Donnerstag, 10. Januar 2013

"Die Wirtschaftskiller kommen!" - Teil 1: Milliardäre und Ratingagenturen

Das Jahr beginnt in meinem Blog in diesem Jahr mit einem kleinen Zweiteiler, denn inzwischen stelle ich mir ernsthaft die Frage, woher eigentlich die ganzen Finanzkrisen kommen. Liegt es wirklich an der Misswirtschaft des Staates oder macht das Volk irgendetwas falsch? Kann man einen Schuldigen benennen oder ist es doch jeder Einzelne, der es gründlich vergeigt hat?

Die Situation gleicht einem Splatter-Horrorfilm, allerdings einem sehr antiken. In dem Streifen "Der Blob" aus dem Jahr 1958 mit Steve McQueen war die Bedrohung ein außerirdischer rosa Schleim, der über die Zivilisation herfiel. Ähnlich geht es uns heute auch, nur dass die Bedrohung nicht Barbie-rosa, sondern eher moosgrün daherkommt: das liebe Geld hat uns fester im Griff als je zuvor. Es scheint, dass sämtliche Moral, jegliche Werte den Finanzen zum Opfer fallen oder nur dann funktionieren, wenn man sie mit dem lieben Geld vereinbaren kann. Hier sind sie nun, die "Wirtschaftskiller", bedrohlich und ohne jegliche Emotion wie in dem Film "Die Körperfresser kommen". Einziger Unterschied: diese Bedrohung ist weitaus weniger außerirdisch als uns lieb ist... denn sie ist menschengemacht und zerstört den Menschen zur gleichen Zeit.

Selten gab es so viele Finanzprobleme zu einem Jahreswechsel wie in diesem Jahr: die Eurokrise hat ganz Europa immer noch fest im Griff, Obama und die amerikanische Regierung haben mehr schlecht als Recht gerade noch die Fiskalklippe umschifft (mit einer großen theatralischen Inszenierung, muss man dazusagen!) und auch die Schwellenländer sind in ihrem Wirtschaftsboom gebremst. Erst im letzten Jahr stellte sich in China eine durch eine Immobilienblase verursachte, milliardenschwere Krise heraus. Allgemein bleibt in den Schwellenländern auch nur noch das Recht und der Sieg des Stärkeren: es setzt sich der durch, der in kürzester Zeit das meiste Geld horten kann - das sind meistens die Wenigsten. Was bleibt ist das Kapitalismus-Prinzip: das 1% der Superreichen gegen den Rest: 99% der Menschen, die gerade so oder gar nicht über die Runden kommen. In den USA protestierte ein Teil dieser Bewegung vor Banken und der New Yorker Börse, trotzdem hatte die "Occupy Bewegung" auf Dauer sehr viel weniger Erfolg als wir uns alle gewünscht hatten.

Die Schuld für eine Wirtschaftskrise liegt (neben politischen Faktoren und Fehleinschätzungen) auch immer in der Investitionspolitik. Wenn nicht mehr investiert wird, kommt das Wachstum ins Schwanken, der Arbeitsmarkt fängt an, mehr und mehr zu schwächeln, wodurch der Einzelne immer weniger Geld hat. Wenn der Einzelne schließlich kein Geld mehr hat, kann er das Geld, das er nicht hat, nicht mehr zurück in den Wirtschaftskreislauf führen. Dies wiederum führt zu einer immer größeren Wirtschaftsflaute. Das Weihnachtsgeschäft ist in jedem Jahr immer ein schönes Bonbon für den Einzelhandel, aber der Alltag holt die Wirtschaft wieder ganz schnell zurück auf den Boden der Tatsachen.

Das entscheidende Problem der Wirtschaft in sämtlichen Ländern dieser Erde ist wohl das Ungleichgewicht in der Verteilung des Kapitals. Während die Superreichen allein schon durch Zinsen und Spekulationen an der Börse ihr Vermögen immer weiter erweitern können, hat der Durchschnittsverdiener gerade einmal Geld für das Nötigste und nie genug Kapital, um in die Wirtschaft ansatzweise investieren zu können. Wer kann sich schließlich schon eben mal nebenher ein Haus auf Ibiza kaufen oder einen Bentley (Ferrari, Porsche... man darf sich an dieser Stelle seine Lieblingsmarke selbst eintragen!) leisten? Selbst mit viel Sparstrumpf füllen wird eine derartige Anschaffung für die Meisten nur ein Traum bleiben. Superreiche haben dieses Problem nicht, denn sie können sich das, was sie wollten, kaufen, wann sie es wollen und vor allem, so viel sie wollen.

Die Frage nach dem Geld ist wohl die einzig Entscheidende in dieser Zeit. Die Staaten brauchen Geld, jedes Individuum auf diesem Planeten (bis auf wenige Ausnahmen, die sich dem Geflecht einer Gesellschaft entzogen haben!) braucht Geld. Gleichzeitig ist das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich so groß wie nie zuvor. Das Mittelalter oder frühere Dekaden des letzten Jahrhunderts mit seinen Kasten- oder Standessystemen bestand im Wesentlichen aus den beiden Ufern zwischen denen, die bitterarm waren und denen, die im Überfluss lebten und nicht wussten, wofür sie ihr Geld und ihre Schätze ausgeben sollten.

Hat sich inzwischen etwas geändert? Das Einzige, was heute wirklich anders ist, ist die Tatsache, dass wir uns aus den Tiefen der Armut bis zur Spitze hocharbeiten können, sozusagen das Gesetz des Kapitalismus. Ohnehin ist Kapitalismus der Stolz der USA und Demokratie oder Liberalismus gelten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sowieso als besserer Kommunismus. Wir können uns quasi glücklich schätzen, selbst bestimmen zu können, wo wir im Leben finanziell stehen wollen. Wirklich? Ist damit Armut genauso gewählt wie Reichtum? Ich persönlich habe noch nie gehört, dass Menschen sich bewusst aussuchen, arm zu sein. Es gibt natürlich oft Menschen, die behaupten, Hartz IV Empfänger hätten ihr Schicksal selbst gewählt. Auf der anderen Seite muss sich jeder dieser Menschen, die diese Behauptung stellen, die Frage gefallen lassen, wer gerne von circa 600 Euro im Monat über die Runden kommen möchte.

Oft und gerne wird behauptet, das Sozialsystem sei ein Wirtschaftskiller gerade in Deutschland. Unser Sozialsystem gilt als eines der großzügigsten und damit sichersten der Welt. Doch an diesem System wird immer öfter gesägt, denn die Frage bleibt, wieviel diese soziale Großzügigkeit uns alle im Ende kostet, wenn es um Wirtschaftswachstum und globale Konkurrenzfähigkeit geht. Den Kritikern des Sozialsystems ist da nur die Situation z.B. in den kapitalistischen USA entgegenzusetzen, deren Sozialsystem auf einem sehr niedrigen Level steht, die aber trotzdem im Moment wie auf der Rasierklinge am Rande des fiskalen Abgrundes wandern. Es kann also nicht an sozialer Großzügigkeit liegen, dass die Staaten wirtschaftlich derart unter Druck stehen.

Im Ende gibt es nur die eine einleuchtende Erklärung neben all der Misswirtschaft und der Ratlosigkeit der Politik, die die globale Wirtschaft auf Dauer kaputtmachen: der Geldstau, verursacht vor allem von der Oberschicht! Das mag nun arg kommunistisch klingen (vielleicht ist es auch so gemeint), aber es muss auf die lange Sicht gesehen klar sein, dass die Reichen mit ihrer Sparmentalität nicht gerade zum Wachstum beitragen. Nun heißt das nicht, dass Reiche wie Dagobert Duck ihren Reichtum in einem riesigen Tresor sammeln und dadurch der Weltwirtschaft vorenthalten... denn es geht auch weitaus schlimmer: das Geld wird von den Superreichen kräftig vermehrt, indem sie nur in Projekte investieren, bei denen sie bloß nichts verlieren können! Kleiner Helferlein in diesem Spiel (mit immer größerer Rolle im globalen Lustspiel): die Ratingagenturen. Moody's, Fitch, Standard & Poors: diese Namen stehen nicht nur für die Herabstufung verschuldeter Staaten, denn dies ist nur der Anfang des Elends. Ratingagenturen sind "The Devil's Advocate", zur Verteidigung der Reichen vor dem Verlust ihres liebsten Gutes vor dem dunklen Strudel, auch genannt dem Rest der Welt.

Die Reichen lieben ihr Geld und heute ist es wichtiger als je zuvor, es zu behalten und zu vermehren. Reich sein reicht längst nicht mehr, denn die Konkurrenz im Club des oberen Prozents der Welt ist hart und gnadenlos. Allerdings fragt man sich, wenn man sich die Liste der reichsten Menschen der Welt ansieht: wer braucht das eigentlich? Die Mitglieder dieses Clubs bestimmt nicht. Wer kann schon in seinem Leben 1 Milliarde Dollar oder Euro ausgeben. Es ist sogar schon schwer, 1 Milliarde Rupien auszugeben! Wieso sollte es dann Sinn machen, mehr als 1 Milliarde Euro zu besitzen, sei es nun zu neuen Investitionen oder auch nur zur Sicherung des Lebensstandards? Der letzte Funken Sinn, nämlich auch mal mit Risiko zu investieren und abzuwarten, ob man Geld verliert oder eben nicht, geht dank Ratingagenturen inzwischen auch verloren.

Wozu führt das? Mir persönlich kommt es inzwischen vor, als wäre die Welt immer reicher. Die Frage, woher das "neue Geld" allerdings kommt, erschließt sich mir nicht. Immerhin gibt es weder eine Balz noch Geschlechtsverkehr zwischen Geldscheinen, also können sie sich nicht wie Lebewesen vermehren. Wertsteigerung? Woher soll die kommen? Es gibt eine bestimmte Menge an Menschen und Rohstoffen und da alles einen bestimmten Wert hat, müsste es auch einen festgelegten Wert für die gesamte Existenz geben. Also hieße es, den Spruch "Was kostet die Welt?" wörtlich zu nehmen. Spätestens an diesem Punkt allerdings scheint die Logik auszusetzen, denn es gibt immer mehr Reiche, die immer mehr Geld haben, das vorher gar nicht existiert hat. Im Gegensatz dazu haben die Armen nicht wirklich weniger Geld, aber sie werden immer mehr und der Geldanteil unter den Armen steigt nicht, wodurch jeder arme Mensch immer weniger Geld besitzt. Man kann also vermuten, dass für die Reichen einfach Geld neu dazu erfunden wird, während bei den Armen alles beim Alten bleibt und es kein neues Geld gibt, wodurch die Armen tatsächlich immer ärmer werden.

In den vergangenen Wochen nun gab es eine große Diskussion, eine Art neue französische Revolution wurde gewollt und ist trotzdem gescheitert. Die Rede ist von der 75% Steuer für die Reichen in Frankreich. Es war schon vor der Wahl Hollandes zum Präsidenten klar, dass der Club der Reichen Reißaus nehmen wird, sollten die Pläne konkretisiert werden. Hollande wagte es trotzdem, denn das Land ist ebenfalls von der Eurokrise schwer gebeutelt und er hat längst verstanden, dass die Menschen nicht überleben können, wenn die Beiträge für den Staat bei denen erhöht werden, die es sich leisten können. Ein Staat kann nicht nur davon leben, dass der Normalbürger hohe Steuern bezahlt und dadurch am Anfang des Monats von all der Arbeit nichts mehr als Lebensgrundlage übrig haben. Nun ist der Wandel seit langer Zeit im Gange, der Protest gegen die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft und der Kampf für mehr finanzielle Gleichstellung der einzelnen Schichten. Trotzdem scheiterten sowohl die Occupy-Bewegung vor mittlerweile über einem Jahr und die Pläne Hollands zur höheren Reichensteuer. Ich muss ehrlich zugeben, dass selbst ich mit all meinen Ansichten 75% Reichensteuer für überzogen halte, dennoch hat Hollande im Kern das Problem richtig angepackt. Es kann nicht sein, dass Menschen mit astronomisch hohem Einkommen und Besitz auf dem Geld sitzenbleiben und dadurch der Weltwirtschaft entziehen. Das ist keine Neiddebatte, es geht um das Konstrukt der Welt an sich: wenn Geld quasi aus dem Kreislauf gezogen wird, wird das Vermögen eher zur Belastung für die Wirtschaft, es kann kein Wachstum mehr geben, wenn das Geld nicht mehr arbeitet... und einfach in Projekte investieren mit der Garantie, dass sie mehr Geld einbringen, führt nur dazu, dass noch mehr Geld aus diesem Kreislauf gezogen wird. Also sind die Reichen und Großverdiener einer der größten Wirtschaftskiller. Ausgerechnet die Menschen, denen der rote Teppich immer und immer wieder ausgerollt wird und die jeden Vorzug von der Gesellschaft erhalten, damit sie sich auch weiterhin pudelwohl fühlen. Nicht nur Gerard Depardieu, der sich inzwischen zum berühmtesten Steuerflüchtling der Welt entwickelt hat und auch gerne den Pakt mit Teufel Putin eingeht, um keine hohen Steuern zu zahlen, bekommt den Vorzug, wenn er ihn braucht. Was bei ihm für große Empörung sorgt, ist doch jeden Tag für viele Superreiche normal und nicht einmal eine Zeile in einer Zeitung wert.

Die Reichen sind bei Weitem nicht die einzigen Wirtschaftskiller in der globalisierten Welt, doch sie tragen einen großen Beitrag zur Wirtschaftskrise, wie wir sie kennen, bei. Hollande scheiterte vor dem höchsten Gericht in Frankreich mit seinem Vorhaben und muss nun seinen Gesetzesentwurf möglichst schnell überarbeiten, da er auch unter großem Druck steht, seine Wahlversprechen endlich zu erfüllen. Nun haben aber auch andere Länder (auch Deutschland!) ein gewaltiges Problem damit, die Reichen zur Kasse zu bitten. Es gibt einfach zu viele Schlupfwinkel für Reiche, die ungewollte Geldabgabe zu vermeiden: wenn ein Land die Reichensteuer erhöht, machen sie einfach den Depardieu und ziehen in ein anderes Land um (im Übrigen taten sie dies auch schon vorher, also hat Gerard nicht wirklich Vorbildfunktion!). Die Einsicht muss in den Reichen wachsen, dass Investitionen auch auf der Basis des Risikos funktionieren müssen. Es ist wichtig, dass die Superreichen auch mal Geld verlieren (es muss ja nicht gleich alles sein!), damit das Geld wieder in die Weltwirtschaft einfließen kann, damit andre Menschen auch mal wieder eine Chance bekommen. Es wäre doch einfach mal "nett", wenn die restlichen 99% zumindest den Traum einer Chance bekämen. Wir brauchen nicht nur Utopie in unserer Existenz, sondern auch Träume, die sich mal erfüllen können.

In Deutschland wird sich nun in diesem Jahr zeigen, wohin wir mit unseren Reichen und der Arschkriecherei in Richtung selbiger weitergehen wird. Der Wahlkampf läuft bereits jetzt auf Hochtouren und ist doch schon mehr als gelaufen (allein Steinbrück hat mit seinen Äußerungen dafür gesorgt, doch das soll Thema eines anderen Beitrages sein!). Hoffnungen bleiben damit auch hier, dass sich im finanziellen Ungleichgewicht irgendwann doch mal etwas ändern wird. Man darf gespannt abwarten und Tee trinken - oder nach dem Motto leben: "Man wird ja wohl von der Veränderung noch träumen dürfen!"

Was mir bleibt, ist allen Lesern ein schönes Wochenende zu wünschen und sie bis zum nächsten Blogeintrag zu vertrösten. Die "Wirtschaftskiller/Körperfresser"-Serie geht auf jeden Fall weiter!

LG Gene :-)

Sonntag, 30. Dezember 2012

(Untitled) - Eine Hommage ohne Namen

Ich gebe zu, ich hätte auch schon früher wieder einen Blogeintrag schreiben können. Fakt ist, ich hatte einen Eintrag angefangen, doch dieser wird wohl ewig im Archiv Staub fangen. Es war zu wenig Zeit, dann erschien mir alles zu banal, irgendwann war es einfach beides zusammen. Weihnachten kam dann auch noch um die Ecke und fertig ist ein Blogeintrag, der wohl nie fertig wird.

Nun, ich hätte nicht gedacht, dass ich doch noch einen Eintrag in diesem Jahr verfassen würde und es tut mir wahnsinnig leid, dass ich in diesem Jahr meine Einträge so habe schleifen lassen (immerhin hatte ich im letzten Jahr eine Sommerlochserie und eine Vorweihnachtsserie verfasst!). Allerdings: wenn man keine Zeit hat, hat man keine Zeit. Unumstößliche Tatsachen lassen sich einfach nicht schön reden. Ich kann nicht einmal versprechen, dass es besser wird. Was bleibt, ist die Hoffnung, die stirbt zuletzt. Nun, wenn man es aber sehr pessimistisch sehen will, stirbt sogar sie.

Es brauchte für mich einen Grund, einen neuen Eintrag zu schreiben, einen anderen als nur etwas zu schreiben und die Zeilen mit Buchstaben und Wörtern zu füllen. Eine knappe Woche lang habe ich überlegt, was ich zu diesem Thema schreiben könnte, was mich so bewegt hat, aber ich fand (und finde eigentlich immer noch) nicht die richtigen Worte.

Die indische Kultur ist mir nicht fremd und das nicht nur, weil ich indische Filme gucke. Wahrscheinlich gehöre ich zum Kreis jener, die nicht nur die Glitzerwelt von Bollywood sehen, wenn sie an Indien denken, sondern hinter die Fassade blicken können, wenn auch nur aus der Ferne. Viele Dinge habe ich bereits erlebt und gesehen, was dieses Land betrifft und nein, nicht alles war schön. Kinderarbeit, Kinderprostitution, Bandenkriminalität in Großstädten wie Mumbai, Religionskonflikte mit blutigen Hetzjagden zwischen Hindus und Moslems oder auch Hindus, die Christen verfolgen, teilweise sogar töten. Es ist nicht einfach, über Indien zu schreiben und mich verbindet fast schon eine Hassliebe zu diesem Land. Einerseits gibt es viele schöne Seiten in Indien (nein, nicht nur Bollywood!), eine faszinierende Kultur, tolle Bräuche und wahnsinnig viele Facetten in diesem Land. Andererseits geschehen in diesem Land viele Dinge, die einen fassungslos machen, wenn man sie aus der Ferne betrachtet. Ein Land, dass als die "größte Demokratie der Welt" gilt (gemessen an der Einwohnerzahl), das aber weit davon entfernt ist, eine wirkliche Demokratie zu sein. Zu sehr wird in Indien immer noch nach dem Kastensystem speziell in ländlichen Gebieten gelebt, zuviel Gewicht besitzt das Geld, das jemand hat (oder eben nicht hat) und es gibt bei weitem viel zuviel Korruption in Indien. Man kann dort quasi alles bezahlen, jeden kaufen, wenn man nur gewillt ist, genug Geld hinzublättern. Zumindest scheint es so.

Lichtblicke gibt es nur selten in diesem Land. Sehr selten gibt es Menschen, die gegen die Korruption kämpfen, oder die Kinderarbeit in Indien oder Menschen, die sich gegen die unterwürfige Stellung der Frauen zur Wehr setzen. Seit Jahren wird darum gekämpft, dass indische Mädchen z.B. nicht den Gifttod sterben müssen, weil es in ländlichen Gebieten, wo die Menschen arm sind, immer noch eine Schande oder der finanzielle Ruin ist, ein Mädchen zu bekommen.

Allgemein jedoch ist die Frau als Wesen in Indien immer noch so gefährdet wie in alten Zeiten. Modernes Leben? Es ist in Indien möglich, aber dort haben es Frauen (im Gegensatz zu westlichen Ländern) sehr schwer, wirklich anerkannt zu sein und nicht als Objekt betrachtet zu werden. Für westliche Verhältnisse sind die Maßstäbe in Indien schwer zu verstehen, die unterwürfige Rolle der Frau ist für deutsche Frauen meist schwer nachzuvollziehen. Trotzdem nimmt man es hin, es ist eine andere Kultur, andere Wertvorstellungen und wenn die Frauen damit zufrieden sind, die starke Hausfrau zu spielen, die in erster Linie die Kinder erzieht und traditionell mit ihren Schwiegereltern zusammenlebt und der eigenen Familie den Rücken kehrt, dann sei es so.

Der Fall, der in der letzten Woche auch hier Schlagzeilen machte, hat jedoch alles verändert. Persönlich verspüre ich immer noch Ekel, wenn ich an die Tat, die beschrieben wurde, denke: eine junge 23jährige Studentin, von 6 Männern in einem Bus vergewaltigt, mit einer Eisenstange verprügelt und anschließend aus dem fahrenden Bus geworfen wie ein Stück Abfall. Es ist wohl egal, wo sich dieser Fall ereignet hätte, er hätte überall für einen Schockzustand und absolute Fassungslosigkeit gesorgt. Fatal ist an diesem Fall wohl nur, dass er so in einem westlichen Land kaum möglich gewesen wäre. Vielleicht wage ich mich mit dieser Theorie weit aus dem Fenster, aber ich glaube kaum, dass sich so ein Fall in Deutschland oder den USA hätte ereignen können... zumindest noch nicht! Wer weiß schließlich, was in 10 oder 20 Jahren zur täglichen Lebensart gehören wird. Vor 20 Jahren wäre es in Deutschland wohl auch kaum denkbar gewesen, dass Jugendliche in Gruppen sturzbetrunken in U-Bahnen Passanten aus Lust an der Freude zusammenschlagen. Damals war so etwas kaum vorstellbar - heute ist es nicht trauriger Alltag, aber gehört in die Kategorie des Möglichen, der Dinge, die passieren können.

Egal, ob solch eine Tat einer Massenvergewaltigung im öffentlichen Raum in Deutschland irgendwann auch mal möglich sein wird, es hat mich zutiefst betroffen und wütend gemacht, was dort dieser jungen Frau geschehen ist, die gestern schließlich nach fast 2wöchigem Kampf ihren Verletzungen erlegen ist. Es stellt sich mir nicht mehr die Frage nach dem "Warum?", denn für solch eine Tat gibt es kein Warum, es gibt keine Begründung, dass sechs Männer, die körperlich schon allein wohl überlegen wären aber in einer Gruppe nicht zu schlagen sind, sich einer einzelnen Frau bemächtigen, Freude daran empfinden, sie körperlich zu schänden und dann noch die Aggression zu besitzen, sie so zu schlagen, dass sie schwerste Verletzungen davonträgt. Viele Dinge habe ich schon in den Nachrichten gesehen oder gelesen, es gibt kaum eine Perversion, von der ich noch nicht gehört habe (was nicht heißt, dass ich sie als "normal" empfinde!), sogar das Phänomen "Massenvergewaltigung" dürfte jedem, der sich mit Kriegsgeschichte auseinandersetzt, nicht unbekannt sein; doch so schrecklich diese Ereignisse auch waren und wie sehr man auch in diesen Fällen mit dem Kopf geschüttelt hat, diese Vorfälle ereigneten sich in Kriegssituationen. Das macht die Sache keineswegs besser, aber der Krieg scheint allgemein in allen Menschen einen Schalter umzulegen, sodass nichts mehr so ist, wie es vorher war, eine Art Blackout-Situation, zumindest aber fallen Hemmungen, die vorher nicht da waren.

Dieser Fall ist allerdings anders, er geschah in einer sogenannten "Zivilgesellschaft", keinem Kriegsszenario und es gibt wirklich keinen, aber auch gar keinen rationalen Grund für diese Art außer dem einen: dem absoluten Hass der Frau an sich gegenüber! Männer, die Frauen so tief hassen, dass sie sie nur noch demütigen, schänden und schädigen wollen. Man stößt an seine Grenzen, wenn man sich die Tat ansatzweise vor Augen zu führen versucht, selbst im Hinblick auf Pädophilie oder ähnlich gruselige Perversionen.

Traurig ist, dass dieser Fall hier in Deutschland und weltweit nur Schlagzeilen gemacht hat, weil Tausende Demonstranten mehrfach (auch gewalttätig) demonstriert haben für härtere Strafen bei Vergewaltigung für die Täter und mehr Schutz für die Frauen. Ganz ehrlich: wir hätten wahrscheinlich nie von der Massenvergewaltigung erfahren und auch nicht, dass alle 20 Minuten in Indien eine Frau vergewaltigt wird, wenn die Menschen (speziell der Mittelschicht und viele Studenten) auf die Straße gegangen wären und aktiv gegen dieses Unrecht demonstriert hätten, zuerst in der Hoffnung auf die baldige Gesundung des Opfers, nun in tiefer Trauer wegen ihrem Tod. Es ist gut, dass die Regierung und der Rechtsstaat in Indien nun gefordert sind, neue Lösungen für dieses Problem zu finden, mehr zu tun, als nur das Problem unter den Teppich zu kehren. Wie gerne kehrt speziell der indische Rechtsstaat Ungerechtigkeiten unter den Teppich und wie oft werden Täter, wenn sie nur das nötige Kleingeld haben, einfach freigesprochen.

Ich gebe zu, ich bin ein erklärter Gegner der Todesstrafe und finde es barbarisch, Menschen wegen eines Verbrechen hinzurichten. Seit der letzten Woche ist meine Meinung allerdings ins Wanken geraten. Nicht nur die Demonstranten in Neu Delhi fordern für die 6 Täter die Todesstrafe, auch ich frage mich inzwischen, ob das nicht die einzig richtige, klare Botschaft ist. Nicht wegen dem Fall an sich, sondern wegen dem Problem, dass in diesem Land vorherrscht. Alle 20 Minuten wird eine Frau in Indien vergewaltigt, es gilt dort als Kavaliersdelikt, in etwa wie Falschparken in Deutschland. Dabei sind die Folgen für die Frauen in Indien weitaus schlimmer als in Deutschland: dort sind die Frauen derart geschändet, dass sie sich oft das Leben nehmen - oder einer ihrer nahen Verwandten (oft der Vater oder die Mutter) nehmen sich das Leben. Eine Frau, die vergewaltigt wurde, gilt als unrein in Indien, ob die Vergewaltigung nun ihre Schuld war oder nicht. In Indien war sie immer ihre Schuld, das Endresultat ist nunmal eine Frau, die keine Jungfrau mehr ist und somit kaum einen Mann findet, der sie heiratet. Und ja, in Indien ist es nunmal viel wichtiger für eine Frau, geheiratet zu werden, als hier in Deutschland!

Es muss sich etwas ändern in Indien und ich hoffe, dass dieser Fall in dieser Zeit genau diese Änderung herbeiführt. Die Männer in Indien müssen sehen, dass eine Frau den gleichen Wert hat wie ein Mann, dass sie kein Stück Dreck ist, dem man sich einfach ermächtigen und das man dann wegwerfen kann. Wenn es dafür die Todesstrafe für solch eine barbarische Tat bedarf, damit der Rest des Landes zu Verstand kommt, so muss es wohl sein. Allerdings hoffe ich inständig, dass damit das Thema an sich wieder unter den Teppich gekehrt wird und anschließend so verfahren wird wie zuvor. Diese Massenvergewaltigung war nicht die erste in Indien, es wird auch nicht die letzte sein, wenn sich an den Gesetzen dort nichts ändert! Genau dieser Umstand sollte der Regierung dort einmal mehr zu denken geben, gerade, wenn sie sich damit brüstet, zu solch einer wirtschaftsstarken, großen Demokratie zu gehören.

 Das Ende dieses Jahres ist damit wohl sehr unrühmlich zu Ende gegangen. Natürlich könnte ich jetzt einen Jahresrückblick veranstalten, wie es gerade sämtliche Fernsehsender tun, aber es gibt für mich nichts zu erzählen, was nicht schon erzählt wurde und den gleichen Mist wieder und wieder zu erzählen, finde ich furchtbar langweilig.

Deswegen habe ich mich entschlossen, dieses Thema zum Ende des Jahres für sich stehen zu lassen in der Hoffnung, dass auch hier in Deutschland für das Thema Vergewaltigung nachgedacht wird. Nein, Vergewaltigung heißt nicht nur "Jörg Kachelmann" und falsche Beschuldigungen einer Ex-Freundin. Jeden Tag werden unzählig viele Frauen vergewaltigt und das mit schlimmen seelischen und teilweise körperlichen Folgen für die Frauen. Wir befinden uns angeblich in ein paar Stunden im Jahr 2013, trotzdem sind wir bei weitem nicht so modern, wie wir uns das alle vorgestellt haben. Die utopischen Visionen von Filmen wie "2020" sind immer noch in weiter Ferne und egal, wie technisch ausgerüstet wir sind, es fehlt uns immer mehr am Respekt füreinander. Auch eine Vergewaltigung ist ein Symbol für Disrespekt am Gegenüber. Körperliche und seelische Gewalt allgemein ist der Ausdruck für das Nichtvorhandensein von Respekt einem anderen Menschen gegenüber. Sage ich, dass wir in einer gewaltfreien Welt leben sollten? Ich glaube nicht, dass es möglich ist, aber der tägliche Versuch wäre eine Anstrengung, die sich für uns alle lohnen würde. Ein friedfertigeres Leben miteinander wäre profitabler für alle Menschen... aber profitabler für alle hieße ja, dass alle Menschen erfolgreich wären. Das wiederum wäre wahnsinnig vielen Menschen ein Dorn im Auge.

Zum Schluss wünsche ich den Demonstranten in Indien genug Durchhaltevermögen, damit sich wirklich etwas ändert und die Regierung handeln muss, die sonst so gerne vor sich hinzuschnarchen scheint.

Ansonsten wünsche ich allen Lesern dieses Blogs (egal, wie wenig es nun sein mögen) einen guten Rutsch in das neue Jahr 2013. Einen guten Vorsatz für das neue Jahr wie "Werde mehr Blogeinträge schreiben!" werde ich jetzt nicht liefern, es geht schließlich auch um die Klasse eines jeden Eintrages. Wenn es sich einrichten lässt, werde ich in nächster Zeit aber gerne wieder mehr von mir hören lassen. ;-)

LG Gene :-)

Mittwoch, 7. November 2012

Lieber Barack...

Erst einmal möchte ich dir heute morgen, etwa 2 Stunden nachdem du die gute Nachricht erhalten hast, zu deinem Sieg gratulieren. Er ist wohlverdient und die wohl einzig richtige Entscheidung für die gottgesegneten Vereinigten Staaten von Amerika. Unter uns: Mitt Romney und Paul Ryan wären einem vierjährigen Sturm "Sandy" gleichgekommen! Ausgerechnet "Sandy" war wohl auch (wenn auch nur zu einem geringen Anteil) deine ganz persönliche Wahlhelferin: selten hat ein Sturm an der Ostküste solch einen Schaden angerichtet und du hast wahre Größe bewiesen, indem du dich (wie es sich für einen guten Staatsmann gehört!) um die Opfer und die Geschädigten gekümmert, du hast umarmt, Trost gespendet und warst allein deswegen der Einzige, der die USA in den nächsten vier Jahren leiten soll.

Es steht dir einiges bevor, nicht nur innenpolitisch, immerhin sind die USA (und das hat diese Wahl gezeigt) mehr gespalten als je zuvor. Ein denkbar knappes Wahlergebnis wurde prognostiziert... so knapp ist es dann doch nicht geworden, wohl allein schon wegen der Schicht der Ärmsten in den USA. Obwohl du in den letzten vier Jahren nicht genug getan hast, um mehr Wohlstand in diese Schicht zu bringen. Im Ende spielte diese Schicht (gerade auch die Latinos) eine große Rolle bei dieser Wahl, auch wenn ihre Stimmen im Wahlkampf fast stumm waren im Gegensatz zu dem 1% Oberschicht, die plärrten und nach Veränderung durch Romney schrieen. Mit Schrecken dachte die ganze Welt bereits darüber nach, was wohl geschehen würde, wenn Romney wirklich ins Weiße Haus eingezogen wäre. Die Beziehungen zu Russland hätten sich wohl drastisch verschlechtert, die Konflikte im Nahen Osten wären mit Sicherheit außer Kontrolle geraten und der Iran, ja, der Iran... wahrscheinlich hätte Romney direkt seinen ersten Krieg begonnen Anfang 2013. Wirst du es besser machen? Man weiß es nicht, keiner kann jetzt wissen, wie schwierig die politischen Situationen in den nächsten vier Jahren werden. Eins kann man aber mit Sicherheit sagen: dein Auftreten ist im Gegensatz zu Romneys staatsmännischer, international sicherer und damit für die internationalen Beziehungen weitaus positiver als dein republikanischer Gegner.

Trotzdem: es wird wohl ein hartes Stück Arbeit vor dir stehen, national, international und darüber hinaus (bis zur nächsten Milchstraße im schlimmsten Fall!). Die USA, dein Land, ist politisch gespalten, zum großen Teil enttäuscht von deiner ersten Amtszeit. Ich bin davon überzeugt, Romney hätte für eine weitaus tiefere Spaltung gesorgt. Nun liegt es an dir, der Friedensstifter zu sein, für den du immer gehalten wirst. Zeig deinem Land und der ganzen Welt, dass du in der Lage bist, alle dazu zu bringen, an einem Strang zu ziehen, Republikaner, Demokraten, sogar Tea-Party Anhänger. Ich denke, es ist möglich, denn du hast das Charisma, das Wissen und die Führungsstärke, die Leute zu vereinen statt zu spalten. Die einzige Bedingung für vier erfolgreiche Jahre ist wohl nur mehr Tun statt Reden, mehr Tatendrang statt schöner Reden vor TV Kameras. Das wird wohl nicht leicht sein, denn Politiker sind schöne Reden gewohnt, die Taten regeln sich meistens fast im Alleingang. Leider leben wir aber inzwischen in Zeiten von einer drohenden Weltwirtschaftskrise (und nein, noch sind wir nicht drin, nicht einmal ansatzweise!) und wir müssen mehr tun, als nur schön zu reden, um die Welt zu verändern und zum Positiven zu wenden.

Ich bin mir sicher, was du dir vornimmst, wird dir gelingen. Die Menschen stehen hinter dir, das hat diese Wahlnacht gezeigt, die Menschen hoffen auch noch, dass du in der Lage bist, die Welt (speziell die amerikanische!) ein Stückchen besser zu machen. Es liegt nun an dir, etwas daraus zu machen, genug Zeit hast du ja. Vier Jahre können eine verdammt lange Zeit sein... zumindest, wenn man sie ungenutzt verstreichen lässt!

Von den Beziehungen zwischen den USA und Deutschland verspreche ich mir im Übrigen nichts ... oder sagen wir besser, keine Veränderung wäre schön. Es wäre gut, wenn alles so bleibt, wie es ist. Und dabei sollte es egal sein, ob Mutti Merkel noch einmal gewählt wird im nächsten Jahr, oder ob du mit Papa Peer Steinbrück einen neuen Verhandlungspartner bekommst. In jedem Fall wird es wichtig sein, die Beziehungen stabil zu halten, gerade bei den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denen wir gegenüberstehen. Eine enge Zusammenarbeit im Zeichen der Demokratie soll den Menschen neuer, junger Demokratien zeigen, wie wichtig es ist, in einem Staat zu leben, der vom Volk gewählt wird statt einer autoritären Regierung, die sich durch Putschversuche und Korruption, Gewalt und Tod verdient macht.

Eine Bitte habe ich dann doch noch: ich weiß, du bist ein Showman, hast Musik im Blut, weißt, wie man Stimmung macht. Das Leben (könnte man meinen!) ist für dich und deine Familie eine einzige Party. Was eine schöne Sache ist, wenn es zur richtigen Zeit kommt. Auch deine Frau Michelle kann einfach wunderbar menschennah handeln und ist wohl eine der besten First Ladies, die das Land je gesehen hat. Ein kleines "aber" muss ich dann aber doch einfügen: wäre es möglich, dass ihr nicht in jeder Talkshow auftretet und stattdessen mehr aktiv für euer Volk arbeitet? Die Menschen der Unterschicht in den USA können so wenig mit einem Talkshowauftritt bei "Ellen" anfangen, auch wenn solch ein öffentlicher Auftritt mehr Menschen für den ersten Moment erreichen mag. PR ist wichtig, das höre ich immer wieder, ich erlebe es auch immer wieder - allerdings: ich bin kein "Believer" von PR, ich finde nicht, dass die Menschen immer Werbung machen müssen, damit sie in einem guten Licht stehen. Es kann ab und zu hilfreich sein, ich sehe auch ein, dass in einem Wahlkampf viel Werbung gemacht werden muss; wer Präsident werden will, muss sich selbst den Heiligenschein anbringen, um die Massen anzuziehen. Wenn man dann aber gewählt ist, geht es um die Arbeit, das gilt auch für die First Lady. Ein wenig PR schadet nie, aber zuviel führt dazu, dass man sich nicht mehr um seine eigentlichen Aufgaben kümmern kann (der Tag hat immerhin nur 24 Stunden). Mit anderen Worten: den Worten Taten folgen lassen statt weiterer Worte in noch mehr Talkshows. Das wäre die einzige Bitte, die ich an dich und deine Frau habe.

In diesem Sinne, noch einmal einen herzlichen Glückwunsch an dich und an alle Bürger der USA, auch wenn sie gegen dich sind. Sie werden irgendwann sehen, dass diese Wahl die einzig richtige war... zumindest aus heutiger Sicht.

LG Gene :-)

Montag, 29. Oktober 2012

The World Wrestling Federation presents: Obama vs. Romney oder: Die Entscheidung zwischen "schlimm" oder "schlimmer"?

Der "heiße Herbst" kommt in seine nächste Phase, während die Menschen in Deutschland sich noch über ein paar "goldene Tage" im Oktober freuen. Es stehen große Ereignisse an, nicht direkt in Deutschland (auch wenn man das angesichts der Aufmerksamkeit meinen könnte!), sondern in den USA. Der Präsident der Vereinigten Staaten wird wieder einmal gewählt: nach vier Jahren Barack Obama, dem "Messias", dem "Wunderkind für die amerikanische Politik", wird sich nun entscheiden, ob Mr Obama die "mächtigste Nation der Welt" noch weitere vier Jahre regieren darf oder ob er in den "politischen Ruhestand" geschickt wird. Die Republikaner würden am Liebsten zweiteres Szenario erleben und haben mit Mitt Romney den wohl einzigen Kandidaten ins Rennen geschickt, der es schafft, mehr Unentschiedene im Wahlkampf auf seine Seite zu ziehen.

Wer den amerikanischen Wahlkampf verstehen möchte, muss sich die Struktur des letzten halben Jahres vor dem Wahltag anschauen: die Show, die endlosen Wahlkampfreisen, die Volontäre, die von Tür zu Tür laufen und jeden virtuellen und real existierenden Briefkasten zuspammen... all diese Elemente beherrschen die Amerikaner mit einer solchen Perfektion, dass sie als Vorbild für Wahlkämpfe auf der ganzen Welt gelten. Nirgends wird so eine große Show gemacht, als in den United States of (God bless) America und in keinem demokratischen Land der Welt scheint die Bevölkerung offener für Märchenonkel zu sein als im Land des "Stars & Stripes-Banner". Die Show macht den Präsidenten ist die entscheidende Parole: wer nicht mit Überzeugung und Charisma den Wähler anlügt, wird die Wahl im Jobrennen des "mächtigsten Mannes der Welt" nicht gewinnen. Gerade das macht jedes Mal aufs Neue den Wettkampf ums Weiße Haus so spannend.

Vielleicht ist auch dies der Grund für das breite Interesse aus Deutschland an den Wahlen in den Vereinigten Staaten: man weiß nie, wer gewinnen wird, egal wie die Umfragen aussehen, es gibt nichts Unberechenbareres als den amerikanischen Wähler. Es gibt wohl kaum eine Wählerschaft auf diesem Planeten, die kurzfristiger und mit mehr Gefühlsleben ihr Kreuzchen setzt. Die Amerikaner wählen somit ihren Präsidenten, den wichtigsten Mann in der Weltpolitik, aus dem Bauch heraus. Was für eine gute Idee, vor allem, wenn man bedenkt, wie abhängig nicht nur knapp 380 Millionen Einwohner der Vereinigten Staaten, sondern auch die ganze Welt von dieser Entscheidung ist. Wichtiger als die innerpolitischen Entscheidungen in den USA sind immer noch die außenpolitischen, der Präsident entscheidet über das Schicksal ganzer Nationen, wenn er den Kriegsbefehl gibt oder interveniert. Der umgekehrte Fall gilt natürlich genauso, wie wir gerade in Syrien miterleben dürfen.

Vier Jahre Obama, was haben sie gebracht? Ende 2008, als der Hype um den ersten schwarzen Präsidentschaftskandidaten am Größten war gab es niemanden, der ihm hätte gefährlich werden können. Die "Yes we can"-Welle schwappte über den Atlantik einmal um die ganze Welt. Menschen in aller Welt trugen T-Shirts mit dem Konterfei des jetzigen US-Präsidenten, es gab sogar Wahlpartys in der Wahlnacht in deutschen Großstädten! Groß war die Euphorie um Obama, viele Hoffnungen rankten sich um ihn und seine Vision einer besseren Welt. Man hätte sogar denken können, Martin Luther King sei endlich wiederauferstanden. Endlich gibt es einen Mann, der die Probleme der Menschen versteht, die Schwachen versteht und unterstützt, sie sogar rettet. Super-Obama fehlte nur noch das passende Cape statt des Designeranzuges und die Illusion eines neuen Superhelden wäre perfekt gewesen. Zur gleichen Zeit wurde dem Newcomer und Popstar der schönen, neuen Politik sogar der Friedensnobelpreis verliehen. Was damals schon unter Kritikern als "Witz" galt, sollte sich aus heutiger Sicht leider bestätigen.

Die Amtsperiode Obamas war von vielen Höhen und Tiefen geprägt. So hatte man vor allem in den ersten zwei Jahren den Eindruck, Obama sei zu untätig umgegangen mit dem politischen Vorteil, die demokratische Mehrheit auch im Repräsentantenhaus zu besitzen. Viele Gesetze, die Obama durchsetzen wollte, scheiterten auch durch innerparteiliche Streitigkeiten und Unstimmigkeiten. Besonders groß war in der ersten Zeit vor allem die Enttäuschung über das gebrochene Versprechen, das Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base des amerikanischen US-Stützpunktes auf der Insel Kuba zu schließen. Immerhin war dies ein großes, den Wahlkampf dominierendes Versprechen Obamas. Im Ende sollte auch dieses Versprechen sich mehr oder weniger in Wohlgefallen auflösen, auch wenn Obama im Jahr 2009 die Schließung des Gefangenenlagers beschlossen hatte.

Nicht nur dort allerdings ist Obama gescheitert. Ein weiteres, die gesamte Amtsperiode beeinflussendes Thema war die Krankenversicherung für alle. Bereits Bill und Hillary Clinton waren in ihrer Amtszeit gescheitert, ein einheitliches System auch für die Schwachen der Gesellschaft durchzusetzen. Die Situation wurde vor allem im Jahr 2010 nach den Repräsentantenwahlen deutlich schwerer, denn von diesem Zeitpunkt ab hatten die Republikaner die Mehrheit gemeinsam mit der radikaleren Tea Party und versuchten nach Kräften, die Pläne Obamas zu durchkreuzen. Obama hatte trotzdem einen großen Erfolg, das Gesetz zum Gesundheitswesen wurde nach mehrfachen Korrekturen doch durchgesetzt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang nur, ob die einheitliche "health care" der unteren Sozialschicht wirklich hilft, denn mehr oder weniger verpflichtet das Gesetz die Menschen, eine Krankenversicherung abzuschließen. Diese Lösung hilft den Menschen, die Geringverdiener sind, allerdings so gut wie gar nichts. Die Befürchtungen gingen sogar so weit, dass sie sich um ihre Existenz sorgten für den Fall, dass sie zu einer Krankenversicherung verpflichtet würden.

Doch wie in allen Dingen im Leben, ist Obama auch nicht nur ein Beispiel für die reine Enttäuschung. Immerhin hat Obama viel erreicht, im Vordergrund steht vor allem die Eliminierung von Osama bin Laden im Jahr 2011. Bin Laden galt als "Stachel im Fleisch" der USA, der Mann, der für die Anschläge des 11. September hauptverantwortlich war. Die Republikaner werden wohl für immer einen Groll in sich tragen, dass Obama in einer Amtszeit geschafft hat, was George W. Bush jr. in 8 Jahren nicht gelang. Nichts desto trotz, in all den Jahren, in denen es um die Ergreifung bin Ladens ging, gab es keine tiefen Gräben zwischen den Demokraten und den Republikanern. Anders sah das Ganze bei den Anschlägen in Libyen auf die US-Botschaft aus, bei der drei Menschen starben und die eine Welle von weiteren Anschlägen durch Extremisten auslöste. In diesen Tagen im September hat sich vor allem Mitt Romney einige Blessuren zugezogen, indem er direkt gegen Obama und die demokratische Regierung schoss, wenngleich es für das gesamte amerikanische Volk eindeutig ist, dass in solch schwierigen Krisen vor allem der Zusammenhalt gilt, sogar über parteiliche Grenzen hinaus.

Es war spätestens in dieser Situation klar, dass der Wahlkampf in den USA auf Hochtouren lief, weit vor dem ersten Fernsehduell zwischen Romney und Obama. Und es war klar, dass dieser Wahlkampf dreckiger und heftiger als viele andere Wahlkämpfe werden würde, denn die Republikaner wollen das Ruder wieder übernehmen. Nach acht Jahren Bush und einer republikanischen Machtunterbrechung durch Obama für vier Jahre meinen die Konservativen des Landes, es wäre wieder Zeit für die Allheilbringung durch die Republikaner. Doch den Republikanern stehen seit 2010 schwere Zeiten bevor, denn die radikale Tea-Party hat immer mehr Anhänger dazugewonnen. Die Gründe für den Ansturm bei einer absoluten schwachsinnigen Partei sind vielfältig, vor allem aber empfanden die Menschen die konservative republikanische Partei einfach nicht mehr als konservativ genug. Mit einem Mal wollten die Menschen mehr Konservatismus, mehr reaktionäre Strukturen als die Republikaner als weltoffen oder gar liberal zu sehen. Soziale Strukturen? Wer in einer amerikanischen Partei das Wort "sozial" überhaupt in den Mund oder gar in das Parteiprogramm aufnimmt, ist für den konservativen Flügel längst im Kommunismus angekommen. Sozial = linksextrem? Europa weiß, dass es zwischen diesen Extremen auch Farbschattierungen gibt und nicht nur Schwarz oder Weiß.

Wenn die Amerikaner eins genauso gut, vielleicht sogar besser beherrschen als die Chinesen (und die sind bereits Spitze darin), dann ist es die Polemik und die Übertreibung. Etwas, was gar nicht so extrem in eine bestimmte Richtung gehört, wird durch Wahlkampfreden oder diffamierende Wahlkampfspots so weit in eine extreme Ecke gedrängt, dass es jeder glaubt. Wahlkampfspots und Wahlkampfreden - beide Elemente leben vor allem von der Darstellung oder von dem "Wie verkaufe ich mich am Besten?"-Prinzip. Die Präsidentschaftskandidaten sind am Ende des Tages keine Politiker, die die Welt retten möchten, sie sind Staubsaugervertreter und wollen vor allem eins: ihr Produkt (= sich selbst) verkaufen. Dies gilt sowohl für die Republikaner als auch für die Demokraten, für Romney wie für Obama gleichermaßen.

Welche Entscheidung ist am 6. November nun die Richtige? Die viel quälendere Frage dürfte wohl lauten: gibt es überhaupt eine richtige Entscheidung in Bezug auf die Präsidentschaftswahl? An dieser Erkenntnis krankt wohl die gesamte Wahl: die Unzufriedenheit mit Obamas Leistungen in den letzten vier Jahren hat die Menschen so verunsichert, dass sie nun nicht mehr wissen, was sie überhaupt wählen sollen. Vor allem die Unterschicht gehört bei dieser Wahl zu den Verlierern: schön und gut, wenn sie nicht mit Obama zufrieden sind, doch jeder in der Unterschicht weiß, dass Romney keine Alternative für die Ärmsten der Armen darstellt. Romney steht für das 1% in Amerika, das Prozent der superreichen Bevölkerung in den USA, und die können sich dumm und dämlich freuen, dass bei einer Wahl Romneys die Steuerabgaben für sie wieder kräftig gesenkt werden. Warum? In der Hoffnung, dass die Superreichen mit den gesparten Steuern Arbeitsplätze schaffen. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass dieser Schuss gewaltig nach hinten losgehen wird, denn die Superreichen sind nicht gerade dafür bekannt, Samariter zu sein. Also lautet für sie die Devise: "Geld sparen? Gerne! Geld wieder ausgeben? Nicht so gerne!"

Es steht wohl nur eins fest bei den anstehenden Wahlen: es wird sich entscheiden, ob alles im Mittelmaß schlecht bleibt oder ob es in Zukunft noch schlechter wird. Die Karten stehen im Moment unentschieden, passieren kann eigentlich alles am 6. November. Erschreckender wären nur die Aussichten, wenn der Wechsel hin zu Romney nun wirklich stattfinden würde, gerade mit Ryan als Vizepräsidenten. Dann könnte man sich auf die Abschaffung des mühsam eingeführten health care-Programms einstellen, die Verhärtung der Beziehungen zu Russland (bei denen teilweise sogar schon von einem neuen Kalten Krieg die Rede ist) und das Auseinanderdriften der Schichten Reich und Arm.

Der letzte Akt im amerikanischen Wahlkampf war wohl das dritte TV-Duell zwischen Obama und Romney, in dem es vor allem um die außenpolitische Rolle der USA geht. Gerade die angespannte Situation in Syrien zeigte, wie untätig die einst "mächtigste Nation der Welt" diesem Konflikt gegenübersteht. Einzig Hillary Clinton schien nach Kräften bemüht, überhaupt etwas gegen das Assad-Regime zu unternehmen, auch wenn ihre Bemühungen äußerst schwach waren. Ich persönlich bin in diesem ganzen Krieg in Syrien immer wieder erstaunt, wie wenig die Vereinten Nationen oder die Vereinigten Staaten unternehmen, um das Blutvergießen zu stoppen. Keiner weiß, wie es weitergehen soll, schon gar nicht nach der Wahl, ob Obama mehr tätig wird oder ob Romney überhaupt etwas tun wird bleibt offen. Fest steht nur eins: bei einer Wiederwahl Obamas steht Hillary Clinton, die in den letzten vier Jahren wesentlich für außenpolitisch stabile und wiederaufgebaute Beziehungen zuständig war, nicht mehr zur Verfügung. Damit hat Obama nun ein weiteres Zugpferd seiner Regierung verloren, was seinen Wahlkampf wiederum schwächen dürfte. 

Die Folgen der Präsidentschaftswahl 2012 können nicht im Voraus bestimmt werden, keiner kann sagen, was nun wirklich besser oder schlechter wird, egal wer gewählt wird. Ob Obama nun seine Sache in der zweiten Amtszeit besser machen wird oder Romney den Karren wirklich gegen die Wand fahren wird für den Fall, dass er gewählt wird? Es bleibt alles abzuwarten. Fest steht, solange es keine entscheidenden Reformen gibt, um die sozialen Unterschiede und das "wer nicht gewinnt, hat nun einmal verloren"-Prinzip abzuschaffen, wird sich die Situation in den USA nicht ändern. Damit wird sich auch die Situation in der Eurozone nicht wirklich verbessern, immerhin bleibt die USA der Vorreiter sowohl guter wie auch schlechter Prognosen. Frei nach dem Motto: geht es den Vereinigten Staaten schlecht, geht es uns allen schlecht. Mit allen Konsequenzen.

In diesem Sinne hoffe ich, die Bürger der USA werden die richtige Entscheidung treffen. Sowohl für sich selbst, wie auch für die gesamte Weltbevölkerung. Allen Lesern des Blogs eine schöne Woche und offene Augen für das Geschehen in der Weltgeschichte.

LG Gene :-)

Samstag, 13. Oktober 2012

Love, Peace & Europe? Die EU zum heißen Herbst 2012

Schluss mit lustig, das Sommerloch ist endgültig vorbei, die Ereignisse überschlagen sich mal wieder, weil jeder mitkriegt, weil gerade los ist und nicht im Urlaub vor sich hinbrutzelt (und diejenigen, die es trotzdem tun, sind wahrscheinlich mehr als zu bedauern, immerhin gibt es nichts schöneres, als mitzukriegen, was in dieser verrückten Welt geschieht!).

Die Sommerlochserie ist zugegebenermaßen eher offen geendet, aus Zeitmangel bestand keine Zeit mehr, den Sommer(loch)spielen 2012 eine würdige Abschlussfeier zu bescheren. Sie mögen es mir verzeihen, die Goldmedaillengewinner sind auch so Stolz wie Oskar über ihren "Gewinn". Deswegen wende ich mich in meinem Blog direkt dem heißen, feurigen "Indian Summer" oder dem "nasskalten Hundswetter" zu (was eher auf den deutschen Herbst zutrifft als ersteres!). In dieser Woche gab es denn auch endlich mal wieder für mich einen Grund, überhaupt einen Blogeintrag zu verfassen.

Gestern Mittag war ich verdutzt, fast geschockt und reagierte anschließend nur mit Ungläubigkeit und Kopfschütteln, als ich in den Nachrichten hörte, wer nun in diesem Jahr den "Friedensnobelpreis 2012" gewonnen hat, den wichtigsten der vom schwedischen Chemiker Alfred Nobel gegründeten und gestifteten Preises. Besonders interessant: Nobel legte in seinem Testament fest, dass der Preis "denen zugeteilt werden (soll), die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“ (Quelle: wikipedia). Laut Jury ist dies also in diesem Jahr die EU, die Institution, die vor allem durch die Krisen"bewältigung" um den Euro vorrangig in den Schlagzeilen stand.

Die EU gewinnt also den "Friedens"nobelpreis und das mit der Begründung, dass "die EU über sechs Jahrzehnte entscheidend zur friedlichen Entwicklung in Europa beigetragen habe" (Quelle: Spiegel-online). Diese Begründung kann verlangsamtes und zustimmendes Kopfnicken verursachen... muss aber nicht zwangsläufig! Einleuchtend ist die Begründung schon, die EU und das Bündnis der Mitgliedstaaten steht symbolisch für eine friedliche Einheit, vor allem aber auch für eine wirtschaftliche. Sicher, es soll immer der Frieden und die Demokratie im Vordergrund stehen bei der Symbolfigur Europäische Union, aber seien wir einen kurzen Augenblick mal wieder ehrlich: es geht in erster Linie um wirtschaftliche Interessen beim Bündnis der EU. Und nichts spricht wirklich dagegen, immerhin lebt jedes Individuum in heutigen Zeiten auch in erster Linie für den wirtschaftlichen Aspekt. Überleben heißt das Schlagwort, welches mit Geld und Wirtschaft untrennbar verknüpft ist.

Das Problem an diesem Friedensnobelpreis ist indes auch nicht, dass die EU mehr ein wirtschaftliches denn ein Friedensbündnis ist. Es ist klar, dass wir in der EU friedlich miteinander leben, da die EU aus demokratischen Mitgliedsstaaten besteht. Man bedenke auch, dass die EU einen weiten Weg hatte, um in solch einem starken, demokratischen Bündnis zu stehen, es bedurfte viel Einsichtigkeit und große Schritte musste von Staatsmännern aufeinander zu gemacht werden. Allein die Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg zeigt das: die Verbrüderung von Adenauer und de Gaulle galt damals wie heute als ein großer Schritt in Richtung einer friedlichen Gemeinschaft. Auch hier hat das Komitee des Nobelpreises Recht, wenn sie sagen, dass "heute ein Krieg zwischen Frankreich und Deutschland undenkbar wäre". Wahrscheinlich sind alle EU-Bürger auch sehr dankbar darum, dass ein Krieg wie der 2. Weltkrieg im heutigen Europa nicht denkbar wäre.

Trotzdem habe ich spontan über die Entscheidung, den Preis an die EU zu verleihen, mit Kopfschütteln reagiert. Nach allem, was in den vergangenen zwei Jahren war? Ist die EU wirklich noch eine Gallionsfigur des Friedens, die solch eines Preises würdig ist?

Ja, die Euro-Krise hat keinen Krieg innerhalb Europas ausgelöst. Zumindest keinen Krieg, der Tausende von Menschenleben fordert wie der, der zur Zeit in Syrien stattfindet. Man kann der EU auch nicht wirklich Tatenlosigkeit nachsagen in Sachen Eurokrise. Madame "Non" Merkel hat bewiesen, wie führungsstark und überlegt sie in der Krise eine ganze Gemeinschaft leiten kann. Gut, ich gebe zu, der Satz klingt weit sarkastischer, als ich ihn meine. Es ist wichtig, dass in der Krise, die eine ganze Währung zu zerstören droht, gehandelt wird, vor allem, wenn es bei dieser Währung um eine Gemeinschaftswährung geht und der Großteil eines ganzen Kontinentes wirtschaftlich in Gefahr ist. Allerdings kann man der EU zu Recht vorwerfen, dass sie nicht so stark und sozial gerecht handelt, wie es das Komitee des Nobelpreises ihm gerne unterstellen würde.

Die Euro-Krise hat Opfer gefordert, keine in Blut getränkten Kriegsopfer, die offen auf der Straße liegen, doch sie hat Opfer gefordert. Menschen leiden unter diktatorischen Sparmaßnahmen, blicken in eine heute mehr denn je ungewisse Zukunft und die Pläne zur Bewältigung der Eurokrise führt nur zu Demonstrationen Tausender Menschen auf den Straßen der von der Krise gebeutelten Nationen. Es ist kein Krieg möglich in Europa? Blickt man auf die Aggressionen speziell in Griechenland und das speziell gegenüber Deutschland, könnte man den "Krieg" fast schon wie dampfende Hundekacke in der Luft riechen. Erst in dieser Woche war Bundeskanzlerin Merkel dann auch in Griechenland zu weiteren Gesprächen im Hinblick auf die Krise. Dieser Besuch wurde ungewöhnlich unfreundlich von den Griechen in Empfang genommen: menschenleere Straßen, wo Frau Merkel mit Polizeitrupp und Limousine fuhr, es gab nicht einmal rosa Luftballons für sie. Stattdessen in anderen Teilen Athens groß angelegte Proteste mit Demonstranten, die teilweise in Naziuniform aufmarschierten. Ja, wenn kein anderer Vorwurf gegen die Deutschen geht, dann der bezüglich ihrer Nazivergangenheit. Eine Demonstration, die noch billiger ist als jedes "scripted reality format" im deutschen Fernsehen.

Fakt ist: es brodelt an allen Ecken und Enden in Europa seit der Eurokrise. Griechenland hasst Deutschland, Deutschland ist teils verstimmt mit Frankreich, Spanien und Italien schrauben an Lösungen, die sie selbst mehr schlecht als recht finanzieren können, und alle drängen wiederum Griechenland, endlich ihr finanzielles Problem in den Griff zu kriegen. Einigkeit besteht seit der Eurokrise sowieso nur auf halbgaren Papieren und zusammengeschusterten Plänen zur Lösung des Finanzproblems der EU. Die EU als Friedenssymbol?

In einer Zeit, in der die EU mit einer solch gewaltigen Krise wie der Eurokrise zu kämpfen hat, ist es nicht einmal eine "jetzt erst recht!"-Demonstration, den Preis der Europäischen Union zu verleihen. Der Friedensnobelpreis soll doch (wenn man den Worten Alfred Nobels in seinem Testament folgen soll) demjenigen verliehen werden, der im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen gebracht hat. Im Hinblick auf dieses Zitat ist die EU wohl eher ein halbgarer Preisträger und nicht wirklich der Auszeichnung gewachsen.

Vor allem im Hinblick auf die anderen potenziellen Kandidaten ist diese Preisvergabe eher ein Treppenwitz. Zu den nominierten gehörten nicht nur die üblichen "Staatsmänner-Verdächtigen" wie Helmut Kohl oder Bill Clinton und auch Julija Timoschenko, sondern auch die Vorreiter des "arabischen Frühlings", Blogger und Menschenrechtler waren für den Preis nominiert. Die Spannung war auch bei mir in diesem Jahr groß gewesen und als ich die Entscheidung gehört habe, dachte ich, man hätte auch sonst wem den Preis verleihen können. Eine Auszeichnung an Protestler gegen das russische Regime hätte der Bewegung gegen Putin gut getan, es hätte vor allem ein Statement gegen Putin und seine fast totalitäre Herrschaft gesetzt.

Geht es schlussendlich bei einem Friedensnobelpreis nicht um den Frieden an sich? Wer könnte den Frieden besser vertreten als die, die sich uneigennützig für den Frieden und die Freiheit der Menschen einsetzen? Zugegeben, ein Nominierter wie Bono von U2 ist für mich auch nicht wirklich ein Wunschkandidat für die Auszeichnung. Wenn sich Menschen, die viel Popularität und Geld haben, für Frieden oder Schuldenerlässe von Entwicklungsstaaten einsetzen, ist das zwar lobenswert, aber nicht sonderlich schwer für diese Menschen umzusetzen. Ich schätze Bono's Engagement für Afrika wirklich sehr und finde auch, dass gerade er in der Prominentenwelt eine Bewegung losgetreten hat, sich auch für die Armen der Welt einzusetzen (was in den Jahren davor viel zu sehr in den Hintergrund gedrängt wurde). Aber ein Friedensnobelpreis? Ich sehe immer noch Menschen für diese Auszeichnung, die ihr gesamtes Leben einer Sache widmen, mit Herz und Hirn sich so stark für etwas einsetzen, dass Glanz und Gloria kein Platz mehr haben. Hingabe und sich einer Sache wirklich zu widmen erfordert viel Kraft, da kann man nicht nebenher noch Karriere machen (auch wenn Kristina Schröder das immer zu verkaufen versucht und immer noch strikt gegen eine Frauenquote ist).

Erst heute las ich von der 14jährigen Schülerin Malala Yousufzai aus Pakistan, die in ihrer Heimat von Al-Qaida Terroristen niedergeschossen wurde und nach einer Notoperation immer noch ums Überleben kämpft. Ein Mädchen, dass sich öffentlich für die Rechte von Mädchen eingesetzt hat, in die Schule gehen zu dürfen in einem Land, in dem der Terror der Al Qaida Mädchen sogar verbietet, das Haus zu verlassen. Nein, nicht ganz Pakistan ist von der Al Qaida Seuche befallen, aber ein erschreckend großer Teil und die Terrororganisation tut alles, um das ganze Land in ihre Gewalt zu bringen. Man muss den Mut dieses Mädchens bewundern, ihre Courage, für das Recht auf Schulbildung einzutreten. Ist das nicht viel mehr Wert als eine Organisation wie die EU, die von hochbezahlten Sesselwarmhaltern lebt, die dank großer Gehaltsschecks den "Frieden in Europa" sichern?

Einige Kritiker bemängeln schon seit mehreren Jahren, dass der Friedensnobelpreis an "Schlagkraft" verloren hat, weil einfach die falschen Menschen damit ausgezeichnet werden. So war die Auszeichnung für Barack Obama im Jahr 2008 bereits ein Witz, über den man sich heute noch lustig machen darf. Einen Staatsmann auszuzeichnen vor seinem Amtsantritt waren wohl doch ein paar Vorschusslorbeeren zuviel und bis auf die große Heldentat, in einer gefährlichen Operation Terrorchef Osama bin Laden zu töten, ist nicht viel passiert in der ersten Amtsperiode Obamas, zumindest nicht außenpolitisch oder zur Herstellung des Weltfriedens. So zeigt sich Obama speziell in dem Konflikt um Syrien erschreckend träge und tatenlos. Ein Mann, der als Symbolfigur für den Frieden ausgezeichnet wird, müsste doch viel mehr tun, um das Blutvergießen in dem Kriegsgebiet zu stoppen, oder? Nun, wie schon des Öfteren vorher betont, Obama ist nicht der Messias, für den ihn viele Menschen vor seinem Amtsantritt gehalten haben.

Aber zurück zum EU Friedensnobelpreis. Der Präsident der EU Kommission, José Manuel Barroso, hat nach der Bekanntgabe gesagt, dass es "große Ehre für die gesamte EU und alle 500 Millionen Bürger (ist), mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet zu werden". Hm, also sind nun alle EU Bürger stolz, einen Preis erhalten zu haben, von dem keiner so wirklich was hat. Ja, die Symbolkraft... ist klar! Ich glaube, die EU Bürger sind dieser Tage viel zu sehr mit der Angst um ihre Jobs und ihre Existenz in Zeiten der Euro-Krise beschäftigt, als dass sie Freudensprünge wegen eines gewonnen Friedensnobelpreises machen könnten. Solch ein Preis ist schlussendlich doch mehr für diejenigen, die Zeit haben, diese Ehrung zu genießen und sich im Licht der Lobhuselei zu sonnen. Wie die Politiker in der EU. Vielleicht hatte das Kommitee doch recht, genau diese Organisation auszuzeichnen... immerhin wäre ein Menschenrechtler zu beschäftigt mit der Wahrung des Friedens oder der Umsetzung seiner eigenen Mission, um sich vor Kameras zu aalen oder Statements zu geben, wie sehr er den Preis doch verdient hätte.

Das Einzige, was die Verleihung dieses Jahr bei mir bewirkt hat, ist Enttäuschung. Enttäuschung über das zu weiche Rückgrat des Nobelpreis-Komitees, Enttäuschung über so wenig Mut zu einer erwähnenswerten Entscheidung und Enttäuschung über einen Preisträger, der so furchtbar sinnlos ist, gerade in dieser für die EU so schweren Zeit. Optimisten reden natürlich von dem "Push", den solch ein Preis mit sich bringt, der Motivation, die dieser Preis für die EU in Krisenzeiten haben wird. Bitteschön, ich lasse allen Optimisten und Befürwortern gerne ihr positives Gedankengut und vielleicht führt dieser Preis wirklich zu dem Kick, der die Europäische Gemeinschaft in die richtige Richtung führen wird. Es wäre allen Beteiligten (inklusive 500 Millionen EU Bürger, denn auf die kommt es schlussendlich wirklich an!) zu wünschen!

In diesem Sinne ein schönes Wochenende und bis zum nächsten Blogeintrag.

LG Gene :-)

Sonntag, 23. September 2012

Olympische Sommer(loch)spiele 2012: 3. Golddisziplin: 25 Schuss/s Wettschießen

Die Paralympics 2012 sind am Sonntag mit einer rauschenden Party als Abschlussfeier beendet worden und auch wenn ich Coldplay als musikalischem Act so gar nichts abgewinnen konnte, fand ich die Inszenierung an sich passend und einfach wunderbar anzuschauen. Eins werden die Paralympics in London bewiesen haben: sie gehören nicht mehr zur kleinen Stiefschwester der Olympischen Spiele, sondern haben sich etabliert als ganz eigenes Happening. Wenn das kein Erfolg ist, weiß ich es auch nicht.

Auch das Sommerloch neigt sich langsam aber sicher seinem Ende zu: die Kinder gehen wieder zur Schule, die Arbeitnehmer kehren einigermaßen vollzählig aus ihrem Sommerurlaub zurück. Sogar das Fernsehprogramm ist wieder überfüllt mit Sendungen, die man sich antun kann (und mindestens doppelt so vielen, bei denen man es getrost sein lassen kann!).

In dieser Woche beschäftigt mich (quasi zum Einläuten in den Herbst) der 11. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001. So kryptisch, wie dieser Jahrestag auch anmuten mag, er kennzeichnet sich wohl als "der Jahrestag, an dem die Anschläge schon fast wieder vergessen sind". Erinnert man sich noch an die letzten Jahrestage in den letzten 10 Jahren, so war das Gedenken mit einem riesigen Aufstand, vielen Dokumentationen und Leidensberichten rund um das Ereignis verbunden. In diesem Jahr? Nichts! Es gab Berichte am gestrigen Tag über die Gedenkfeier am Ground Zero, die gleiche Prozedur wie in den anderen Jahren zuvor. Und doch... es verwundert, wie wenig im Fernsehen allgemein über die Anschläge berichtet wurde. Sollen wir die Ereignisse einfach gehen lassen, weil wir weiterleben, weil eben alles irgendwie weiterläuft, egal, was gestern passiert ist?

Das Gedenken für die Opfer des 2. Weltkrieges wird auch fast 70 Jahre danach am Leben gehalten, zumindest wird alles dafür versucht. Sicher, der 2. Weltkrieg hat von der Opferzahl her eine völlig andere Dimension als die der Anschläge vom 11. September, trotzdem galt 9/11 als der größte Schock für die moderne Gesellschaft seit der Jahrtausendwende. In diesem Jahr nun scheint es, dass 9/11 in die Geschichte eingeht und dort vor sich hin schimmelt, zumindest hat der gestrige Gedenktag viel von der Naturgewalt der Vorjahre verloren. Die Menschen scheinen weitergegangen zu sein, vielleicht sind sie gewachsen, vielleicht wird es ihnen aber auch dem Anschein nach mehr und mehr egal, was vor 11 Jahren in New York City geschah.

Andererseits... kann man das Ganze wirklich als Gleichgültigkeit bezeichnen? Ein Mensch ist so lange einer Sache nicht gleichgültig gegenüber, solange er an sie denkt? Wenn das wirklich der Fall wäre, wären wir wahrscheinlich früher oder später allen Dingen gegenüber gleichgültig. Vielleicht sollte man die sinkende Aufmerksamkeit auf den 11. September einfach als Abschluss mit der Sache an sich sehen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt versuchen die Menschen einfach weiterzuleben, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Genau da beginnen die Menschen, die Opfer von Kriegen oder Anschlägen zu vergessen: es kommen neue Menschen auf uns zu, werden in diese Welt hineingeboren und treten damit in unser aller Leben. Es wäre schlichtweg überfordernd für Jedermann, wenn wir uns auf alle Menschen, die waren, sind und sein werden gleichzeitig konzentrieren würden.

Ich gestehe, so wenig ich auch mit dem Hype um die vergangenen Jahrestage der Anschläge von 9/11 anfangen konnte (obwohl ich selbst auch viele ergreifende Dokumentationen zu dem Thema gesehen habe!), so sehr mache ich mir ab einem gewissen Punkt Gedanken um die Konsequenzen, die dieser eine Tag auf die Weltgeschichte hatte: die Kriegseinsätze in Afghanistan, später auch im Irak (alles in die Wege geleitet von George W. Bush) wurden in dem Versuch gestartet, die Länder aus der Diktatur und dem Terror der al-qaida zu befreien. Was ist daraus geworden? Der Demokratieversuch kann in beiden Ländern als durchwachsen bis gescheitert angesehen werden und so sehr sich die Politiker auf dem nationalen und internationalen Parkett bemühen, so viele Soldaten in diesen Ländern auch eingesetzt wurden, die Al-qaida hat immer noch ihre Stärke und demonstriert täglich durch Terroranschläge im kleineren Rahmen ihre Macht.

Die Welt kocht wieder einmal über, vergesst die Anschläge vom 11. September, das von einem radikalen koptischen Christen produzierte Hassvideo gegen Mohammed ist nun Zündstoff für neue Religionskriege. Westliche Botschaften wurden angezündet, es wurde demonstriert und es gab Tote. Allein dadurch zeigt sich schon, wie weit wir von der Vernunft und der Weisheit, die uns allen eigentlich zustehen müsste bei aller Aufklärung und Weltoffenheit, weg sind. Am Ende eines jeden Tages gibt es Konflikte, speziell über die Religion. Nichts entfacht solch ein Lauffeuer wie die Gretchenfrage "Wie hast du's mit der Religion?". Wobei inzwischen nicht mehr nur die Frage ist, was man eigentlich glaubt, sondern, ob man auch das Richtige glaubt. Radikale Moslems meinen, dass nur sie dem richtigen Glauben folgen. Radikale Christen denken genauso, allerdings beanspruchen sie für sich das Allwissen in der Religion und die Richtigkeit ihres Glaubens. Diese Liste kann eigentlich für jede andere Religion weitergeführt werden, denn egal ob Jude, Hindu oder sogar Buddhist: wenn ein Glaube sich in radikale Formen wandelt, ist der Platz für Toleranz in den Herzen ausgelöscht.

Kriege werden heute weitaus weniger wegen der Frage um Gebietsansprüche oder Geld geführt, es geht immer und immer wieder um die Religion. Die Schranken in den Köpfen der Beteiligten werden dabei immer enger und es geht immer öfter um Vernichtung. Ist das die neue Methode, mit der das Übermaß in der Weltbevölkerung reduziert werden soll? War der 11. September 2001 eigentlich nur der Anfang der Neuzeit in der Vernichtung ganzer Menschengruppen?

Die Rassen- oder Religionstrennung ist in der Geschichte fest verankert und auch in den Köpfen der meisten aufgeklärten Menschen immer noch präsent, aber haben wir daraus überhaupt etwas gelernt? Man darf seine Zweifel haben, die Weltreligionen arbeiten noch lange nicht zusammen und schließen sich zu einem friedlichen Nebeneinander zusammen, stattdessen geht es immer und immer wieder um die Frage "Wer hat nun mehr Recht?". Wenngleich: dieses Problem besteht nicht ausschließlich in der Religion, im weltlichen Gegenstück, der Politik, geht es ähnlich zu. Gerade darf die Welt im Höhepunkt des amerikanischen Wahlkampfes dabei zusehen, wie die Spitzenkandidaten Obama und Romney sich gegenseitig die Schuld am Elend in der Welt geben, wobei Romney weitaus aggressiver gegen Obama vorgeht als umgekehrt und sich dabei schon längst in das eigene Knie geschossen hat. So sehr Romney mit Populismus auch auf den Zuspruch der Wählerschaft hoffte, reagiert die Allgemeinheit in den USA verstimmt, wenn der Herausforderer im Wahlkampf in einer außenpolitischen Krise auf den Amtsinhaber einprügelt. Kritik am Amtsinhaber darf sein, aber in Krisenzeiten stehen die Amerikaner zusammen, egal, ob es sich dabei nun um einen Republikaner oder Demokraten handelt. 

Aber zurück zum eigentlichen Thema, der Golddisziplin "25 Schuss/s Wettschießen". Es läuft durch alle Konfliktsituationen der letzten Zeit alles wieder auf einen neuen Krieg hinaus. Wo er stattfindet, wer die Beteiligten sein werden und worum es gehen wird, ist bis jetzt nicht genau abzusehen. Der Religionskonflikt wird mit aller Wahrscheinlichkeit nach die größte Rolle im neuen Krieg spielen und die Ausmaße dieses Krieges werden die des derzeit stattfindenden Krieges in Syrien bei weitem übertreffen. Eine Seite (meist die radikalen Muslime) lassen sich gerne provozieren, eine andere Seite (fanatische Religiöse anderer Glaubensrichtungen) provozieren gerne. Fertig ist der Konflikt, der viel Blutvergießen mit sich bringt.

Es fiel mir in der vergangenen Woche auf, wieviel Zeit wahrhaft Religiöse in ihren Hass gegen alle, die nicht das Gleiche glauben wie sie selbst, investieren. Scheinbar steht die Zeit in den Ländern, in denen gerade so intensiv auch gewalttätig demonstriert wird, still, denn zu arbeiten brauchen diese Leute wohl nicht, Geld brauchen sie nicht, zu Essen haben sie wohl (aus welchen Gründen auch immer) genug, ohne dafür 12 Stunden am Tag arbeiten zu müssen. Ehrlich gesagt ist es mir ein Rätsel, woher diese Menschen für so etwas "Banales" wie Religion haben.

Bevor ich nun den Zorn aller Religionsfanatiker auf mich ziehe, sage ich es frei heraus: 1. das Wort banal steht in dem Vorsatz in Anführungszeichen. Will heißen: ich persönlich empfinde Religion an sich nicht als banal, den Kampf um die Religion allerdings als mehr als banal, wenn nicht sogar schwachsinnig. 2. Religion ist nicht greifbar, also kann man theoretisch auch nicht darüber argumentieren oder Kriege darum führen. Es ist eine einfache Logik: wenn in früheren Zeiten Kriege wegen Geld oder wegen Land geführt wurden, gab es im Ende immer jemand, der gewonnen hat. "The winner takes it all" - so leidenschaftlich, wie ich die Musik von ABBA hasse, aber der Songtitel ist wahr: wer einen Krieg gewinnt, streicht die Kohle ein oder ist neuer Landbesitzer. Jetzt aber die Frage: wenn ein Krieg um die "einzig wahre und richtige Religion" geführt wird, wie wird dann entschieden, wer Recht hat? Natürlich ist auch "Unterdrückung" das Stichwort, das gab es auch schon beim Krieg um Grund und Boden. Eine Gruppe hat in aller Regel den Boden in Besitz genommen und hat die gegnerische Gruppe entweder vertrieben oder unterdrückt.

Also: was geschieht in solch einem Krieg um die Religion? Müssen dann alle, wenn z.B. die Radikalmuslime den Krieg gewinnen, zum Islam konvertieren und diejenigen, die sich weigern, werden getötet? Unwahrscheinlich ist dieses Szenario nicht und es wirkt, als wären die Religionsfanatiker genau darauf hinaus.

Um das Gedankenspiel mal zu Ende zu spielen: der Welt wäre nicht gedient, wenn nun endlich der Konflikt der Religionen endet, eine Religion gewinnt und alle anderen eliminiert. Der Planet wird nicht dadurch gerettet, dass alle Menschen sich nach einem Religionsführer richten, sei es nun der Koran oder die Bibel oder welches Buch auch immer gewählt werden wird. Es werden dadurch weder Umweltprobleme gelöst noch Wirtschaftsprobleme, die Menschheit wird durch den Religionskrieg zwar reduziert, aber vernünftiger wird sie dadurch nicht.

Viel entscheidender als die Gretchenfrage wäre doch, wie wir vorgehen wollen im Zerfall des Planeten und in der uns drohenden Umweltkatastrophen, die viel mehr Menschen als jeder Krieg dahinraffen werden. Wie ich allerdings jeden Tag aufs Neue einsehe, ist die Menschheit immer noch nicht bereit für diese Gedankenspiele und Diskussionen, also endet an dieser Stelle (vorläufig!) das Gedankenspiel.

Nun die alles entscheidende Frage des Blogs: wer gewinnt nun die Goldmedaille in dieser Disziplin bei den Sommerlochspielen? Zweifelsohne, wenn wir bedenken, dass der nächste Krieg Religion als Leitmotiv führen wird, geht die Goldmedaille zweifelsohne an Religionsfanatiker, die in ihrer Idiotie das Leben nicht verstanden haben und sich in einen kleinen Anteil der menschlichen Philosophie verbissen haben. Offen bleibt wohl nur, welche "Religion" Gold gewinnt. Religion steht in diesem Fall in Anführungsstrichen, weil der Fanatismus keine der eigentlich vorgeschobenen Religionen widerspiegelt. Vom derzeitigen Stand wird Gold wohl an die Al-Qaida gehen, die es wie keine zweite Radikalgruppierung versteht, Tatsachen zu verdrehen, Unschuldige ohne Sinn und Verstand zu ermorden und die Welt ohne eigentlichen Sinn in Angst und Schrecken zu versetzen. Es wird mir wohl ein Rätsel bleiben, warum es solch eine Radikalgruppierung gibt, genauso wenig wird sich mir erschließen, warum es Nazis gibt oder allgemeine Intoleranz gibt. Wir müssen wohl einfach damit leben lernen, ab und zu den Mund aufmachen und uns mit Worten statt mit Waffen wehren, wo es geht und ansonsten hoffen, dass die 25 Schuss/s im Wettschießen nicht uns treffen, besser noch: dass sie niemanden treffen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Bloglesern eine schöne neue Woche und bis zum nächsten Blogeintrag.

LG Gene :-)

PS: Dem geneigten Leser wird aufgefallen sein, dass sich dieser Blogeintrag eigentlich in zwei zeitliche Teile aufteilt. Das kommt nun mal dabei heraus, wenn man einen Blogeintrag zu Ende schreiben möchte, weil man das Thema wichtig findet, allerdings keine Zeit hat, ihn zeitnahe zu beenden.

Mittwoch, 5. September 2012

Olympische Sommer(loch)spiele 2012: 2. Golddisziplin: 100 m Glücksjagd

In dieser Woche startet in London die 2. Olympische Runde, mit anderen Worten: die Paralympics stehen in Großbritanniens Metropole auf dem Plan. Grund genug, hier weiter an der Sommerlochserie zu feilen (immerhin ist es jetzt auch wieder legitim, über Olympische Spiele zu schreiben).

Man muss sagen, es ist trotz allem immer noch eine große Ungerechtigkeit, dass die Paralympics im Ende nur die Stiefschwester der großen Olympischen Spiele für die "Normalos" darstellen. Sport und Behinderungen gehören genauso zusammen wie Sport und Gesundheit, man ist nicht krank, weil man einen körperlichen "Nachteil" hat und damit ist es schon fast wieder ein Skandal, dass die Leute lieber den "Gesunden" bei sportlichen Wettkämpfen zusehen und der Fokus der Aufmerksamkeit immer auf ihnen liegt. Von der Ungerechtigkeit, dass ein Athlet bei den Paralympics eine geringere Goldprämie vom Bund erhält als ein Athlet bei den Olympischen Spielen. Die Paralympics stehen anscheinend im Ruf, in irgendeiner Weise minderwertiger zu sein, was schade ist. Vielleicht widme ich genau deswegen dieses  Thema heute den paralymischen Athleten.

Vor gut einer Woche habe ich eine Dokumentation zum Thema "Glück" im Fernsehen gesehen. Es ging darum, ob das Glück an sich fassbar ist, neurologisch erklärbar oder warum einige Menschen auf diesem Planeten so viel glücklicher sind als andere. Gibt es festgeschriebene Quellen für das Glück, Kategorien, in die das Glück eingeteilt werden kann? Und (was auch eine sehr wichtige Frage war): wieviel Glück braucht bzw. verträgt der Mensch? Gibt es eine "Glücksüberdosis"?

In diesem Bericht gab es (und das ist doch sehr passend zur Thematik) ein Kurzinterview mit Phillippe Pozzo di Borgo, dessen Lebensgeschichte in der anrührenden Komödie "Ziemlich beste Freunde" verfilmt wurde. Als er nach seiner Vorstellung von Glück befragt wurde, sagte er, dass wenn er das Glück für sich heutzutage auf einem Level beschreiben sollte, dieses Level jetzt, seitdem er querschnittsgelähmt ist, weitaus höher liegt als zu der Zeit als gesunder Mensch. Für einen Menschen, der selbst gehen und sich bewegen kann, wie er möchte, ist diese Aussage fast unvorstellbar. Trotzdem, es muss etwas dran sein, dass man als behinderter Mensch glücklicher sein kann denn als gesunder Mensch. Man blickt sich um und stellt oft fest, dass Menschen mit Behinderungen oder unter chronischen Erkrankungen leidend oft (weiß Gott nicht immer!) mehr Lebensfreude und -bejahung in sich tragen als diejenigen, die jederzeit und an jedem Ort körperlich alles tun können, was sie wollen.

Immerhin: Glück ist kein Zustand des Körpers, er mag den Körper nur beeinflussen. Das Glück spielt sich zum größten Teil doch im Kopf und im Geist ab. Immerhin: wie soll ein Arm an sich glücklich sein? Ist er glücklich, wenn er funktioniert oder färbt er sich gelb mit lila Streifen, wenn es ihm verrückt-gut geht? Wenn das Glück vorhanden ist, betrifft es doch den ganzen Menschen, nicht nur einzelne Körperteile. Natürlich kann man nun denken, ein Mensch müsste zwangsläufig glücklicher sein, wenn sein Körper sich in einwandfreier Funktionalität und Gesundheitszustand befindet. Allerdings gäbe es wohl kaum die Jagd auf das Glück, wenn die Rechnung so einfach zu erstellen wäre.

Das Glück spielt sich im Kopf ab, gesteuert von Gedanken. Zu ihm gehören die Zufriedenheit bis zu einem gewissen Anteil. Ein zufriedener Mensch ist leicht dazu geneigt, glücklich zu sein. Aber was gehört noch dazu? Liebe? Nun, Liebe kann glücklich machen, sie kann aber auch genauso gut unglücklich machen. Viele Liebesdramen der Weltgeschichte haben genau bewiesen, wie unendlich glücklich Liebe machen kann... und wie sie gleichzeitig jedes Glück zerstören kann. Oft hängt dies davon ab, ob man in der Liebe das angestrebte Ziel erreicht oder nicht. Also sind die Ziele an sich auch ein großer Teil, von dem das Glück abhängt. Ein Ziel zu erreichen macht glücklich und zufrieden, in der Reihenfolge oder umgekehrt. Ein Ziel jedoch nicht zu erreichen macht den Menschen unglücklich. Also sind Ziele ein entscheidender Schlüssel zum Glück.

Glück hat wohl auch etwas mit persönlicher Vollkommenheit zu tun. Wenn wir ein Ziel im Leben erreichen, dass komplettieren wir etwas in unserem Leben und werden dadurch glücklicher. Vielleicht kommt daher auch der Trugschluss der Menschen, ein behinderter Mensch wäre weniger glücklich als ein Mensch ohne Behinderung. Der Mensch sieht sich als glücklich durch einen Körper, der einwandfrei funktioniert. Deswegen sind gesunde Menschen wohl auch so schnell unglücklich, wenn sie von einer Krankheit (und sei es einem leichten Schnupfen) betroffen sind. Wie kann da ein Mensch, der für immer (oder zumindest für sehr lange Zeit) ein Gebrechen hat, damit wirklich glücklich sein? Das werden sich wohl viele gesunde Menschen, die von dem einen oder anderen Zipperlein (körperlich oder seelisch) hier und da geplagt sind, fragen.

Es ist alles recht einfach: der Mensch lebt vom Anspruch. Vor allem dem Anspruch, den er an sich selbst stellt. Wenn er seinem eigenen Anspruch nicht gerecht wird, neigt der Mensch dazu, unglücklich zu sein. Die erschreckend einfache Lösung: man nimmt sich vor, weniger Anspruch an das Leben und an sich selbst zu haben und es stellt sich automatisch mehr Glücksseligkeit ein.

Nun mag sag zu vereinfacht klingt, zu gut um wahr zu sein. Leider ist es aber wahr. Es mag nach billiger Binsenweisheit klingen, aber die Menschen leben einfach zu sehr in der Maxime und werden dadurch immer unglücklicher. Materieller und seelischer Reichtum sorgen in immer höherer Dosierung dafür, dass das Streben nach dieser Form des Glückes zum absoluten Unglück führt. So führt mehr finanzieller Reichtum zur immer größeren Sorge darum, ob man sein Geld investieren soll, wie man es am Besten investiert, um es nicht zu verlieren... eben die Dinge, die ich schon in meinem letzten Blog zum Thema "Rating" angesprochen habe.

Das Glück liegt dabei so nahe, dass es nicht einmal durch Geld zu erwerben ist. Immerhin (wenn wir es mal ganz sarkastisch sehen wollen): arme Menschen haben keine Probleme damit, ihr Geld irgendwo zu investieren und kriegen deswegen keine Schweißausbrüche, ob diese Investition wirklich richtig ist oder eine andere wesentlich besser wäre. Für arme Menschen gibt es keine geeigneten Investitionen oder das Streben nach maximalem Profit, für arme Menschen gibt es nur notwendige Investitionen: wenn Menschen in absoluter Armut leben und zwei Drittel ihres Monatsgehaltes allein in Lebensmittel investieren müssen, stellt sich nicht mehr die Frage nach "Profit", "Gewinnmaximierung" oder ähnlichem. Es geht um das blanke Überleben. Macht das glücklich? Vielleicht macht es einfach glücklicher, nur in reellen Dimensionen zu leben. In Dimensionen, in denen es nur um die Realität und die Gegenwart geht. Sobald man anfängt, finanziell auf dem Sektor des "was wäre wenn" zu verfahren, nur noch an die Zukunft zu denken oder an Hypothesen, die man aufstellt, damit man mehr von seinem Geld hat, ist man in der misslichen Lage, dass man sich weiter und weiter vom Glück entfernt.

Glück bedeutet Seelenfrieden, die innere Ruhe, die einen wie Watte einpackt. Sicher, es gibt den Spruch "Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt!", womit schon quasi ein Widerspruch geschaffen wurde, immerhin hat Beruhigung auch viel mit Glück zu tun. Ein Blutdruck, der nicht ständig auf Höchstgeschwindigkeiten rast, ist ein glücklicher. Also ist Beruhigung auch eine Quelle des Glückes. Doch was macht das Glück konkret mit uns? Warum ist es uns so wichtig? Warum mögen wir Geld, wenn es uns nicht glücklich macht, sondern "nur" beruhigt?

Vielleicht sind wir oft dazu geneigt, von Dingen angezogen zu werden, die uns potenziell unglücklich machen. Vielleicht ist Glück nicht alles im Leben. In der Dokumentation über das Glück wurde auch offen für das Recht plädiert, unglücklich zu sein. Es wurde darüber philosophiert, wie wichtig es ist, auch Schmerzen und Leid zu empfinden. Die Logik, die dahinter steckt, ist einleuchtend: das Glück muss etwas sein, dass man zwar regelmäßig, aber wohl dosiert braucht. Mit dem Schmerz und dem Unglück geht es uns ähnlich. Wären wir alle dauerhaft glücklich, so wüssten wir den Zustand der Glücksseligkeit gar nicht mehr zu schätzen.

Wahrscheinlich fühlen wir uns deswegen oft von Dingen angezogen, die uns potenziell eher schaden als nützen. Somit ist auch das Geld bei der Glücksjagd wieder mit im Spiel. Geld zu gewinnen oder zu verlieren führt zu einem Fieberrausch bei vielen, der einen wesentlichen Teil bei der Glücksjagd ausmacht.

Und das Gold? Wie glücklich macht uns das Edelmetall? Gerade während der olympischen Spiele und der Paralympics sieht man immer wieder strahlende Sieger, die Gold gewinnen und viele Athleten, die über eine Silbermedaille enttäuscht sind. Ist es nicht interessant, dass die Zweitplatzierter über den Gewinn einer Silbermedaille weniger glücklich sind als Drittplatzierte über den Gewinn einer Bronzemedaille? Die Enttäuschung darüber, knapp das Gold verfehlt zu haben, scheint oft bei Zweitplatzierten höher zu wiegen als die Tatsache, dass sie überhaupt eine Medaille gewonnen haben. Und Bronzesieger? Vielleicht sind sie einfach froh, gerade noch eine Medaille ergattert zu haben, da die Plätze danach nur noch "Blech" bedeuten. 

Was auch immer es ist, das uns glücklich macht, vielleicht bedarf es gar keiner Rezepte, wie man glücklich wird oder was genau einen warum und in welcher Dosierung glücklich macht. Ein weiser Spruch für alle Grübler und Weltverbesserer dieser Welt wäre wohl nur:

"Glücklich ist, wer vergisst... was doch nicht zu ändern ist!"

Dies gilt dann wohl für das tägliche Leben wie für die Paralympics, die Olympischen Spiele und alles andere wohl auch. Also, man genieße das Leben, egal ob es Schokolade oder saure Gurken regnet. Und wer gewinnt nun in dieser Disziplin die Goldmedaille? Nun, der 100 m Sprint auf der Jagd nach dem Glück geht wohl an all die Menschen, die verstehen, dass Glück weniger mit Materialismus als mehr mit einem Zustand seelischer Gelassenheit zu tun hat. Wie wäre es mit den Mönchen buddhistischer Klöster in Bhuthan oder in Tibet? Sie hätten es jedenfalls verdient, denn sie haben so einiges mehr schon verstanden als die meisten Bürger der Industriegesellschaften.

In diesem Sinne noch viel Spaß beim Rest der Paralympics und der jetzigen Woche. Bis zum nächsten bald folgenden Blogeintrag. 

LG Gene :-)

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