und
kindlicher Unschuld: "Also gibt es tatsächlich so
einen Mann für mich?"
"Zur Hölle, nein!" erwiderte Gott und
räusperte sich verlegen, denn das Wort Hölle als Fluch
zu benutzen kam ihm allzu menschlich und wenig göttlich
vor. "Kein Mann kann all diese Wünsche erfüllen.
Intelligent, reich, potent, tänzerisch begabt, mit
einem Gespür für Kleidung, stark und dann auch noch,
dass er dabei immer treu ist und nur dich siehst -
solch einen Mann könnte selbst ich nicht backen!"

Schneewittchen senkte resigniert den Kopf, als Gott
weitersprach: "Aber nicht verzagen! Eine
Möglichkeit hast du!"
Sie hielt den Atem an, blickte wieder zum Himmel empor:
"Und die wäre? Gott, steh mir bei und sag mir, was
kann ich tun, um jemanden zu finden, der zu mir
passt?"
"Nun", Gott sprach jetzt noch langsamer als
zuvor, "du wirst deine Wünsche erfüllt bekommen.
Allerdings... nicht von einem Mann! Wenn du all deine
Wünsche erfüllt bekommen willst, musst du damit leben,
dass du deine Ansprüche verteilst." Nun runzelte
Schneewittchen die Stirn: "Wie soll ich das
verstehen, Gott?"
"Du wirst schon sehen, Schneewittchen!",
sagte Gott nur und wiederholte, bevor sich der Himmel
wieder verschloss: "Du wirst schon sehen!"

Und tatsächlich: Schneewittchen bekam ihren Willen. Es
war gar nicht weit entfernt und wohnte auch nicht
hinter den sieben Bergen. Sie lebten mitten in der
Stadt, die Männer, die es vermochten, jeder für sich,
Schneewittchen alle ihre Wünsche zu erfüllen: die
sieben Sklaven des Schneewittchens. Aaron, ein Mann,
mit viel Geld, der vom Anreiz des Schneewittchens so
angetan war, dass er ihr jeden Herzenswunsch ohne
Gegenleistung von ihr erfüllte. Einfach, weil ihr
Anblick ihn erfüllte. Bert, der eine Leidenschaft fürs
Tanzen hatte und ihr jede Woche mittwochs das Tanzen
Stück für Stück mehr und mehr beibrachte. Carl, ein
Polizist, zu dem Schneewittchen lief, wenn sie sich in
höchster Gefahr befand. Dann war da David, ein Mann mit
einem fabelhaften Gespür für Kleidung, der regelmäßig
mit seiner besten Freundin zum Shoppen ging. Eric, ein
Gelehrter, der mit Schneewittchen über Gott und die
Welt reden konnte und dem sie sich hemmungslos
anvertrauen konnte. Und dann? Dann war da noch Falk,
ein Adonis in der Gestalt, der mit aller Leidenschaft
es schaffte, auch das anspruchsvolle Schneewittchen zu
befriedigen. Nein, aber dabei blieb es nicht: Falk
ehelichte sogar das Schneewittchen und schenkte ihr im
Laufe der Jahre Kinder.

Und somit, liebe Leserinnen und Leser, lebte das
Schneewittchen mit ihren sieben Sklaven glücklich und
zufrieden, bis ans Ende ihrer Tage.

Und die Moral von der Geschicht? Einige würden jetzt
schreien: "Gibbet nischt!" Aber doch,
natürlich! Diese Moral gibt es, keine Frage! Es wird
immer gesagt, die Männer würden die Vielweiberei
betreiben, die Männer seien diejenigen, denen eine
nicht genug ist. Aber, so frage ich nun, mit aller
Dreistigkeit, die an einem Sonntagabend noch in mir
stecken mag: sind Frauen etwa anders? Es ist in unserer
modernen Leistungsgesellschaft nur allzu verständlich
geworden, dass Frauen sich gleich mehrere Männer
"halten", ähnlich dem Phänomen, sich mehrere
Haustiere zu halten. Nun, natürlich heiraten dürfen wir
Frauen nur einen, es wäre auch vernünftig, wenn wir
möglichst nur mit dem einen schlafen und unsere
Sexualität mit ihm teilen (aber an dem Punkt scheitert
es auch schon bei einigen Frauen). Doch wer schreibt
der Frau vor, dass wir uns nur dem einen widmen sollen?
Es gibt viele Frauen, die sich gleich mehrere Männer
für verschiedene Kategorien halten, damit sie nicht nur
sexuell und finanziell, sondern auch emotional,
intellektuell und kulturell befriedigt werden.
Warum das geht? Nun, weil Frauen doch recht
anspruchsvoll sind - und ein Mann sowieso nicht
mitkäme, wenn es darum ging, die Bedürfnisse einer Frau
allumfassend zu befriedigen.

In diesem Sinne - einen schönen Abend noch - und eine
erfolgreiche neue Woche :-)

Genevieve :-)

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