Montag, 1. Juni 2009

Der Trost kommt scheibchenweise vom Grill

Die letzten Wochen waren wieder einmal ereignisreich - zumindest, wenn man sich die Nachrichten anguckt. Die eigenen Ereignisse erscheinen im Vergleich zu den News im Fernsehen nie so schillernd und vielseitig, dramatisch und gleichzeitig manchmal lächerlich belanglos. Es sind eben die gebündelten Schicksale, die die Nachrichten bunt und damit spannend machen. Wer würde schon die Nachrichten einer Person täglich verfolgen wollen? Was würde schließlich dabei herauskommen? Der tägliche Bericht zur Verdauung der Person? Oder warum es sinnvoller ist, nach links statt nach rechts abzubiegen, um auf dem schnellsten Weg zur Arbeit zu gelangen? Wirklich sinnvoll wäre das nicht! Und es würde auch keinen interessieren. Nicht nur würde es keinen bei einem Otto Normalverbraucher interessieren, es würde auch niemanden interessieren, wenn man solche Updates von einem Prominenten oder Politiker erstellen würde. Jeden Tag wissen, wie oft Frau Merkel oder Mr. Obama die Toilette aufgesucht hat? Eher uninteressant. Zumindest für's Fernsehen...

Denn wenn wir uns im Internet umgucken, wird die Sache doch wesentlich trivialer, belangloser... und eigentlich schon fast peinlich. Es gibt so viele Menschen, die sich berufen fühlen, nicht mit einer guten Meinung oder Philosophie auf sich aufmerksam zu machen, nein! Es geht ihnen darum, der Welt das mitzuteilen, was sie ihren Freunden, ihren Bekannten und auch jedem anderen Fremden im wahren Leben unter keinen Umständen erzählen würden. Und wie funktioniert das? Über Blogs, über Twitter, über Communities - die Trivialität des Internets sprengt Grenzen und führt in unendliche Weiten, von denen man nicht einmal wusste, dass sie hinter den erahnten unendlichen Weiten existieren. Keine Information, die nicht aufgeschrieben, gepostet, per Foto upgeloaded wird etc pp... Die Frage, die beim Fernsehen lauten würde "Was will der Zuschauer sehen?" stellt sich im Net schon lange nicht mehr. Hier stellt sich ständig nur die Frage "Was bin ich bereit zu zeigen, weil ich möchte, dass jemand (und wenn es nur irgendwer ist) es sieht?" Denn das ist im Ende die einzige Grenze: die eigene Zeigefreudigkeit, der eigene Prüderie, wenn es um die vermeintliche "Privatsphäre" geht. Erst da ist mit dem Informationsfluss schluss. Erst dann verschließt sich der Mensch wieder ins Privatleben.

Nur meistens ist es dafür dann bereits zu spät. Das Internet schreibt nämlich so ganz eigene Gesetze, die der Benutzer zwar meint zu kennen und sie auch kontrollieren zu können. Im Ende wird der Benutzer und Informationsverteiler zur Geisel seiner eigenen Zeigefreudigkeit. Das geschriebene Wort hat eine Tücke: es neigt zur Geschwätzigkeit. Wenn wir anfangen zu schreiben, fällt die Schranke, die beim Sprechen immer mal wieder in Kraft tritt: die Hemmung, Dinge nicht zu sagen, die wir nur denken. Wenn wir schreiben, dann denken wir, aber wir sprechen meistens nicht. Und deswegen schreibt der gemeine Blogführer oder User von "Twitter" gerne das auf, was er denkt - ohne die Schranke, Dinge wegzulassen, die eigentlich nicht für die Augen von Millionen von Nutzern bestimmt sind. Natürlich ist die Chance gering, dass der Falsche Informationen lesen könnte, die man irgendwann geschrieben hat. Und sicher ist es fast schon paradox, dass die Informationen im Internet einem Menschen im wahren Leben zum Verhängnis werden könnten.

Doch das Internet ist heutzutage vergleichbar mit der Beichte in der Kirche - man möchte sich jemand anvertrauen, der zuhört und nur selten widerspricht. Eigentlich widerspricht das Internet nie direkt, im Gegensatz zu einem Priester. Der Internetuser schreibt alle seine Sorgen, seine Freuden, seine Trauer, seine Zweifel und seine Sehnsüchte, Lüste und Begierden hinunter und denkt, damit sein Gewissen zu erleichtern. Denn (wir erinnern uns) der Internetuser bringt seine Gedanken virtuell "zu Papier", nicht das, was er sagen würde. Die Scham, solche Dinge auszusprechen, wäre bei den Meisten viel zu groß! Das Dumme an der virtuellen Beichte ist nur (ganz anders als an der Beichte in der Kirche, in der man mit 20 Vater Unser abgestempelt werden würde im Durchschnitt), dass sie bestehen bleibt und jederzeit wie vor Gericht gegen den "Angeklagten" verwertet werden kann.

Fast so ähnlich funktionieren Nachrichten im Fernsehen oder in der Zeitung - die Menschen erinnern sich an sie. An jedes kleine Ereignis, sei es noch so trivial... wenn es erstmal auf ein Großereignis trifft, dessen Ecken und Kanten genau auf die des kleinen Ereignisses passen, werden sie zu einem Mosaik zusammengefügt, wieder aus der Versenkung hervorgebracht und ausgeschlachtet bis zum Tod sämtlicher Nachrichten.

Zurück zum Anfang: die letzten Wochen? Wie gesagt, von meiner Seite nur wenig bis gar nichts (selbst wenn, es gibt genug Verrückte, die darüber im Internet öffentlich philosophieren!), von Seiten der Nachrichten doch recht viel: 60 Jahre Grundgesetz, Europawahlen, Opel und Karstadt in der absoluten Krise (dazu unser junger und dynamischer neuer Finanzminister, der für alles eine Lösung sucht). In den USA sieht es auch nicht besser aus: GM meldet nun offiziell Insolvenz an, Obama will Guantanamo schließen (war ja schon vom Wahlprogramm her bekannt), dann darf er es nicht schließen, weil die republikanischen Mehrheiten dagegen sind - und nun hat er beschlossen, doch für den Wähler der Heiland zu sein und sich mit aller Macht durchzusetzen.

Aber eine Nachricht überbietet im Ende doch alles, sämtliche Sorgen um wirtschaftliche Engpässe weltweit oder Arbeitslosigkeit, diese Nachricht besiegt sogar den Tod, den Teufel und die Werbung: der Sommer! Er ist endlich da! Und gerade jetzt, zum Feiertagswochenende hin, sehnen sich die Menschen nach Barbecue und Sonnenschein satt - einfach mal Fleisch auf Holzkohle braun und ein wenig schwarz werden lassen. Nie zuviel schwarz, weil das ja krebserregend wäre und nicht sonderlich gut schmeckt. Aber ein bißchen schwarz (=Röstaroma) ist doch immer erlaubt.

Und der Grillwahnsinn kennt kein Ende: vom Morgenmagazin bis zum Nachtjournal - immer wirrd mindestens einmal das Wort "Grillen" erwähnt. "Grillwetter" "Grillwochenende" "Grillparty" "Grilllaune"... jedes Wort des DUDEN wird demnächst wahrscheinlich in der Grillversion erscheinen. Dann fängt jedes Wort einfach mit "Grill" oder "Grillen" an. Von A wie "Grillaal" bis Z wie "Grillzunder". Okay, es geht nicht wirklich von A-Z - eigentlich geht es ja nur von "Grill" bis "Grillen" - aber irgendwo muss man ja nach dem Alphabet ordnen, also dann immer schön NACH dem Grillzusatz. Es gibt nur einige wenige Wörter, die werden wahrscheinlich nicht mit dem Zusatz Grillen versehen: Krebs, Aterienverkalkung und Brandopfer.

Wo vor Jahren noch viel über das Ungesunde am Grillen an sich debattiert wurde, scheinen diese Bedenken heute einfach weggewischt zu sein. Von welcher Quelle her ist mir nicht wirklich begreiflich, aber es ist so. Die Menschen grillen wieder und das verdammt gerne. Keine Bedenken mehr, auf Elektrogrill oder gar auf Dampfgaren umzusteigen, es muss die ganz harte, schwarzgefärbte Kohlevariante sein: rauchig, stinkend und schön ungesund.

Kann sein, dass das gemeine Volk darin der Politik einfach einen Schritt voraus ist: wir lassen einfach sämtliche Probleme in Rauch aufgehen, die Folgen sind eigentlich vollkommen egal. Egal, ob diese Form des Barbecue vollkommen ungesund nicht nur für uns, sondern für's ganze Klima ist, wir leben ja schließlich im Hier und Jetzt. Was soll also mit Opel und Karstadt geschehen? Richtig - einfach in Rauch aufgehen lassen. Was interessieren uns schließlich die Arbeitsplätze anderer? Wir zählen, wir wollen Fleisch, wir wollen es jetzt - und wir wollen das hart ersparte Geld nicht für irgendwelche Sarnierungen drittklassiger Großkonzerne ausgeben. Was haben wir schließlich davon? Eine Abwendung von der Wirtschaftskrise? Nun frage ich mich persönlich: wenn dauernd davon geredet wird, wir wären schon mittendrin in der Krise, warum noch großartig versuchen, die Titanic vom Eisberg abzuwenden? Es ist doch nach heutiger Analyse erwiesen, die Katastrophe der Titanic wäre nie so schlimm geworden, wäre der Eisberg mit voller Wucht gerammt worden. Erst durch den Versuch, in letzter Sekunde ausweichen zu wollen, hat sich der Riss im Buck der Titanic als verhängnisvoll entwickelt. Und wenn Konzerne wirklich Insolvenz anmelden (so wie Herr von und zu und über und unter Guttenberg das möchte), kann wenigstens nicht unnötig viel Geld des Steuerzahlers verloren gehen. Es gehen "nur" Arbeitsplätze verloren - es lebe der Egoismus des Einzelnen!

Laut Titel dieses Blogeintrags habe ich "Trost" andeutungsweise versprochen. Und wo lag hier der Trost? Vielleicht gibt es im Ende nur den Trost, dass man zwar alles falsch, aber gleichzeitig auch alles richtig machen kann. Das Einzige, was wirklich zählt ist, dass man etwas macht! Nur durch Aktionen kann der Mensch weitergehen und vorangehen. Und wenn das heißt, manchmal die Klappe ein wenig zu weit aufzureißen.

Zum Schluss an dieser Stelle (weil ich finde, dass es passt) von meiner Seite ein herzliches Lob an Roger Willemsen. Er hat das fertiggebracht, was Joop und Lagerfeld schon vor ein paar Wochen gemacht haben, aber er hat wie immer schön treffende, manchmal fiese, aber nie falsche Worte zum Thema "Heidi Klum" gefunden, indem er über sie sagte, er wolle "Sechs Sorten Sch**** aus ihr herausprügeln". Wer es nicht gesehen hat, kann das hier gerne nachholen:

http://www.stern.de/video/:Video-So-Roger-Willemsen-%FCber-Klum/701281.html

Wer jetzt natürlich an der Heidi Klum Fanfront steht und sich echauffiert über solche Äußerungen wie über die von Karl Lagerfeld und Wolfgang Joop, dem kann ich natürlich auch nicht helfen. Recht haben sie jedoch alle: wer braucht eine Frau, die dauergrinsend Werbung für Fastfood und Gummibärchen macht und auf der anderen Seite nach jeder Schwangerhaft innerhalb von 48 Stunden ihre überflüssigen Pfunde wieder verlieren will? Wer möchte die Verlogenheit einer Frau, die so tut, als könnte man alles konsumieren und dabei schlank bleiben und sich gut fühlen und andererseits junge Frauen im Fernsehen für ihr Gewicht oder die ihrer Meinung nach nicht ausreichende Modelqualität fertig macht? Vielleicht will Deutschland das, denn (so betont sie ja ständig bei Kritik) der "Erfolg gibt ihr Recht". Aber hat ein Mensch (sei es in der Geschichte wie in der Gegenwart) wirklich Recht, weil er Erfolg hat? Da tun sich bei mir fatale Parallelen auf, die ich hier erwähnen könnte und die wenig schmeichelhaft wären von Menschen, die Erfolg hatten, aber dadurch nicht wirklich automatisch Recht.

Und ich persönlich kann nur ein sehr gewagtes Statement machen, bei dem mir wahrscheinlich viele meiner Altersgenossinnen nicht zustimmen würden:

Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen der Attraktivität gepaart mit einer gewissen Hohlköpfigkeit einer Heidi Klum und dem Intellekt eines wahrhaft cosmopoliten Roger Willemsen... würde ich eher nach den Qualitäten von ihm als von ihr streben wollen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Verfasst, gepostet - und festgehalten in den Weiten des www. Zur jederzeiten zukünftigen Verwendung gegen mich. ;-)

Eine schöne neue Woche an alle wünsche ich!

LG Gene

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