Montag, 27. Oktober 2008

Die böse Kunst, sich selbst (zu sehr) zu lieben

"Seht mich an!
Seht mich an, in all meiner Herrlichkeit.
Seht mich an, in all meinem Stolz
und seht den Glanz, der von meiner Schönheit ausgeht.

Seht meine Talente
Seht meine Fähigkeiten
Seht meine Intelligenz
und denkt was ihr wollt - ihr kriegt mich nicht.

Seht alle her und bewundert mich
Seht nur genauer hin, entdeckt meine Fehler
Seht den Makel hier, auf meinem Gesicht
dann mache ich zwei auf euer Gesicht, denn ich bleib
immer ich

... die Nummer Eins!"

Okay, ein besserer Anfang zum Thema fiel mir nicht ein,
es ist auch nichts Poetisches, es hat keinen Rhythmus
und soll auch nicht literarisch wirken. Vielleicht ist
es mehr eine kleine sarkastische Bemerkung zum
Verhalten des Menschen und damit zum Einstieg in das
Thema des heutigen Eintrag: der Narzissmus.

Nun wird man in allen Lebenslagen damit konfrontiert,
dass im Ende doch jeder Mensch nur sich selbst liebt
(oder zumindest sich jeder Mensch selbst am Meisten
liebt).

Keiner hat ein Problem damit, dass man sich selbst am
Meisten liebt, es würde an Selbstzerstörung grenzen,
wenn man nur die anderen liebt aber nicht sich selbst.
Und heißt es nicht immer: "Nur wenn man sich
selbst liebt, kann man auch einen anderen
lieben."? Nun, welch weise Worte! Wahrheit steckt
darin, das ist kein Thema. Und die Meisten von uns
befolgen diesen Rat ja auch brav, in einer Beziehung
immer Liebe geben, aber bloß nicht zuviel, nie mehr als
die Liebe, die man für sich selbst empfindet. Ich
denke, das hat vor allem mit Selbstschutz zu tun.

Aber was ist mit den Beziehungen, in der der Narzissmus
derart stark übergreift, dass er mehr Killer als Heiler
ist? Im Narzissmus greifen Menschen dann zu weitaus
fieseren Mitteln, als nur sich selbst in einem gesunden
Maße zu lieben: sie fangen an, den anderen durch Worte
oder Taten herabzusetzen, um sich selbst auf eine
höhere Stufe zu stellen.

Das nennt sich dann "maligner (=bösartiger)
Narzissmus". Und wenn man es so weit kommen lässt,
greifen wir wieder auf Mittel, die eigentlich in
unserer heutigen Leistungsgesellschaft gängig geworden
sind: "Ich setze dich herab, um sicherzustellen,
dass ich immer die Nummer 1 bleiben werde!"

Aus meiner Erfahrung habe ich festgestellt, dass es
verschiedene Fälle dieser Form des Narzissmus gibt:

Fall A) Die Beziehung zwischen Mann und Frau: nun, in
dieser Beziehung ist es natürlich, dass der maligne
Narzissmus vom Mann ausgeht. Versteht mich nicht
falsch, es geht nicht darum, dass es in jeder Beziehung
so ist, es geht darum, von wo der Narzissmus auftritt,
WENN er denn in der Form auftritt.

In unserer heutigen Zeit sind Frauen in ihrer
Entfaltung weitaus weiter als noch vor 50 oder 60
Jahren. Sie dürfen nicht nur hübsch sein, kochen und
die Kinder erziehen. Viel Schlimmer: Sie dürfen
Karriere machen, Arbeiten gehen - und in den meisten
Fällen dürfen sie klüger sein als ihre eigenen
Ehemänner.
Aber nur in den meisten Fällen. Es gibt dann auch
Fälle, in denen die Selbstverliebtheit des Mannes
derart große Blüten treibt, dass der Narzissmus sie zum
Äußersten treibt: dann werden sie zum Ritter und Retter
der eigenen Spezies. Und zeigen den Frauen, wer der
“Herr im Hause” ist. Sie fangen an, die Arbeit der
Gattin zu kritisieren, stellen sie beim kleinsten
Fehler bloß - die Kindererziehung leidet angeblich
durch ihren Hang zur Karriere, sie sind sowieso nicht
in der Lage, die Arbeit, die eigentlich für Männer
gedacht ist, vernünftig zu erledigen. Und ihr Essen?
Schmeckt schlimmer als Hundefutter!

Und was geschieht dadurch mit dem Mann? Natürlich
steigt er im Wert, an Eifersucht denken die wenigsten,
die Meisten fangen an, die kleinen Fehler der Frau zu
entdecken, geben dem Mann natürlich Recht und zack! Ehe
man es sich versieht, hat der Mann die Vormachtstellung
im Haus zurückerlangt. Das könnte man sogar als
“umgekehrte Emanzipation” heutzutage bezeichnen.

Der Fall B) Frau gegen Frau: Natürlich, es ist in uns
allen verwurzelt: der Kampf ums andere Geschlecht. Und
speziell für uns Frauen, die ja allerhand Mühe haben
heutzutage, einen Mann zu kriegen, ist es nicht gerade
unüblich, gegen Konkurrentinnen zu kämpfen. Weil durch
Kriege und Geburtenknick in der westlichen Gesellschaft
mehr Frauen als Männer leben, müssen wir klotzen statt
kleckern, um den Selbsterhaltungstrieb zu befriedigen.


Nun aber, wenn die Eine schöner ist als die Andere -
selbst wenn sie die besten Freundinnen sind -, und ein
wirklich göttliches Wesen der Gattung Mann kommt auf
die Beiden zu, was würde die weniger gut aussende tun?
Den Krieg kampflos aufgeben? Mitnichten! Wenn die nicht
so schöne mit den nicht so guten Genen kann, wird sie
dafür sorgen, dass die Schöne in einem schlechten Licht
dasteht. Dann hat sie angeblich einige Macken, Ticks,
ist nicht perfekt, kann nicht kochen oder nicht gut mit
Kindern (ob das dann stimmt ist im Ende gar nicht mal
so wichtig). Ziel der Übung ist doch nur, die
Konkurrenz auszuschalten. Und da Männer nicht unbedingt
die Klügsten sind, ist das auch der Grund, warum das
immer wieder wunderbar funktioniert. Ohne, dass der
Mann es auch nur im entferntesten ahnt.

Fall C) Mann gegen Mann: mit Fall B ist dieser recht
ähnlich, auch hier geht es um den Kampf ums andere
Geschlecht. Doch nicht nur! Da der Mann in Unterzahl
ist, ist er nicht mehr so arg darauf aus, um eine Frau
mit einem anderen Mann zu kämpfen. “Wenn du sie haben
willst, bitte! Ich such mir die nächsten drei Schnecken
gleich um die nächste Ecke!”

Aber wo der Narzissmus in Reinkultur zwischen Männern
übel enden kann, ist bei der Arbeit. Der Kampf um die
Vormachtstellung, derjenige, der wie in der Steinzeit
das Bison, das er gefangen hat, auch schlachten darf!
Wer darf das Messer wetzen, wer darf sich den Pelz als
Umhang anziehen?
Dazu gibt es keine leichte Antwort, wenn beide gleich
motiviert, gleich schlau sind und auch noch gleich gut
vor dem Rest der Meute dastehen. Was also nun?
Irgendwann wird einer der Beiden die Initiative
ergreifen, egal, ob er nun mit dem Konkurrenten in
tiefer Freundschaft steckt oder nicht. Gewissensbisse
gibt es in dem Fall nicht, sein Messer ist scharf und
das Bison schreit schon viel zu laut. Also muss der
Schnitt durch die Kehle erfolgen. Und wenn es keiner so
ohne weiteres ohne Blutvergießen untereinander darf,
schneidet Männchen B Männchen A einfach die Kehle durch
und anschließend tut er beim Bison das Gleiche. Ruhe im
Karton!

Will heißen? Nun, in einem Büro würde sowas nicht
passieren, allerdings würde Männchen B hingehen und auf
die Fehler von Männchen A aufmerksam machen. Vielleicht
würde er sogar eine Unterredung beim Chef (oder der
Chefin?) suchen, um ihn/sie davon zu überzeugen, wie
schlecht Männchen A in letzter Zeit seine Arbeit macht.
Und außerdem hat Männchen A allerhand zu tun, seine
Beziehung nimmt viel Zeit in Anspruch und wussten Sie,
dass Männchen A am Wochenende am Liebsten auf dem
Fußballplatz ist? Dadurch kann er doch nie so
zuverlässig sein wie Männchen B.

Das ist allerdings bei weitem nicht alles. Wenn gar
nichts mehr geht, stellt Männchen B bei einer
Präsentation Männchen A vor versammelter Mannschaft
bloß, zeigt ihm auf, welche Schwächen die Präsentation
hat oder vielleicht ist Männchen A auch älter als
Männchen B? Dann wird prompt behauptet, Männchen A sei
nicht mehr “trendmäßig auf der Höhe” oder habe einfach
nicht mehr den nötigen “Drive”, um mit der Konkurrenz
mithalten zu können. Spielvarianten gibt es viele, aber
tödlich sind sie alle - für das unterlegene Männchen
natürlich.




Nur eins können die Leute, die dieser Art von
Narzissmus verfallen, nicht wissen: sie schneiden sich
schlussendlich ins eigene Fleisch. Denn irgendwann,
irgendwo, wird es jemand geben, der klüger und besser
ist als sie und der seine ganze Kraft darin investiert,
sie in die Position des Niederen zu versetzen. Und es
geht weiter und weiter und weiter... ein Kreislauf wie
der Kreislauf des Lebens.

Was ich damit sagen will? Keine Ahnung, das Thema kam
mir in den Sinn, da ich hier einigen Leuten begegne,
die meinen, wenn sie meine Art zu sein herabwerten,
stünden sie besser da. Ob ich mich vom Narzissmus
ausschließen kann? Natürlich nicht! Aber ich muss
wenigstens nicht andere herabsetzen, um zu zeigen, dass
ich die Klügere bin. Die Klügere tut immer nur zwei
Dinge: sie zeigt dem Dümmeren, wie es richtig
funktioniert ... oder sie gibt einfach nach und sich
der Trivialität hin. Das tue ich meistens - aber
besonders befriedigend ist das nicht.

Nun, ob ich ein Narzist bin? Ich denke ja... aber ich
bin kein bösartiger. Nur weil ich weiß, dass meine
Intelligenz sich nicht darauf beschränkt, bis hundert
zu zählen, bin ich noch lange kein Mensch, der andere
erniedrigt, um selbst als etwas Kluges da zustehen. Das
ist nicht mein Fall. Wer aber so fahren will,
bitteschön - der kann mich aber auch in Ruhe lassen,
weil von solchen Menschen halte ich ehrlich gesagt
Null. Es beweist nur die eigene Schwäche, eigentlich
nichts zu können, wenn man andere erniedrigt. Das ist,
was ich seit langem an Menschen beobachtet habe.

Also an alle malignen Narzisten: die eigene
Unzulänglichkeit durch Intrigen zu verstecken ist
nichts, was hilft, die eigenen Fehler zu verstecken.
Nur mal am Rande ;-)

Damit, ein schönes Wochenende noch

LG Genevieve

PS: Das am Anfang... schiebt es auf Blitze im Gehirn,
das heißt nicht, ich könnte keine Gedichte schreiben.
Aber zum Egoismus ist mir beim besten Willen kein
Gedicht eingefallen, dafür bin ich wahrscheinlich dann
doch nicht Narzist genug :-) ;-)

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