Mittwoch, 7. November 2012

Lieber Barack...

Erst einmal möchte ich dir heute morgen, etwa 2 Stunden nachdem du die gute Nachricht erhalten hast, zu deinem Sieg gratulieren. Er ist wohlverdient und die wohl einzig richtige Entscheidung für die gottgesegneten Vereinigten Staaten von Amerika. Unter uns: Mitt Romney und Paul Ryan wären einem vierjährigen Sturm "Sandy" gleichgekommen! Ausgerechnet "Sandy" war wohl auch (wenn auch nur zu einem geringen Anteil) deine ganz persönliche Wahlhelferin: selten hat ein Sturm an der Ostküste solch einen Schaden angerichtet und du hast wahre Größe bewiesen, indem du dich (wie es sich für einen guten Staatsmann gehört!) um die Opfer und die Geschädigten gekümmert, du hast umarmt, Trost gespendet und warst allein deswegen der Einzige, der die USA in den nächsten vier Jahren leiten soll.

Es steht dir einiges bevor, nicht nur innenpolitisch, immerhin sind die USA (und das hat diese Wahl gezeigt) mehr gespalten als je zuvor. Ein denkbar knappes Wahlergebnis wurde prognostiziert... so knapp ist es dann doch nicht geworden, wohl allein schon wegen der Schicht der Ärmsten in den USA. Obwohl du in den letzten vier Jahren nicht genug getan hast, um mehr Wohlstand in diese Schicht zu bringen. Im Ende spielte diese Schicht (gerade auch die Latinos) eine große Rolle bei dieser Wahl, auch wenn ihre Stimmen im Wahlkampf fast stumm waren im Gegensatz zu dem 1% Oberschicht, die plärrten und nach Veränderung durch Romney schrieen. Mit Schrecken dachte die ganze Welt bereits darüber nach, was wohl geschehen würde, wenn Romney wirklich ins Weiße Haus eingezogen wäre. Die Beziehungen zu Russland hätten sich wohl drastisch verschlechtert, die Konflikte im Nahen Osten wären mit Sicherheit außer Kontrolle geraten und der Iran, ja, der Iran... wahrscheinlich hätte Romney direkt seinen ersten Krieg begonnen Anfang 2013. Wirst du es besser machen? Man weiß es nicht, keiner kann jetzt wissen, wie schwierig die politischen Situationen in den nächsten vier Jahren werden. Eins kann man aber mit Sicherheit sagen: dein Auftreten ist im Gegensatz zu Romneys staatsmännischer, international sicherer und damit für die internationalen Beziehungen weitaus positiver als dein republikanischer Gegner.

Trotzdem: es wird wohl ein hartes Stück Arbeit vor dir stehen, national, international und darüber hinaus (bis zur nächsten Milchstraße im schlimmsten Fall!). Die USA, dein Land, ist politisch gespalten, zum großen Teil enttäuscht von deiner ersten Amtszeit. Ich bin davon überzeugt, Romney hätte für eine weitaus tiefere Spaltung gesorgt. Nun liegt es an dir, der Friedensstifter zu sein, für den du immer gehalten wirst. Zeig deinem Land und der ganzen Welt, dass du in der Lage bist, alle dazu zu bringen, an einem Strang zu ziehen, Republikaner, Demokraten, sogar Tea-Party Anhänger. Ich denke, es ist möglich, denn du hast das Charisma, das Wissen und die Führungsstärke, die Leute zu vereinen statt zu spalten. Die einzige Bedingung für vier erfolgreiche Jahre ist wohl nur mehr Tun statt Reden, mehr Tatendrang statt schöner Reden vor TV Kameras. Das wird wohl nicht leicht sein, denn Politiker sind schöne Reden gewohnt, die Taten regeln sich meistens fast im Alleingang. Leider leben wir aber inzwischen in Zeiten von einer drohenden Weltwirtschaftskrise (und nein, noch sind wir nicht drin, nicht einmal ansatzweise!) und wir müssen mehr tun, als nur schön zu reden, um die Welt zu verändern und zum Positiven zu wenden.

Ich bin mir sicher, was du dir vornimmst, wird dir gelingen. Die Menschen stehen hinter dir, das hat diese Wahlnacht gezeigt, die Menschen hoffen auch noch, dass du in der Lage bist, die Welt (speziell die amerikanische!) ein Stückchen besser zu machen. Es liegt nun an dir, etwas daraus zu machen, genug Zeit hast du ja. Vier Jahre können eine verdammt lange Zeit sein... zumindest, wenn man sie ungenutzt verstreichen lässt!

Von den Beziehungen zwischen den USA und Deutschland verspreche ich mir im Übrigen nichts ... oder sagen wir besser, keine Veränderung wäre schön. Es wäre gut, wenn alles so bleibt, wie es ist. Und dabei sollte es egal sein, ob Mutti Merkel noch einmal gewählt wird im nächsten Jahr, oder ob du mit Papa Peer Steinbrück einen neuen Verhandlungspartner bekommst. In jedem Fall wird es wichtig sein, die Beziehungen stabil zu halten, gerade bei den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denen wir gegenüberstehen. Eine enge Zusammenarbeit im Zeichen der Demokratie soll den Menschen neuer, junger Demokratien zeigen, wie wichtig es ist, in einem Staat zu leben, der vom Volk gewählt wird statt einer autoritären Regierung, die sich durch Putschversuche und Korruption, Gewalt und Tod verdient macht.

Eine Bitte habe ich dann doch noch: ich weiß, du bist ein Showman, hast Musik im Blut, weißt, wie man Stimmung macht. Das Leben (könnte man meinen!) ist für dich und deine Familie eine einzige Party. Was eine schöne Sache ist, wenn es zur richtigen Zeit kommt. Auch deine Frau Michelle kann einfach wunderbar menschennah handeln und ist wohl eine der besten First Ladies, die das Land je gesehen hat. Ein kleines "aber" muss ich dann aber doch einfügen: wäre es möglich, dass ihr nicht in jeder Talkshow auftretet und stattdessen mehr aktiv für euer Volk arbeitet? Die Menschen der Unterschicht in den USA können so wenig mit einem Talkshowauftritt bei "Ellen" anfangen, auch wenn solch ein öffentlicher Auftritt mehr Menschen für den ersten Moment erreichen mag. PR ist wichtig, das höre ich immer wieder, ich erlebe es auch immer wieder - allerdings: ich bin kein "Believer" von PR, ich finde nicht, dass die Menschen immer Werbung machen müssen, damit sie in einem guten Licht stehen. Es kann ab und zu hilfreich sein, ich sehe auch ein, dass in einem Wahlkampf viel Werbung gemacht werden muss; wer Präsident werden will, muss sich selbst den Heiligenschein anbringen, um die Massen anzuziehen. Wenn man dann aber gewählt ist, geht es um die Arbeit, das gilt auch für die First Lady. Ein wenig PR schadet nie, aber zuviel führt dazu, dass man sich nicht mehr um seine eigentlichen Aufgaben kümmern kann (der Tag hat immerhin nur 24 Stunden). Mit anderen Worten: den Worten Taten folgen lassen statt weiterer Worte in noch mehr Talkshows. Das wäre die einzige Bitte, die ich an dich und deine Frau habe.

In diesem Sinne, noch einmal einen herzlichen Glückwunsch an dich und an alle Bürger der USA, auch wenn sie gegen dich sind. Sie werden irgendwann sehen, dass diese Wahl die einzig richtige war... zumindest aus heutiger Sicht.

LG Gene :-)

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