Freitag, 27. Mai 2011

Materialschäden in offenen Fleischwunden - Folge 2: Erdöl

Erst einmal herzlich Willkommen an alle Leser, die bis jetzt noch nicht willkommen geheißen wurden. Nein, nicht zu diesem Blog (wenngleich das natürlich auch mal angebracht wäre). Ich heiße offiziell alle Leserinnen und Leser (und auch den Rest der Deutschen, die nie diesem Blog lesen werden!) herzlich Willkommen zum einzigartigen, immer früher kommenden, dafür später gehenden, Sommerloch ein. "Willkommen im Sommerloch 2011!"

Okay, dreimal ist göttlich, deswegen genug davon. Aber ernsthaft: man hat die letzten zwei Wochen deutlich eins gemerkt: irgendwas stimmt nicht im Staate Deutschland. Das Tückische am Sommerloch ist ja, es ist wie der bereits stark angetrunkene Gast einer Party, der diese locker innerhalb von 30 Minuten sprengt: meistens kündigt er sich nicht an! Und das Sommerloch macht's genauso. Statt Karten zu verschicken mit den Worten: "Lieber Bürger, es ist wiedermal an der Zeit, dass Sie anfangen, Ihren nächsten Sommerurlaub zu planen, denn jetzt bin ich da und werde so schnell auch nicht mehr gehen. Keine Sorge, Sie können das Land ruhig verlassen, wenn Sie wiederkommen, ist alles wie vorher!", wird der "liebe Bürger" einfach hineingeworfen in den eiskalten Swimmingpool "Sommerloch".
Und da das Sommerloch sich so wohl in Deutschland fühlt und gerne an seinen letzten Urlaub im Vorjahr hier denkt, sagt es sich spontan: "Beim nächsten Mal komm ich einfach noch früher und bleib dafür länger!". Gesagt, getan!

Wie gesagt, man hätte es ahnen müssen. Speziell TV-Junkies und Seriengucker wie ich, die von neuen Staffeln leben wie Vampire von Blut, war das Erstaunen zuerst gar nicht da, als eine Serie nach der anderen ihre Staffel beendete. Okay, von den letzten Jahren sind wir gewöhnt, nicht einmal eine Staffel an einem Stück bewundern zu können. Aber dann waren sie alle weg - und man kam sich vor wie John Wayne im Wilden Westen, die Stadt ausgestorben, Windhexen, die durch die Gassen flogen... und alles, was einem noch bleibt, ist die Pistole, mit der man glatt das Sommerloch erschießen könnte.

Macht natürlich keiner! Deswegen stehen wir (wie jedes Jahr) vor der Frage: "Sommerloch - wat tun?" Und wenn man sich die Nachrichten anguckt, weiß man auch schon, was los ist. Eigentlich haben die Nachrichtensender so gut wie gar nichts mehr zu sagen. Nachrichten, wie die Verhaftung von Ratko Mladic gestern, sind eine Ausnahme der Sommerlochregel. Denn es gilt "Redet über alles -solange es schrecklich unwichtig ist!"
Unter diese Kategorie möchte ich auch die sehr unwichtige, dieser Tage aber allerseits beherrschende Nachrichtenflut über den EHEC-Erreger ablegen. Warum das unwichtig ist? Es gibt viele Gründe, der erste wäre, dass wir (pünktlich zum Sommerloch) auch einen Skandal rund ums Essen haben. Anscheinend hat das Sommerloch regelmäßig auch schmutziges Essen mit im Gepäck, was es brüderlich erstmal unter uns verteilt. Und wenn es dann kein Gammelfleischskandal ist, ist es die Vogelgrippe (hat zwar nix mit dem Essen zu tun, aber sterben tun potenziell trotzdem alle dran!), die Maul- und Klauenseuche... und wenn man nicht wüsste, dass der Dioxinskandal im Winter war, wir könnten das ruhig auch noch auf den Buckel des Sommerlochs packen.
Dabei ist es eigentlich grotesk: es sterben täglich wahnsinnig viele Menschen. Punkt. Es sterben täglich auch wahnsinnig viele Menschen an ein- und derselben Ursache. Punkt. Nun sterben aber 6 Menschen in Deutschland innerhalb einer Woche an einem Bakterium namens EHEC, das zusätzlich eine mutierte Form des sonst nicht ganz so schädlichen Darmbakteriums ist, und schon haben wir eine Nachricht. "Tach, Sie haben Post!"

Und sobald man eine Nachricht hat (bevorzugt eine schlechte), wird nach der Lösung für Probleme gesucht - oder es wird panisch losgeschrieen. So geschieht es dann derzeit. Jetzt dürfen wir abwechselnd erst gar kein Gemüse mehr essen (was dem Großteil der Bevölkerung eh nicht schwerfallen dürfte!), dann dürfen wir spezifisch keine Tomaten, Salate und Gurken verzehren. Schließlich sind die Gurken die Schurken in diesem Sommerloch-Western. Spanische obendrein. Obwohl, das hat sich inzwischen auch geklärt, die Holländer sind auch schuld.

Man sieht: es ist alles ein Kreislauf. Das Sommerloch ist da und man wird - dröge. Oder, wenn man's nicht schon ist, wird man's einfach gemacht. Mit Fernsehwiederholungen, schlechten (sprich: nichtssagenden) Nachrichten und einer brennenden Sonne, die einem das letzte bißchen Hirn aus dem Schädel ätzt.

Doch mein Blog dreht sich dieser Woche mit einer Fortsetzung, denn ich gehe gegen den Trend der Staffelwiederholungen: eine Staffel muss schließlich solange fortgesetzt und beendet werden, solange sie heiß ist. Wie passend zum Sommer, oder?

Nun, eigentlich sind das Thema dieser Woche und das Sommerloch trotzdem eng verknüpft, denn es drehte sich um eine weitere, sehr belanglose Nachricht: die in Deutschland angeblich viel zu hohen Benzinpreise.

Wir sind uns einig: die Benzinpreise in Deutschland sind zu hoch angesetzt worden. Daran sollen die größten Ölkonzerne Schuld sein, die sich miteinander wie abgesprochen, dazu entschlossen haben, die Daumenschrauben fester anzuziehen und die Preise ungleichmäßig in die Höhe zu treiben. Einig deutsches Autoland, dagegen auf die Barrikaden zu gehen. Und wenn ich nun provokant bin und sage, dass die Benzinpreise längst nicht hoch genug sind, muss ich fast Angst haben, hier den Saft abgedreht zu bekommen. Aber nur fast.

Mit der Forderung nach höheren Benzinpreisen möchte ich keineswegs den Ölkonzernen in die Hände spielen. Wenn es neben Bankmanagern und korrupten Politikern einen Teufel in Menschengestalt gäbe, er trüge wohl das Gesicht der Führungspersonen von Ölkonzernen. Und ich weiß auch, dass wenn die Benzinpreise weiter steigen würde, das nur dazu führen würde, dass Lebenmittel- und Konsumgüterpreise in die Höhe schnellen würden. Das wären natürlich nahezu katastrophale Ausnahme, allein durch den steigenden Benzinpreis. Andererseits: wenn wir in der Lage sind, abwechselnd wegen Massenpanik Schweine zu schlachten und ungenutzt zu verbrennen oder (wie jetzt) Salat auf dem Feld bereits zu zerschreddern, haben wir's bald nicht anders verdient, als mit hohen Lebensmittelpreisen zu rechnen.

Doch ich möchte auf etwas anderes hinaus. Man erinnere sich an das letzte Jahr. Was war dort eins der Negativhighlights? Nein, nicht die Tatsache, dass Deutschland wiedermal nicht Fussballweltmeister wurde! Sondern die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko.

Am 20. April 2010, als die Ölbohrplattform Deepwater Horizon explodierte und nicht nur elf Menschenleben beendete, sondern eine Ölpest auslöste, die ihresgleichen suchte. Es gab schon zuhauf fatale Katastrophen mit auslaufenden Öltankern, die Altöl verloren, das dann ungehindert ins Meer strömen konnte... aber eine Ölbohrplattform, die explodiert und eine derartige Menge Rohöl verliert, hat es bis dato nicht gegeben. Wieviel Öl genau verloren ging, kann bis heute wohl immer noch nicht zuverlässig gesagt werden. Wenn man allerdings bedenkt, dass zur damaligen Zeit zwischen 4 und 4,8 Millionen Liter Öl jeden Tag (!) ungehindert ins Meer fließen konnten, dürfte klar sein, welchen Schaden die Sparsamkeit des Konzerns BP diese Sache genommen hat.

Denn im Ende war wiedermal nur die Sparsamkeit eines Multimillionenkonzern Schuld am Sterben von Millionen Meeresbewohnern und Vögeln. Wahrscheinlich dachten die Verantwortlichen in dem Moment "Wird schon schiefgehen!" - ja, das ist es dann wohl auch. Gewaltig. Und wenn der Karren erst metertief im Dreck steckt, kann man nicht viel tun, außer noch mehr Dreck auf den Karren zu werfen. Um den Ölteppich zu beseitigen, wurden in der Folge 1 Millionen Liter Chemikalien per Flugzeug ins Meer zu kippen. Durch sogenannte Dispersionsmittel (Weichmacher) wurde der Ölteppich für das menschliche Auge aufgelöst - aber verschwunden ist das Öl dadurch noch lange nicht! Das Einzige, was BP damit erreichte, war den Dolch aus dem eigenen Fleisch zu ziehen. Keiner sieht mehr den Ölteppich, also war er auch nie da. So dachte BP - und die Menschheit denkt brav genauso. Es ist wie bei der Gottesfrage: wie kann ich wissen, dass Gott existiert, wenn ich ihn nicht sehen kann?

Nur so lässt sich wohl auch erklären, warum die gesamte Menschheit (bis auf die Naturschützer) die Ölpest vom Golf von Mexiko so schnell vergessen konnten. Keiner ist anscheinend wirklich betroffen; bis auf die, die in der Region leben. Die klagen inzwischen über Hautausschläge, Atemnot und Brustschmerzen. Die Folgen sind wahrscheinlich nur katastrophaler für die Tiere als für uns. Die Fische der Region starben massenweise und selbst die, die nicht direkt betroffen werden, werden durch den Giftcocktail aus weiter austretendem Öl und der Verteilung der Dispersionsmittel zu einem späteren Zeitpunkt betroffen sein. Denn: ein Ölteppich und Chemikalien bleiben nicht brav in einem eingezäunten Bereich, sondern verteilen sich, immer weiter. Und schaden damit langfristig den Weltmeeren.

Doch wen kümmert's, richtig? Keiner fragt sich wirklich, wenn er jeden Morgen ins Auto steigt und zur Arbeit fährt, wie sehr er der Welt langfristig mit seinem Verhalten schadet. Vielmehr macht sich jeder einzelne Gedanken über seine eigene Produktivität - und wieviel Geld er/sie schlussendlich damit verdienen kann. Das Gewissen geht nur soweit, wie man selbst nicht davon aktiv betroffen ist. Natürlich waren die Zuschauer ergriffen und erschrocken, die Bilder des Ölteppichs am Golf von Mexiko zu sehen. Gleichzeitig war auch die Sorge groß, denn Öl als Rohstoff wird ja immer knapper - und mehr Sorge als das große Fischsterben macht doch nur die Tatsache, dass das Öl aus Knappheit immer teurer werden könnte. Denn die Sorge um das eigene Fortkommen ist grundsätzlich größer als die Sorge um den Planeten Erde. Groteskerweise sind wir auf gleichen allerdings angewiesen - und wenn dieser erstmal kaputt ist, ist es auch nichts mehr mit dem eigenen Fortkommen. Dann müssen wir uns nicht einmal Gedanken ums eigene Wegkommen machen... wir sterben quasi automatisch.

Nun werden einige Hardcoreverfechter des Autos sagen, dass die weitaus größere Gefahr im hohen Verbrauch der Haushalte durch die Heizung für die Umwelt besteht. Denn die meisten Miethäuser heizen immer noch wenn nicht mit Gas dann mit Erdöl oder Strom. Und der Flugverkehr erst - DAS ist doch wohl der allergrößte Schaden, der an der Umwelt angerichtet werden konnte. Für jeden dusseligen Urlauber, der mal schnell nach Mallorca zum Saufgelage fliegen muss, müssten doch unmengen an Kerosin verbraucht werden. Tatsache ist allerdings, dass (bis auf Langstreckenflüge) der Vergleich mit dem Auto der Literverbrauch auf 100 km pro Person beim Flugzeug niedriger ist.

Vor ein paar Monaten begann nun eine riesige Diskussion um einen neuen, angeblich umweltschonenden Kraftstoff, der direkt in der Gunst der Verbraucher gnadenlos durchfiel: die Rede ist von E10. Revolutionär neu war der Kraftstoff nicht im geringsten: der Ethanolanteil wurde bei diesem Kraftstoff nur verdoppelt, sodass aus E5 E10 wurde. Gewonnen wird der Bioanteil dieses Kraftstoffes aus Raps und Getreide, neuerdings werden auch Techniken angewendet, die den Gewinn auch aus z.B. Stroh und Holz ermöglichen.
Der findige BILD-Leser (also insgesamt dreiviertel der deutschen Bevölkerung) war nach entsprechenden Schlagzeilen, E10 würde bei den meisten Autos zu Motorschäden führen, so verunsichert, dass E10 wie ein hässliches Entlein ignoriert wurde. Zusätzlich goss die Meldung, dass man für eine Tankfüllung E10 15kg Getreide benötigt, mehr Öl ins Feuer. Nun fühlten sich alle bestätigt, wieder der herkömmlichen Kraftstoff zu tanken, ganz ohne Rücksicht auf die Umwelt. Allein wegen der Tatsache, dass zuviel Getreide für den Kraftstoff verbraucht wird. Schon erstaunlich, wie sehr die Menschen an hungernde Menschen und Verschwendung von Resourcen denken. Es dürfte den Welthunger doch eigentlicht gar nicht mehr geben bei soviel Solidarität und Sorge des Wohlstandbürgers!

Natürlich möchte ich E10 nicht verteidigen - keine Studie hat ergeben, dass der "umweltschonende" Kraftstoff wirklich was für die Umwelt tut. Ganz im Gegenteil: es war sogar die Befürchtung laut geworden, E10 könnte im Ende mehr Kraftstoffverbrauch fördern als herkömmliches Benzin.

Doch - warum denken wir alle in so verkehrten Welten, wenn es um Umweltschutz geht? Die simpelste Lösung, die alle ganz leicht umsetzen könnten und die den geringsten Aufwand (nämlich gar keinen) fordert, wird komplett ignoriert. Erst gestern habe ich erfahren, dass laut Statistik 80% der Autofahrten mit nur einer Person im PKW stattfinden. Sprich: wir fahren allein. Plus: ein Auto wird im Durchschnitt am Tag nur eine Stunde genutzt. Der Rest der Zeit steht das Auto ungenutzt in der Garage oder am Straßenrand.

Das Problem liegt im Ende nicht in einem bestimmten Kraftstoff, auch nicht im hohen Heizungsverbrauch oder zuvielen Billigflügen, die wir in unserem Leben wahrnehmen. Der wahre Schweinehund, der getötet werden muss, ist der eigene! Wie das geht? Nun, was tun wir, wenn wir unser eigenes Leben verbessern wollen? Wir nehmen die 180 Grad Kehrtwendung vor (360 Grad wäre schlecht, da wären wir ja wieder am Ausgangspunkt!). Sprich: wenn wir gesünder leben wollen, fangen wir an mit Sport. Problem an der Sache: wir betreiben Sport in unserer Freizeit nur, indem wir laufen - irgendwohin! Kein Ziel, keine Ahnung, warum man eigentlich läuft - aber Hauptsache, wir sind gelaufen. Der Gesundheit wegen!

Folgender Vorschlag: wäre es nicht viel sinnvoller, nicht mehr querfeldein zu laufen und stattdessen das Auto stehenzulassen, wenn es eigentlich nicht nötig ist, das Auto zu benutzen? Zum Beispiel beim Einkauf. Ein Wocheneinkauf ist natürlich bequemer zu transportieren mit dem Auto. Aber das Kaufen von zwei Litern Milch, einer Packung Kaugummi und zwei TK-Pizzas kann man auch bequem in einer (wiederverwendbaren) Tasche nach Hause schleppen. Würde es uns wirklich umbringen, bis zum Supermarkt einen 20minütigen Spaziergang hinter und zu bringen? Oder eine einstündige Radtour zu unternehmen, wenn wir eine beste Freundin besuchen fahren zum Kaffee trinken oder grillen?

Die Vorteile liegen auf der Hand: 1.) man betreibt Sport auf eine nützliche Art und Weise. 2.) Wenn man zum Kaffee ein Stück Torte ist, hat man das wieder abgestrampelt, bis man zu Hause ist. 3.) Die Umwelt würde sich tierisch freuen!

Nun ja, da die Welt allerdings nicht so leicht funktioniert und der Mensch immer die Ausrede "Ich habe keine Zeit!" im Vorderkopf hat, gibt es Gott sei Dank auch noch andere Ansätze zur Rettung der Erde. So zum Beispiel die Erfindung des Elektroautos. Wer sich jetzt fragt, warum diese Erfindung erst in den letzten Jahren in Serie auf den Markt kommt, dem bleibt nur entgegenzusetzen, dass die Ölmultis, die dem gemeinen Autofahrer gerade die Laune verhageln mit zu hohen Autopreisen, auch für die Behinderung in der Produktion des Elektroautos verantwortlich waren.

Denn weitaus mehr als um die Umwelt geht es immer noch ums Geld. Das Elektroauto wurde bereits vor rund 20 Jahren entwickelt, es hat sich nur merkwürdigerweise nie jemand bereiterklärt, diese Autos auf den Markt zu bringen. Der Sinneswandel dürfte wohl erst durch die Tatsache entstanden sein, dass das Öl unaufhaltsam knapper wird. Und so verführerisch der Gedanke, mit dem schwarzen Gold Reichtum zu verdienen, es ist eine sterbliche Liebe, die eines Tages durch den restlosen Verbrauch des Öls besiegelt sein wird.

Deswegen müssen die Autokonzerne weiterdenken. Natürlich ist auch das Elektroauto keine Lösung, wenn der Strom, den es nutzt, unsauber ist. Es muss einfach an zu vielen Baustellen etwas geändert werden, bis das Konstrukt, dass 7 Milliarden (und mehr) Menschen in Zukunft am Leben erhalten soll, stabil und standfest ist.

Und deswegen gilt, egal ob das Auto mit herkömmlichem Benzin oder Strom oder Erdgas fährt, dass man darauf achten sollte, es nur dann zu benutzen, wenn es gar nicht vermeidbar ist. Deine Arbeitsstelle ist zu Fuß etwa 20 Minuten von zu Hause entfernt? Dann schwing deinen Hintern mal ohne Auto zur Arbeit! Du wolltest noch im Supermarkt um die Ecke einen Wochenvorrat an Getränkekisten kaufen? Nun, wenn du das zu Fuß machst, sparst du nicht nur Benzin (den Geldbeutel freut's!), deine Oberarme werden auch gratis zur Topform trainiert. Wie es so schön in der Visa-Werbung heißt: unbezahlbar!

Das Credo für die nächsten sieben Tage (und darüber hinaus!) sollte also heißen: nachdenken, bevor man den Schlüssel ins Zündschloss steckt! Im Übrigen gilt das nicht nur für's Autofahren, sondern auch für viele andere, weitere, zwar schön für die Bequemlichkeit aber sinnlose Dinge ... über die ich wohl in loser Folge noch schreiben werde.

In diesem Sinne - bis nächsten Freitag!

LG Gene :-)

Freitag, 20. Mai 2011

Hart in der Hose, weich im Kopf - von Hundert auf Null in 0,3 Sekunden

Wie ich bereits letzte Woche erwähnte, ich hatte eine Entscheidung zu treffen bezüglich meines Blogs. Und nur, weil ich mich im Ende gegen den Sex und für die Umwelt entschieden habe, heißt das lange nicht, dass ich den Sex links liegen lassen würde! Also stand für mich dieser Blog seit bereits zwei Wochen fest... mit nur einem Unterschied: den Ereignissen der letzten Zeit, die den Eintrag entscheidend mitprägen.

Die Fortpflanzung im Zeitalter der geschlechtlich unkontrollierten Groß- und Kleinstädter hat sich zu einer Art Verzweiflungsphänomen entwickelt. Nie zuvor in irgendeinem Zeitalter lebten wir Sexualität offener aus - gleichzeitig gibt es wohl auch kein Zeitalter, in dem wir uns so steif anstellten, wenn es um gleiches Thema geht. Wenn die Hose runtergezogen wird, scheint sich eine Mauer in unserem Kopf zuzuziehen. Zur gleichen Zeit! Alle tun so, wie liberal und freizügig sie mit ihrer Sexualität sind, in Wirklichkeit haben sie soviel Angst vor ihrer eigenen Courage, dass es erschreickend ist. Denn Freiheit in der Sexualität heißt noch lange nicht Freiheit im Kopf! Egal, wie oft sich Männer und Frauen vor wem auch immer (auch vor großen Öffentlichkeiten) ausziehen und demonstrieren, wie egal es ihnen ist, mit wievielen (und vor wievielen) Menschen sie miteinander Sex haben, die natürliche Schamgrenze bleibt irgendwie immer in unseren Köpfen. Ob es uns passt oder nicht! Egal, ob sich Menschen nun in einer monogamen Beziehung befinden oder für die Pornoindustrie arbeiten, irgendwo gibt es die Schamgrenze. Vielleicht nicht direkt in der Sexualität bei denen, die sich professionell ausziehen und miteinander Doktorspielchen spielen, dafür ist die Grenze verschoben, hin in einen anderen Bereich. Einen Bereich, der immer mit dem Schild "Privat" betitelt wird.

Natürlich sind wir eher geneigt, das "Privat"-Schild über das Sexualleben zu hängen. Daran hat keine sexuelle Revolution etwas geändert - und "Sex and the City" schon dreimal nicht! Das Einzige, wozu die Serie geführt hat ist der Irrglaube, eine Frau müsste sich von der Körperbehaarung derart stark trennen, dass sie im Ende wie eine 6jährige aussieht.

Wir nötigen uns selbst solche Mythen im Ende auf, indem wir alles glauben, was das Fernsehen oder sogenannte "Experten" in Büchern und einschlägiger Fachliteratur sagen. Der Glaube an den "Playboy" statt an eine gutgeführte Beziehung hat dazu geführt, dass es Mythen gibt, wie eine Frau nackt auszusehen hat. Die drei wichtigsten Merkmale: 1. Brüste, unter die man keinen Bleistift klemmen kann; 2. Eine Taille, die insgesamt so schmal ist, dass quasi nur ein absolut leergepumpter Magen hineinpasst (sorry an alle anderen Organe! Ihr müsst draußen bleiben!); 3. ein staubfreier und glattrasierter Intimbereich.

Dass nun nicht jede Frau so aussieht (und es gar nicht vorhat, so auszusehen), dürften wir alle wohl als großes Glück bezeichnen. Ansonsten würden wir jetzt schon die "Frauen von Stepford" als neue und einzige Rasse in unserer Mitte akzeptieren. Perfekte, gelackte Frauen, die alles machen, um Männer glücklich zu machen. Nicht "ihren" Mann, einfach Männer. Weil es ja fast schon als schändlich gilt, in einer festen Beziehung zu stecken. Der Slogan "Wer zweimal mit derselben pennt..." kann man heute auch locker auf die Frauen übertragen. Woher das kommen mag? Vielleicht hat die Überbevölkerung etwas damit zu tun. Auf diesem Planeten rennen so viele Menschen herum, so viele verschiedene Möglichkeiten, so viele Looks und Styles... es ist fast wie ein riesiger Süßigkeitenladen - und all unsere Kindheitsträume sind wahr geworden: wir müssen uns gar nicht mehr für die eine Sorte Schokolade entscheiden, nein! Wir nehmen sie ALLE! Und das am Besten gleichzeitig, nicht nur hintereinander.

Nun ja, das Phänomen Seriensex ist doch eher was für die Kennerecke (sooo viele Swinger und dergleichen gibt es ja dann doch noch nicht!). Aber, wir können uns einfach sehr schlecht entscheiden, wenn es um den Einen oder die Eine geht. Und da es nicht nur Trend geworden ist, Sex frei zu leben, sondern auch, ihn so erfüllt zu erleben, dass wir im Ende alles wissen, brauchen wir mehr als einen Partner im Leben. Die Utopie vom Bauernmädchen, dass mit spätestens 18 den Mann für's Leben heiratet und immer nur mit ihm schläft, ist wahrscheinlich so ausgestorben wie der Tiger in Bhutan. Es gibt ihn zwar noch, die Frage ist nur, in welcher Anzahl und wie lange.

Doch es gibt (bei aller Freiheit und allem Experimentieren) noch ein paar Probleme mehr als der "Privatbereich", den wir schützen wollen. Denn es gibt eine Prämisse: je freier wir mit der Sexualität werden, desto angreifbarer werden wir. Merkwürdig, oder? Wir sehen es allein im Promileben: müsste es uns wirklich jucken, wenn es sogenannte Skandale um das Sexleben von Promineten geht? Wir leben doch alle frech und frei unsere Sexualität aus und trotzdem kichern wir hinter vorgehaltener Hand, wenn George Michael auf der Herrentoilette bei sehr "verruchten" sexuellen Aktivitäten erwischt wird.

Also sind wir doch prüde! Schlimmer noch: wir leben (wie in so vielen Bereichen) nach dem Motto: ich darf im Prinzip alles... aber wenn jemand anderes das tut, was ich für selbstverständlich halte, ist es absolut unvorstellbar! Quasi erfindet dann derjenige, der das, was man selbst natürlich und frei vollzieht, das Rad neu - oder macht die erste Mondlandung (dabei ist die längst vorüber!).

Und so ist der Sex in unserer Gesellschaft neben scheinbar lebensnotwendig auch noch die beste Waffe, seit die Atombombe erfunden wurde. Kein Mensch ist angreifbarer als im Schlafzimmer (okay, mit heruntergelassener Hose lässt es sich auch nur schwer kämpfen!).
Der Knackpunkt liegt wohl darin, dass wir, wenn wir uns sexuell betätigen (oder es mehr als alles andere auf der Welt wollen), nicht wirklich fähig sind, analytisch und klar zu denken. Speziell bei Männern ist das so. Der Titel dieses Blogs bestätigt sich: sobald ein Mann sein "Lieblingsteil" ausgefahren hat, sind sämtliche Denkverfahren ausgeschaltet. Natürlicher Stromausfall, ganz ohne SuperGAU.
Und diese beiden Faktoren (die männliche Dummheit, wenn's um Sex geht und Sex als Waffe gegeneinander) beschäftigt uns derzeit am meisten in den Nachrichten. Kein Wunder, wir leben ja davon, uns über den Absturz und Zerfall anderer tierisch zu freuen.

Sex ist also im Ende auch die Wurzel zum Absturz und Zerfall von Menschen, die eigentlich sonst fest im Leben stehen. Wie Dominique Strauss-Kahn. Oder wie Jörg Kachelmann. Zwei Männer, inzwischen angeklagt wegen dem gleichen Verbrechen, das sich nur auf eins begründet: der Gier nach Sex wider dem Willen des gewählten Sexualpartners.
Problematisch ist das Thema Vergewaltigung allerdings nicht nur, weil es um die Ehrvernichtung des Opfers geht. Nicht nur die Brutalität dieses Verbrechens ist inzwischen ein Thema in der Medienwelt, sondern auch die Waffenkraft dieses Verbrechens gegen vermeintliche Täter.
Diese Schlammschlacht geht dann teilweise soweit, dass man nicht mehr weiß, wer Täter und wer Opfer ist.

Zur Beurteilung der Verbrechen um DSK und Jörg Kachelmann bin ich nicht fähig, dafür habe ich (wie alle anderen auch) zu wenig Hintergrundwissen. Und wer nicht live in dem Moment am Tatort dabei war, kann auch kaum einschätzen, ob "einvernehmlicher Sex" einer Tatsache entspricht oder nur der beliebtesten Ausrede von Vergewaltigern.
Doch wer hätte noch vor zwei Jahren gedacht, dass wir heute, in genau dieser Woche, gleichzeitig über den ehemals beliebtesten Wettermoderator Deutschlands und den Chef des IWF diskutieren würden im Zusammenhang mit Vergewaltigung? Wir hätten es doch eher anderen zugetraut, sich Sex da zu holen, wo er ihnen nicht zusteht.

Profilanalysen zu den Motiven der Täter gibt es zuhauf, allen voran steht die These, dass Männer, die in ihrem Leben alles haben (und haben können), ihre Machtposition dazu mißbrauchen, sich auch etwas zu holen, selbst wenn das Gegenüber ihnen ein klares "Nein!" ins Gesicht wirft. Gleichzeitig werden auch Hypothesen aufgestellt, die beweisen sollen, dass beide vermeintlichen Täter unschuldig sein könnten.
Bei Jörg Kachelmann wird die Eifersucht als Motiv für falsche Beschuldigung erwähnt. Da das vermeintliche Opfer eine Ex-Freundin war, die herausfand, dass sie nicht zu der Kategorie "die Eine", sondern doch eher zur Schokoladensorte gehörte, die gleichzeitig mit anderen von Kachelmann konsumiert wurde, hat sie die Vergewaltigung als Racheakt ins Leben gerufen. Wenn das wirklich stimmen sollte (wie gesagt, man kann keine Urteile fällen in dem Fall, ohne dabeigewesen zu sein), gehört sie inzwischen jedenfalls zum absoluten Verlierer. Nicht nur, dass sie ihren Liebsten eh verloren hat, inzwischen hat er eine andere geheiratet und sie steht vor demütigenden semi-öffentlichen Gerichtsverhandlungen, bei denen zwar ihr Gesicht, ihre eigene Scham vor solch einem öffentlichen Akt nicht verfremdet werden kann.

Bei Dominique Strauss-Kahn sieht die Sache wiederum ganz anders aus: das Opfer (ein Zimmermädchen) hatte bisher wohl kaum eine Beziehung mit dem 62jährigen, verheirateten Lebemann. Und von der Theorie "Reicher Mann akzeptiert kein "Nein!"" passt DSK ins Bild wie die Faust aufs Auge. Und trotzdem scheint nichts zusammen mit allem ins Bild zu passen: zuerst hatte Strauss-Kahn ein Alibi für die Tatzeit, dann wiederum war der Sex einvernehmlich. Und ab dem Stichwort "einvernehmlicher Sex" bleibt einem ein kleiner Kloß im Hals stecken. Denn dieser Vorwand wird wohl von jedem Vergewaltiger als Erklärung gestellt, solange das Opfer nicht körperlich so lädiert ist, dass es wie "einvernehmlicher Sex" wirken könnte.

Die Schuldfrage in solchen Prozessen ist immer sehr schwer erstellbar, und solange nicht alle Beweise in einer Gerichtsverhandlung zusammengetragen wurden, ist es unmöglich, Prognosen anzustellen. An dieser Stelle begehen die USA jedoch einen Kardinalsfehler (und es wäre schön, wenn das ihr einziger Fehler wäre): den verhafteten mutmaßlichen Vergewaltiger Strauss-Kahn in Handschellen vor der gesamten Weltpresse abzuführen, gleicht einer Vorverurteilung und einer nicht wiedergutzumachenden Zerstörung des Rufes. Und beides ist nie wieder ausbügelbar und nie wieder gutzumachen, besonders, wenn man sich die Umstände Strauss-Kahns in der Weltpolitik ansieht. Er war der Einzige, der dem amtierenden Staatspräsidenten Frankreichs, Nikola Sarkozy, gefährlich hätte werden können.
Wer sich das und die Tatsache, dass die Wahlen in Frankreich für's nächste Jahr anstehen, genau vor Augen führt, kann auch verstehen, wieso die Franzosen nun die anscheinend wildesten Verschwörungstheorien entwickeln. Denn was würde besser dazu passen, als Sarkozy als Anführer einer Verschwörung anzusehen, der versucht, die Karriere Dominique Strauss-Kahns zu zerstören. Und WENN das wirklich einer Tatsache entspricht, ist ihm bereits jetzt der ganz große Coup gelungen (zusammen mit der Nachricht, dass seine Frau Carla Bruni-Sarkozy schwanger ist! Doppeltes Plus für die anstehenden Wahlen!).

Eins ist jedenfalls klar: Sex ist eine Waffe - und eine verdammt gefährliche dazu. Wer dachte, die Zeiten von Mata Hari wären vorbei, der hat sich getäuscht, denn wir haben nicht mehr verführerische Spioninnen, die Diplomaten zu Fall bringen können, heute sind es Zimmermädchen. Oder das zu große Ego mächtiger Männer. Das kann man im Ende sehen, wie man will. Doch der Sturz für erfolgreiche Männer aus dem 54. Stock des Machthochhauses geht schneller und fataler vonstatten als der Aufstieg in gleichem. Und gestürzt kann kaum schneller werden als über die Sexschiene, da, wo wir alle schwach sind, auch die Mächtigen, Reichen und Schönen (oder weniger Schönen).

Es gibt sie also, die Archillesferse, nicht nur bei Siegfried. Und wir werden das Problem weiterhin haben, solange wir uns darauf verlassen, dass wir liberal mit Sex umgehen und eigentlich so frei leben, in den Köpfen allerdings immer noch die gleiche Mauer wie vor 250 Jahren steht.

Die These könnte lauten: Freiheit beginnt im Kopf - nicht mit der heruntergelassenen Hose! Doch wenn diese Freiheit wirklich erstmal Überhand nehmen würde, hätten wir ein Problem: wir könnten nichts mehr gegen unser verhasstes Gegenüber als Atomwaffe verwenden. Oder wir werden einfach wieder gleiche, wie in Hiroshima. Geht schnell, schadet vielen - macht allerdings nicht so viel Spaß und ergötzt das Zuschauerbild nicht so effektiv als Nachrichten über Sexeskapaden.

Natürlich sollte es auch Dinge geben, die absolut "privat" sind im Leben. Und Sex gehört zweifelsohne dazu. Nur stellt man immer wieder eins fest: wir müssen uns im Leben für eins entscheiden. Entweder sind wir prüde (und damit in der Lage, alles, was mit Sex zu tun hat, als unsere eigene Privatsphäre anzusehen) oder wir werden ganz liberal im Sexgedanken und müssen jederzeit damit rechnen, dass der eigene Partner Privatvideos mit einem Selbst als Hauptdarsteller/in ins Netz stellt. Wir können nunmal (wie so oft im Leben) nicht alles haben - und unterschiedlich geltende Regeln für uns selbst und unser Gegenüber aufstellen.

Das klingt zu sehr nach Predigt? Naja, im eigenen Schadensfall würden sich die Betroffenen wohl immer wieder einen wünschen, der predigt. Nicht absolutes Zölibat - aber den verantwortungsvollen Umgang auch im liberalen Sexbild.

In diesem Sinne - ein schönes Wochenende. Bis nächsten Freitag!

LG Gene :-)

Freitag, 13. Mai 2011

Materialschäden in offenen Fleischwunden: Folge 1 - Plastik

Nachdem sich die letzten Wochen innen- wie außenpolitisch so schrecklich viel ereignet hat und auch in der Abteilung "Royale Prominenz" dank großer Hochzeit mit viel TamTam viel los war, ist es in dieser Woche ruhig. Merkwürdig ruhig. Spätestens gestern wurde mir das klar, als die Hauptschlagzeile in den Nachrichten lautete: die Lebensmittelpreise sind bei Nahrungsgrundmitteln um über 30% gestiegen. Ob nun Pommes frites, die mit über 40% den höchsten Sprung hingelegt haben, wirklich zur Nahrungsgrundlage gehören, darf angezweifelt werden.

Aber: irgendwie ist auf der Welt nicht mehr viel los. Die üblichen Terroranschläge (wie diese Woche in Pakistan mit 80 Toten), ein vergleichsweise kleines Erdbeben in Spanien mit neun Toten, ansonsten belaufen sich die Nachrichten wieder im Bereich "belanglos" bis "belangloser". Deswegen bin ich wieder selbst gefragt, wenn es um meinen wöchentlichen Eintrag geht. Und ich hatte eine Entscheidung zu treffen: Sex oder Umwelt. Die BILD hätte sich wahrscheinlich für Ersteres entschieden (das tut sie ohnehin jeden Tag!), Greenpeace würde wohl für Zweiteres plädieren. Und da in dieser Woche der erste Ministerpräsident der Grünen vereidigt wurde (Herzlichen Glückwunsch, Herr Kretschmann!), nehme ich mir die Freiheit, um über Zweiteres zu schreiben.

Die Gedanken über die Welt führen früher oder später zwangsläufig zurück nach Hause, zum eigenen Ich. Und wenn man dort angekommen ist, kommt man früher oder später (die Meisten erst später!) auf die Eigenverantwortung zu sprechen. Es gibt viele Dinge, die wir tun und meiden könnten, andererseits gibt es auch viele Dinge, die wir nicht tun, obwohl sie so notwendig wären. Nachdenken ist eine dieser Dinge. Allerdings kann ich den Großteil der Bevölkerung verstehen: es ist anstrengend und ermüdend, über sogenannte "Kleinigkeiten" des Lebens nachzudenken, schließlich wächst uns die Größe der technisch multikulturell modernen Welt über den Kopf. Es geht darum, mitzuhalten, bessesr zu sein als der Rest, immer auf dem Laufenden zu bleiben und jeden technischen Schnickschnack nicht nur zu haben, sondern auch zu beherrschen.

Kürzlich sah ich die neue Werbung zum iPhone im Fernsehen, die mit dem Satz begann: "Wenn du kein iPhone hast...", um dann mit dem sehr sinnigen Satz zu enden: "Wenn du kein iPhone hast, hast du kein iPhone!". Ich konnte nicht anders, als in diesem Moment zu denken: "Wow! Was für eine treffsichere Aussage. Wenn ich kein iPhone habe, habe ich tatsächlich kein iPhone - faszinierend!"
Wenn man jedoch weiter darüber nachdenkt, bekommt man einen leichten Schrecken. Warum? Weil es verdammt vielen Menschen so unheimlich wichtig ist, ein iPhone zu haben! Schlimmer noch: sie können sich ein Leben ohne ihr iPhone gar nicht mehr vorstellen (zu diesem Thema habe ich bereits zwei Blogs verfasst, siehe: hier und hier). Fatal, wenn man bedenkt, dass es schlimmere Tatsachen auf diesem Planeten gibt, als kein iPhone zu haben. An dieser Stelle kann ich sämtliche "Süchtige" beruhigen: ich habe KEIN iPhone und mein Körper und Geist funktionieren noch (einigermaßen, ich bin zufrieden!).

Die Umwelt steht der Sache mit den Mobiltelefonen wahrscheinlich genauso kritisch gegenüber wie ich. Aber die Umwelt hat verdammt viele Probleme in letzter Zeit; und statt weniger werden es im fast täglichen Rhythmus mehr. Es ist ein Problem, wenn ein Mensch viel verbraucht und die Umwelt damit belastet - es ist ein ganz anderes Problem, wenn aus einem Menschen Milliarden werden, die im "Königreich Ich" meinen, sie seien allein.
Um noch einmal auf die Schlagzeile "Lebensmittelpreise sind gestiegen" wieder zurückzukommen, ein interessanter Fakt außer der Reihe: unsere Lebensmittel sind um 30% teurer geworden auf der einen Seite - auf der anderen Seite wirft jeder Mensch etwa ein Drittel der Lebensmittel, die er einkauft, einfach ungenutzt in die Tonne. Jeder Deutsche schmeißt damit 330 Euro in die Mülltonne, einfach so.
Gründe? "Wir sind alle zu sehr beschäftigt!" könnte eine Entschuldigung lauten. "Die Lebensmittel werden in zu großen Verpackungseinheiten angeboten!" könnte eine andere lauten. Dass wir einfach wiedermal (wie an so vielen anderen Stellen des Lebens) schlicht größenwahnsinnig sind, darauf kommt wohl keiner. Denn: große Verpackungseinheiten sind nur ein Produkt unserer eigenen Gier. Vor 50 Jahren konnten die Menschen auch in Metzgereien und auf dem Wochenmarkt abgezählt ihre Lebensmittel einkaufen. Heutzutage geschieht das in in Plastik verpackten Einheiten. Immer aus der Angst heraus, man könnte nicht genug von jedem Lebensmittel im Haus haben. Warum soll ich zwei Äpfel kaufen, wenn ich für 2 Euro gleich einen Plastikbeutel mit 1,5 kg bekommen kann? Und im Ende kommt wohl wiedermal der Song der Toten Hosen zum Einsatz: "Warum werde ich nicht satt?"

Die Angst vor dem Hungertot kann nicht der Grund dafür sein, dass wir so unmäßig einkaufen. Immerhin ist der letzte Krieg in diesem Lande über 65 Jahre her. Die anschließende Hungersnot war für die damals Betroffenen schrecklich. Aber ehrlich: ich persönlich kann mich nicht daran erinnern, wie wahrscheinlich jeder, der diesen Blog liest. Warum? Weil wir alle zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gelebt haben.
Also, woher kommt unsere Gier? Wir scheinen nur aus einem Grund zu viele Lebensmittel zum angeblichen Schnäppchenpreis zu kaufen: weil wir es können! Und immer mit dem guten Gefühl im Rücken, mit dem Billigfleisch aus dem Supermarkt so richtig schön Geld gespart zu haben gegen die Ware, die es beim Metzger um die Ecke gibt.

Auch der angebliche Trend zu Bio-Lebensmitteln hat immer einen sehr faden Beigeschmack. Denn Bio steht inzwischen überall drauf, wo es eigentlich gar nicht hingehört, auf jeglichen Fast Food Produkten, die ungesund bleiben. Egal, wieviel Bio in den Rohstoffen steckt. Zusätzlich alles wiedermal in unser aller Lieblingsrohstoff Plastik verpackt, sind auch Biolebensmittel alles andere als ein Geschenk an die Umwelt.

Der Punkt ist nicht allein, dass wir mehr Lebensmittel einkaufen, als wir essen können (und als uns offensichtlich gut tut), wir verbrauchen auch eine Unmenge an Stoffen jeden einzelnen Tag, die unser persönliches Grab schaufeln. Das hier bereits angesprochene Plastik ist einer dieser Stoffe. Keiner von uns kann ich mehr ein Leben ohne Plastik vorstellen, weil es überall vorhanden ist: in sämtlichen Lebensmittelverpackungen im Supermarkt, in der Tüte, mit der wir unsere Lebensmittel nach Hause tragen. Unser Schlüsselanhänger, an denen unsere Schlüssel hängen, können mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus Plastik bestehen. Und wenn man sich erst einmal in seinem eigenen Haushalt umguckt, wird man feststellen, dass man kurz davor ist, bereits durch seine reine Anwesenheit am Plastik zu ersticken. Doch nicht nur dort ist Plastik eine Geißel, die uns aufzufressen droht.

Was die meisten Menschen nicht bedenken, wenn sie statt wiederverwendbarer Tüten immer wieder auf eine neue Plastiktüte für 10-20 Cent (je nach Größe) zurückgreifen, ist die Tatsache, dass Plastik im Gegensatz zu vielen anderen, natürlichen Stoffen sich nicht von selbst zersetzt. Und wenn man eine Plastiktüte irgendwo wegwirft, kann man sich nicht einfach darauf verlassen, dass sie irgendwann verschwunden ist (es sei denn, ein anderer Mitbürger kann sie noch gebrauchen!). Plastik zersetzt sich in immer kleinere Teilchen, die sich dann mit anderen Rohstoffen vermischen - aber nie verschwinden!

Ein erschreckendes Beispiel hierfür sind die Strände dieser Welt: jeder, der meint, er würde nur aus reinem, weichen, wunderbaren Sandstrand laufen, der täuscht sich mittlerweile gewaltig! IN biologischen Langzeitstudien wurde aufgeschlüsselt, wie sehr der Sand bereits mit Plastikmüll durchzogen ist. Und die Weichmacher, die im Plastik enthalten sind, haben weitaus mehr Folgen, als dem Massenkonsumenten im Supermarkt jetzt bewusst sein mag. Doch erst zu den Fakten.

Über Jahrzehnte sind zig Tonnen an Plastikmüll in den Weltmeeren gelandet. Wir reden alle über die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko? Im Gegensatz zur Ölkatastrophe in Mexiko interessiert sich merkwürdiger fast keiner für den Umweltskandal, der in den Weltmeeren rumschwimmt. Vielleicht liegt das daran, dass Plastikmüll im Meer nicht auf den ersten Blick sichtbar ist - es gibt keine riesigen Teppiche aus ALDI-Plastiktüten in den Meeren, die aus der Hubschrauberperspektive gut sichtbar wären und tolles Bildmaterial für die Abendnachrichten liefern würden. Der Müll, der in den Meeren schwimmt, befindet sich unter der Meeresoberfläche, zwar schwimmt er, ist aber für den Betrachter von oben nicht gut sichtbar. Hinzu kommt, dass sich Plastik im Meer schnell zu kleinsten Partikeln zersetzt. Und damit ist das Problem erledigt? Mitnichten! Dann geht der Spaß erst richtig los: wenn diese Kleinteile von 3-5 mm Größe im Meer rumschwimmen, denken sich die Meeresbewohner: "Prima! Da schwimmt mein Abendessen!". Und da wir unseren Kindern beibringen, kein Plastik zu essen, werden wir wohl wissen, wie nützlich Plastik im Speiseplan von Fischen und Meeressäugern ist.

Zum Thema Meeresmüll mal eine interessante Tatsache: Laut Wikipedia sammelt sich durch Meeresströmungen ein gigantischer Müllberg zusammen, der sogenannte Great Pacific Garbage Patch, der zwischen Nordamerika und Asien rotiert und bei dem Anfang 2008 schätzungsweise 100 Millionen Tonnen Kunststoffmüll zusammenkamen. Also: 100 Millionen mal 1000 Kilogramm. Zwar werden die Teile dieses Strudels im Meer relativ schnell zerkleinert, doch das dauert auch immerhin noch 16 Jahre. Wenn man bedenkt, dass keine Pubertät dieser Welt so lange dauert (und diese doch schon gefühlt lange ist!), ist das mehr als beunruhigend. Und wie gesagt: die richtige Gaudi findet erst nach der scheinbaren Zersetzung statt. Denn die wirkliche Zersetzung geschieht nie! Und so werden die Plastikfragmente von Tieren und Pflanzen im Meer aufgenommen, das gesamte Meerwasser mitsamt Flora und Fauna wird einmal so richtig schön mit Plastik und deren Weichmachern zersetzt. Und irgendwann landen die Produkte daraus nicht nur auf unseren Tellern.

Denn wer jetzt meint "Ess ich einfach keinen Fisch mehr!", der hat sein Leben dadurch allein nicht auf eine garantierte Lebenshöhe von 130 Jahren erhöht. Denn wenn die Giftstoffe von Kunststoffen bereits im Meerwasser sind, sind diese auch eine Erklärung dafür, warum wir alle mit der Zeit (trotz bester und reichhaltiger Ernährung) immer kränker werden und unter anderen das mit der Fortpflanzung auch nicht mehr so klappt, wie es klappen sollte.

Schon verrückt, wenn man bedenkt, was wir alles tun, damit wir lange gesund und munter bleiben, damit wir nicht nur konkurrenzfähig sind, sondern am Besten auf der Spitze der Konkurrenz reiten. Vielleicht liegt es an unserer eigenen Unachtsamkeit, dass wir so beschäftigt sind damit, möglichst schön und erfolgreich durch's Leben zu spazieren. Kein Wunder also, dass wir verschwenden, bis die Schwarte kracht. Erst letzte Woche sah ich einen Bericht im Fernsehen über eine Familie, die komplett auf Plastik verzichtet und ihr Leben so organisiert, dass sie keinen Müll verursacht. Und wenn man sich diesen Bericht genau ansieht, sieht man, wie mühevoll es scheinbar ist, ohne Plastik, Kunststoffe etc zu leben. Andererseits, denken wir doch nochmal zurück: "Wenn du kein iPhone hast, hast du kein iPhone!". Und wenn du kein Plastik verbrauchst, verbrauchst du kein Plastik. Der Schlüssel zum Erfolg ist Entwöhnung: wir konnten ALLE früher ohne Mobiltelefone leben und es gab tatsächlich eine Zeit, da konnten wir auch ohne Plastik leben.

Natürlich ist es utopisch zu behaupten, dass wir uns alle von Heute auf Morgen von "100% Plasticland" entwöhnen könnten. Der Schritt von Hundert auf Null funktioniert wohl nur bei Drogen- oder Alkoholsucht - und selbst da sind die Erfolgsquoten mehr als niederschmetternd. Eine Besserung der Lage ist ohnehin nur zu erreichen, wenn man sich seiner eigenen Gewohnheiten bewusster wird als der Apps, die man auf seinem Handy hat. Der Trick ist, sich der Dinge, der man so sicher ist, bewusster zu werden. Das Unterbewusstsein sorgt dafür, dass wir Dinge gewohnheitsmäßig annehmen und immer denken, sie würden immer wieder funktionieren. Nicht nur einmal. Tausendmal. Millionenmal. Bis wir irgendwann nicht mehr sind. Schade an der Sache ist ja nur, dass selbst wenn wir nicht mehr sind, die Resultate unserer Abfallästhetik immer noch vorhanden sein werden. Wie gesagt, Plastik verschwindet nicht. Weder von den TV-Bildschirmen, noch aus den Weltmeeren.

Wer Plastik in offene Fleischwunden legt, kann mehr als nur eine Vereiterung der Wunde erwarten. Und das gilt nicht nur für echte Fleischwunden. Denn die Fleischwunde, von der ich rede, ist nicht am eigenen Körper sichtbar, aber sie wirkt sich auf gleichen aus. Eines Tages werden wir das verstehen. Aber ich bezweifle, dass wir es jetzt tun, wo wir nur Feststellungen machen wie "Wenn du kein iPhone hast, hast du kein iPhone!".
Wenn wir also in unseren Weltmeeren weiterhin unseren Kunststoffmüll entsorgen, sollten wir uns bewusst sein, dass das zu unseren ohnehin schon vorhandenen Problemen (Ozonloch, das Verschwinden von Waldflächen etc) dazuaddiert werden kann. Und irgendwann (und das dauert gar nicht mehr so lange!) werden wir ersticken - ob wir uns nun freiwillig die Plastiktüte über den Kopf ziehen, oder es doch bevorzugen, dass die Weltmeere früher oder später umkippen und die "blaue Lunge" unsers Planeten endgültig in sich zusammenklappt. Damit hätten wir dann auch keinen Sauerstoff mehr zum Überleben.

Allerdings: wer's sarkastisch sehen will (so wie ich!) kann sich einfach denken: "Der Planet wird uns schon los. Wenn wir nicht freiwillig gehen, sorgt die Erde schon dafür, dass wir definitiv gehen!" Der Rest (der unbedingt leben will) sollte entweder sich Gedanken darüber machen, wie er für den eigenen Erhalt (und den seiner Nachkommen) die Erde in Zukunft sauberer hält (wenn wir es schon bis zu diesem Zeitpunkt nicht hingekriegt haben!) oder er sollte anfangen wirklich (und nicht pseudo-) religiös zu werden und das Beten anfangen. Irgendwer könnte ja schließlich auf die Gebete hören, kommen und die Uhren zurückdrehen. Ob wir daraus allerdings wirklich was lernen würden, ist wieder eine andere Sache.

Natürlich bleibt die Hoffnung, dass die Erde bis zum nächsten Freitag weiterhin besteht... so schnell geht ein Zerfall ja NIE vonstatten. In diesem Sinne, eine schöne Woche - bis nächsten Freitag!

LG Gene :-)

Freitag, 6. Mai 2011

Obama, Osama und Frau Merkel - oder: "The Good, The Bad And The Ugly"

Eigentlich befanden wir uns am letzten Sonntag beim "Tag der Arbeit". Und genau an diesem Tag endete ein Kapitel einer Legende über Krieg, Leid und Tod. Nur ein Kapitel? Nun, diese Legende ist eine nie enden wollende, immer erweiterbar durch manchmal nicht auszudenkende neue Strategien und Katastrophen, die das Bild komplettieren.

Als ich am Montag Morgen aufwachte und gefragt wurde: "Rate mal, was passiert ist?", ohne vorher die Nachrichten gesehen zu haben, dachte ich nur: "Gaddafi wurde geschnappt!", "Gaddafi ist tot!". Mitnichten, aber irgendwie scheint Gaddafi in unseren Köpfen im Moment den Thron des "Herrschers des Bösen" eingenommen zu haben. Wenngleich seine Schreckensherrschaft schon so lange ging, dass diese Stelle mit ihm schon lange hätte besetzt sein müssen. Doch, es gab da noch jemand, der hatte eine ganze Weile diese Stellung inne und war doch so plötzlich vergessen: Osama Bin Laden. Nach dem 11. September 2001, der sich durch den Terroranschläge auf die Twin Towers in New York für immer in unsere Köpfe gebrannt hatte, war er derjenige, der das Sinnbild für den "Schurken der Neuzeit" eingenommen hatte. Hitler war gestern, Bin Laden war das Übel der heutigen Zeit. Und die damit verbundene radikale Organisation Al Qaida genießt auch bis zum jetzigen Zeitpunkt die Rolle des Angstmachers schlechthin. Die Terroranschläge von 9/11, die Anschläge auf die Londoner U-Bahn und Pendlerzüge in Barcelona, der Terroranschlag in Mumbai 2007... das sind nur wenige der vielen Taten, mit der sich die Organisation stolz brüstet. Wenn man inzwischen ein Symbol für das abgrundtief Böse auf dieser Welt sucht... mit der Al Qaida hätte man schonmal ein ziemlich treffsicheres. Und Osama Bin Laden könnte als Ikone dieser Organisation bezeichnet werden - sein Bild kennt jeder und damit ist er sowohl verehrt von denen, die seinem Beispiel folgen wollen als auch gehasst von denen, die seine Taten verurteilen.

Nun ist er tot - "le coq est mort/der Hahn ist tot". Und das Witzigste ist wohl, dass keiner mehr mit dieser Nachricht gerechnet hat. Dachten wir nicht alle, bin Laden sei wie "Phantomas", ein Phantom, dass vielleicht noch lebt, vielleicht aber auch schon tot ist? Hatten nicht oft genug Experten die Hasspredigten in Videobotschaften angezweifelt und vermutet, dass diese längst veraltet waren und damit nur die Verherrlichung für die Gefolgschaften am Leben gehalten werden sollte? Bin Laden schien unfassbar zu sein, wenn man den Fall denn annahm, er sei noch am Leben. Es wurde vermutet, er befände sich irgendwo in Afghanistan, eventuell auch in Pakistan. Aber genau sagen konnte das keiner. Und so, wie er verschwand, ist er jetzt tot wieder aufgetaucht - aus dem Nichts heraus ins Nichts zurück!

Als Barack Obama den Tod des Al Qaida Anführers bekannt gab, konnte man nicht anders als sich zuerst fragen: "Wie haben die Amerikaner DAS denn jetzt geschafft?". Man erinnerte sich an George W. Bush jun. der verzweifelt versuchte, Bin Laden zu finden "We want him - dead or alive!". Und jedem war damals schon klar: Bush wollte ihn lieber tot als lebendig. Er schrieb es sich so dick auf die Fahnen, Bin Laden zur Strecke zu bringen, dass mitsamt dem Afghanistankrieg die zweite Amtszeit von Bush gesichert war - ob er nun die Fähigkeiten zu regieren hatte oder nicht. Denn die Anschläge von 9/11 waren ein dicker, schwarzer Stachel im Fleisch des amerikanischen Volkes; nie hatte die erfolgreichste, schönste und beste Nation der Welt gedacht, sie könnte von irgendetwas in ihren Grundfesten erschüttert werden. Und als Osama bin Laden sich zu den Anschlägen bekannte, war der Hass der gesamten amerikanischen Nation gegen ihn gerichtet. Ein Hass, motiviert aus tiefer Trauer, der viel größer wurde als der Hass, den die Al Qaida in ihrem religiösen Irrsinn predigte.
Und nun, kurz vor dem 10. Jahrestag des 11. September, hat der "Heilsbringer Amerikas" etwas geschafft, dass eigentlich George W. Bush in seinen Lebenslauf schreiben wollte: er hat bin Laden aufgespürt. Nicht er persönlich, aber der Dank und die Ehrfurcht der Naiton gehören nun ihm und das genau zum richtigen Zeitpunkt. Nachdem Obama nun lange mit dem Image zu kämpfen hatte, nicht das halten zu können, was er 2008 so vollmundig versprochen hatte, ist er jetzt zum "Hero of America" aufgestiegen. Er hat das Böse besiegt, er ist der Jäger, der den bösen Wolf endgültig erschossen hat. Perfekt wie im Märchen und doch verbunden mit so viel Mißtrauen und bösem Blut, wie man es sich eigentlich nur von der Seite der Al Qaida vorstellen konnte.

Denn was kurz nach dem Lob für Barack Obama folgte, war die große Schelte der republikanischen Seite: er habe das alles nur gemacht, damit er bei den nächsten Wahlen gut dasteht. Er betreibe nur Wahlkampf auf dem Rücken der "Operation Geronimo", will Sympathien, die ihm eigentlich gar nicht zustünden. Aber das ist nicht alles, was zu dieser Nachricht geschehen ist und gründlich in die Hose ging, auf diplomatischer wie menschlicher Seite.

Was die Weltbevölkerung kurz nach der Mitteilung Obamas als Erstes zu sehen bekam, waren tausende jubelnder Menschen auf den Straßen New Yorks, am Times Square und am Ground Zero, die jubelnd nur "USA! USA!" brüllten und damit demonstrieren wollten, welch großer Triumph ihnen mit dem Tod bin Ladens gelungen war und dass ihre Nation stärker denn je aus dieser Aktion hervorgegangen ist. Und so sehr man sich mit den New Yorkern, mit den Amerikanern und eigentlich auch mit sich selbst freuen wollte, dass das Spukgespenst bin Laden nicht mehr ist... ein fader Nachgeschmack hatten die Bilder, die man sah.

Denn auch wenn jeder nur über die Bilder redet, die jeder sehen will, von denen Obama sich aber weigert, sie zu zeigen (nämlich die vom toten bin Laden), es fällt schwer, wirkliche Freude über den Tod eines Menschen zu zeigen. Egal, wie schlimm ein Mensch ist, über seinen Tod zu triumphieren ist wohl eine Tugend, die zu Amerika gehört wie Peanutbutter und Hand auf die Brust beim Nationalhymne singen. Nicht allein der ethische Gesichtspunkt hat mich im Zusammenhang mit den Straßenfeiern nachdenklich gemacht; es geht nicht nur darum, wie "vulgär" dieser Jubel der Amerikaner war (um Altbundeskanzler Helmut Schmidt im Interview diese Woche zu zitieren), man fragt sich doch, bei aller Erleichterung, bei aller "Freude", was der Tod bin Ladens wirklich bringt.

Es wurden Meldungen in dieser Woche berichtet, laut denen bin Laden mit der Al Qaida neue Anschläge zum 10. Jahrestag von 9/11 geplant hatte. Der Knackpunkt am Tod bin Ladens ist schlussendlich, dass die Al Qaida keine "One man show" war, sondern eine straff organisierte Terrorvereinigung, die aus tausenden von Mitgliedern besteht. Und wenn bei diesem Fabelwesen der Kopf der Schlange abgeschlagen wird, wachsen kurz darauf drei Köpfe nach. Das Problem liegt ja nicht nur in bin Laden, es liegt in der Einstellung eines Teils einer ganzen Generation, die meint, nur durch Terror und Tod könnten die irrwitzigen Forderungen dieser Terrorgruppe durchgesetzt werden.

Wenn diese Aktion eins hat, dann ist es Symbolcharakter. Osama bin Laden war durchaus das Gesicht des Terrors und mit seinem Tod hat der Schrecken für's Erste sein Gesicht verloren. Und das ist vielleicht das Einzige, was die unbändige Freude und Erleichterung erklären mag.

Doch die "Freude" ist ein gewaltiges Fettnäpfchen in diesem Zusammenhang, gerade wenn man in einem Beruf steht, in dem auch die Diplomatie eine hohe Tugend zu sein hat. Aber wer wäre besser geeignet, in ein Fettnäpfchen zu trefen, als unsere allzeits beliebte Kanzlerin Angela Merkel? Nachdem sie schon so oft sich gründlich daneben benommen hat, wenn es um die wichtigen Dinge des Lebens ging (man denke zuletzt an ihre Haltung zu Atomkraftwerken unmittelbar nach der Katastrophe in Japan), ist es ihr auch diesmal gelungen, die gesamte deutsche Nation gründlich zu blamieren. Mit den Worten, sie freue sich über den Tod Osamas, hat sie zwar dem Ausdruck verliehen, was viele denken, allerdings hat sie dabei ein Problem: die Diplomatie steht nicht bei Lieschen Müller im Vordergrund, sondern bei ihr als Staatsfrau! Und sehr kurz nach dieser Aussage war das Donnerwetter um ihre Aussage groß. Wie kann sie es sich als Politikerin wagen, solch eine Aussage über den Tod eines Menschen zu machen? Dabei wird von den ethisch Korrekten völlig ausgeklammert, dass bin Laden ein Massenmörder ist. Er ist trotzdem ein Mensch, mit zwei Armen, zwei Beinen, einem Rumpf, einem Kopf - dass er dabei ein ideologisch sehr krankes Hirn hatte, spielt keine Rolle. Im Ende spielt eine Rolle, dass er ein Mensch war. Punkt! Und auf diesem Punkt ritt dann auch prompt die Opposition rum. Wer sagt denn, dass nur Obama mit seinem Triumph Wahlkampf betreiben kann? Was Amerika kann, kann Deutschland schon lange!

Es ist wohl klar, dass Frau Merkel sich wieder einmal so richtig mit falschem Ruhm bekleckert hat. Allerdings frage ich mich, ob die Aussage von ihr wirklich so stark und weltweit diskutiert wird, wie die deutschen Medien behaupten. Meiner Erfahrung nach interessiert es das Ausland herzlich wenig (besser gesagt gar nicht!), was Deutschland zu sagen hat. Ob es an den unbedachten Worten von Frau Merkel aus der Vergangenheit liegen mag? Mitnichten, das Land ist einfach zu klein gegen die Übermacht Amerika, dass man ihre Worte wirklich ernst nehmen würde. Der Ausspruch wird wohl nur positiv von den Amerikanern aufgenommen worden sein und die Terroristen hassen uns als Verbündete der Amerikaner sowieso.

Die Worte, die allerdings die Welt (und speziell Amerika) sehr interessieren dürften dieser Tage, sind die aus Pakistan. Irgendwie hat dieses Land schon seit der Abspaltung von Indien nicht viel Glück gehabt. Es gilt durch den Mehrheitsanteil an Muslimen allein als gefährlich, hinzu kommt die feindliche Haltung gegen alles Westliche. Und die Tatsache, dass die pakistanische Regierung die Diktatur der Al Qaida in Afghanistan über 25 Jahre unterstützt hat, macht Pakistan nicht gerade zur Sympathieträgernation dieses Planeten.
Pakistan könnte einem nun fast leid tun, da einer der schlimmsten Kriminellen in ihrem Land gefunden wurde. In Erklärungsnot befindet sich Pakistan nun auf jeden Fall, immerhin hat bin Laden sich nicht im Erdloch irgendwo in den Bergen Pakistans verbuddelt, nein! Er lebte in sehr renommierten Gegend, in der sonst nur wohlhabende pakistanische Pensionäre lebten und das über Jahre. Natürlich behauptet die pakistanische Regierung, sie habe von alledem nichts, aber auch gar nichts gewusst. Wirklich? Man darf seine Zweifel hegen, so sehr sich Pakistan auch um ein sauberes Image bemüht, ese ist mehr als unwahrscheinlich, dass Pakistan ahnungslos in der Angelegenheit war.

Aus der Vergangenheit ist es mehr als bekannt, wie schnell Nationen Kriegsverbrecher und Terroristen verstecken damit verhindern, dass sie ihrem wohl verdienten Kreigsverbrechertribunal vorgestellt werden. Das beste Beispiel aus der nahen Vergangenheit dürfte wohl der serbische Kriegsverbrecher Radovan Karadzic sein, der sich jahrelang im eigenen Land verstecken konnte, obwohl er für die Ermordung tausender Menschen verantwortlich war. Und trotz allem wurde er erst Jahre später in der Hauptstadt Serbiens, in Belgrad, verhaftet. Das stark veränderte Äußere und der falsche Name konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Karadzic nicht allein durch Verbündete im Untergrund erreichen konnte, vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal verschont zu bleiben. Es stellte sich später heraus, dass auch aus politischen Gründen nach Jahren doch der Entschluss gefasst wurde, den Hauptverantwortlichen neben Milosevic für die Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzigovina dem internationalen Geheimdienst zu verraten.

Es drängt sich nun der Verdacht auf, Ähnliches ist auch im Fall von bin Laden geschehen. Leider kommt es im Ende nicht auf ehrbare Motive an, wenn es darum geht, einen Kriegsverbrecher an die Justiz auszuliefern. Es gibt viel zu viele Verbrecher, die nach ihren Greueltaten das jeweilige Land ihrer Verbrechen verlassen und irgendwo, mitten unter uns, neu anfangen. Ja, auch hier in Deutschland! Nun war bin Laden nicht hier mitten unter uns, aber dass es auch in diesem Land Kriegsverbrecher gibt, die unbescholten ihr Leben weiterführen (und das meist finanziell nicht gerade in ärmlichen Verhältnissen!) ist ein offenes Geheimnis, dass viel zu viele Verantwortliche ignorieren. Und dann wollen wir wirklich Pakistan als die Bösen hinstellen, die bin Laden versteckten? Wahrscheinlich ja, denn im Gegensatz zu Kriegsverbrechern aus Sri Lanka oder Ruanda, die hier Unterschlupf finden, hat bin Laden einen zu großen Namen, um ihn zu verstecken.

Die Zukunft wird zeigen, welche Rolle Pakistan in dieser Sache gespielt hat - oder auch nicht, denn Vertuschung ist die Hauptzutat, die im Rezept zum Gericht "Kriegsverbrecherversteck" ganz oben steht. Und inwieweit wir uns alle wirklich "freuen" dürfen, darüber darf munter spekuliert werden. Eins ist jedenfalls klar: der Tod Osama bin Ladens wird nicht wirklich viel verändern! Er beruhigt die Amerikaner für eine Weile, bis die nächste Generation der Al Qaida unter neuer Führung dafür Sorgen wird, dass nicht nur der Tod ihrer Ikone gerächt wird. Denn es wird in Zukunft nicht nur um Rache gehen; die nächsten Anschläge kann man nicht unter "Rache" verbuchen, denn wahrscheinlich würden diese auch passieren, wenn bin Laden noch am Leben wäre. Die Lösung für das Problem "Al Qaida" ist immer noch in weiter Ferne und wahrscheinlich mehr im Inneren jedes einzelnen Mitglieds verwurzelt als in der Tötung der Gallionsfigur. Doch wie gesagt... die Zukunft wird das alles zeigen.

In inständiger Hoffnung, dass die Welt die nächsten sieben Tage in möglichst weitreichendem Rahmen friedlich bleibt, verbleibe ich hier und jetzt und wünsche allen Lesern eine gute Zeit... bis zum nächsten Freitag!

LG Gene :-)

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