Samstag, 25. Februar 2012

Die "Untat 2012": Political Correctness

Langsam wird es Zeit, dass wir alle aufhören, auf unserem armen Ex-Präsidenten rumzuhacken. Der arme Mann, jetzt liegt er auch noch mit einer Nierenkolik im Krankenhaus!... Okay, ich bin ehrlich, das mit dem "Es wird Zeit, dass wir aufhören, auf Christian Wulff rumzuhacken" stammt nicht von mir, ich höre es in letzter Zeit nur immer öfter. Ehrlich gesagt, ich bin kein Fan von Hänseleien und persönlich hüte ich mich auch davor, einen Menschen ohne Grund für etwas zu "hänseln". Leider handelt es sich beim kürzlich zurückgetretenen Präsidenten Christian Wulff nicht unbedingt um eine grundlose Hetzkampagne. Viele Menschen reden zwar davon; da heißt es dann, das alles sei nur eine große Hexenjagd, von der BILD Zeitung angezettelt und so weiter... aber mal ehrlich: jeder, der nur ein wenig an Politik interessiert ist und sich mit der Qualität oder Quantität eines Politikers auseinandersetzt, hat schnell erkannt, dass Christian Wulff nicht gerade ein Traum für den Posten des Bundespräsidenten war. Andererseits, wenn man nun sieht, wie sehr sich die Kritiker aufplustern wegen der Nominierung von Joachim Gauck... wirkt es doch fast, als gäbe es nichts mehr, das ideal ist, lupenrein, nicht angreifbar. Gauck ist mit seiner langjährigen Lebensgefährtin nicht verheiratet? Gott bewahre, und solch ein Skandal im 21. Jahrhundert! Warum führen wir nicht gleich wieder die Hexenverbrennung ein?

Wäre das nur das einzige Problem, wäre es ja gut. Es gibt Nörgler (wie z.B. Jutta Ditfurth, ihres Zeichens Mitbegründerin der Grünen) die sagen, Gauck wäre so sehr auf den Begriff "Freiheit" festgenagelt, dass ihm das Soziale am Hintern vorbeiginge. Ich frage mich an dieser Stelle dann gerne: Gibt es überhaupt noch irgendeinen Menschen, der wirklich auf das Soziale festgelegt ist? Politische Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, juristische Gerechtigkeit... im Prinzip alles nur ein großes "Yada yada yada" (zu Deutsch: Blablabla) des alltäglichen Lebens. Wir bemühen uns so sehr, korrekt zu sein, in allem, was wir tun... hauptsächlich aber immer ausgerechnet dann, wenn wir möglichst gut dastehen wollen. Deswegen kann ich das Meckern am nächsten Bundespräsidenten auch nicht wirklich für Voll nehmen. Mag sein, er ist nicht perfekt, aber streben wir wirklich noch bei einer Weltbevölkerung von 7 Milliarden Menschen und immer mehr Rissen in unserer heilen Welt nach Perfektion? Anders gefragt: möchte irgendjemand wirklich noch selbst perfekt sein? Oder verlangen wir nur gerne von Anderen das Unmögliche, um es ihnen möglichst schwer zu machen?

Wie sich Gauck im Amt entwickeln mag, sollte erst einmal abgewartet werden. Vorschusslorbeeren sind genauso fehl am Platze wie Kritik, die das ohnehin angeschlagene Amt dem Todesstoß geben könnte. "Abwarten und Tee trinken" wäre da wohl die Devise - mal ganz britisch. Meckern können wir immer noch in anderthalb Jahren, falls Gauck (was ich nicht hoffe, andererseits auch nicht glaube) von einem Skandal ähnlich wie Wulff dahingerafft wird. Viel wichtiger als die Wahl des neuen Bundespräsidenten ist wohl die allgemeine Weltlage. Nein, nicht das, was gerade in den Nachrichten als Schlagzeile verkauft wird und deswegen in aller Munde ist. Oder zumindest in ein paar Mündern... nicht jeder redet schließlich über die Nachrichten, viele reden auch einfach gerne über den "Bachelor" (oder, wie die BILD neulich schrieb, den "Bettschalla"). Diesen Leuten geht die Weltpolitik, Umweltprobleme oder wirtschaftliche Krisen tendenziell am A**** vorbei. Mir geht es in dieser Frage eher umgekehrt; wer von uns nun das leichtere Leben hat, sei dahingestellt. Unbestreitbar ist allerdings, dass die Weltprobleme (im Gegensatz zum Liebesleben des Bettschallas) uns alle betreffen. Das ist auf eine ganz einfache Logik zurückzuführen: wenn die Welt untergeht, sind wir alle dran! Keine Ausnahmen! Da hilft kein Geld, keine Gesundheit und keine Intelligenz der Welt.

Im Prinzip wäre das wahnsinnig beruhigend, denn spätestens ab dieser Stelle wären wir dann wirklich mal "alle gleich". Vor "Gott" sind wir das sowieso. Bis es allerdings soweit ist, regen sich die Afghanen darüber auf, dass amerikanische Soldaten aus Versehen den "heiligen" Koran verbrannt haben. Ja, richtig gelesen - heilig steht in Anführungsstrichen. Warum? Vielleicht, weil kein Buch dieser Welt "heilig" ist. So etwas gibt es nicht... weder die Bibel noch der Koran sind heilig, es sind Schriftstücke, auf denen Religionen aufgebaut sind. Aber heilig? Hat der liebe Gott mit dem Rauschebart persönlich draufgespuckt, dass der Koran heilig ist? Es ist verrückt und absolut widersinnig, dass die Muslime in Afghanistan nun durchdrehen, weil Bücher verbrannt wurden, die Schriften beinhalten, die diese Menschen als "heilig" empfinden. Akzeptiert, Religion mag für viele Menschen sehr wichtig sein, sie mag das Zentrum ihres gesamten Lebens sein und dadurch wertvoller wie jeder geliebte Mensch in ihrem Umfeld sein. Andererseits frage ich mich, wie viele Korane pro Tag den "Heldentod im Ascheneimer" sterben, und das ganz ohne politischen Hintergrund. Beim Hausbrand, achtlos weggeworfen... vielleicht sogar ein Schimmelschaden in einer Bibliothek. Und was wird dann gemacht? Wird der Bibliothekar erschossen, weil er nicht gut genug auf den Koran aufgepasst hat?

Ich sage immer wieder, wenn man schon religiös ist, sollte man wissen, dass man die Religion in erster Linie im Kopf und im Herzen trägt, nicht in irgendeinem Buch. Wenn der Glaube eines Menschen durch solch eine Handlung (ob absichtlich oder unabsichtlich von den Amerikanern ausgeübt) derart leicht angreifbar ist, dann ist der Glaube der Afghanen nicht wirklich viel wert. Ähnlich ging es mit den Aufständen um die "Mohammed"-Karikaturen vor 6 Jahren. Aufstände und gewalttätige Ausschreitungen mit insgesamt über 100 Toten, weil ein Karikaturist meinte, er müsse sich über den Propheten der Muslime lustig machen? Ernsthaft? An dieser Stelle sei wieder einmal die allseits unbeliebte, aber zutreffende Frage angebracht:

Haben wir sonst keine Probleme?

Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit immer öfter, andererseits lässt sich diese Frage wohl profan mit: "Es gibt wahrscheinlich zuviele Probleme auf dieser Welt, dann beschäftigt man sich lieber mit Unwichtigkeiten!" beantworten. Das einzige Problem, über das die Menschen noch gerne und ausgiebig diskutieren (und wohl immer diskutieren werden) ist das liebe Geld. Geld ist eh wichtiger als Religion, wir leben alle vom "Wachstum", von der eigenen "Rendite" auf unser Geld und insgesamt scheren wir uns alle mehr um unsere eigene "Liquidität", als um irgendetwas anderes. Na gut, ich gebe zu, das ist ein wenig übertrieben... Sex ist auch wichtig... und neue Schuhe für Frauen... und ein neues Auto für Männer. Wenn man es aber streng betrachtet, hängen zumindest die letzten zwei Sachen zu 100% mit Geld zusammen (bei der ersten Sache kann man sagen zu 50%, je nachdem, woher man den Sex bekommen will!). In der nächsten Woche soll das zweite "Rettungspaket" für die Griechen durch den Bundestag verabschiedet werden. Selten waren wohl auf beiden Seiten die Leute so sauer wie in dieser Sache: die Helferländer (inklusive Deutschland) sind sauer, weil wieder einmal Milliarden Euro an Steuergeldern in ein Land gepumpt wird, das wahrscheinlich eh in einem Jahr die absolute Pleite anmelden muss. Und die Griechen? Die sind sauer, weil sie sich in ihrer "Ehre" verletzt fühlen. In diesem Zusammenhang überhaupt noch von "Ehre" zu sprechen, ist wohl arg vermessen, aber manche Menschen scheinen wohl sehr gerne von Ehre zu sprechen, wo gar keine mehr zu finden ist. Ein Land, das jahrelang Misswirtschaft betrieben hat und sich selbst in die Schei*e geritten hat, verlangt nun, dass wir ihm die Ehre und den Respekt zugestehen, die ihm gebühren? Okay, Ehre wem Ehre gebührt, es ist immerhin auch eine starke Leistung, so stark in die Schuldenfalle zu geraten, wenn man mal gerade gut 10 Millionen Einwohner hat und es eigentlich hinkriegen sollte, eine vernünftige Wirtschaft zustande zu kriegen (Stichwort: Touristenland... allein die Schafskäseproduktion müsste doch schon ausreichen, um ins Plus zu kommen!).

Zugegeben, heute übertreibe ich mal wieder ein wenig, aber zurück zum eigentlichen Punkt: wir reden furchtbar gerne übers Geld. Wir reden nicht nur gerne darüber, wir beschäftigen uns auch mit fast nichts anderem. Es ist nicht verwunderlich, immerhin müssen wir alle jeden Tag für unseren Lebensunterhalt arbeiten gehen, zittern dabei pausenlos um unseren Job und kämpfen um unsere Existenz. Das allerdings ist unter "Überlebenskampf" abzuhaken, ein natürlicher Drang, auch "Selbsterhalt" genannt. Dafür muss man sich selbst jetzt nicht unbedingt applaudieren! Anderen Dingen hingegen schon: der Umweltverschmutzung aus Profitgier, dem Töten von Mitmenschen für's liebe Geld... das ist doch wirklich mal eine Standing Ovation wert, oder? Entschuldigung, aus mir scheint wohl die reine Verbitterung zu sprechen. Aber worüber sollte ich verbittert sein? Wenn es etwas gibt, worüber eigentlich jeder verbittert sein müsste, dann ist das die Ignoranz der Menschen, die ganz oben stehen und über das Schicksal aller entscheiden, nur weil sie auf ihrem Bankkonto ein Plus und ein paar Nullen mehr beim Kontostand stehen haben als andere. Was bedeutet "Political Correctness" in diesem Zusammenhang? Ist es wirklich noch "politisch korrekt", reich zu sein? Für Politiker scheint das wohl der Fall zu sein.

Vorneweg nur eins: an dieser Stelle geht es mir mal ausnahmsweise nicht um Christian Wulff und seine Liebe zu wirtschaftlich sehr potenten Geschäftsleuten. Doch die Politik vergisst in ihrer Jagd nach immer neuen Investoren und damit dem immer weitergehenden Aufschwung sämtliche "correctness". Es geht zuerst ums Geld, weil das bedeutet, dass es dann "allen Menschen des Landes gut geht". Aha! Doch nehmen wir einmal ein einfaches Beispiel, um diese Aussage zu entkräften: Brasilien. Zugegeben, das Land hat sich gemausert, gilt neben China und Indien als neue Wirtschaftsmacht. Aber Brasilien tut auch einiges dafür, nicht zuletzt gibt es dort nichts Soziales, die Armen werden immer ärmer, die (wenigen) Reichen immer reicher und die Natur (wohlgemerkt, der größte immer noch funktionierende Teil des Regenwaldes weltweit!) wird zerstört. Erst kürzlich machte der Fall des Wasserkraftprojekts "Bel Monte" Schlagzeilen. Hierfür wird Wasserkraft aus dem Fluss Xingu, einem Nebenfluss des Amazonas, gewonnen. Der Fluss wird über eine Schleife umgeleitet, dabei werden über drei Talsperren zwei Stauseen angelegt und darüber soll dann Energie gewonnen werden. Schöne neue Energiewelt? Von wegen! Denn durch die Umleitung müssen Tausende von Einwohnern (darunter auch Ureinwohner aus 18 verschiedenen Stämmen) weichen, werden umgesiedelt. Alles für die gute Sache für alle. Oder besser gesagt: alles für den Profit der Betreiber und Organisatoren! Politische Korrektheit? Fehlanzeige! Politisch korrekt ist nicht, was den Menschen am Besten tut, sondern das, was am meisten Geld in die Staatskassen spült - und für mächtig Profit sorgt.

Für das liebe Geld wird nacheinander jede Vernunft über Bord geworfen, die es bisher zwar nur in geringem Rahmen gab, die jetzt jedoch völlig aufgegeben werden soll. Umweltschutz war nie so wichtig wie jetzt, die Polkappen schmelzen, trotzdem freuen sich die Menschen, wenn es im Februar Frühlingstemperaturen gibt. Verständlich, Kälte ist auch was Schreckliches, speziell, wenn man spätestens um 7 Uhr morgens das Haus verlassen muss. Aber wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der wir konstant 30 Grad plus haben und dabei am Besten an unserem eigenen Smog ersticken? Gut, wenn wir ersticken, leben wir nicht mehr bei konstant 30 Grad, ist mir auch klar. Aber über die Konsequenzen mancher Wünsche der Menschen wird sich einfach zu wenig Gedanken gemacht. Täglich sterben mehrere Tierarten einfach aus, viele davon wurden von der Menschheit nicht einmal entdeckt. Die Naturflächen, die zur Verfügung stehen, schrumpfen tagtäglich; trotzdem ist es immer noch am Wichtigsten, ob ein Koran "heilig" ist oder ob wir für genug "Aufschwung" in unserem Land sorgen.

Noch mehr "Political Corretness" gefällig? Wir gelten angeblich alle als "gleich", egal, woher wir kommen, wer unsere Eltern sind, was wir tun, wohin wir gehen. Wenn das allerdings stimmen würde, dürfte Geld gar keine so große Rolle darin spielen, mit welchen Menschen wir uns umgeben, wer was erreichen kann und darf und wer auf diesem Planeten die Macht über alles bekommt. Ja, es ist schwer bei 7 Milliarden Menschen, eine vernünftige Entscheidung zu treffen, wer die Menschen nun leiten soll, ihnen Struktur verleihen soll etc. Es wäre schlicht unmöglich bei dieser Menschenmenge, jeden nach seinem eigenen Denken alles machen zu lassen, was er möchte und so zu leben, wie er es für richtig hält. Wir haben ja schon in einigen Ländern dieser Welt eine Demokratie, das muss als Inbegriff von "Freiheit" reichen. Und den Rest? Wenn es um Führung geht, entscheidet die "Kompetenz"... merkwürdigerweise ist diese immer öfter mit dem Guthaben auf dem Bankkonto gleichzusetzen. Nein, nicht in allen Fällen, doch in erschreckend vielen. Und für den Fall, dass die Führungskräfte kein Geld haben? Dann sorgen sie schon selbst dafür, dass sie sich das Geld beschaffen - denn Macht verschafft erstklassige "Connections". Verbindungen zu reichen Menschen ist schon was Feines, das weiß auch... tadaa, Christian Wulff! Aber nein, nicht nur der! Es gibt so verdammt viele Menschen, die eine weitaus größere Schwäche fürs Geld haben und immerhin dafür auch über Leichen gehen. Neben China und Russland (die einhellig auch einen Schlächter wie Assad in Syrien gerne aus Liebe zum Geld unterstützen, um ihre eigenen Absätze beim Waffenverkauf anzukurbeln) sind vor allem afrikanische Staaten für ihre Diktatoren berühmt und berüchtigt.

Gerade dort scheint die Politik nichts mehr mit Korrektheit, sondern ausschließlich mit absoluter Macht zu tun zu haben. Zuletzt deutlich am Fall "Senegal", in dem Abdoulaye Wade gegen die Verfassung zum dritten Mal um das Amt des Staatsoberhauptes kandidieren darf, Sänger Youssou N'Dour allerdings nicht antreten darf. Begründung? Gibt es nicht, er darf einfach nicht. Eine gute Begründung dürfte vielleicht das Statement des Machtinhabers Wade sein, der sagte: "Ich habe die Verfassung geschrieben. Alleine." Damit steht dann wohl auch fest, zu wessen Gunsten diese Verfassung geschrieben wurde. Wie "korrekt" ist die Politik in solch einem Land überhaupt? Ein 85jähriger, der ums Verrecken nicht zurück- oder abtreten mag und ein Kandidat, der beste Chancen auf den Wahlsieg hat, aber nicht antreten darf.

Wer jetzt meint, das geschieht nur im fernen Afrika, der hat wohl die besten Nachrichten des Jahres verpasst: Putin tritt zur Wahl des russischen Präsidenten an - schon wieder! Naja, so wirklich weg war er ja nie, Medwedjew ist als derzeitiger Amtsinhaber eher ein Strohmann gewesen, damit Putin sich auch mal ein Päuschen gönnen durfte (bzw. musste laut Verfassung!). Nun ist die Leidenszeit endlich vorbei, denn er kommt zurück - der wohl undemokratischste Demokrat der Welt. Dabei hat er dann auch noch richtig gute Nachrichten im Gepäck (damit auch wirklich alles "politisch korrekt" ist!): diesmal tritt Putin nicht nur für eine Amtsperiode von 4, sondern 6 Jahren an! Damit haben wir alle den Spaß einer Amtszeit, die nochmal zwei Jahre mehr dauert... wenn sich der Militärzwerg dann gleich zweimal hintereinander aufstellen lässt (was er ja darf... laut Verfassung!), wird er gleich 12 Jahre regieren dürfen. Und das Beste? Er hat nichtmal die Verfassung "ganz alleine" geschrieben - nur zu seinem Vorteil verbogen. Beinhaltet wahrscheinlich weniger Kreativität, ist aber ähnlich effektvoll.

Fazit? Es gibt viele Dinge, über die wir uns Gedanken machen können (und sollten!). Sogar noch viel mehr, als ich gerade hier in diesem Blogeintrag erwähnt habe. Die Wahl von Gauck gehört wohl eher nicht dazu, gerade dieses Thema sollte allen Beteiligten (vorerst!) ein entspanntes Grinsen aufs Gesicht zaubern. Für alle anderen Probleme gibt es wohl noch genug Zündstoff, über den es sich zu schreiben lohnt. Dies wird allerdings vorerst verschoben - um genau eine Woche!

Ich wünsche allen Lesern ein schönes, entspanntes Wochenende und eine gute Woche - bis nächsten Samstag!

LG Gene :-)

Samstag, 18. Februar 2012

Die Houston, der Wulff und die "Legende vom Erben und Sterben"

Zunächst einmal eine kleine Planänderung, die sich allgemein auf den Blog bezieht: ich hab die Nase voll! Ganz ehrlich, es ist mir einfach zuviel und ich mag nicht mehr... meine Blogs am Freitag veröffentlichen. Und deswegen werden die wöchentlichen Blogeinträge um genau einen Tag auf den Super-Duper-Samstag verschoben!

So, jetzt ist es raus, damit können wir uns wieder wichtigeren Dingen widmen. Der Blogheader wird natürlich auch noch entsprechend abgeändert. :-)

Also, zurück auf Anfang heißt es diese Woche. Gestern ist es (endlich, endlich!) geschehen: Christian Wulff hat seinen Rücktritt erklärt. Es war doch etwas überraschend, wenn man bedenkt, wie sehr er sich dagegen gesträubt hatte, sich dem Auftrag, das deutsche Volk zu vertreten, so sehr verschrieben hatte, dass es gar nicht in Frage kam, wegen Lapalien zurückzutreten. Nun, es ist ja nicht so, als wäre der Privatkredit von Frau Geerkens eine Lapalie gewesen (es sei denn, man ist in der glücklichen Lage, 500 000 Euro als "Peanuts" zu bezeichnen!), und so ist es auch nicht wirklich verwunderlich, dass er früher oder später nicht mehr im Amt bleiben konnte. Der Grund für seinen Rücktritt war allerdings alles andere als "ehrlich" (wo er es doch ansonsten so sehr mit der "Wahrheit" hatte); zurückgetreten, weil er "nicht mehr die Mehrheit des Volkes hinter sich hatte und deswegen sich nicht mehr in der Lage sah, seine Arbeit ungestört und ungehindert auszuüben". Okay, allerdings bestand dieser Zustand schon seit mehr als zwei Monaten, bleiben wollte er trotzdem. Immer wieder Kopfschütteln seinerseits, wenn die Unkenrufe lauter wurde, er solle doch bitte sein Amt niederlegen.

Was hat also nun die Wende um 180 Grad bewirkt? Nun, wenn nix mehr geht, muss die Justiz eben dafür sorgen, dass sich alles "zum Guten" wendet. Als die Staatsanwaltschaft Hannover am Donnerstagabend die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten beantragte, wusste man spätestens, dass etwas im Staate Deutschland nicht mehr stimmte. Schuld an der Misere war nur die letzte der Reihe von Affären, die in den letzten drei Monaten ans Licht der Sonne gelangt waren: ein Urlaubsaufenthalt auf der Luxusinsel Sylt, bezahlte Übernachtungen in einem 5-Sterne Hotel von Filmproduzent David Groenewald, alles natürlich stets von Wulff zurückbezahlt - bar! Sowas wie ein Girokonto oder eine Kreditkarte, mit der man später diese Rückerstattungen nachweisen könnte, scheinen dem ersten Mann im Staate wohl fremd zu sein. Okay, man muss hinzufügen, alle Affären, die jetzt öffentlich wurden, geschahen vor Jahren, genau zu der Zeit, als Herr Wulff angesehener Landesvater von Niedersachsen war, nicht von der gesamten Bundesrepublik. Ob das jetzt die Sache wirklich besser macht, sei mal dahingestellt. Fest steht, er ist über sein Luxusleben letztendlich doch gestolpert, der ganze Glamour, den die "Deutschen so sehr lieben am Ehepaar Wulff" (O-Ton RTL... mein Kommentar: ???) war wohl doch ein wenig zuviel des Guten.

Nun also werden Ermittlungen gegen Wulff eingeleitet und unser Bundespräsident ist keiner mehr. Zurückgetreten mit sofortiger Wirkung nach nur anderthalb Jahren. Was nun beginnt, ist die Schlacht ums "Erbe", sprich: die Nachfolge für das höchste Amt im Staat. Bundestagspräsident Lammert will schonmal nicht, genauso wie Verfassungsrichter Voßkuhle, Gauck könnte, würde auch gewollt werden vom Volk, den will aber wiederum schwarz-gelb nicht. Wobei ich an dieser Stelle mich ehrlich frage, warum die Biene Maja-Regierung sich überhaupt noch aufbläht und große Töne spuckt, wenn es um die Nachfolge geht. Frau Merkel hat zwei Kandidaten berufen (Herr Köhler und Herr Wulff), beide sind in ihrem Amt gescheitert (der Zweite wesentlich früher als der Erste) und nun wollen sie also immer noch den ganz großen Hund spielen, das Beinchen verkrampft zum Himmel hin gestreckt. Wie das weitergeht, kann man wohl nur abwarten, denn wenn Gauck es nicht machen darf ebensowenig wie Ex-Umweltminister Klaus Töpfer, dann wird es schon eher unwahrscheinlich, dass der dritte Prinz von Frau Merkel im Bundespräsidentenamt erfolgreicher sein wird.

Ein Mensch, der sich gerne dem Sarkasmus hingibt (in einem Wort: ich) könnte nun das Geschehen der vergangenen Woche als doch recht passend zu dieser "verrückten Jahreszeit" bezeichnen. Denn wann sonst gibt es innerhalb einer Woche eine tote, weltberühmte Sängerin, einen zurückgetretenen Staatsmann und ein erneutes Hickhack um die Nachfolge, wenn nicht zur Fastnachtszeit? Um genau an dieser Stelle auch mal so schonungslos ehrlich zu sein wie Herr Wulff (ja, ich glaube, darauf könnte ich noch jahrelang rumhacken!): ich hasse Fastnacht! Nicht perse die Feierlichkeit, das Verkleiden und die fröhliche Stimmung sind eigentlich ein sehr positiver Aspekt an Karneval. An dieser Stelle hört das Pro allerdings auch schon auf und es geht steil bergab: verzweifeltes, notgeiles Verhalten vieler beteiligter Karnevalisten, Rudelbumsen und Kinderzeugen im Sekundentakt, Pöbeleien, Schlägereien, Dreck und Abfall ohne Ende... und all das dank (Trommelwirbel)... Alkohol! Natürlich, was sonst? Erst am Donnerstag auf der Heimfahrt durfte ich wieder einmal erleben, warum Karneval NICHT zu meiner persönlichen Lieblingsjahreszeit gehört, als auf der Zugfahrt nach Hause gleich zwei Personen neben mir gekotzt haben. Während die Erste noch den "Anstand" hatte, in ihren eigenen Rucksack zu kotzen (ich frage mich ja immer noch, wie man sowas je wieder da rauskriegen will!), ließ der Zweite in Käptn Blaubär Aufmachung bei Anfahrt des Zuges einfach alles "laufen". Komasaufen unter Jugendlichen scheint doch immer noch ein sehr beliebtes und weitverbreitetes Thema zu sein. Als ich mich in der Stadt umblickte, sah ich so viele Jugendliche, die anscheinend Karneval nur besoffen ertragen, dass ich mich ernsthaft für ein komplettes Verbot dieses Festes einsetzen wollte. Kann man inzwischen wirklich nur noch feiern und fröhlich sein, indem man seine Sinne durch eine Droge wie Alkohol benebelt? Ist das Leben für uns alle wirklich so schwer geworden, dass wir es nur noch im Rauschzustand ertragen?

Erstaunlich, dass überhaupt so viel getrunken wird, wenn man am letzten Sonntag erst die Nachrichten sah und vom Tod von Whitney Houston erfuhr. Mit 48 Jahren war ihr Leben zu Ende, woran es nun lag, keiner weiß es so genau. Fest steht nur, mit all den Drogen, dem Alkohol und den verschreibungspflichtigen Medikamenten im lustigen Ringelreihen hat sie sich keinen Gefallen getan. Wahrscheinlich wollte sie das aber auch nicht. Ein Mensch, der Drogen nimmt oder Alkohol in rauen Mengen konsumiert, wird wohl kaum zu den glücklichsten Menschen dieses Planeten zählen. Heute nun fand die Beerdigung der begnadeten Sängerin statt - leider wird genau diese Tatsache (ihr Talent) den Leuten wohl am wenigsten im Gedächtnis bleiben. Ob es an der Sensationsgier der Menschen liegt oder einfach daran, dass sie gerne anderen beim Scheitern am Leben zusehen, man weiß es nicht. Trotzdem muss in erster Linie hervorgehoben werden, dass sie eine talentierte Sängerin war, die im Ende an einem katastrophalen Partner und wahrscheinlich auch dem Erfolgsdruck zerbrochen ist.

Aber genug von Rührseligkeiten à la RTL. Rührseliger ginge es wohl an dieser Stelle nur noch, wenn auch ich die "Vorzüge" von Bettina Wulff als "tollste, weil jüngste und glamoröseste Bundespräsidentengattin aller Zeiten" hervorheben würde. Merkwürdig, wie die Presse direkt nach dem Rücktritt von Wulff gerade sie als so tolle Person hervorgehoben hat. Die arme Frau, die drei Jobs gleichzeitig unter einen Hut bringt, als PR-Frau, als Präsidentengattin und (nicht zuletzt!) als Mutter. Wunderbar, was diese Frau doch alles leistet! Die Tatsache, dass sie im Ende diejenige war, die mit ihren Ansprüchen am Leben mitschuld an den ganzen Affären von Christian Wulff trägt, wird natürlich tunlichst verschwiegen. Es ist komisch, unter seiner ersten Ehefrau brauchte Wulff so gar nicht dieses Luxuslotterleben, das ihm nun vorgeworfen wird. Diese Kiste fing erst mit "Supersauberfrau" Bettina an. Doch im RTL-Universum macht es sich wesentlich besser, von der "schönen" Frau als "strahlender Stern" zu berichten. Es scheint, als wäre die Medienwelt bereits so süchtig nach Prominenz, dass inzwischen krampfhaft irgendwo neue Prominente erfunden werden, wo eigentlich gar keine sind. Gut, eine Bundespräsidentengattin ist wohl prominent, weil sehr bekannt... aber ob Bettina Wulff nun wirklich glamorös ist, weil sie teure Klamotten trägt, die sie zu einem großen Teil nicht einmal selbst bezahlen musste, sei mal dahingestellt. Aber klar, Prominente bezahlen grundsätzlich nicht ihre Klamotten selbst, die werden gesponsert.

Was bleibt nun von der Ära Wulff übrig? Ach ja, er will als der "Bundespräsident für Integration" im Gedächtnis bleiben. Warum? Weil er die Feststellung machte, dass der Islam zu Deutschland untrennbar dazugehört. Daumen hoch, das sind doch mal Erkenntnisse, die die Welt schon lange benötigt hat. Das macht im Ende natürlich auch die Tatsache wett, wie sang- und klanglos er unterging, unser "Bundespräsident für Integration". Beim Thema Integration wäre vielleicht eine Nachfolge Wulffs schnell gefunden: machen wir doch einfach Bushido zum nächsten Präsidenten! Viel tiefer kann Deutschland mit ihm eigentlich auch nicht mehr sinken. Aber naja, das muss Frau Merkel im Ende ja entscheiden.

Also, was machen wir jetzt mit alledem? Dem Sterben und dem Abtreten und dem Erben? Wer wird das Erbe von Whitney Houston antreten? Wer die Nachfolge von Christian Wulff? Es kommt einer Seifenoper gleich, was gerade auf der Welt geschieht. Na Gott sei Dank redet keiner mehr von Assad, der darf jetzt in dem ganzen Getümmel doch ungestraft sein Volk umbringen, es juckt in Deutschland im Alkohol- und Bundespräsidentennachfolgerausch eh keinen mehr. Tote Menschen verkaufen sich einfach nicht gut, wenn man gerade im Karnevalsrausch feiern und lustig sein will. Es ist einfach schöner, "Hey Baby" von DJ Ötzi zum 100. Mal zu gröhlen, was man da singt, ist eh egal, einfach besoffen sein und Spaß daran haben. Was interessiert uns da die Probleme der Welt?

Ob man dann noch so viel Glück hat und sich zu Tode säuft... schaun mer mal! Es ist wohl schlimmer, den Rausch nach diesen "tollen Tagen" zu überleben. Denn dann schlägt die erbarmungslose Realität wieder zurück. Wir sind fast pleite, die Eurokrise lässt sich auch nach einem ganzen Jahr immer noch nicht so richtig lösen. Die Griechen protestieren gegen jegliche Sparmaßnahmen, verteufeln abwechselnd Sarkozy, Merkel, Schäuble (also jeder, der grad verfügbar ist) und fühlen sich von aller Welt ungerecht behandelt. Wirklich unrecht haben sie damit nicht, wenn die griechische Regierung bei Sparmaßnahmen nur die arme Bevölkerung des Landes zum "Blut abnehmen" schicken will. Hier in Deutschland ist das nicht anders: wir möchten auch lieber die Reichen des Landes zu einem größeren Beitrag zum Land zwingen, statt selbst immer mehr Steuern zu bezahlen. Da wir allerdings in einer offiziell ungerechten Welt leben, hat die Masse der Armen keine Chance gegen die Minderheit der Reichen. Verrückt, wenn man das Kräfteverhältnis betrachtet, ist es einfach nur noch verrückt. Karnevalsverrückt sozusagen.

Da in dieser Woche die Leser wohl eh nicht zum Lesen zu langer Blogeinträge in der Lage sind aufgrund von hohem Alkoholpegel oder Überforderung aufgrund so vieler Hiobsbotschaften in den Nachrichten, entlasse ich nun meine Leserschaft in die letzten "tollen Tage" dieser Saison. Auf ein friedliches und einigermaßen nüchternes Feiern und nicht zuviele Kopfschmerzen. Denn glaubt mir, die nächsten Kopfschmerzen durch die Katastrophen und noch schlimmeren Fehler in der Weltpolitik ereilen uns alle bestimmt.

In diesem Sinne, ein schönes Wochenende, Helau (!), Allaaf (!) , einmal in die Ecke gekotzt (!!!) - und bis zum nächsten Samstag!

LG Gene :-)

Samstag, 11. Februar 2012

"Pride (In The Name Of Love)" - Demonstrieren und Marschieren

Erinnert sich noch irgendjemand an die 80er Jahre? Es scheint eine verrückte Frage zu sein... einerseits, weil wir uns inzwischen rein technisch und von der Weltsicht her in einer ganz anderen Welt zu befinden scheinen. Auf der anderen Seite ist es grotesk zu vermuten, dass sich kein Mensch mehr an das vorletzte Jahrzehnt im letzten Jahrtausend erinnern kann. Jedoch: allein diese Umschreibung der 80er Jahre klingt ein wenig gruselig... vorletztes Jahrzehnt... das letzte Jahrtausend... das klingt, als wären wir seitdem schon so viel weiter, dass allein Dinge, die aus den 80ern stammen, als archäologische Funde ausgestellt werden müssten. Und tatsächlich, es gibt Walkmen aus den 80ern, die es bis in die Museen dieser Welt geschafft haben. Nur als kleine Zwischenbemerkung: ein "Walkman" ist der Vorreiter des heutigen iPod... für alle Apple-Verwöhnten, die so gut wie gar nichts mehr verstehen, solange das Produkt keinen abgebissenen Apfel als Marke trägt.

Aber genug vom Spott auf die "beste und tollste Marke der Gegenwart", es gibt wichtigere Probleme als Apple. Warum ich überhaupt von den 80ern spreche? Nun, bei dem Gedanken an den dieswöchigen Blogeintrag kam mir spontan der Song "Pride - (In The Name Of Love)" von U2 in den Kopf. Ja, die Band, von der heute nur noch die Rede ist, weil sich ihr Leadsänger Bono Vox als Weltretter versucht. Zugegeben, er macht sich nicht schlecht in der Rolle, mehr noch, er hat mit seinem Engagement bereits viel erreicht. Wenn es allerdings um die Musik von U2 geht, sind mir die Asbach-uralt Sachen aus den 80ern noch am Liebsten. Und das trotz der Tatsache, dass ich ansonsten von Musik der 80er Jahre nicht viel halte (ein paar Ausnahmen ausgenommen!).
Doch zurück zu dem Song: "Pride (In The Name Of Love)"... ein Lied, in dem es um den Freiheitskämpfer Martin Luther King Jr. geht, eine Huldigung an seinen Kampf für die Menschenrechte der Schwarzen in den USA der 60er Jahre. Gerade jetzt, genau ein Jahr nach dem Sturz von Mubbarak in Ägypten und damit dem Beginn der "Demokratie" im Land hat der Song entfernt mehr Brisanz denn je - knapp 30 Jahre nach Erscheinung des Songs.

Wer denkt, dass die Welt gerade nicht brennt, dass es keine Probleme gibt und alles in Butter ist, nur weil die Welt im unmittelbarem Umfeld ruhig verläuft, der hat wohl in letzter Zeit keine Nachrichten gesehen oder ignoriert konsequent die wichtigen Themen auf der Welt - wie es in RTL-Nachrichten so gerne der Fall ist. Sicher, es passiert immer irgendwo etwas, es muss auch so sein, sonst wäre das Leben totlangweilig und kein Mensch würde die Existenz als erstrebenswert empfinden. Trotzdem können die Ereignisse, die seit gut einem Jahr stattfinden, für Entsetzen sorgen. Heftiges Kopfschütteln über die Demonstrationen in Ägypten, die im Ende für diejenigen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben (neben den über 3000 Menschen, die ihr Leben verloren) wenig bis gar nichts gebracht haben.
Die Demonstranten haben ihre Forderungen nach Freiheit nur im Ansatz durchsetzen können, ihre politischen Wünsche und Anforderungen sind im Wahlkampf, den die Muslimische Bruderschaft haushoch gewonnen hat, untergegangen. Und dank der übriggebliebenen Radikalanhängerschaft des alten Regimes kommt es (wie in der vergangenen Woche) zu Ausschreitungen wie bei dem Fussballspiel, bei dem über 70 Menschen ums Leben kamen. An dieser Stelle kann man wohl die Frage, ob sich wirklich etwas in Ägypten verändert hat, mit "Im Prinzip... Nein!" beantworten. Hoffnung gab es, gerade weil die Welt doch dachte, wir leben heute in solch einer aufgeklärten und meinungsfreien Welt, dass sich am Ende alles zum Guten wenden müsste. Hollywood hat es doch so schön vorgemacht, immer und immer wieder, seit Jahrzehnten. Zum Schluss, kurz bevor der Vorhang fällt, wird alles wieder gut. Warum dann nicht im "wahren Leben", im Hier und Jetzt?

Die meisten Menschen denken sich wahrscheinlich: "Weil wir uns noch nicht am Ende befinden." Aber was, wenn doch? Laut Maya-Kalender ist 2012 alles zu Ende... auch wenn ich persönlich nicht an den Weltuntergang Ende 2012 glaube (es wird wohl nur die Vorstellungskraft der Mayas gewesen sein, die nicht mehr gereicht hat, weiter zu gehen als bis zum Jahr 2012), wäre allein dieser Grund doch mal ein Ansatz nachzufragen, warum auf der Welt eben gerade nicht alles nach dem Hollywood-Prinzip funktioniert. In Ägypten will die neugewonnene Demokratie nicht so recht funktionieren, Libyen ist ein Trümmerhaufen und in Syrien sorgt Assad nach Leibeskräften dafür, dass Syrien bald am Besten gar nicht mehr existiert. Okay, für die Westler wäre das jetzt kein Weltuntergang, immerhin weiß doch keiner so wirklich, was Syrien überhaupt ausmacht und wer interessierte sich vorher schon für den Staat in Vorderasien.

Das Töten geht munter weiter in Syrien, 6000 Tote und es geht immer weiter. Ein machtbesessener Diktator, der seine Macht nicht abgeben will und sein Volk lieber tötet und ein menschenleeres Land regiert. An dieser Situation ist wohl alles erschreckend: die täglich Dutzende von Toten, Leichenreihen mit Kindern und Säuglingen und nicht zuletzt der Größenwahn eines Mannes, der nicht nur optisch dem Schrecken unserer eigenen deutschen Vergangenheit, Adolf Hitler, verdammt nahe kommt.

Die einzige Frage, die sich in diesen Zeiten nur stellen mag, gerade in unserer heutigen Gesellschaft, ist die, warum das Ausland nicht schon längst mit harten Bandagen eingegriffen hat. Gerade in dieser Woche kam wohl die Antwort: Russland. Das Land, das sich Demokratie schimpft und dabei so weit davon entfernt ist wie Dieter Bohlen von der Rente (leider, leider, leider!!!) hat sich quergestellt, als es um Interventionen ging, die das Leid in Syrien beenden könnten. Allein schon die Planung von Interventionen haben bei Russland ein kaltherziges, stures Kopfschütteln ausgelöst. Und warum? Geld, was sonst? Geht es eigentlich noch um irgendetwas anderes auf diesem Planeten, als bedrucktes Papier, mit dem man schöne (und weniger schöne) Sachen kaufen kann? Da Russland Syrien und Assad immer weiter mit Waffennachschub versorgt und daran kräftig verdient, werden die wohl einen Teufel tun, eine ihrer Einnahmequellen zu zerstören. In diesem Zusammenhang sind die anstehenden Präsidentschaftswahlen in Russland wohl noch eine Hiobsbotschaft, die kein Mensch braucht. Die Rückkehr von "General Korrupt" Wladimir Putin ist wohl nur von Diktatoren und Verbrechern mit Heißhunger erwartet. Oder von Menschen, die aus Angst vor dem (politischen oder körperlichen) Tod gerne den Hintern von Putin küssen wollen.

Als wäre das Drama in Syrien und das Entsetzen über das Verhalten von Russland nicht schon schlimm genug, kommt dann noch der Gartenzwerg der Weltpolitik (nein, nicht Sarkozy, sondern Ahmedinedschad!) daher und wirft seine Giftpfeile einfach in alle Richtungen aus. Atomtests, Urananreicherungen... dieser Mann scheint wohl spezifisch nach Dingen zu suchen, mit denen er negative Aufmerksamkeit erregen kann. Wie wir alle wissen, gibt es heutzutage zwar immer noch gute und schlechte Publicity - es ist allerdings inzwischen egal, welcher Kategorie diese Aufmerksamkeit angehört, Hauptsache ist, sie ist überhaupt da! Aufmerksamkeit macht einen Menschen wichtig und wenn ein Mensch wichtig ist, bekommt er Macht, viel Macht... die Menschen respektieren dann entweder den Mächtigen - oder sie fürchten ihn. Und Assad, Putin und Ahmedinedschad haben wohl gemeinsam, dass sie es lieben, wenn der Rest der Menschheit sich vor ihnen fürchtet.

Nun, die Menschheit baut sich ja nicht unbedingt auf den Kreml auf, aber die Weltpolitik geht zu gerne in die Knie, wenn Russland "Nein!" sagt. Sie haben ständig Angst, Russland auf die Füße zu treten, sie zu vergraulen... und Angst, dass der Hintern frieren könnte, wenn wir alle aus Russland kein Gas mehr bekommen. Wir sind nicht zu unrecht ängstlich, wenn es um Putin geht, den Mann, den niemand zum Feind haben will, immerhin ist gerade seine Regierung für Manipulation und korrupte Machenschaften bekannt. Und auch vor Mord scheint dieses Regime nicht zurückzuschrecken, wenn man sich auf die Oppositionsseite stellt. Doch dass das Ausland (speziell wir Westler) so schnell kleinzukriegen sind, ist traurig... wenn nicht gar beunruhigend.

Doch zurück zum zentralen Thema: das Demonstrieren. Wie in Ägypten, Tunesien, Libyen und auch in Syrien im vergangenen bis diesem Jahr und in New York und anderen westlichen Staaten (Stichwort: Occupy Bewegung), so gibt es dieser Tage weltweit Demonstrationen gegen das geplante "ACTA"-Abkommen ein, ein multilaterales Handelsabkommen zum Schutz des Urheberrechts und gleichzeitig gegen die Produktpiraterie. So schön, so gut... und trotzdem sind viele Menschen mit diesem Abkommen nicht einverstanden, da sie befürchten, das Internet könnte nicht mehr "frei" sein, die Gedanken- und Meinungsfreiheit könnte dadurch eingeschränkt werden. Ich frage mich im Moment, ob ich wirklich eine Meinung zu dieser ganzen Diskussion habe, dem Aufstand, den die Gegner dieses Abkommens machen und ob ich dafür oder dagegen sein soll. Ich weiß, dass ich gegen die absolute Freiheit des Internets bin, wenn sie anderen Menschen schadet - und das ist oft genug der Fall, auch wenn es dabei mal NICHT ums Geld geht!

Klar, die Produktpiraterie ist eine schlimme Sache, der Angriff auf das Urheberrecht ist ein Verbrechen und muss bestraft werden. Es ist logisch, dass Menschen, die mit Produkten, die aus ihrem geistigen Eigentum stammen, Geld verdienen wollen. Ob es nun wirklich ehrenhaft ist, dass sie dabei den Hals nicht vollkriegen, sei mal dahingestellt, aber man kann verstehen, dass sie sich nicht unbedingt freuen, wenn es um Ideenklau geht. Was anderes ist das illegale Verteilen von Unterhaltungsdateien nicht. Ungerecht wird der Kreuzzug gegen Piraterie, wenn statt der großen Haie, die Datenklau und -verteilung im großen Stil betreiben, fast ausnahmslos kleine Fische mit hohen Geldstrafen bestraft werden. Es mag sein, dass diese Menschen eventuell ihre Lektion daraus lernen, aber dämmen solche Maßnahmen wirklich das Problem ein? Wenn einer bestraft wird, bekommen alle anderen Angst? Wenn dieses Prinzip funktionieren würde, wäre das Phänomen "Alkohol am Steuer" längst ausgestorben. Oder Drogenmissbrauch. Oder das Verbrechen allgemein. Was für eine schöne Welt, ganz ohne Verbrechen und blühenden Landschaften... gut, ich schweife wieder ab!

Was mich an den derzeitigen ACTA-Kritiken stört, ist der Kampf für ein absolut freies Internet. An dieser Stelle darf gefragt sein, was genau wir von einem absolut freien Internet haben? Mehr Information? Bessere Information? Breiter gefächerte Information? Oder einfach nur eine Flut von Information, die keiner wirklich einordnen kann? Hinzu die grenzenlose Meinungsfreiheit, die in der Anonymität des Netzes als neues Mittel der Feigheit genutzt wird, um andere Menschen fertigzumachen und bis in den Selbstmord zu treiben. Der Mut, einem anderen Menschen, den man nicht leiden kann, die Meinung ins Gesicht zu sagen, hat fast keiner mehr. Aber im Internet werden alle zum verbalen Superman, vertreten ihre "Meinung", egal wie unqualifiziert sie sein mag, und richten damit andere Menschen gezielt zugrunde. Ohne, dass der Angegriffene sich wehren kann. Ja, schöne Internetwelt - das ist doch genau die Welt, die es zu erhalten lohnt!

In diesen Tagen erschreckt mich persönlich, dass es uns allen so verdammt wichtig ist, dass es a) das Internet überhaupt gibt und b) dass das Internet genau so bleiben soll, wie es ist. Es wird so getan, als hätte das Internet keine Fehler, dabei sind die Fehler so tiefgreifend und zahlreich vorhanden, dass es eigentlich schon wehtut. Das hat nicht sonderlich viel mit Datenklau oder dem Datenschutz zu tun, der so gerne bei sozialen Netzwerken mit Füßen getreten wird, es geht um die menschliche Komponente, auf die so sehr geachtet wird, auf die inzwischen mehr wert gelegt wird als zu jeder anderen Epoche unserer Zeitrechnung... trotzdem haben wir kein wirkliches Gefühl mehr zueinander. Erstaunlich, oder? Wir erwarten Liebe an allen Ecken und Enden, große Gefühle, Verständnis und Geborgenheit... dabei sind wir nicht einmal mehr in der Lage, das alles selbst zu geben. Im Internet verstecken sich Gefühle nur noch hinter getippten Zeilen, Emoticons oder kopierten Sprüchen statt offen gelebt zu werden. Es geht nur noch um die Quantität von Freundschaften oder herausposaunten "Gefühlen" und "Gedanken", nicht mehr aber um die Klasse, die Qualität des Lebens. Ist diese Internetwelt wirklich wert, am Leben gehalten zu werden? Geht deswegen laut Maya-Kalender die Erde unter? Ist das Internet Schuld? Oder gibt es am 21. 12. 2012 die endgültige Durchsetzung des ACTA-Abkommens und geht deswegen die Welt unter?

Fragen über Fragen, auf die nur die Zukunft die Antwort weiß. Mich jedenfalls macht es dieser Tage traurig, dass kein Mensch in Deutschland auf die Straße gehen würde, um den Opfern in Syrien zu gedenken oder sich dafür einsetzen würde, dass endlich etwas von der deutschen Regierung getan wird im Kampf gegen Syriens Schlächter Assad. Vielleicht ist es nicht mehr wichtig, wenn Menschen sterben... das Einzige, was noch der Rettung bedarf (wenn nicht der Natur oder Menschenleben) ist wohl das Internet, die Technik, das neue Gehirn des Kollektivs.

Zugegeben: auch dieser Blog ist im Internet veröffentlicht. Ich bin in der großartigen und privilegierten Lage, meine Meinung über das Internet preiszugeben ganz ohne Einschränkungen. Aber wäre es für mich ein wirklicher Verlust, wenn ich das von Heute auf Morgen nicht mehr dürfte? Würde ich nicht einfach einen anderen Weg finden, meine Texte zu veröffentlichen? Natürlich wäre das schwieriger, aber unmöglich wäre es keinesfalls. Zu keiner Zeit war es unmöglich, seine Meinung zu sagen, nicht einmal in einer Diktatur. Das einzige Problem war der Grad an Gefahr, den man für die Äußerung seiner Meinung eingehen musste. Wir setzen uns inzwischen keiner Gefahr mehr aus, wenn wir unsere Meinung im Internet sagen, zumindest keiner Lebensgefahr (das gilt nicht für alle Länder dieses Planeten, aber doch für recht viele!). Nur sollten sich alle Verfechter des Internets fragen: hat das die Qualität der Meinungsäußerung gesteigert? Die Flut an Information, hat sie uns wirklich zu aufgeklärteren, besseren Menschen gemacht? Oder sehen wir (wie in einer Diktatur) im Ende nur das, was wir sehen wollen? Der wohl einzige Unterschied in der Demokratie ist, dass wir entscheiden, was wir sehen wollen, statt es von einem anderen vorgesetzt zu bekommen. Doch verschlossen vor der Vielfalt der Wahrheit sind wir auch in Zeiten des Internets.

Wie gesagt, ob ich das ACTA-Abkommen nun gutheißen soll oder nicht, weiß ich nicht. Vielleicht interessiert mich das Thema im Moment nicht stark genug in Zeiten, in denen täglich so viele Menschen in Syrien erschossen werden in blindem Hass und Größenwahn. Oder die Natur immer weiter zerstört wird, womit auf Dauer die Menschheit auf diesem Planeten sowieso nicht überleben kann. Ist das Internet DANN wirklich noch wichtig? Diese Frage müssen wir uns wohl alle stellen, wir Abhängigen des world wide web.

In diesem Sinne wünsche ich (erneut mit 24 Stunden Verspätung) allen Lesern (oder Nichtlesern!) dieses Blogs ein schönes Wochenende und bis zum nächsten Blogeintrag am nächsten Freitag.

LG Gene :-)

Freitag, 3. Februar 2012

"Ilse Aigner - Am Rande des (Rinder-)Wahnsinns"

Zugegeben, ich schreibe (wiedermal) eine Fortsetzung. Allerdings ist der Eintrag der letzten Woche noch nicht vollständig und gerade die Tatsache, dass im Titel bereits "Bridget Jones" lose zitiert wurde (dies nur mal am Rande erwähnt, falls es bis jetzt noch nicht aufgefallen ist!), trifft es sich, noch einen Teil zum Thema zu schreiben, auch wenn die "Grüne Woche 2012" am vergangenen Wochenende zu Ende ging.

Ich gebe zu, die Kritiker waren sich relativ einig, dass der zweite Teil von "Bridget Jones" nicht so witzig war wie der erste. Wenn ich aber allein an die Szene mit Bridget in Thailand denke, in der sie von "magic mushrooms" die schönsten Farben gesehen hat, bin ich schon fast wieder hier beim Thema. Und ich fand es brüllend komisch; vielleicht erreiche ich mit diesem Eintrag das Gleiche.

Seit geraumer Zeit häufen sich die Berichte in den Medien über mehr oder weniger neue Seuchen, die Nutztiere befallen. Zunächst gibt es da den sogenannten "Schmallenberg-Virus", ein durch eine Fliege übertragenes Virus, das bei Schafen und Ziegen zu Missbildungen und Totgeburten der Lämmer führt. Diese Seuche ist (Gott sei Dank für alle Fleischfresser!) bis jetzt als für den Menschen ungefährliche Seuche eingestuft, sprich: die Tragödie findet nur auf dem Tierlevel statt und ist damit für alle Fleischfanatiker relativ uninteressant. Die Landwirte allerdings sind neben dem finanziellen Schaden auch emotional tief getroffen von mißgebildeten Kälbern und Lämmern, die nicht lebensfähig sind. Die größte Tragödie an dieser Sache ist wohl nur, dass keiner weiß, wohin diese Seuche bei den Nutztieren führt und was sie für die Landwirtschaft bedeutet. Aber an dieser Stelle ginge das Thema wieder in Richtung Geld und das soll nicht sein.
Die zweite Seuche ist im Prinzip schon seit längerer Zeit bekannt; bereits im Jahr 2007 wurden die ersten Fälle von Botulismus bei Rindern bemerkt, seit 2010 gilt diese Krankheit als neue Seuche bei Rindern, deren Folgen für den Menschen nicht absehbar sind. An dieser Stelle werden Bilder wieder wach aus vergangenen Zeiten: Rinder, die aussahen, als würden sie unter einer Extremform von Parkinson leiden und zitternd zu Boden fielen - das war wohl das erschreckendste Bild von BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie), auch lapidar als "Rinderwahn" bezeichnet. Der Schrecken für die Fleischkonsumenten wurde allerdings erst richtig groß als bekannt wurde, dass die Seuche auch auf den Menschen übertragbar war und zu schlimmen Krankheiten führte, die tödlich ausgingen. Jeder hatte plötzlich Angst, ähnlich wie die Rinder dazustehen, zitternd auf den Tod wartend. Aber sind die Menschen damals geschlossen zu Vegetariern geworden?

Die Antwort auf diese Frage kennen alle. Der Schuldige an der Seuche war schnell ausgemacht, es gab langwierige und flächendeckende Untersuchungen, Rinder wurden herdenweise in Panik geschlachtet, sobald auch nur ein Rind in einer Herde mit Verdacht auf Rinderwahn entdeckt wurde. Die Lösung erschien so einfach, denn in früheren Zeiten wurden verendete Tiere zu Tiermehl verarbeitet, die den Rindern als Futter gegeben wurden. Als dann BSE in einem akuten Maße in den Schlagzeilen auftauchte war klar, dass die Landwirtschaft sich umstellen und dem erzwungenen Kannibalismus unter Tieren ein Ende bereiten musste. Nachdem das geklärt wurde und Tiermehl in der Fütterung offiziell unter Verbot stand, war für Otto Normalverbraucher wieder alles in Butter und er konnte sich sein tägliches Steak wieder gönnen.

Nun aber gibt es eine neue Seuche und diesmal sind die Wissenschaftler und Landwirte gleichermaßen ratlos. Die Ursache für Botulismus kann nicht einwandfrei geklärt werden und damit können immer mehr Landwirte nur tatenlos zusehen, wie ihre Rinderherden einer nach dem anderen verenden. Alarmierend für den Verbraucher ist wohl die Tatsache, dass wie bei BSE die Seuche "Botulismus" auch einen Effekt auf den Menschen hat. Man könnte (wenn man sarkastisch wäre) von "Rinderwahn 2.0" reden, aber so weit kann im Moment noch niemand gehen, weil die Seuche nicht medienwirksam genug vermarktet wird.

Wahrscheinlich ist das das einzige Problem. Bis auf wenige Berichte in ausgewählten Sendungen wissen die Leute gar nicht, dass eine neue Seuche auf dem Rindermarkt grassiert. Die Politik strengt sich in diesem Fall auch nicht gerade an, die Menschen zur Vorsicht zu ermahnen. Ähnlich wie der Skandal um den Antibiotikakonsum bei Hühnern braucht es immer einen richtigen Skandal, es muss Tote geben, bevor sich auch nur annähernd über das Problem Gedanken gemacht wird. Getreu dieser Methode sagt auch diesmal Verbraucherministerin Ilse Aigner zum Thema "Botulismus", es bestünde "kein Handlungsbedarf". Ohnehin hört man dieses "kein Handlungsbedarf" in dieser und ähnlichen Varianten erstaunlich oft von Frau Aigner. Liegt es daran, dass sie nicht wirklich Lust auf ihre Arbeit hat? Oder glaubt sie sich wirklich selbst, was sie da redet? An dieser Stelle denke ich ernsthaft wieder an "magic mushrooms", vielleicht sieht Frau Aigner auch zu viele schöne Farben, wenn es um die Landwirtschaft und die Massenproduktion im Fleischsektor geht.

Unabhängig von allen Seuchen in der Tierindiustrie, die in letzter Zeit auftauchen, bleibt doch nur die Frage: wer wundert sich überhaupt über diese Entwicklung? Tiere, die in Massen hochgezüchtet werden, um den maximalen Profit durch ihr Fleisch und Nebenerzeugnisse (z. B. Milch und -produkte) zu erzielen. Wie in der letzten Woche schon angedeutet: es geht um Effizienz, nicht um Effektivität. Aber wer daran Schuld ist, daran scheiden sich naturgemäß die Geister, denn Schuld sein möchte niemand, Schuld verteilen möchte jeder. Es beginnen Schlachten, wer wem was genau vorwirft, warum die Fleischindustrie so, wie sie jetzt läuft, nicht funktioniert aber funktionieren sollte. Im Ende sind sich die meisten Menschen einig, dass die Fleischindustrie genauso weitermachen sollte wie bisher, allerdings soll aus heiterem Himmel jedes Stück Fleisch Bioqualität bekommen, wobei der Preis der Supermarktmassenware nicht steigen soll. Diese Utopie ist ähnlich sinnvoll wie die Vorstellung, dass wir alle von nun ab doppelt soviel arbeiten, zusätzlich in unsere Arbeit finanziell investieren, aber am Ende des Monats das Gleiche verdienen.

Wie schon des öfteren angedeutet, ist der Veganismus (zumindest aber der Vegetarismus) für die meisten Menschen auch keine Lösung - vielleicht hätten in diesem Zusammenhang "Die Toten Hosen" statt "Kein Alkohol ist auch keine Lösung" die Zutat Alkohol durch Fleisch ersetzen sollen; es würde wohl noch besser in unsere heutige Welt passen. Der Irrglaube, Fleisch wäre lebensnotwendig für die Menschheit zum Überleben (vor allem aber für ein gesundes Leben) hat sich so tief in die Köpfe und Herzen der Menschen gebrannt, dass sie sich nicht einmal ansatzweise ein Leben ohne vorstellen können. Und es ist ihnen nicht einmal bewusst! Raucher werden oft für ihre mangelnde Disziplin getadelt, weil sie nicht in der Lage sind, mit dem Rauchen aufzuhören. Dabei verstehen viele Menschen nicht, dass sie mit ihrem Fleischkonsum selbst einer Sucht verfallen sind. Gut, man kann dies auf jede mögliche Sucht auf diesem Planeten erweitern, aber es ist ein Unterschied, ob man sich seiner Sucht bewusst ist oder nicht.

Aber Halt! Warum sollte man eigentlich keiner Sucht nachgehen in seinem Leben? Das Leben ist (für viele Menschen) scheinbar trostlos genug, den Verzicht in diesem Grau in Grau zu üben wäre doch die Hölle. Man stelle sich vor, auf Schokolade, Kaffee, Fleisch, Alkohol und alles, was Spaß macht, zu verzichten. Um offen zu sein, wäre ich dazu auch nicht in der Lage, auf sämtliche Schwachstellen in meinem Leben zu verzichten. Es geht nicht nur darum, sich selbst vermeintlich "etwas Gutes" zu tun, obwohl man weiß, wie schlecht es für den Körper sein mag. Aber wer möchte schon ewig leben? Reicht es nicht, dass wir jetzt schon über 80 Jahre alt werden, gepeinigt von verschiedensten Krankheiten und immer auf der Suche nach dem Glück, das wir eigentlich besitzen, das uns aber nicht reicht? Ähnlich wie im Überkonsum bei den Lebensmitteln haben wir doch nie wirklich genug, die Steigerung von der Befriedigung der Bedürfnisse zum aktiven Suchen nach neuen potenziellen Bedürfnissen hat eine Spirale in unserer Gesellschaft gebildet, der sich inzwischen alle Menschen mehr oder weniger anschließen. Alledem entsagen hieße, nicht mehr Teil der Gesellschaft zu sein, ein Außerirdischer, den niemand wirklich versteht.

Vielleicht gerade deswegen hält sich die Politik in der Bekämpfung der Massenindustrie so aktiv zurück. Geht es nur ums Geld? Daran kann es nicht liegen, denn die Lösung für das Problem wäre denkbar einfach: die Produktion um 50% zurückfahren, dafür Fleisch zum doppelten Preis verkaufen und wir hätten den gleichen Gewinn bei gesünderem Fleisch und weniger Abfallprodukte. Wer jetzt sagt: "Kein Mensch würde Fleisch zum doppelten Preis kaufen, das machen sie zur Zeit bei Biofleisch ja auch nicht!", dem kann man nur entgegensetzen, dass durch die Tatsache, dass Billigfleisch existiert, Biofleisch einen schlechten Stand hat... und nicht, weil es zu teuer ist. Den Menschen ist der Konsum von Fleisch wichtig und wenn von heute auf morgen das Fleisch wesentlich teurer wäre, würden die Menschen weiterhin Fleisch kaufen, allerdings in kleineren Mengen. Es würde sie garantiert nicht umbringen, das genaue Gegenteil wäre der Fall. Aber die Landwirtschaft wäre in einer besseren Position, wenn nicht in Massen Tiere unter unwürdigen Bedingungen gehalten werden, damit Produkte aus tierischen Erzeugnissen billig auf den Markt geworfen werden können. Man bedenke auch: Fleisch ist ein Luxusgut, schon immer galt es als wertvoll und erst durch die Massenindustrie ist es zur Selbstverständlichkeit geworden. Jeder Mensch, der selbst einmal gejagt hat, wird wenigstens ansatzweise wissen, dass es viel Arbeit ist, ein Tier zu jagen und zu töten.
Übrigens: Benzin war vor einigen Jahrzehnten auch wesentlich billiger. Und selbst wenn die Menschen gerne lautstark und langanhaltend über die teuren Preise beim Benzin meckern, die Erhöhungen führen nicht dazu, dass die Menschen geschlossen ihre Autos abschaffen und nur noch zu Fuß gehen. Preiserhöhungen führen nicht zum kompletten Verzicht, aber sie können zum gewissenhafteren Umgang mit Lebensmitteln führen.

Dies wäre dann auch der Appell, der an unsere "gute" Verbraucherministerin gerichtet werden müsste: für eine gewissenhaftere Landwirtschaft sorgen, weniger Kapazität, dafür mehr Klasse innerhalb der Produktion. Entstand BSE nur durch den Gebrauch von Tiermehl in der Fütterung? Gibt es Botulismus bei Rindern nur aus Zufall? Mitnichten! Seuchen wie diese entstehen durch Profitgier und einer Überproduktion, bei der niemand (weder die Produzenten noch die Verbraucher) im Ende noch wissen wohin mit dem ganzen Kram. Antibiotikaverseuchtes Hühnerfleisch? Ebenfalls ausschließlich eine Folge von Massenproduktion, die auf die Spitze getrieben wurde.

Was die Menschen wohl in dieser Gesellschaft, in der alles zu haben ist, nicht verstehen (können) ist, dass wir zum Erhalt unseres Körpers (selbst wenn man einige Prozentpunkte mehr für die Befriedigung draufpackt) nur verdammt wenig brauchen zum glücklich sein. Natürlich hat uns jeder, von der Medienwelt bis hin zum angeberischen Nachbarn, beigebracht, wir bräuchten viel und immer mehr. Trotzdem kann etwa die Hälfte der Weltbevölkerung wenig und noch weniger auskommen. Erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt, oder? Nachdenken ist wohl (wie bei allen Themen) das entscheidende Stichwort. Bei allen: beim Bundespräsidenten, der Kanzlerin, Frau Aigner... und schlussendlich bei jedem einzelnen von uns.

Mit diesen Worten schließe ich diesen Zweiteiler in Hoffnung auf eine einigermaßen gute Quote (auch wenn die Menschen der Wahrheit nur sehr ungerne, zumindest aber mit einem hohen Maße an Desinteresse, begegnen) und verabschiede mich bis zum nächsten Blogeintrag am nächsten Freitag. Allen Lesern ein schönes Wochenende und eine gute neue Woche!

LG Gene :-)

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