Samstag, 12. September 2009

Männer und Mobiltelefone - oder: "The replacement dick"

Drei Monate und 10 Tage nach dem letzten Eintrag (und zwei gescheiterten Versuchen eines Eintrags) hier der dritte Versuch. Da dreimal ja göttlich ist, hoffen wir auf das Beste in diesem Fall.

Erst einmal war es ein turbulenter und ereignisreicher Sommer - es war oft zu warm (und das nicht nur in Deutschland!), dank des Wahljahres wird hin und herspekuliert, politischer Poker gespielt, bis die Schwarte kracht und dann ... tja, dann war da Michael Jackson. Er WAR, ist nicht mehr. Und nichts war danach mehr so wie vorher. Plötzlich hören wir in sämtlichen Straßencafés "Billy Jean" oder "Thriller" aus den Boxen dröhnen, es gibt Michael Jackson in Posterform, auf T-Shirts gedruckt und in sämtlichen Magazinen und Merchandisingartikeln zu kaufen. Die Menschen reißen sich um seine Platten von der Jackson Five Zeit bis zum Best of Album, das vor einigen Jahren, als es erschienen ist, kaum jemand mehr interessiert hat und jetzt quasi zum Heiligtum der heutigen Zeit wird. Das Leben kann doch verdammt schön traurig gestrickt sein - wir ignorieren jahrelang einen der erfolgreichsten Künstler unserer Zeit, machen uns über seine 10 oder mehr Schönheits-OP's lustig, empfinden ihn als Witzfigur... um ihn erst nach seinem Tod zu lieben und zu ehren, da der Tod ihn von uns geschieden hat. Klingt merkwürdig? Ist aber so! Und es passiert uns auf diese Weise ja nicht zum ersten Mal. Wir würdigen grundsätzlich die Dinge erst, wenn wir sie verloren haben. Elvis ist das beste Vorzeigebeispiel, und wie passend, dass Michael zu Lebzeiten mit Elvis Presley's einziger Tochter verheiratet war! Zuerst war Elvis der Held einer ganzen Generation, sein Hüftschwung legendär, seine Stimme ließ Millionen Frauen dahinschmelzen. Dann kam die Tablettensucht, Elvis nahm zu, Elvis wurde zu extravagant - Elvis war eine Witzfigur. Und nach seinem Tod? Erst durch die Tatsache, dass er nicht mit 80 gestorben ist, wurde er zur Legende. Es scheint, als bräuchten wir die Dramatik in unserem Leben. Sobald ein Künstler auf tragische und unerwartete Weise stirbt, ist er kultverdächtig für uns, dann lieben wir ihn, vergöttern ihn und möchten ihn nie vergessen. Aber lass den gleichen Künstler glücklich mit 85 in seinem Schaukelstuhl an Herzversagen sterben, dann redet keine Eintagsfliege davon. Natürlich gibt es einen Nachruf für den Künstler - aber erreicht er Unsterblichkeit? Wohl kaum...

Heute jährt sich 9/11 zum 8. Mal. Über 3000 Menschen starben, als die Flugzeuge die Twin Tower des World Trade Centers trafen und wie WEihnachten, Ostern und Silvester wurde der 11. September nun zu einem festen Tag, an den so ziemlich jeder Mensch auf diesem Planeten denkt, wenn auch nur kurz. Ich gebe zu, auch ich musste heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit an diesen bedeutungsschwangeren Tag denken. Auf der anderen Seite, so tragisch die Ereignisse auch sind, ein wenig Übertreibung empfinde ich schon, wenn ich mir die alljährliche Show um das Ereignis angucke. Es werden die Namen der Opfer vorgelesen, es gibt große Zeremonien um das Ereignis... aber was hat 9/11 bewirkt? Der Krieg in Afghanistan hat so viele Opfer gefordert, wer liest die Namen dieser Menschen vor? Wer sagt auch nur einmal an diesem Tag die Namen der Opfer des Irak-Kriegs? Ich wundere mich manchmal, ob es selbst nach dem Tod einen VIP Status gibt... der Tod eines Menschen scheint wichtiger zu sein als der eines anderen. Seit über 2 MOnaten wird über den Tod von Michael Jackson diskutiert. Aber wieviele Menschen sind am gleichen Tag gestorben? Oder seitdem gestorben? Was ist mit diesen Menschen? Bestehen die nicht auch aus Fleisch und Blut wie Michael? Okay, ich gebe zu, nicht jeder der anderen Menschen, die zwischenzeitlich verstorben sind, haben Platten aufgenommen und wahrscheinlich war kein zweiter unter ihnen, der ein Album herausgebracht hat, dass so erfolgreich wie "Thriller" war (und für alle, die jetzt klugverdauen wollen: ich weiß selbst, dass die Platte die erfolgreichste aller Zeiten ist, danke schön! ;-))

Nun, ich denke, ich werde zu ernst bei diesem Thema. Tod, der Platz im Himmel, der für jeden von uns reserviert sein soll, aber anscheinend selbst da wird ein Unterschied gemacht. Sonst würden wir Menschen auf Erden uns nicht so benehmen, wie wir es tun. Der Tod von Mensch A ist wichtiger als der Tod von Mensch B... deswegen kommt B ja auch an zweiter Stelle im Alphabet. Nevermind...

Zurück zum eigentlichen Thema (ich gebe zu, ich habe in den letzten drei Monaten ein wenig die Kurve für clevere Cliffhanger verloren!). Inzwischen lebe ich in einer pulsierenden Großstadt, mit Menschen bis zum Bersten überfüllt. Ich benutze öffentliche Verkehrsmittel und dabei bietet sich mir jeden Tag ein Schaubild der erstaunlichen, manchmal auch grausigen Art. Hat eigentlich irgendeiner von uns schonmal bemerkt, wie kontaktarm wir uns eigentlich heutzutage benehmen? Okay, schlechter Anfang für dieses Thema, klingt zu sehr nach dem "Wort zum Sonntag". Dann mal anders: ich wundere mich, wie in der heutigen Zeit Männlein und Weiblein überhaupt noch zueinanderfinden. Wieso? Nun, ich blicke mich um, sehe hinter der Pornofassade des Internets und der Kontaktfreudigkeit der Sozialnetzwerke à la "Facebook" und "Lokalisten.de" Menschen, die entweder in der U-Bahn oder im BUs sitzen und sinnentleert entweder auf ihr Mobiltelefon oder ihren mp3 Player starren. Augenkontakt im Bus? Fehlanzeige! Die Liebe des Lebens in der U-Bahn finden? Gibt's nur in 80er Jahre Hollywood-Komödien. Diese Zeiten sind ein für allemal vorbei. Und wozu ist das "Handy", wie wir Deutschen es so schön bezeichnen, gut? Richtig! Um in Kontakt zu bleiben, Kommunikation zu betreiben. Das Witzige daran ist: wir werden zu Blindgängern ausgebildet und das schon seit über 10 Jahren. Denn wir müssen uns eigentlich nicht mehr sehen, es macht doch auch gar keinen Spaß mehr, sich wirklich zu treffen, obwohl man das am Telefon verabredet hat. Wenn man sich nämlich treffen würde, hieße das, seine Wichtigkeit zu verlieren und einfach normal zu sein, mit seiner besten Freundin im Café zu sitzen und zu reden. Ist das möglich im Zeitalter der digitalen Technik? Wohl kaum! Wenn schon, dann sollten wir uns alle lieber verabreden über das Mobiltelefon, uns nicht zu verabreden. Hauptsache, wir reden darüber am Telefon mitten in der U-Bahn, damit auch jeder Andere mitbekommt, wie wichtig die Person hinter dir, vor dir oder dir gegenüber ist. Das klingt sinnlos? Nicht so ganz, nicht, wenn man wirklich genau die Menschen um sich herum betrachtet.

Womit wir bei den Männern wären. Ich beobachte die Männer ein wenig strenger als die Frauen... Frauen tendieren dazu, die große Brokerin der New Yorker Börse spielen zu wollen oder die übergestresste Modedesignerin mit 4 Kindern zu Hause, die alle versorgt sein wollen. Natürlich geht das nur über das TElefon. Und die Männer? Die machen vom Prinzip her das Gleiche. Nur meiden sie den Augenkontakt mit jedem anderen Menschen, indem wie weniger telefonieren, als in ihr Blackberry oder iPhone zu starren und über die vielen vielen Möglichkeiten zu staunen, die ihnen ihr "Ersatzpenis Mobiltelefon" bieten kann. E-mails lesen war gestern, wir gucken inzwischen auch nach dem Wetter, planen unsere Wochenendtrips mit der Freundin, die wir nicht haben, weil wir eigentlich nur auf das Telefon starren, schreiben unsere Einkaufslisten und vergleichen sie mit den lokalen Supermärkten, obwohl im Ende doch wieder alles auf chinesisches Essen zum MItnehmen hinausläuft. ES gibt Möglichkeiten über MÖglichkeiten, die Welt des MObiltelefons ist so grenzenlos geworden, dass jeder Mensch sich dadurch freiwillig in eine zwei mal zwei Millimeter große gedankliche Gummizelle pressen lässt. Und wenn du denkst, du hättest mehr als vorher, dann guck dich einfach um, wieviel zu vorher hattest und vergleiche. Wahrscheinlich hattest du Freunde, denen du in die Augen gucken konntest, nicht Freunde, mit denen du über Twitter Tweets austauschst und ihnen sagst, wann du zum letzten Mal auf der Toilette warst. Das Witzige an früher war, dass du wusstest, wie deine Freunde in Bewegung aussahen und nicht nur auf dem Profilbild... plus du wusstest, wann deine Freunde das letzte Mal auf der Toilette waren, immerhin mussten sie die KOmmunikation mit dir unterbrechen, aufstehen und sich für zwei Minuten aus dem Raum verabschieden.

Vielleicht hattest du auch früher einmal bemerkt, wenn eine schöne Frau neben dir im Bus gesessen hat. Vielleicht hättest du sogar den Schneid aufgebracht, sie anzuquatschen. Heute guckst du dir über Singlebörsenseiten Profile von Frauen an, schreibst mit ihnen e-mails und SMS für 3,99 Euro pro Stück und wunderst dich im Ende, wenn die Frau auf dem Profilbild gar nicht mit der Internetidentität übereinstimmt.

Vielleicht wäre das Leben einfach anders, wenn nicht sogar besser, ohne dein Handy. Das Problem an der Sache ist nur, so wenig, wie du dir vorstellen kannst, ohne Penis zu leben, so wenig kannst du dir inzwischen vorstellen, ohne dein Handy zu leben. Das Ganze hat nur einen Unterschied: der Penis eines Mannes ist ein von Geburt an vorhandenes und teilweise sogar nützliches Körperteil. Und das Mobiltelefon? Das kam irgendwann dazu und wurde so wichtig, als wäre es von Geburt an dabei gewesen. Vielleicht meint die Biologie das mit dem Unterschied zwischen "angeboren" und "anerlernt". Mal sehen, ob wir nächstes Jahr klüger sind in dieser Beziehung - oder ob die Menschen dann alle glauben werden, wir wären schon mit dem Mobiltelefon auf die Welt gekommen (was übrigens ein sehr lustiger Gedanke wäre!).

Mit diesem etwas skurrilen Bild verabschiede ich mich ins Wochenende und wünsche noch viel Spaß im Spätsommer. Bis zum nächsten Mal.

LG Gene

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