Samstag, 19. Mai 2012

Auf der Suche nach Gene L....

Ein kleiner Ruf aus der "Wildnis": nein, ich bin nicht verstorben oder unbekannt verzogen. Ich habe diesen Blog auch nicht aufgegeben und gebe zu, ich hätte schon letzte Woche diesen Post schreiben sollen:

Zur Zeit stecke ich im Prüfungsfieber"stress" und habe deswegen zwar einen Kopf für die politisch-gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten in dieser Republik, aber nicht genug Zeit, das Ganze in diesem Blog niederzuschreiben.

Deswegen möge es mir meine Leserschaft vergeben, wenn ich euch noch eine Woche vertröste - am nächsten Samstag geht es weiter - versprochen! Und ich gelobe, es gibt (wie im letzten Jahr) dafür auch kein Sommerloch in meinem Blog.

In diesem Sinne, allen Lesern noch ein schönes Wochenende und eine gute nächste Woche - bis nächsten Samstag!

LG Gene :-)

Samstag, 5. Mai 2012

EM 2012 - Das Glück ist wahlweise mit den Dummen oder den Halbtoten

Zunächst bitte ich den Ausfall des Blogeintrags von letzter Woche zu entschuldigen, aber ich glaube, die dreiköpfige Leserschaft wird es verkraften können. Es ließ sich einfach nicht anders einrichten, außerdem war ich ein wenig gefangen im Sog des Zweifels, welches Thema ich nun nehmen sollte. Manchmal ist schweigen eben doch besser als sprechen.

Nun, in dieser Woche bin ich ja wieder da, also alles gut. Wirklich? Nun, gut ist hier noch lange nicht alles, davon sind wir weit entfernt. Manchmal habe ich gar das Gefühl, wir entfernen uns alle immer weiter von der Perfektion, dem absolut Gutem. Gleichzeitig entwickeln wir ein immer ausgeprägteres Talent dafür, uns das Leben immer schöner zu reden.

Ähnlich geht es wohl zur Zeit mit der Situation "EM 2012" zu. Es scheint zumindest, dass seit der Weigerung des Bundespräsidenten Gauck, die Ukraine zu besuchen, das Thema "Fußballeuropameisterschaft" auf hoher Flamme überkocht. Die Entwicklungen im Fall Timoschenko verschärfen sich von Tag zu Tag, der Hungerstreik der Oppositionsführerin bewegt inzwischen ganz Europa. Es stellt sich inzwischen gar die Frage, ob man überhaupt eine EM in einem Land unterstützen sollte, das der Diktatur (wieder einmal!) verfallen ist.

Jedem Fußballfan ist indes diese Entwicklung völlig schnuppe, immerhin geht es ja um FUSSBALL!!! Da ist doch alles andere wahrlich unwichtig, oder? Das Land wird nunmal so regiert, wie die Bevölkerung es will und was können wir dafür, wenn eine Oppositionspolitikerin beschließt, in Hungerstreik zu treten? Warum sollten wir bitteschön wegen so einer Lapalie auf die EM verzichten?

So oder so ähnlich dürften die Fußballfans wohl denken. Zumindest denken die Funktionäre der Veranstaltung so. Ähnlich wie bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wird uns nun von allerhand Experten das Märchen aufgetischt, dass der Fokus der Aufmerksamkeit, der dank der EM auf die Ukraine fallen wird, dabei hilft, die Demokratie in dem Land voranzubringen. Mehr noch: Timoschenko soll bessere Chancen aufs Überleben haben gerade weil ganz Europa in Heerscharen zu den Spielen anreist! Aaaah ja, diese Logik kann wahrlich wohl nur von Sportlern kommen. Doch sehen wir mal alles aus der Neutralperspektive.

Wenn der Fokus auf der Ukraine liegt während der EM, wird sich der Zustand um Timoschenko vielleicht verbessern statt verschlechtern. Dumm nur, dass die EM nicht ewig dauert, nach spätestens drei Wochen ist der Hype vorbei, die wichtigen Menschen vom europäischen Fußballverband und die Stars des internationalen Fußball sind abgereist, ebenso alle Fans der Sportart. Was bleibt danach? Es kann sein, dass die Nachrichtensender noch eine, vielleicht anderthalb Wochen von dem Land berichten werden, vielleicht weil Timoschenko dann immer noch im Hungerstreik ist. Und dann? Wie lange kann die Frau überhaupt im Hungerstreik sein, bis die Situation so richtig brenzlig wird? Was passiert, wenn sie stirbt, sei es durch die eigene Hand durch das Hungern oder durch die Hand der kriminellen Regierung? Keiner weiß das zum jetzigen Zeitpunkt, allerdings zu behaupten, dass eine solche Großveranstaltung hilft, Politik mitzugestalten, ist mehr als naiv.

Die Olympischen Spiele 2008 waren vor vier Jahren auch mit der großen Hoffnung verknüpft, dass die internationale Aufmerksamkeit und der damit verbundene westliche Druck der Demokratie helfen würde, China zu einer Demokratie zu wandeln. Wenigstens aber, China der Demokratie näherzubringen. Geändert hat sich bis heute herzlich wenig, ganz im Gegenteil: erst in dieser Woche geriet das Land wieder in Verruf, weil der Menschenrechtsanwalt Chen Guangsheng aus der Haft flüchtete und in der amerikanischen Botschaft Unterschlupf suchte. Daraufhin war das Land, das laut damaliger Hoffnung "auf dem Weg zur Demokratie" ist, so stinksauer, dass es den USA mit Verstimmungen in der Beziehung zwischen den zwei Ländern drohte, falls sie Guangsheng nicht auslieferten. Nun, im Ende hat er freiwillig die Botschaft wieder verlassen, China ließ trotzdem verlauten, wie verstimmt sie doch sind. Schöne neue Demokratie in China. So westlich sich das Land auch geben mag, die Olympischen Spiele haben die Menschenrechte in China auch nicht einführen können. Ganz im Gegenteil.

Wenn man allerdings bedenkt, warum solche Großveranstaltungen wirklich gehyped werden, wird klar, warum mit großer Scheinheiligkeit damit geworben wird, diese Veranstaltungen würden politischen Einfluss in die richtige Richtung üben. Bei den Olympischen Spielen in Peking ging es nicht nur um internationale Aufmerksamkeit, es ging auch darum, die Attraktivität zu erhöhen, das Land zu besuchen, und damit vor allem Geld mitzubringen. Wie so oft im Leben läuft es wieder einmal auf das Papier mit den aufgedruckten Werten hinaus. Eine Großveranstaltung wie z.B. die Olympischen Spiele, die Fußball-EM oder auch ein Formel 1-Rennen wie zuletzt in Bahrain zielen darauf ab, dass Sponsoren investieren, um gleichzeitig aus der Veranstaltung noch viel mehr Geld (und damit Profit) zu erzielen. Es geht ums Geldverdienen und um die Effekthascherei, die Aufmerksamkeit, die man mit solch einer populären Massenveranstaltung erzielen kann.

Ist die Fußball-EM deswegen automatisch etwas Schlechtes und Böses? Keinesfalls! Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen... oder besser gesagt, Leute wie Rainer Calmund sollten ihren dicken Bauch mal da lassen, wo er hingehört, nämlich in den Bereich Fußballmanagement, statt zu behaupten, solch eine Veranstaltung in einer Diktatur wie die Ukraine durchzuziehen sei gut für alle. Seiner Meinung nach würde es auch nix bringen, das Ganze abzublasen, Frau Timoschenko wäre damit nicht geholfen. Der Meinung sind auch einige Politiker in diesem Land. Es mag sein, dass der Protest Timoschenko nicht helfen wird. Aber sollte ein Land wie die Ukraine wirklich noch dafür belohnt werden, dass es sich benimmt, wie es sich benimmt?

Okay, wenn wir die Lage mal ganz streng sehen, ist Frau Timoschenko ihre Lage eigentlich selbst Schuld. Als sie es nach langem Machtkampf schaffte, an der Seite von Wictor Juschtschenko die Regierung zu bilden und damit den Höhepunkt der orangenen Revolution einläutete, war sie wohl lange nicht am Ziel ihrer Machtbestrebungen. Als stellvertretende Ministerpräsidentin und zuständig für Energiefragen war es ihr nach kurzer Regierungszeit ein Bestreben, Juschtschenko aus dem Amt zu vertreiben. Was ihr nach langem Ringen schlussendlich auch gelang - ausgerechnet mithilfe des Mannes, der sie heute im Gefängnis und besser noch Tod sehen will: der jetzige Ministerpräsident Janukowytsch. Und der hatte, als Timoschenko in der Opposition war, nichts bessers zu tun, als ihr eine Anklage wegen Steuerhinterziehung an den Leib zu hetzen. So schnitt sich Timoschenko nach der Machtergreifung und als Ministerpräsidentin für zwei mehr oder weniger turbulenten Amtszeiten wohl schlussendlich selbst ins Fleisch und das nur, weil sie mit der Politik Juschtschenkos nicht mehr einverstanden war.

So stand Timoschenko wegen Steuerhinterziehung und einem für sie angeblich vorteilhaften Deal mit Gasprom vor Gericht. Die Tatsache, dass Timoschenko Milliardärin ist und damit offensichtlich dem Geld nicht unbedingt abgeneigt ist, war nicht gerade ein strategischer Vorteil bei dem Verfahren. Dank der höchstwahrscheinlich unsauberen Wahlen 2010, in denen Janukowytsch zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, stand Timoschenko plötzlich auf verlorenem Posten. Immerhin, wer schon wie Janukowytsch bei einer Wahl bescheißen und manipulieren kann, dem wird es auch nicht schwerfallen, die unliebsame Konkurrenz durch ein Gerichtsverfahren aus dem Verkehr zu ziehen. Gesagt, getan, geschehen - Timoschenko wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt und ihre Situation ist damit noch lange nicht am Tiefpunkt angelangt. Schikanen, eine gebrochene Hüfte - kein Wunder, dass Frau Timoschenko lieber sterben möchte, als so zu leben.

Was ist also nun mit der EM? Sollen wir uns wirklich auf so ein Ereignis freuen und uns einbilden, es wäre alles zum Besseren, wenn wir bewusst unseren Fokus im Rahmen einer Spaßveranstaltung auf die Ukraine richten? Oder sollten wir dem guten Beispiel von Bundespräsident Gauck folgen und die Veranstaltung boykottieren?

Ich denke, wenn die Spiele wie geplant stattfinden (was sie zweifelsohne tun werden) wird es nichts ändern, außer vielleicht den Kontostand des einen oder anderen Sponsoren und Fußballprofis, der dadurch seinen Marktwert aufpolieren wird. Fußball und politisch? Ernsthaft? Das ist wohl eher höchstselten der Fall. Der Fall "EM 2012" wird wohl kaum ein neues Kapitel in diesem sehr dünnen Buch beschreiben. Dazu sind die Verantwortlichen in der Profitgier auch viel zu feige. Verstehen kann man sie, denn man darf sich doch die Frage stellen, ob Milliardärin Timoschenko das Gleiche für andere tun würde, Oppositionsführerin hin oder her.

Allerdings muss sich einiges ändern, der Fokus muss auf der Ukraine bleiben, der öffentliche Druck muss wachsen, auch und gerade nach der EM. Es bleibt abzuwarten, ob das wirklich der Fall sein wird, irgendwann wird jeder politisch Gefangene uninteressant. Auch Aung San Suu Kyi war jahrelang aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden, der Protest gegen ihren Hausarrest verlief viele Jahre lang viel zu still und hätte mit mehr Courage aus dem Ausland eventuell auch früher beendet werden können. In ihrem Fall ist inzwischen alles gut und Hypothesen zu dem Thema aufstellen ist eh mühselig und von wenig Nutzen. Bei Timoschenko ist die Situation allerdings ernster und es bedarf einem höheren Maß an Druck aus dem Ausland.

In erster Linie freut sich das gemeine Volk nun allerdings auf die EM und möchte in seiner Feierlaune nicht durch die Politik gestört sein. Man möchte dem Pöbel seine Party so gerne gönnen, allerdings dachte ich immer, dass wir in der heutigen Zeit viel motivierter, politsch engagierter und mit dem Willen zur Weltverbesserung ausgestattet sind. Manchmal sind wir das, manchmal eher nicht - es kommt wohl nur auf die bevorstehende Veranstaltung an und darauf, wo unsere Prioritäten liegen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein schönes Restwochenende und eine gute nächste Woche - bis zum nächsten Samstag.

LG Gene :-)


English Blog