Freitag, 30. September 2011

"Politische Lügen und krumme Bananen" - Eine Liebeserklärung

Es ist immer wieder bewegend zu sehen, wie sehr sich das Volk über die Politik echauffiert. Streitbarer ist der Mensch wahrscheinlich neben der Politik sonst nur, wenn es um Religion geht. Oder das eigene Wohlbefinden - dafür wird allgemein mit den härtesten Bandagen gekämpft. Das "Ich-Universum" im "Wir-Staat" - man kann niemandem wirklich verübeln, dass er oder sie sich für die Durchsetzung des eigenen absoluten Wohlbefindens einsetzt. Schließlich sucht jeder nach dem ultimativen Glück. Wahrscheinlich auch in der religiösen oder politischen Vertretung der eigenen Interessen.

Wenn wir gläubig sind, möchten wir eine Religion, die unsere Lebensphilosophie teilt. Es kommt zwar oft vor, dass Menschen ihre Lebensphilosophie der Religion anpassen, da Religion wie ein Leitfaden für das tägliche Leben fungiert, auf Dauer macht das aber immer weniger Spaß. Denn Religionen tragen meist ein sehr verstaubtes Image, sie wurden gegründet in Zeiten, zu denen wir gar keinen Bezug mehr haben. Das Christentum, das Judentum oder auch der Islam, der sich brüstet mit neueren und damit richtigeren Wahrheiten - schlussendlich haben wir alle an bestimmten Punkten das Gefühl, dass die Religion und unser heutiges Leben nicht zusammenpassen. Veraltete Vorstellungen was Konsum, Sex oder Gleichberechtigung betrifft - viele Menschen haben in den vergangenen Jahrhunderten diverse Revolutionen gestartet, um unseren Geist zu erweitern und unser Leben damit reichhaltiger zu gestalten. Wir leben heute (zumindest in der westlichen Welt) in Gesellschaften, in denen weder Rassentrennung noch sexuelle Diskriminierung herrschen. Was in den Köpfen der Menschen bei diesen Themen vorgeht, ist wieder eine andere Sache.

Die Menschen wurden einheitlich revolutioniert, ihre Herzen und Geister wurden geöffnet für alle ultimativen Wahrheiten, die das Universum zu bieten hat. Daran ist besonders schön, dass man nicht weit reisen muss, um die Wahrheit zu erfahren: sie wird uns quasi auf einem Silbertablett bis zum Bett gebracht. Und so sehr wir jeglichen Komfort in allen Formen lieben, gibt es bei der Wahrheit eine unsichtbare Seifenblase, die sie umhüllt und damit nicht von uns aufgesaugt werden kann.

Okay, es ist ja nicht so, als würden wir nicht nach Wahrheit streben, der Reinheit der Tatsachen in allen Formen. Dafür haben wir die z.B. die Wissenschaft: das Leben, die Bestimmung von jeglichen Lebenformen und der Sinn von allem muss wissenschaftlich untersucht und Thesen müssen durch Tatsachen belegt werden. Das unterscheidet die Wissenschaft wohl am Stärksten von der Religion, die Thesen aufstellt und es dabei belässt. Oder die Thesen mit einem Märchen mit "Moral von der Geschicht"-Effekt untermauert. Es ist nicht entscheidend, ob die These wirklich damit in ihrer Wahrheit bestätigt wird, es geht in der Hauptsache darum, die Religion gut zu verkaufen und ihren Unterhaltungswert zu steigern. Das sieht man sonst heute nur noch, wenn man sich die Prominews bei RTL anguckt.

Die Politik beschreitet da ganz andere Wege - hier sollte nach Möglichkeit jede These (wie in der Wissenschaft) von Tatsachen belegt werden können, jeder Vorschlag sollte realisierbar sein - in manchen Fällen hilft dort aber auch nur der Glaube an Gott. Vielleicht war auch das der Grund, warum Bundestagspräsident Lammert den Papst nach Deutschland in den Bundestag eingeladen hat. Und das wiederum war der Grund, warum einige Abgeordnete sich dazu entschlossen, der Rede des Papstes fernzubleiben. Am Wahrheitsgehalt der Religion kann es in diesem Fall allerdings auch nicht liegen, denn wie gesagt, die Religion stellt Thesen auf und verpackt diese durch uralte Bibelverse in schöne Geschenkverpackungen. Die Abgeordneten begründeten ihre Abwesenheit mit der Tatsache, dass Kirche und Staat getrennt bleiben sollten und wir ansonsten auch keine religiösen Oberhäupter in einer politischen Einrichtung wie dem Bundestag einladen würden. So weit so richtig. Die CDU sah das natürlich wiedermal anders (ist ja schließlich auch die CHRISTLICH Demokratische Union). Also weiß man damit, wo der Hase sich im Pfeffer versteckt hat.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Mal ganz unabhängig von Religion, es ist die Politik, die uns so schwer im Magen-Darm-Trakt liegt. Wenn wir unsere Religion nicht mögen, können wir einfach aus der Kirche austreten. Gläubigkeit nach vorgegebenem Muster (was nun einmal eine Religion ausmacht) hat nicht mehr das Gewicht im Leben eines Bürgers der Wohlstandsstaaten. Politik hingegen ist wieder eine ganz andere Kiste: man kann so wahnsinnig schlecht vor ihr fliehen, weil man unmittelbar davon abhängig ist. Man könnte theoretisch das Land verlassen, die böse Politik des einen Landes hinter sich lassen, um dann wahrscheinlich in einem Land zu landen, dessen Politik wesentlich schlimmer ist. Die Politik als Staatsgewalt erweist sich in allen Staaten dieser Welt als Stolperstein - in einigen, weil dort eine totalitäre Diktatur herrscht. In anderen (und das tut uns vor allem weh!) gibt es zwar so etwas wie freie Meinungsäußerung und eine Demokratie, aber wirklich zufriedener sind wir damit nicht.

Wir wählen unsere Vertreter, egal auf kommunaler oder bundesweiter Ebene. Das tun wir, weil wir das Recht dazu haben. Aber sind wir auch wirklich glücklich damit? Es gibt zwei Dinge, die die Politik (und ihre Stellvertreter, sprich die Politiker) entscheidend prägen:

1. Erkenntnis: Ein Mensch, der "nett" ist, ist nicht automatisch ein guter Mensch.
Man erlebt das nicht nur in der Politik, sondern auch im täglichen Leben: in unserer Naivität geben wir uns nur allzu gern der Illusion hin, dass ein Mensch, der uns auf Anhieb sympathisch ist, weil er nett ist und immer lächelt, automatisch ein guter Mensch ist. Ob das noch aus alten religiösen Vorstellungen stammt, der Malerei von Ikonen, bei denen Freude und Güte durch ein mildes Lächeln ausgedrückt wurden, kann man nicht sagen. Doch ein Mensch, der scheinbar "nett" ist, ist längst nicht von einem "reinen Herzen" geprägt oder zeichnet sich durch ein Gutmenschtum aus. Man kann gut und gerne nett ins Gesicht lächeln und trotzdem machen, was man will. Ob das Mord und Todschlag oder "nur" Korruption und Betrug ist.

Bei Politikern ist dieses Phänomen besonders gut erkennbar. Spätestens im "heißen" Frühling, Sommer oder Herbst (je nachdem, wann gewählt wird), bricht auf Landes- oder Bundesebene das Wahlkampffieber aus. Eines der wichtigsten Symptome dieser Krankheit darf wohl oder übel als "Arschkriecherei" bezeichnet werden: Politiker werden zu den freundlichsten Menschen auf diesem Planeten, verteilen Geschenke und liebe Worte, machen Versprechungen, um vorzutäuschen, dass sie Gutmenschen sind, die nur deine Interessen vertreten wollen. Bei der diesjährigen Landtagswahl in Rheinland-Pfalz bekam ich z.B. von einem CDU-Vertreter ein Küchenmesser geschenkt. Die einzige Frage, die ich ihm darauf stellte, war: "Gehen wir damit jetzt in den Wahl"kampf"?" Er beruhigte mich mit einem süßlich künstlichen Lächeln und meinte, ich sollte es bloß nicht dafür verwenden - aber es wäre zum Kartoffelschneiden gut. Na, immerhin!

Nach einem solchen Wahlkampf allerdings macht sich eine ganz andere Stimmung im Herzen der Politiker breit: Mann (oder Frau) hat sein/ihr Ziel erreicht, jetzt gilt es um die "Umsetzung" der vollmundigen Versprechen - oder das, was die Politiker davon in Wahrheit wirklich umsetzen WOLLEN. Können und Wollen sind doch zwei verschiedene Paar Schuhe, nicht nur in Deutschland, nicht nur in der Politik. Und damit kommen wir dann gleich zur zweiten Erkenntnis:

2. Erkenntnis: "Was ich sage ist nicht das, was ich in Wahrheit meine"
Auch hier gilt, dass diese Erkenntnis nicht nur auf die Politik anwendbar ist, jedoch besonders gut in diesem Bereich funktioniert. Ein Politiker, der vorher großmundig Versprechungen macht, mag in manchen Fällen mit gutem, reinen Herzen an diesen Wahlversprechungen gebastelt haben. Jedoch wird er sich mit der Zeit (während des Wahlkampfes und wenn er es tatsächlich geschafft hat) schnell bewusst, wie schwer vollmundige Versprechungen in die Tat umzusetzen sind. Man muss als Politiker diplomatisch sein, darf niemanden verärgern, weder die Bürger noch die Wirtschaft im Speziellen. Das Dumme an der Sache ist nur, einen von beiden muss der Politiker verärgern. Und da der Politiker ein Leben lang in Lohn und Brot stehen möchte (speziell in mehr Lohn und Brot als der Durchschnittsverdiener), verärgert er lieber den Bürger als den Wirtschaftsboss.
So oft die Politik auch verspricht, die Interessen des Bürgers zu vertreten, heißt es spätestens ein Jahr nach den Wahlen: "Messt mich nicht an meinem Geschwätz vom Vorjahr!", auch wenn ein Politiker als Spezies in erster Linie aus Geschwätz besteht. Das prozentuale Verhältnis liegt in dem Fall wohl bei 80% Geschwätz und 20% Taten. Gerade deswegen sind ihnen politische Diskussionen so unangenehm. Aber auch dafür (wie gegen viele andere tödliche Krankheiten) gibt es eine Impfung, genannt "Vielschwätzsertum". Um das alte Geschwätz von gestern zu begraben, wird heute einfach noch mehr gelabert - auf Kosten der Nerven von Millionen Zuschauern und damit Wählern.

Man fragt sich allerdings immer noch, warum Politiker soviel lügen, vertuschen und im Ernstfall lächerlich schlecht beschönigen. Die Antwort hierauf ist so einfach wie erschreckend: weil Politiker auch nur Menschen sind! Diese Antwort hören die Wähler natürlich nicht gerne, aber es darf die Vermutung in den Raum gestellt werden, dass sich Wähler in erster Linie darüber ärgern, nicht selbst auf solch einem hochbezahlten Posten zu sitzen und für's Lügen bezahlt zu werden. Der Normalbürger lügt gratis, der Politiker bekommt dafür eine "Abgeordnetendiät" - das Leben kann so ungerecht sein, nicht wahr?
Laut Lügenforschern (ja, die gibt es wirklich!) lügt jeder Mensch mindestens 200 Mal am Tag. Schon, wenn wir "Guten Morgen!" sagen, haben wir mindestens eine Unwahrheit ausgesprochen. Dabei zählt wahrscheinlich weniger, wenn wir nachmittags noch "Morgen" sagen, sondern einfach die Wertung "Guten", die weder wir noch unser Gegenüber so empfinden muss. Gefolgt von der Floskel "Wie geht es dir?", die eigentlich Interesse am Befinden bekunden soll, in Wirklichkeit aber das genaue Gegenteil bedeutet. Und diese Form der Kommunikation zieht sich dann durch unseren gesamten Tag. Da muss sich der Wähler doch ernsthaft fragen, warum er als "Meister der Lüge" von den Vertretern, die er selbst gewählt hat, das Gutmenschtum und die reine Wahrheit erwartet.

Ein Grund könnte die Vorbildfunktion sein. Wir erwarten von unseren Vorbildern, dass sie uns leiten, am Besten zum Guten. Und wenn Politiker als Staatsvertreter Vorbilder sein sollten, dann müssen sie auch Eigenschaften besitzen, die der Normalo nicht besitzt. Dazu gehört dann auch die Liebe zur Wahrheit, obwohl diese eine "hartherzige Hure" ist. Sie ist schonungslos, besitzt nur sehr wenig Ästhetik und undankbar ist sie obendrein. Also warum sollte man die Wahrheit wählen, warum sollten Politiker sie wählen, wenn sie wissen, dass sie abgewählt werden, wenn sie die Wahrheit verbreiten?

Ein Grund könnte sein, dass sie durch Lügen nicht unbedingt in den politischen Olymp gelangen oder Geschichtsbücher durch ihre Revolutionen füllen können. Sie werden Figuren der Geschichte, aber wohl auf dem Schachbrett der Geschichte eher der Bauer und nicht die Dame werden.

Der Gutmensch an sich hat Potenzial, weil er genau den Nerv trifft, der den meisten Menschen fehlt. Gandhi war ein Beispiel dafür, Martin Luther King ein anderes. Sogar Martin Luther, der die katholische Kirche an den Pranger stellte und die Spaltung unter den Christen verursachte, hat dieses Potenzial. Und heute? "Wo sind all die Helden hin, wo sind sie geblieben?". Der Nachkriegsschlager geht ein wenig anders, aber er passt zu gut ins Bild. Politische Lichtgestalten fehlen, Obama ist als Neuzeit-Messias gescheitert an zu vielen dummen Menschen in seinem Umfeld. Und Angela Merkel als erste Frau, die zum Bundeskanzler ernannt wurde, bereitet der Frauenwelt mehr Schande als Ehre. Also, wo gibt es noch Gutmenschen?

Beruhigend war für mich in den letzten Wochen die Erkenntnis, dass es sie tatsächlich gibt, die Guten, die anscheinend fast zu naiv für die Rechte des Volkes kämpfen. Ein gutes Beispiel ist der indische Politiker Anna Hazare, der sich gegen jeglichen Widerstand der indischen Regierung und sämtlicher indischen Behördenapparate, die seit Jahrzehnten in einem Sumpf von Korruption leben, zur Wehr gesetzt hat. Wie in der guten alten Revolutionszeit ließ er sich dabei auch nicht durch Inhaftierung von seinem Vorhaben abbringen. Das Volk rebellierte, Anna Hazare kam auf freien Fuß und führte seine friedliche Revolution nach Gandhi's Vorbild fort. Ging dabei sogar in Hungerstreik, ein schier undenkbares Vorhaben in unseren Breitengraden! Jedoch hatte Hazare damit einschlagenden Erfolg: nachdem das "Anti-Korruptions-Gesetz" über 40 Jahre immer wieder verschoben und ausgesestzt wurde, wird es nun von der Regierung eingehend geprüft und mit großer Wahrscheinlichkeit verabschiedet.

Also, es geht doch! - könnte man meinen, wenn man sich das beeindruckende Beispiel dieses Mannes ansieht. Und es gibt weitere Beispiele, wie das der in dieser Woche nach langer Krebserkrankung verstorbenen Wangari Maathai, die "Mutter der Bäume", die sich in ihrem Heimatland Kenia für die Rettung der Wälder einsetzte und damit ein grandioses Beispiel für Hingabe und Leidenschaft der Sache gegenüber abgab. Zu Recht wurde ihr die Ehre zuteil, die (hoffentlich!) Angela Merkel in ihrem Leben verwehrt bleibt: die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 2004 für "nachhaltige Entwicklung, Frieden und Demokratie" erhalten.

Vielleicht jedoch wird auch Frau Merkel im Laufe ihres späteren Lebens den Nobelpreis erhalten - denn die Vorbilder der Neuzeit sterben aus, es gibt kaum noch Motivation für junge Generationen, um das Gute und gegen die Gier nach Geld zu kämpfen. Geld verdienen ist eben leichter, als seine Ideale zu vertreten. Aber wenn die Vergangenheit eins gezeigt hat, dann, dass Revolutionen nicht von Heute auf Morgen geschehen können. Eine Revolution lodert im Untergrund, wie der "Revolutionsfrühling" in den nordafrikanischen Staaten, den wir dieses Jahr miterleben durften. Die Gerechtigkeit scheint das neue "In" zu sein, die Forderung nach individueller Entfaltung und vor allem keine verlogenen Politiker, die in ihrer Häufigkeit so selbstverständlich und oft auftauchen wie krumme Bananen.

Genau so bedarf es auch hier Zeit zu erkennen, welche Art Politiker wir in unserer Gesellschaft wollen. Vor allem aber, welche Art von Menschen wir selbst sein wollen - die Lügner aus der letzten Reihe oder die Gutmenschen an vorderster Front. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein schönes Wochenende und verabschiede mich bis zum nächsten Freitag!

LG Gene :-)

Freitag, 23. September 2011

Von "verklemmt" bis "enthemmt" - Episode 2: Sex und Liebe

Vor Kurzem sah ich im TV einen Bericht über Janis Joplin und die glorreiche Zeit des "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Phänomens. Freie Liebe, propagiert von jenen, die aus dem konservativen Schubladendenken ihrer Vorfahren ausbrechen wollten. Die Menschen bevorzugten statt der frühen Eheschließung das "Ausprobieren" zahlreicher Sexualpartner, bis sie sich schlussendlich für den/die Eine/n entschieden hatten - oder eben nicht. Nun, wenn man es genauer betrachtet, steckt schon ein wenig Klischee dahinter. Die Hippies waren nicht ausschließlich darauf aus, ihr Bett jede Nacht mit jemand anderem zu teilen, es sei denn, sie ließen sich vom Rausch der Drogen verführen und zu solchen Taten hinreißen. Ob sie das im Ende dann bereuten oder nicht, steht wohl indivduell bei jedem der Beteiligten auf einem anderen Blatt.

Nun ist diese Generation auch schon wieder seit 40 Jahren vorbei und ziert nur noch die Geschichtsbücher als eine Zeit, in der die Revolution für Gleichberechtigung in allen Formen in Gange war. Und heute? Man könnte meinen, 40 Jahre später wären wir längst soweit, uns mit anderen Themen zu beschäftigen. Doch wenn man sich die Nachrichten anschaut, wird man erkennen, dass sich nicht viel verändert hat: auf der einen Seite kämpfen Homosexuelle für die absolute Gleichberechtigung, auf der anderen steht der Papst vor Tausenden von Gläubigern und predigt genau das Gegenteil. Und die freie Sexualität der "Woodstock-Generation"? Sie ist da, zweifelsohne - kaum jemand wird noch den ersten Sexualpartner direkt heiraten und mit ihm eine Familie gründen. Wir sprechen mehr über Sex, spätestens dank "Sex & The City" weiß jeder, was ein "brazilian waxing" ist und kennt die Tücken sämtlicher Sexualpraktiken. Und trotzdem drängt sich immer wieder der Verdacht auf, bei allem Reden und Diskutieren, dass wir über Sex weit weniger wissen als je zuvor. Sicherlich, in der Theorie kennen wir uns gut aus, wir kennen die Fachbegriffe, die "handwerklichen Kniffe" sind uns eigentlich auch bekannt. Nur mit der Umsetzung hapert es gewaltig.

An dieser Stelle tritt die natürliche Barriere zwischen Mann und Frau wieder zutage. Oder besser gesagt: zwischen Partner und Partner, wenngleich sich einem der Verdacht aufdrängen mag, dass Sexualität bei homosexuellen Beziehungen weitaus besser funktioniert als bei heterosexuellen. Ganz einfach weil Mann und Mann oder Frau und Frau ein besseres Verständnis füreinander haben als Mann und Frau. Ein Mann kann sich schlecht in die Schuhe einer Frau denken (gerade, wenn sie hochhackig sind) und bei Frauen verhält es sich ähnlich mit Männern. Die Ehrfurcht voreinander mag da sein, in einem gewissen Rahmen, aber der Rest? Die Praxis geht unter in all der Theorie und nicht selten herrscht mehr tote als lebendige Hose im Bett.

Wie passend sind doch die Gegensätze, die sich diese Woche präsentierten: die Piraten-Partei, die mit überwältigenden 8,9 % in das Berliner Bürgerhaus gewählt wurden und die sich für die Legalisierung weicher Drogen und freie Liebe aussprechen. Was so viel heißen mag wie "Woodstock 2.0". Und dann kam gestern der Papst nach Deutschland, der allseits heiß geliebte Benedict XVI. Er, der die Hoffnung in sämtlichen Katholiken weckt, dass die Christen als Religionsgemeinschaft doch noch zu retten sind und die Leute scharenweise ins Olympiastadion lockt. Nur über sexuellen Mißbrauch von Kindern durch Pfarrer wollte "Benedetto" dann doch nicht reden, es ging nur um die Treue der Katholiken zu ihm - und damit die Sicherheit der katholischen Kirche als Weltinstitution. Wir wissen alle, dass die katholische Kirche über alles außer über Sex reden möchte - denn Sex ist nur zum Zeugen von Kindern da. "Seid fruchtbar und vermehret euch!" - im besseren Sinne wie die Kakerlaken. Denn eine Spezies, die sich zuviel fortpflanzt, wird irgendwann eine, die als Ungeziefer gilt... und nur, weil wir Menschen diese Regel erfunden hat, heißt es nicht, dass wir automatisch davon ausgeschlossen sind.

Es ist gut, dass der Mensch heutzutage (zumindest in der westlichen Welt) Sex als reine Lustbefriedigung denn als Fortpflanzungsnotwendigkeit nutzt. Denn eine Welt mit 20 Milliarden Menschen wäre wohl kaum vorstellbar (immerhin sehen wir, wozu 7 Milliarden bereits imstande sind!). Die Probleme zwischen Männern und Frauen bleiben allerdings, das Unverständnis füreinander, egal wie oft sie untereinander miteinander "verkehren", sowohl im nicht-sexuellen als im sexuellen Bereich. Und das Balzen ist weitaus schlimmer geworden, als es noch vor 50 Jahren war, denn in früheren Zeiten gab es wenigstens das Ziel, miteinander alt zu werden oder wenigstens zusammenbleiben zu wollen. Heute geht es beim Balzen primär um Sex, den einen Akt, der zwischen 2 und 15 Minuten dauert (wenn man nun den reinen Akt ohne Schnickschnack sieht) und danach geht es ab zur Restmüllentsorgung.

Doch wie hat sich dieser Wandel vollzogen? Gibt es Gründe, dass Sex und Liebe heute so streng getrennt werden wie selten in der Geschichte zuvor? Es mag sein, dass nur zur Zeit der Hippies die Menschen wahlloser Sex hatten, rein aus Spaß an der Freude. Heute hat sich daringehend nicht so viel geändert: wir nehmen nicht haufenweise Drogen (wenn man nun mal die legalen Rauschmittel wie Alkohol ausklammert), aber wir haben immer noch sehr gerne Sex. Aber Liebe? Die steht auf einem anderen Blatt. Man weiß nicht, welche Faszination ausgeübt werden muss, damit Liebe entsteht. Tatsache ist nur, sie entsteht längst nicht mehr so leicht wie vorher. Mag sein, dass es an der neugewonnen Selbstständigkeit liegt, dass die Menschen sich ungerne in eine Lebensgemeinschaft reindenken möchten. Oder es liegt einfach an einem Überquellen an zuviel Information, weil es potenziell zuviele Partner gibt, die man sich aussuchen könnte. Die Antwort darauf kann wohl nicht universal beantwortet werden, es bleibt nur das Staunen, wie sehr die Menschen sich inzwischen selbst genug sind. Lebensgemeinschaften können schließlich durch so viele Dinge ausgeglichen werden: Hobbies, Freunde oder dem Fröhnen des "Ich bin klasse"-Lebensstils allgemein. Ja, wir sind uns selbst genug - vermissen dann aber doch irgendwie die Zweisamkeit. Das Bett ist schließlich kalt nachts, wenn man sich alleine hineinlegt. Zum Ausgleich gibt es dann das "Fleisch pfundweise" - eine ganze Kuh kaufen kann schließlich jeder Bauer!

Nun möchte ich die Welt nicht so schwarz-weiß sehen und ja, ich weiß, es gibt auch viele Menschen, die glücklich in Partnerschaften oder Ehen verbandelt sind. Was auffällt ist aber, dass die Menschen sich schnell einander überdrüssig sind, es nicht lange miteinander aushalten und für jede Kleinigkeit eine Beziehung beenden. Es geht dann ähnlich zu wie in jeder besseren amerikanischen Comedyserie: "Sie benutzt das falsche Parfüm? Wie kann ich sie dann heiraten?" Oder Skandalgeschichten wie: "Er hat Mundgeruch, wenn er morgens neben mir aufwacht!"

Wir sind kritischer geworden, weniger uns selbst gegenüber, mehr jedoch allen anderen gegenüber. Speziell, wenn sie an unser Allerheiligstes wollen (und nein, ich meine nicht unseren Körper); das Herz des Menschen will schließlich geschützt werden, es bricht ja viel zu leicht. Und bei dem selbstbewussten, hochintelligenten und -begabten Westweltmenschen 2011 bricht es noch viel leichter, als wäre es aus Zucker. Wir sind empfindlicher geworden, werden aber nicht müde, diese Empfindlichkeit einander vorzuwerfen - damit die emotionale Verletzung noch schlimmer wird. Manchmal habe ich das Gefühl, die Menschen geifern regelrecht danach aus Angst, selbst verletzt zu werden, den Anderen vorher zu verletzen. Das dann aber auch richtig und im vollen Umfang. Nie waren wir im Bett intimer und offener miteinander und selten auf der anderen Seite so verletzend und persönlich gegen den Anderen wie jetzt. Das Mittelmaß ist "out", "in" ist, wer das Leben nicht nur in vollen Zügen genießt, sondern es genauso gut zerstört. Die Grenzen verschwimmen zwischen der Rettung und Zerstörung untereinander, es hat schon fast etwas Biblisches.

Offenheit in der Sexualität oder im Gefühlsleben sind zwar erfüllend im einen Moment, aber doppelt schädlich und verletzend im Nächsten. Und gerade da macht sich auch der Unterschied zwischen Mann und Frau breit. Männer sind allgemein gefühlskälter als Frauen, das ist psychologisch schon oft festgestellt worden. Natürlich nicht sich selbst, sondern anderen Menschen gegenüber. Es heißt nicht, dass sie weniger empfinden als Frauen oder nicht selbst leiden könnten, aber sie können das viel besser unterdrücken als eine Frau. Ob das an der Mütterlichkeit einer jeden Frau liegt (egal, ob sie Kinder hat oder nicht), sei dahingestellt. Frauen machen in Beziehungen nur entscheidende Fehler, die sie im Ende als Verlierer dastehen lassen müssen. Allein den männlichen Penis zu glorifizieren, als sei er der "heilige Grahl", stellt Frauen in eine Passivposition, eine untergestellte gar... und da braucht sich auch keine Frau mehr zu wundern, warum sie im Berufs- und Intimleben immer den Kürzeren den Männern gegenüber zieht. Nur durch diese Glorifizierung nämlich kommen sich Männer so speziell und unbesiegbar vor. Und das drücken sie auch in jeder Phase ihres Lebens aus: sei es im Beruf, wo sie mehr verdienen und mächtiger sein müssen oder im Schlafzimmer, wo es primär um ihre eigene Befriedigung geht statt um die der Frau.

Die weibliche Befriedigung gleicht auch der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, auch wenn es in Wirklichkeit weit weniger schlimm ist als der Mythos, der kreiert wurde. Eine Frau ist nicht ein Wesen, das nie befriedigt werden kann - es dauert nur länger und ist nicht so einfach herauszufinden als das reine "Rubbeln" beim Männchen, was oft einem Glückslos gleich, wo man potenzielle Gewinne freirubbeln kann. So ist die männliche und weibliche Befriedigung wohl wie der Unterschied zwischen der Suche nach Kohle oder nach Gold. Für Frauen ist es wohl schwerer, einen Orgasmus zu kriegen und da sie das männliche Glied als so wichtig erachten, bleiben Männer wohl für alle Zeit in dem Irrglauben, "das Ding reinstecken" reicht zur Befriedigung der Frau. Klappt bei "Ihm" ja schließlich auch!

Aber mal zum Kern der Dinge: wohin gehen wir mit unserer Freiheit in der Sexualität? Es ist wie mit Bekanntschaften, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat; ist es erst einmal so weit, dann ist das Pferd erschossen und beerdigt. Und je schneller die Männer an die Sexualität kommen, umso schneller wird der Gaul danach beseitigt. Nicht immer, zugegeben... aber immer öfter! Romantik (obgleich sie dem Menschen soviel mehr als ein zweisekündiger Orgasmus bringen kann) ist in den Hintergrund gerückt. Liebe, wie sie in Shakespeare's Dramen beschrieben wurde, gibt es zwar heute noch, aber die Relationen haben sich verschoben. Wo die Sexualität dominiert, bleibt nicht mehr viel Platz für Liebe. Es ist wohl wie im Film: während in indischen Schnulzen die Romantik im Vordergrund steht und Sexualität in jeglicher Form verpöhnt ist, fällt es beim Gucken einem Porno schwer, ein Gefühl zu entwickeln (abgesehen vom Gefühl in der Hose!).

Eine ausgeglichene Beziehung in allen Lebenslagen, danach sucht jeder Mensch. Ob diese Beziehung wirklich in absoluter Reinform so zu finden ist, bleibt jedoch fraglich. Wenn der Sex nicht stimmt, stimmt die ganze Beziehung nicht, so denken viele Menschen. Auf der anderen Seite gibt es Lebensgemeinschaften unter Partnern, die gänzlich ohne Sex auskommen und sich dabei gut fühlen. Ein Pulverfass, das explodieren muss früher oder später - wahrscheinlich würde jeder Sexfanatiker so diese Art zu leben abtun. Es darf allerdings spekuliert werden, ob nicht das Leben im Sexwahn (gerade in der Sexsucht) ein viel gefährlicheres Pulverfass ist. Beides hat seine Tücken, die Unterdrückung wie das überschwängliche Ausleben der Lust. Ähnlich verhält es sich mit Gefühlen - wer sie ständig unterdrückt, wird nicht glücklich. Und wer sie auslebt ohne Rücksicht auf Verluste, hat den gleichen Effekt.

Die Zweisamkeit oder das Alleinsein, was ist nun der bessere Weg? Da wir uns als Herdentier sehen wohl Ersteres. Wenn wir über die Empfindlichkeit des Herzens oder die Liebe zur Freiheit und Selbstentfaltung nachdenken, eher die zweite Variante. Am Ende des Tages steht die Entscheidung, wie Sex gelebt und zelebriert werden soll. Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie erschreckend, denn wo es Licht und einen Körper, da entstehen auch Schatten. Lange Schatten - wie sexuelle Perversion und der Drang, die Lustbefriedigung als Waffe einzusetzen. Pädophilie, Sodomie und weitere krankhafte "Spielarten der "Liebe"" sind nicht neu, doch sie sind in einer Welt, in der alles diskutiert wird, immer stärker vertreten. Nicht nur, weil es ein krankhafter Trieb ist, auch durch das offene Reden werden Tabus gesucht, die gebrochen werden können. Schließlich ist nicht jeder Sexualtriebtäter von Geburt her verdorben, in den meisten Fällen wird er dazu gemacht - durch die Erziehung der Eltern und deren Fehler oder die Gesellschaft. Natürlich kann man nicht der Gesellschaft die Schuld daran geben, dass es Pädophile gibt - auf der anderen Seite gibt die Gesellschaft Ideen. Und es gibt verdammt viele Menschen, die meinen, solche Ideen umsetzen "zu müssen", ganz gleich, wie krankhaft oder unerträglich sie für den Betrachter sein mögen. Wie ich sagte, der Mensch 2011 versteht sich zu oft als freies Wesen, das tun und lassen kann, was er/sie möchte. Und auch wenn diese Freiheit laut Recht und Gesetz in der Gesellschaft Grenzen vorschreibt, so sind es gerade diese, die den Menschen anspornen, zu weit zu gehen. Das Überschreiten der Grenze (im emotionalen wie sexuellen Bereich) auf Basis der Unterdrückung anderer ist und bleibt ein Verbrechen - manchmal nur ein moralisches, oft auch ein juristisches.

Das Herz kann eine Mördergrube sein, die Liebe tödlich und die Sexualität verhängnisvoll. Hollywood würde es so beschreiben und die großen Dichter und Denker wahrscheinlich auch in ihren Gedichten. Und so unendlich, wie Hollywood's Vielfalt und die der Lyriker ist, so ist auch dieses Thema. Und deswegen wird es wohl noch einige Einträge zum Thema "Sex und Liebe" von mir geben - obwohl ich weder verwandt noch verschwägert bin mit Oswald Kolle.... In diesem Sinne, allen Lesern ein schönes Wochenende und bis zum nächsten Freitag. ;-)

LG Gene :-)

Samstag, 17. September 2011

Materialschäden in offenen Fleischwunden - Folge 3: Radioaktivität

Jede (gute) Serie hat mal ein Ende - diese Weisheit gilt für sämtliche TV-Serien auf diesem Planeten. Wenn eine TV-Serie wirklich qualitativ herausragend ist, muss sie einmal enden. Wie wahr das ist stellt sich heraus, wenn man die Gegenprobe macht und feststellt, dass alle relativ grottigen Serien in Dauerschleife laufen, bis sie wie ein verdurstetes Pferd tot umfallen. Nun will ich nicht unbedingt sagen, dass meine Blogserien qualitativ hervorragend und einzigartig sind... trotzdem weigere ich mich, eine Serie ohne Ende einfach im Regen stehen zu lassen. Die Serie über die "Materialschäden in offenen Fleischwunden" ist nun eine, die bis jetzt nicht beendet, nur durch die Blogserie zum Sommerloch jäh unterbrochen wurde. Jetzt werde ich dem Thema ein würdiges Ende bereiten - oder ich versuche es zumindest.

Wiedermal hat sich in dieser Woche so einiges ereignet, auch wenn die Menschen in Deutschland ausschließlich über die FDP, Rösler's Bemerkungen und die Euro-Krise sprechen. Man(n) redet eben gern über das liebe Geld, auch wenn es wichtigere Themen geben sollte. Kaum ein Mensch macht sich Gedanken darum, dass ein reicher Mensch nicht zwangsläufig glücklich oder gesund sein muss. Das Streben nach Glück und Gesundheit sollte eigentlich das höchste Gut für den Menschen sein - trotzdem nehmen die Menschen die Vollkommenheit des Körpers und Geistes, die Fähigkeit der uneingeschränkten Bewegung und Flexibilität, als selbstverständlich an. Und damit wird wieder das Geld wichtiger.

In dieser Woche ereignete sich indes ein viel wichtigerer Zwischenfall - im französischen Atomkraftwerk in Marcoule im Süden Frankreichs, Nahe bei Avignon, ist ein Mensch ums Leben gekommen und vier wurden zum Teil schwer verletzt. Doch im Gegensatz zu Fukushima verschwand die Nachricht so schnell wieder aus den Top Nachrichten, wie sie aufgetaucht war, die anfängliche Panik wich schnell dem Gefühl der Gleichgültigkeit. Zugegeben, wenn es einen Super-GAU im Jahr 2011 schon gibt, ist es schwer noch irgendetwas zu empfinden bei einem kleinen, harmlosen Zwischenfall in einem Atomkraftwerk. Es verhält sich wohl wie mit der Kriegsthematik: je mehr tote Menschen in den Nachrichten gezeigt werden, zerbombt oder erschossen im Kriegsgefecht, desto weniger juckt einen das Ganze. Schnell war die französische Umweltministerin dabei zu betonen, es handle sich um keinen gravierenden Atomunfall... und mit einem Handschlag war das Ereignis auch wieder aus den Nachrichten verschwunden. Damit auch wieder zurück zu der schönen neuen Finanzwelt und ihren Problemen mit den Griechen.

Doch das Problem ist damit nicht aus der Welt! Selbstverständlich gibt es immer wieder Industrieunfälle in Atomanlagen, denn die Arbeit in solchen Werken mit Brennstäben, die Radioaktivität absondern, ist gefährlich. Und wenn es zu genüge Unfälle in "normalen" Handwerksbetrieben jeden Tag gibt (auch mit Verlusten von Körperteilen), wieso sollte es im Atombereich anders sein? So sehr die Menschheit auch bemüht ist, Radioaktivität wie ein rohes Ei zu behandeln, es mag ihr nicht so recht gelingen. Wieso nicht? Es könnte an dem Urglauben des Menschen liegen, allem und jedem überlegen zu sein.

Der Mensch ist die intelligenteste, grandioseste und beste Spezies, die es auf diesem Planeten gibt - vielleicht sogar im gesamten Sonnensystem. Wenigstens ist das der feste Glaube des Großteils unserer Menschheit: wir bilden uns jeden Tag aufs Neue ein, dass wir alles beherrschen, kontrollieren und dadurch für unsere Zwecke jederzeit steuern können. Alles, inklusive Radioaktivität. Denn obwohl wir genau wissen, dass sie uns und unserer Gesundheit massiven Schaden zufügt, sind wir gerne bereit, sie zu kontrollieren und sie uns zunutze zu machen.

Kein Mensch kann ohne Radioaktivität mittlerweile auskommen, immerhin beziehen wir unseren täglichen Strom aus genau den Anlagen, die inzwischen so verteufelt sind. Es ängstigt uns einerseits, dass die Radioaktivität von Atomstrom uns schaden und krank machen kann, andererseits sind wir von ihr abhängig. Egal, ob zur Stromgewinnung oder in der Medizin - und in gewissen Dosen (auch wenn es klitzekleine sind) ist Radioaktivität sogar gut für uns. Das Problem liegt (wie auch beim Plastik, beim Erdöl allgemein) in der Menge und dem Bedarf. Grundproblem an der heutigen Welt wird wohl allein die Menschenmenge sein, die auf diesem Planeten existiert - und je mehr Menschen es gibt (speziell, wenn sie im Wohlstand leben), desto mehr Energien werden gebraucht. Nicht nur Wasser oder Lebensmittel, sondern auch "Luxusrohstoffe", Strom, Öl für die Heizung... Dinge, die benötigt werden, damit wir unser aller Hintern schön warm halten können und es bequem haben. Und trotzdem haben wir das gewaltige Problem, mit der Radioaktivität in den rauen Mengen, wie sie auf unserem Planeten bereits gezüchtet wurde, nicht umgehen zu können.

Gesehen haben wir das dieses Jahr im schlimmst möglichen Unfallszenario, das man sich vorstellen konnte: 20 Jahre nach Tschernobyl hat es das auf Atomkraft schwörende Japan erwischt. Zugegeben, es war zunächst kein menschlicher Fehler, das böse Erdbeben mit dem noch böseren Tsunami war Schuld, das es überhaupt so weit kommen konnte. Doch dann lag es an den Japanern (im Speziellen an der Firma Tepco, der das Atomkraftwerk von Fukushima gehört), die Situation möglichst unter Kontrolle zu halten. Dazu hätte eventuell eine gewisse Übersicht und Besonnenheit gehört, aber welcher Japaner hat schon je damit gerechnet, dass die Atomkraft mit radioaktiv-verseuchten Winden zurückpupsen würde? Der Glaube war so stark an die Institution "Atomstrom", dass der Super-GAU von Fukushima das Weltbild der Japaner in ihren Grundfesten erschüttert hat. Vorher galt Atomstrom als sauber, preiswert und schnell erzeugbar - danach kam der Aspekt "gefährlich" hinzu.

Gut ein halbes Jahr später hat sich einiges geändert - die Wogen, die Fukushima verursacht hat, sind weitestgehend geglättet. Japan hat inzwischen mit Yoshihiko Noda den sechsten Premierminister des Landes in 5 Jahren und dieser setzt wieder auf das Zugpony "Atomkraft" als sicheren Grundstein zur Gewinnung japanischen Stroms. Nachdem die Regierung nach dem Super-GAU vorläufig einige der Atomkraftwerke im Land abgeschaltet hat, schaltet Noda sie nun wieder an... als hätte es Fukushima nie gegeben. Oder als hätte es Fukushima gegeben und eigentlich ist es doch schei*egal! Was sich allerdings verändert hat ist das Bewusstsein der Japaner dem Atomstrom gegenüber - auch wenn die Regierung der Atomlobby gerne die Füße küsst und die Kraftwerke mit Kusshand wieder anschalten lässt, die Bürger des Landes sind kritischer geworden, man könnte sie fast als "aufmüpfig" bezeichnen. Tausende Japaner, die auf der Straße demonstrieren und "Atomkraft - Nein danke!"-T-Shirts tragen (auf Deutsch wohlbemerkt!).

Deutschland gilt seit Fukushima und der Reaktion der hiesigen Regierung weltweit als Vorbild für den Ausstieg aus der Atomkraft - obwohl inzwischen fast alle vergessen, dass das Abschalten der Atomkraftwerke als letztes auf dem Mist von Frau Merkel gewachsen ist. Sie hatte sich noch ein dreiviertel Jahr zuvor für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ausgesprochen. Nach Fukushima und einem massiven Zuwachs der atomkritischen Partei "Bündnis '90 - Die Grünen" war dann allerdings alles anders. Plötzlich mutierte Kanzlerin Merkel aus Angst vor dem absoluten Einbruch in der Wählergunst zum militanten Atomgegner, mit Schwert und Ritterinnenrüstung und plötzlich mit einer komplett neuen Religion. Nun wurden die ältesten Atomkraftwerke vom Netz genommen und einem Moratorium unterzogen, der Überprüfung, ob die Kraftwerke noch für den Gebrauch geeignet sind oder schon zur Trashware gehören. Und natürlich hat sich der Engel Angie entschieden, die Kraftwerke vom Netz zu lassen.

Seitdem gilt Frankreich als ultimativer Umweltsünder, was Atomenergie betrifft. Skandalöse 80% des gesamten Stromverbrauchs des Landes wird aus Atomkraft gewonnen - natürlich sind wir Deutschen die Umweltengel, mit weit ausgebreiteten Gutmenschflügeln, die dem Rest Europas zeigen, wie es gehen kann. Staatliche Unterstützung für alternative Energien, damit auch jeder Häuslebauer nach Möglichkeit zur Solaranlage greift und die Verweigerung der Unterstützung der Atomlobby. Die Frage bleibt nur, ob die Frage nach der guten heldenhaften Merkel und dem bösen Gartenzwerg Sarkozy wirklich so leicht beantwortet werden kann, denn die Meldungen über den Stromimport Deutschlands sind erschreckend: so hat der Import an Atomstrom in den letzten 6 Monaten um 50% zugenommen. Und nun darf der kluge Leser ein halbes Mal raten, woher dieser Strom größtenteils kommt... aus dem Land der Croissants und Baguettes.

So wird ein schlechtes Image weit weniger schlecht und ein vermeintlich lupenreines Image getrübt von Rotwein- bzw. Atomflecken aus Frankreich. Der Wunsch nach einer Welt ohne Atomstrom scheint im Ende doch weit utopischer zu sein als befürchtet. Schon Dickens wusste, dass man die Geister, die man rief, so leicht nicht mehr los wird. Zwar geht es beim Atommärchen nicht um Weihnachten (zumindest nicht direkt), aber die bösen Geister der Vergangenheit lassen die Politik wohl nie los, auch wenn sie noch so sehr auf sauberen und umweltfreundlichen Strom pochen. Gleiches gilt für Alternativen zum Benzin. Denn der "Wandel", der sich jetzt in den Köpfen der Politik vollzieht, ist wahrscheinlich schon seit mehr als 20 Jahren bei Teilen der Bevölkerung gewollt - und auch gekonnt! Denn Energien wie die Solar- oder Windenergie sind schon seit sehr langer Zeit "in der Mache", nicht erst seit vorgestern. Ignoriert wurden sie trotzdem fleißig, wegen dem einen, alles beherrschenden Geist der Gegenwart, dem Geld. Die Wirtschaft bzw. die Atomlobby haben alles getan in den vergangenen Jahrzehnten, um sich mit Katzenbuckel kräftig gegen umweltschonende Alternativen zu sträuben. Kein Wunder, das Herunterfahren und die Beseitigung des Atommülls kostet Geld, verdammt viel Geld. Und Geld ausgeben aufgrund des Gutmensch-Syndroms? Schwachsinn! Da könnten wir ja gleich Amnesty International und den WWF als Organisationen zu den neuen Stellvertretern des Weltkapitals machen und dafür sorgen, dass sie das Geld in der Welt gerecht und sinnvoll verteilen. Wo kämen wir da denn nur hin?

Wahrscheinlich einige hundert Jahre weiter, als wir es jetzt tun. Nur, wen interessieren schon die nächsten zwei oder dreihundert Jahre, wenn eh keiner von uns älter als 80 wird? Ich gestehe, ich schweife ab. Allerdings ist es eine Tatsache, dass der Mensch immer genau das tut, was ihm am meisten schadet. Vielleicht aus der Naivität heraus, dass sie denken, es könnte ihn schon nichts passieren, wenn sie etwas absolut Tödliches tun. Tödliches tun und keine Konsequenzen dafür tragen ist wahrscheinlich ein lang gehegter Kindheitstraum. Dieser schlägt der Menschheit allerdings immer wieder um die Ohren. Am gewaltigsten und schlimmsten immer noch mit Umweltkatastrophen, durch die zig Menschen sterben. Jede dieser Katastrophen führt dann dazu, dass die Menschheit noch ängstlicher und schizophrener wird, was das eigene Wohlergehen anbetrifft als zuvor. Auch wenn dies der einzige Weg ist, die Menschen überhaupt noch zum Denken zu bewegen: Katastrophen und Leichenteile. Und Leichenteile und noch mehr Katastrophen. Die Konfrontation mit dem Tod und die Erkenntnis, dass wir alle nicht Superman oder Wonderwoman sind, macht uns bewusst, dass wir etwas tun müssen, um unsere Gesundheit und unser Glück zu erhalten.

Das neue Bewusstsein in einer neuen, gesunden, bewussten und wundervollen Welt. Umweltbewusstsein ist doch tatsächlich "in", nach all den Jahren der Verschwendungssucht und der Selbstsucht.... wirklich? Träumen wir nicht gerade den Traum, der sich nie erfüllen wird? Denn die Bevölkerung verpestet und verbraucht munter weiter, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, ob der Strom, das Benzin oder welchen Rohstoff sie auch immer verwenden, wirklich sauber und damit umweltschonend sind. Das gute Gewissen existiert im Alltag nur auf dem Papier... oder weit versteckt im Gutmensch-Gewissen, das irgendwo im Keller des Gehirns liegen mag, wo es besonders dunkel und feucht ist. Denn das eigentliche Problem ist die Verfügbarkeit und die Anstrengung, die verbunden ist mit dem reinen Gewissen. Ab und zu das Auto stehen lassen, um was Gutes für die Umwelt zu tun? Fehlanzeige! Und sauberer Strom? Wenn man in einer Mietwohnung wohnt, hat man nicht die große Auswahl der Saubermann-Alternativen, die bleiben vorerst nur Hausbesitzern vorbehalten, die sich bewusst für eine Umstellung entscheiden.

Das Ende vom Lied ist wohl klar: man kann nur darauf warten, dass die Politik Vernunft annimmt und sich für die Zukunft aller Menschen statt dem eigenen und dem Vorteil der Wirtschaftsbosse entscheidet. Sarkozy sagte vor Kurzem, ein Ausstieg aus der Atomenergie würde ihn rund 45 Milliarden Euro kosten, außerdem seien seine Atomkraftwerke die sichersten in Europa. Nun, das Geld und der unerschütterliche Glaube - zwei Freunde, die schon lange miteinander spielen und sich dabei mehr als einmal gegenseitig in Schwierigkeiten gebracht haben. Wenn diese Beiden allerdings richtig Mist bauen, kann man es immer noch einem Dritten zuschieben. Und wenn das nur der liebe Gott sein sollte, so wird der auch gern dafür herangezogen!

Man sieht sich dann wohl am bitteren Ende der Unvernunft. Die einzige noch mögliche Alternative, um auch nur im geringen Maße etwas gegen die Übermacht der Politik oder Wirtschaft zu tun ist der eigene Verzicht. Auf übermäßigen Konsum von Rohstoffen, die andere Kulturen fast gar nicht verwenden. Nun, diese Kulturen mögen als uncool gelten, weit weniger hip als wir Europäer oder die Amis es sind. Doch eine Erkenntnis macht diese Menschen wahrlich zu einer der klügsten Spezien, die dieser Planet gesehen hat: das Wissen, mit der Natur zusammenzuarbeiten statt gegen sie. Es bleibt abzuwarten, wie lange der zivilisierte, moderne Wohlstandsmensch für diese Erkenntnis noch brauchen wird.

In diesem Sinne, ein verspätetes "Ich wünsche allen Lesern ein schönes Wochenende!". Bis Freitag und auf ein Neues! ;-)

LG Gene :-)

Freitag, 16. September 2011

Blogeintrag 16. September 2011

... ist für's Erste auf Eis gelegt! Es tut mir leid für alle treuen Leser, die auf heute wieder einmal gespannt gewartet haben, ich hab eine richtig dicke, wunderbare Erkältung und bin nicht in der Lage, mich im angemessenen Rahmen auf das Thema, das mir diese Woche am Herzen liegt, zu konzentrieren. Und da die Qualität eines Textes wichtig ist, bitte ich um Geduld, bis die Viren sich wieder auf meinem Körper verabschiedet haben.

Allerdings gebe ich das Versprechen ab, dass bis Sonntag ein neuer Blogeintrag hier erscheinen wird. In diesem Sinne, ein schönes Wochenende und bis Sonntag (ausnahmsweise!) :-)

LG Gene :-)

Freitag, 9. September 2011

Und täglich grüßt "9/11" - 10 Jahre danach

Nun, es gibt wohl kein Thema derzeit, das (wieder einmal) so breitflächig diskutiert wird wie der 11. September 2001. Der Tag, von dem die Leute heute behaupten, er habe "die Welt für immer verändert". Inzwischen ist es wie in einem Hamsterrad: wenn wir nicht von der Wiedervereinigung Deutschlands sprechen, sprechen wir über die Historie New Yorks - bzw. wie sie sich nachhaltig seit "9/11" verändert hat.

Der Schreckenstag, der die ganze westliche Welt für immer aufrührte, ereignete sich in zwei Tagen vor genau 10 Jahren. Eine ganze Dekade ist seitdem vergangen und die Kinder, die im gleichen Jahr geboren wurden, sind inzwischen schon fast in der Lage, als halbwegs mündig bezeichnet zu werden. Okay, es ist noch nicht ganz so schlimm, ein 10jähriges Kind wird kaum wirklich mündig sein. Aber wenn die Zeit eins gezeigt hat, dann dass ein Ereignis, egal wie schwerwiegend es auch sein mag, die Welt nicht zum stehenbleiben bringt. "Time moves on" sagt man dazu im Englischen - doch lange Zeit hat Amerika versucht, als Weltmacht Nr. 1 dem Rest der Welt durch Solidaritätsforderung genau das Gegenteil abzuverlangen.

Auch in Deutschland waren die Menschen mehr als schockiert durch die Zerstörung des World Trade Centers und Pentagons, bei der mehr als 3000 Menschen ihr Leben verloren. Nicht, weil wir im Herzen alle Amerikaner sind, sondern weil die Anschläge der gesamten westlichen Welt aufzeigte, dass Reichtum, Wohlstand und eine gute Organisation nicht unverwundbar machen. Wir werden durch eine durchstrukturierte Gesellschaft nicht immun gegen Terrorismus, Gewalt und dem bösen Willen einiger Menschen. Für die radikal islamische Welt ist Osama bin Laden wahrscheinlich die Paradefigur, wenn es darum geht, dem Westen aufzuzeigen, wie machtlos die friedliebende Welt des Kapitalismus gegen Hassprediger, die zur Waffe greifen, sind. Und für den Westen ist Osama bin Laden nach Hitler die Schreckensfigur schlechthin.

Jedes Jahr werden uns die Bilder der Flugzeuge, die in die zwei Türme des WTC hineinfliegen, immer und immer wieder gezeigt, aus allen möglichen Blickwinkeln, in denen die Katastrophe gefilmt wurde. Wahrscheinlich macht auch dies den Reiz und gleichzeitigen Schrecken des 11. September 2001 aus: keine Katastrophe zuvor wurde so intensiv und hautnah gefilmt und dokumentiert wie diese. Natürlich gab es Katastrophen danach, die einem ähnlichen Phänomen folgten (die Flutkatastrophe am Boxing Day 2004, der Tsunami in Japan 2011, der Zerfall des Irak unter der Diktatur Saddam Husseins). Aber wie wir alle wissen, für eine Marke gibt es nur ein Original und unter den Katastrophen der Neuzeit wird 9/11 immer an erster Stelle stehen.

"Siegfried wurde an seiner Archillessehne getroffen!", so könnte man grob die Anschläge des 11. September auf die USA beschreiben. Zuvor galten die Vereinigten Staaten von Amerika als die Supermacht schlechthin und das World Trade Center war der Inbegriff für Kapitalismus und Profitgier. Nun hat bin Laden gemeint, mit den Anschlägen die Heuchelei des Kapitalismus zerstören zu wollen, allerdings war bin Laden selbst dem Kapitalismus alles andere als abgeneigt. Terrorismus will schließlich auch irgendwie finanziert werden! Dafür verbündet sich der islamische Extremist auch mal gerne mit dem gleichen Kapitalismus, den er zu zerstören versucht. Vielleicht geht das unter der Prämisse, dass etwas nachhaltig nur von innen heraus zerstört werden kann... oder die al Qaida gehört zu einer weiteren Truppe von Lügnern, die unter dem Deckmantel von verzerrter Religion ihre eigenen Ziele ohne Rücksicht auf Verluste (dafür aber mit einer zu gehirngewaschenen Idioten rekrutierten Gruppierung) durchsetzen möchte.

Keines der Bilder von damals wird den Leuten je wieder aus den Köpfen gehen - dafür sorgen allein sämtliche Fernsehsender auf diesem Planeten. Ein anderes Bild, das uns nie aus den Köpfen gehen wird, ist George W. Bush, der wohl "fähigste Präsident aller Zeiten" (Zitat republikanischer Hardcoreanhänger), wie er auf einer Bühne vor Schulkindern sitzt und gerade von einem Berater die Nachricht der Terroranschläge erhält. Der anschließende, absolut leere Gesichtsausdruck der "politischen Puddingschnecke" wird wohl in die Geschichte eingehen als sinnentleertester Gesichtsausdruck eines Politikers in einer Krisensituation. Nun, Gott sei Dank, er fing sich auch wieder. Man fragt sich nur immer noch, ob die Richtung die richtige war. Auch wenn die Staatsoberhäupter sämtlicher Solidarstaaten einem Militäreinsatz in Afghanistan zugestimmt hatten, bleibt die Ungewissheit, ob 10 Jahre später die Welt wirklich eine bessere geworden ist. 25 Jahre lang hatte in Afghanistan das Talibanregime regiert, dann kam der Superheld "USA" und setzte sich für die Demokratisierung ein. Was in Wirklichkeit allerdings geschah, war die Verschiebung der Talibantruppen in die Berge Kaschmirs, weiterhin geschützt von der pakistanischen Regierung... und nichts hat sich wirklich geändert. Afghanistan ist weiterhin eine mehr schlechte als rechte Demokratie und der Westen zittert immer noch vor der Al Qaida.

Die Schachpartie scheint auf einen patt hinauszulaufen. George W. Bush reagierte in seiner Kriegswut auf den Angriff auf Amerika wie die texanische Axt im Wald, griff nach Afghanistan auch den Irak an aufgrund des Verdachts, Saddam Hussein sei der nächste, der die westliche Wohlstandswelt durch Massenvernichtungswaffen zerstören wolle. Im Nachhinein wissen wir natürlich alle, dass das nicht wahr ist - doch die Toten, die dieser Krieg gefordert hat, allein die 6000 gefallenen amerikanischen Soldaten im Afghanistaneinsatz sind ein Preis, der weitaus höher war als die Fleischwunde dicht neben dem Herzen, die New York durch 9/11 widerfahren ist. Und dies ist nur eine Zahl in einer Spirale aus einer Masse von Toten, die weder die Opfer des 11. September wieder lebendig macht, noch irgendeinen Sieg für das amerikanische Volk repräsentiert - zumindest sollte sie das nicht.

Spätestens der Tod Osama bin Ladens im Mai 2011 hat jedoch in den Köpfen der Amerikaner eine Gerechtigkeit geschaffen, obwohl jeder weiß, dass der Tod eines Mannes nie die Befriedigung für den Westen geben kann, wie es die Opfer im World Trade Center für die Taliban waren. Die Nachhaltigkeit wird allerdings wohl immer den Terroristen zustehen, denn die Aktion "11. September" war nicht nur die überraschendere und damit schmerzhaftere, sie forderte auch mehr Opfer auf der Seite der Amerikaner. Und bin Laden? Der ist schneller ersetzt als der Chef des IWF.

Und täglich grüßt 9/11 derzeit - und dabei läuft weder zum Aufwachen "I got you babe" von Cher und Sonny Bono, noch sieht ein Murmeltier (geschweige denn ein Anführer der Taliban) beim Herauskommen seines Unterschlupfs seinen Schatten! Die Intensität der Berichterstattungen sind zwar detailliert und immer wird darüber reflektiert, wie es in Zukunft mit uns allen weitergehen soll (als stünden wir immer noch vor dem Haufen Trümmern beim Ground Zero), doch wirkliche Antworten gibt es nicht. Es kann sie kaum geben, denn die Gräben sind auch 10 Jahre nach den Anschlägen tief zwischen der islamisch geprägten Kultur in der Mittelostwelt und der christlichen Prägung des Westens. Ganz im Gegenteil haben der Anschlag in New York und Washington, die darauf folgenden Kriegseinsätze und wiederum neue Anschläge als Gegenwehr der Al Qaida und ihren Anhängern die Gräben so groß werden lassen wie die Entfernung zwischen zwei Planeten.

Die Symbolträchtigkeit des 11. September in diesem Jahr lässt die Terroristen auch dieses Mal nicht still auf ihren Plätzen verweilen. Es wird mit neuen Anschlägen in New York City gedroht, gestern sind nun passenderweise in Berlin zwei Terrorverdächtige festgenommen worden, die zumindest mit mehr Salzsäure und anderen Chemikalien "experimentierten", als dem Rest der Bevölkerung gut tun mag. Das schlechte Gewissen der Deutschen ist sowieso ein tiefer, schwarzer See, denn die Attentäter des 11. September 2001 hielten sich lange Zeit in Deutschland auf und konnten im Untergrund ihre Ideologien und Vorstellungen vertiefen, die Taten minutiös vorbereiten... womit Deutschland wiedermal ein Schwarzer Peter zugeschoben werden konnte, wenn auch ein vergleichbar kleiner gegen den, den sie wegen Hitler einstecken mussten.

Seitdem ist Deutschland bemüht, gegen den Terrorismus zu kämpfen, allerdings mit humaneren Methoden als es Amerika in seiner verletzten, geschändeten Seele tut. Laut Innenministerium werden zur Zeit mehr als 1 800 "Verdächtige Personen" im Kampf gegen den Terrorismus ständig überwacht. So gelang wohl auch der jetzige Schlag gegen die beiden jungen Männer (einem Deutschlibanesen und einem Mann aus dem Gaza-Streifen). Aber auch wenn dieser Erfolg beruhigen mag, die Ungewissheit über die Sicherheit in unserer Gesellschaft bleibt. Ich persönlich bin nicht so vermessen zu denken, dass es hier am 11. September einen Terroranschlag geben wird. Größer als die Angst vor einem Terroranschlag ist meiner Meinung nach nur die Gewissheit, dass durch die Radikalisierung des Islam und ihre immer größer werdende Anhängerschaft die Menschen sich immer weiter vom Ziel "Weltfrieden" entfernen werden. Schlimmer noch: wir werden auf Dauer von Grund auf mißtrauisch, jeder Mensch, dem wir begegnen, wird ein potenzieller Terrorist sein - und das allein auf Basis von verdrehtem, übersteuerten Glauben und grundverschiedenen Lebensphilosophien.

Ich persönlich gehöre nicht dem Islam an, bin damit in den Augen der Al Qaida wohl ein Frevler, der die Ehre der Religion beschmutzt. Und da der Islam eh die einzig wahre und richtige Religion ist, werden die Westorientierten und ihr fast nicht vorhandener Glaube Radikalreligiösen immer ein Dorn im Auge sein. Doch wohin wird uns dieser Konflikt in Zukunft führen? "Nur" zu weiteren Anschlägen, die hunderte oder tausende von Zivilisten das Leben kosten? Oder wird die Al Qaida und ihre Splittergruppierungen noch weiter gehen, eine Blutrevolution gegen den Rest der Welt starten? Und wozu wäre das genau gut?

Wie ich schon sagte, bin Laden wollte den Kapitalismus an der Archillesferse treffen, er selbst war allerdings dem Kapitalismus gar nicht abgeneigt, wie auch die anderen Anführer mit Dikatutstrukturen im Kopf. Der wunde Punkt dieser Leute besteht schlicht darin, dass sie eifersüchtig sind auf den Wohlstand der anderen und ihn an sich reißen müssen - da Geschäftsfähigkeit und Cleverness zu anstrengend sind, wird mit vorgehaltener Waffe (oder gezündetem Sprengstoffgürtel) in die Verhandlungen gegangen. Wobei betont werden muss, dass sie den Sprengstoffgürtel nicht selbst tragen - fast wie bei erfolgreichen Kapitalisten hat man auch als Terrorist immer jemand, der für einen die Drecksarbeit macht.

So falsch war der Vergleich von Michael Moore zwischen den Terroristen und profitgeilen Kapitalisten gar nicht, denn ihr Ziel war immer das Gleiche: Reichtum und Macht. Die Arbeitsweisen sind nur anders (ob sie auf irgendeiner der beiden Seiten legal sind, sei mal dahingestellt!). Selbst die Zerstörung von Menschenleben kann nicht als Unterscheidungsmerkmal aufgeführt werden, denn wie wir alle wissen neigen auch profitgierige Kapitalisten zur Vernichtung von Menschenleben - wenn auch eher auf Basis der Existenzgrundlage. Und meist ist das schlimmer als der Mord an diesen Menschen.

"10 Jahre nach 9/11 - und es gibt uns immer noch!" Ich selbst erinnere mich noch gut an den Tag im Jahre 2001, als die Erde stillstand, als es nur noch Nachrichten im Fernsehen gab, ständige Liveberichte und das Standbild auf die beiden Türme, bei denen man sich nur noch fragte, wann sie zusammenbrechen würden, ob sie zusammenbrechen würden. Doch bereits damals wurde mir schnell klar, dass die Erde sich trotz solch eines Ereignisses weiterdreht. Als ich nach Stunden voll Schreckensmeldungen und Fassungslosigkeit nach draußen trat, hatte sich in meinem näheren Lebensumfeld nichts geändert - die Menschen kamen von der Arbeit nach Hause, viele Menschen, die offensichtlich bereits Nachrichten gesehen hatten, gingen einkaufen. Nichts hatte sich scheinbar geändert, die Menschen benahmen sich wie immer, es war nicht einmal Entsetzen oder Verwirrung in ihren Gesichtern zu sehen. Dieser Moment war für mich erschreckender als alles, was danach folgte: denn so sehr wir uns immer einreden, dass Ereignisse irgendwo auf der Welt unser aller Mitgefühl erregen, so sehr dreht sich das eigene Leben auch nur im Kreis um uns als zentralen Mittelpunkt.

Das Hamsterrad dreht sich weiter - im Alltagsleben wie im Nachrichtenzyklus eines laufenden Jahres. Die Geschichte wird zwischendurch immer wieder mit neuen Ereignissen aufgestockt, die dann in diesen Zyklus mit einfließen (wie in diesem Jahr der Tsunami in Japan). Die Frage ist, ob wir etwas aus der Geschichte lernen (überhaupt lernen können) und wie wir damit die Zukunft organisieren. Wann wir aufhören, in ständiger Angst vor Terroranschlägen durch's Leben zu rennen oder ob wir das je können. Die Furcht vor einem alles entscheidenden Terrorkrieg wird in unserem Unterbewusstsein immer umherschwirren, gerade weil wir in jahrzehntelangem Frieden und Wohlstand leben. Der einzige Weg, diese überdrehte Schraube aufzuhalten wäre die Hoffnung, dass die Anhänger des radikalen Islam einsehen, dass der Islam an sich keine gewaltverherrlichende Religion ist - doch dazu ist die Mitarbeit aller gefragt, inklusive aller "gemäßigter Islamisten", die Frieden predigen, ihn aber auch in die Welt tragen müssen, statt Grundsatzdiskussionen über Kopftücher oder die Gleichberechtigung der Religionen führen. Es muss allen klar sein, dass es zunächst in dieser Zeit des Terrorismus weitaus wichtiger Probleme gibt, die mit Verstand statt mit ausschließlich mit Kriegseinsätzen gelöst werden müssen.

Dieser Beitrag gilt in tiefer Demut und Trauer um die Opfer der Anschläge des 11. September 2001 und alle darauf folgenden Greueltaten der Al Qaida. In der Hoffnung auf einen in Zukunft dauerhaft möglichen Frieden und den Schutz aller Bürger, die in Frieden leben wollen, verbleibe ich hier und wünsche allen Lesern ein schönes Wochenende. Bis zum nächsten Freitag!

LG Gene :-)

Freitag, 2. September 2011

Die Wende: Europa's Neugeburt als Bananenrepublik

Der gestrige Tag war wohl der Stichtag, an dem wir alle schonmal ein wenig in die Zukunft blicken durften. Lasst euch nicht beirren, man meint zwar, in Zeiten von langfristigen Wettervorhersagen und Wahrsagern auf drittklassigen Kanälen wäre das kein Phänomen mehr, aber es ist doch sehr selten, dass wir wirklich die Zukunft sehen. Natürlich ist es kein persönlicher Blick in die Zukunft (eher ein gesamtgesellschaftlicher), aber in der heutigen Zeit ist das doch besser als nichts. Wir leben schließlich viel zu oft im Ungewissen, ob es nun um Naturkatastrophen oder Spekulationen an der Börse geht.

Was genau gestern passiert ist, wollt ihr wissen? Nun, gestern wurde eine neue Republik ins Leben gerufen, die "Vereinigten Staaten von Europa". Allein der Name, einfallsreich wie die ganze Idee: da wird einfach aus den "Vereinigten Staaten von Amerika" eine europäische Version gemacht. Und wozu das Ganze? Wahrscheinlich, weil Europa denkt, dass das nordamerikanische Modell so gut funktioniert.

Nun, so einfach ist es ja nicht - Deutschland wird nicht geschluckt und zusammen mit allen anderen Mitgliedern der Europäischen Union zu einem neuen Europa zusammengeschweißt. Die Bezeichnung ist doch mehr eine, die lyrisch als wörtlich zu verstehen ist. In den "Vereinigten Staaten von Europa" rücken die europäischen Staaten einfach dichter zusammen. Dass das nötig ist, sollte dem Beobachter schon lange klar sein, immerhin leben wir in Zeiten von Staatspleiten, die häufiger vorkommen als Hurricaines in Nordamerika.

Mit Griechenland fing im Frühsommer 2011 alles an, danach folgten dann wie umfallende Dominosteine Portugal, Irland, Spanien und Italien. Alle stecken in der Krise - oder sind bereits über die Klippe der Staatspleite gesprungen. Eine Lösung folgte auf dem Fuße: der Rettungsschirm der Europäischen Union, ein Solidaritätsprinzip, bei dem finanzkräftigere Staaten finanzschwachen aus der Klemme halfen. Griechenland bekam gleich zwei dieser Finanzspritzen, weil absolut nichts mehr funktionierte und eine Staatspleite in Griechenland finanzpolitisch für alle europäischen Staaten den SuperGAU bedeutet hätte.

Naturgemäß neigt der Mensch dazu, für eine Gabe eine Reaktion zu erwarten. So auch im Fall Griechenland; nachdem jetzt gestern bekannt wurde, dass Griechenland das Ziel, die Staatsdefizite auf 7,5 bis 7,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu halten, um glatte 1,3 Prozentpunkte nach oben verfehlt werden wird, ist der Katzenjammer auf allen Seiten groß. Die Griechen hatten sich dazu verpflichtet, für die milliardenschweren Rettungsschirme ein Sparprogramm zu verabschieden, dass sie so schnell wie möglich aus der Schuldenkrise herausreißen würde. Der Schuss ist wohl nach hinten losgegangen, Griechenland kann seine sich selbst gesteckten Ziele nicht erreichen und wieder steht Europa vor unlösbaren Problemen. Was ist nun auf Dauer zu tun gegen die Schuldenkrisen der einzelnen Staaten? Wie ist der Euro (9 Jahre nach seiner Geburt) zu retten? Wird er noch die Erstkommunion erleben? Darf er noch in zwei Jahren aufs Gymnasium? Oder droht ihm doch die Euthanasie aufgrund schwacher Hirn- und Vitalfunktionen?

Fragen über Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt: die Vereinigten Staaten von Europa! Da speziell wir Deutschen immer die Amis bewundert und in jedem Blödsinn nachgeahmt haben, warum nicht auch in der Bezeichnung für die neue Bananenrepublik, in die alle europäischen Gewinner- und Verliererstaaten mit einsteigen?

Probleme entstehen in der Sache nur durch die Tatsache, dass die USA ihren Vorbildstatus bereits vor Jahren, wenn nicht seit über einem Jahrzehnt, verloren haben. Die Krise der Vereinigten Staaten von Amerika spitzte sich in den zwei Amtszeiten von George W. Bush junior richtig zu. Nachdem dieser von Bill Clinton den amerikanischen Haushalt mit einem Plus (!) übernommen hatte, kam es durch fatale Steuersenkungen für Superreiche und Kriegseinsätze im Kampf gegen den Terrorismus zur atomaren Geldexplosion im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nach Afghanistan und dem Irak war das Land so tief in der Schuldenkrise, dass George Dabbelju wohl nur zu gerne seine Koffer packte und das Weiße Haus verließ. Nicht nur wegen der Tatsache, dass er für keine dritte Amtszeit kandidieren durfte, sondern weil die USA gar nicht mehr tiefer in der Geldschei*e stecken konnten wie 2008.

Und dann kam er - Barack Obama. Der Inbegriff eines Gutmenschen, der Messias der Neuzeit, die Rettung für das vom Texasidioten ruinierten Land. Dass Obama ein Schwarzer war, gab der Wirkung des "Neuzeit-Messias" noch mehr Gewicht. Prompt wurde er nicht nur begeistert gewählt und der Slogan "Yes we can!" brannte sich in die Herzen der gesamten westlichen Weltbevölkerung, nein, er bekam gleich darauf noch den Friedensnobelpreis. Nicht, dass er bis dahin großartig etwas geleistet hätte, aber immerhin hat er einen "Geist" heraufbeschworen: den Geist des motivierten Anführers, der keine diktatorischen Hintergedanken hatte, sondern nur ein ganzes Volk in den Wohlstand und das Glück führen wollte.

Das ist jetzt zwei Jahre her. Und die Vereinigten Staaten? Stecken tiefer in der Krise als je zuvor. Dank der Mehrheit im Repräsentantenhaus der Republikaner und der genialen Erfindung der Tea Party hat Obama noch weniger Chancen als am Anfang, die USA zu ihrem wohlverdienten und immer wieder erträumten Happy End zu führen. Der Bevölkerung der USA geht es dermaßen dreckig, dass die Arbeiterschicht kaum überlebt, im privaten Schuldenkrieg immer mal wieder erstickt, Häuser enteignet werden, selbst drei Jobs parallel nicht mehr ausreichen, um sich und die eigene Familie zu ernähren.... und die Superreichen immer weniger Steuern bezahlen.

In dieser Phase drängt sich ein einfacher Vergleich auf: obgleich die USA in der Vergangenheit als Supermacht immer eine Vorbildfunktion hatten (auch für Deutschland), sind sie von der Gründungsphase her wesentlich jünger als Europa; also sind die USA quasi das Kind und Europa der weise, alte Vater. Und so prickelnd die Methoden des jungen Amerika auch sein mögen, die Weisheit der Europäer müsste theoretisch überwiegen. Da wir aber im Leben eher nach Praxis als nach Theorie denken, fühlen und handeln ist es eben umgekehrt. Die USA scheinen uns immer noch als Vorbild zu gelten, die Superreichen zahlen auch hier immer weniger Steuern statt mehr, die Armen wissen nicht mehr, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren sollen. Nur die Gesundheits- und Sozialreform funktionieren in Deutschland noch besser als in den USA.

Trotzdem ist es erschreckend, wie weit Europa geht, um mit dem Verliererprinzip der USA Schritt zu halten. Auch wir wehren uns gegen Steuererhöhungen, auch wenn sie bei 2 Billionen Euro Staatsdefiziten bitter nötig wären, stattdessen setzt unsere schwarz-gelbe Biene Maja-Regierung die Steuersenkung durch. Selbst Superreiche, die höhere Steuern bezahlen wollen, werden nicht ernstgenommen und im nächsten Moment entlastet. Es klingt schon fast bösartig, wie die Regierung sich selbst ins eigene Fleisch schneidet. Hat es mit einem gewissen Lust-aus-Schmerz-Prinzip der Regierung zu tun? Oder liegt es nur daran, dass diese Entscheidung ausschließlich dem Volk, aber nicht ihnen selbst weh tut?

Nun haben sich die europäischen Staaten entschlossen, sich solidarisch zu den Vereinigten Staaten von Europa zusammenzuschließen. Es geht nicht darum, jetzt als eine komplett durchgeknallte Bananenrepublik gegen die Andere (die USA) anzutreten, sondern um das Zusammenwachsen der europäischen Staaten zu einer "starken Gemeinschaft" - klingt fast wie Versicherungswerbung. Zuversichtlich, hoch optimistisch - und trotzdem alles ziemlich großer Mist! Denn eine Solidarisierung untereinander mag zwar die verschuldeten Staaten Europas unterstützen, doch kann es auch den Euro retten? Wird dieses Zusammenwachsen wirklich dazu führen, dass Europa weiterhin als wirtschaftliche Größe im Weltgeschehen erscheint?

Der Kampf gegen die neuen Supermächte China und Indien ist denkbar schwer, weil deren Motoren dank Billigkräften so heiß laufen, dass die Hitze wie ein tropisches Gewitter bis zu uns hinüberzieht. Und wir? Wir machen es wiedermal wie die USA und glänzen mit genau dem Gegenteil: der Wille zur Arbeit rein aus Solidaritätsgründen fehlt, es geht immer nur um den größtmöglichen eigenen Vorteil. Ein Mensch, der hart arbeitet, möchte dafür nicht nur gerecht, sondern am Besten königlich entlohnt werden. Dafür wird gelernt, studiert, wieder gelernt und danach noch mehr studiert. Die Generationen, die die Zukunft gestalten sollen, bestehen zu einem Großteil aus einer studierten Elite, bei der keiner einsieht, zur Arbeiterschicht zu gehören.

Im Prinzip sind wir als Gesellschaft wie ein Ameisenvolk: es gibt die Arbeiter, die Soldaten und die Königin, die für den Nachwuchs sorgt. Die Elite gehört dort zu einem sehr kleinen Teil, die von der Produktivität einer großen Masse lebt. Doch die Relationen haben sich beim (vermeintlich klügeren) Menschen längst verschoben, die Pyramide wird auf den Kopf gestellt: nun wächst der Anteil der Elite so stark an, dass keiner mehr zur Arbeiterschicht mehr gehören will. Selbstverständlich wird das Arbeiterleben durch zu niedrige Löhne so unattraktiv wie möglich gemacht, aber seien wir mal ehrlich: was wird aus einer Gesellschaft, in der sich keiner mehr die Hände schmutzig machen will, in der alle nur noch am Schreibtisch sitzen und managen wollen?

Nicht jeder Mensch kann zur Elite gehören, auch wenn die Politik uns gerne dieses Märchen verkaufen möchte. Es kann in einem Unternehmen auch nicht mehr als eine Handvoll Manager geben, die das Schicksal von mehreren Hundert oder Tausend Mitarbeitern regeln. Auch wenn die Gesellschaft inzwischen so übergebildet ist, dass auf einen Arbeiter am Besten ein Manager kommen. Klar, als Manager verdient man gut Geld - aber muss jeder Mensch in dieser Gesellschaft reich werden? So viel Geld wird es nie geben, dass jeder Mensch in einer Gesellschaft reich sein wird. Und Staatsschulden zahlen sich auch nicht von allein.

Griechenland, Portugal, Irland und Spanien sind nicht die einzigen Länder, die tief im Schuldensumpf stecken. Auch Deutschland und Frankreich könnten in naher Zukunft zu den Ländern gehören, die die weiße Fahne schwingen und vor der Schuldenflut ihres Landes kapitulieren müssen. Diese Woche noch ist Finanzminister Schäuble zuversichtlich, dass wir 2014 keine Neuverschuldung mehr brauchen und damit einen "glatten" Haushalt zustandebringen. Problem ist nur, davon werden unsere Schulden auf Dauer auch nicht bezahlt! Mit 2 Billionen Euro steht Deutschland in der Kreide - jeder Bürger dieses Staates hat zur Zeit bereits bei der Geburt knapp 20 000 Euro Schulden. Der Finanz-Kabarettist Chin Meyer hat wohl Recht: bei dieser Summe sollte sich das Kind mehr als zweimal überlegen, ob es überhaupt geboren werden will!

Ich versprach dem Leser einen einmaligen Blick in die Zukunft am Anfang. Also, was wird uns 2012 erwarten? Zunächst die Geburtsstunde der "Vereinigten Staaten von Europa", wie großmundig angekündigt. Die Flagge in Berlin ist schon von deutsch auf europäisch umgehisst, wahrscheinlich ist insgeheim die Merchandise-Produktion für alles vom T-Shirt bis zum Wecker in blau mit gelben Sternchen in vollem Gange. Es soll eine Vereinigung in Europa stattfinden, allerdings sollen die wirtschaftlichen und sozialen Belange weiterhin fest in der Hand jedes einzelnen Staates bleiben. Deswegen wird aus einem schwachen Griechenland auch kein plötzlich starkes Euro-Griechenland.

Vielleicht soll nur nach außen hin die Fassade eines Euro-Goliaths aufgebauscht werden, damit der Rest der Welt Europa überhaupt noch als Wirtschaftsmacht für voll nimmt. Der Status, den das alt ehrwürdige Europa einmal inne hatte, hat es lange verloren. Jetzt gilt es nur noch um mehr Schein als Sein. Darin unterscheiden sich die Regierung wenig bis gar nicht von den Bevölkerungen, die sie leiten.

Allein von diesen Gesichtspunkten aus gesehen dürfte 2012 ein interessantes Jahr werden - der Kampf der Bananenrepubliken gegen die Schuldenlast mit gleichzeitger Untüchtigkeit aller Beteiligten. Wie die Vereinigten Staaten von Europa wie Amerika ihre Krise bewältigen und die Menschen nachhaltig motivieren wollen, dürfte ein interessantes Schauspiel werden. Dazu gehört allerdings mehr als ein "Yes we can!" oder das über Bord werfen von Teekisten. Solange Reiche darum betteln müssen, dass sie mehr Steuern bezahlen dürfen, läuft irgendetwas falsch - egal, ob in Deutschland oder in Amerika.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein angenehmes Wochenende. Bis zum nächsten Freitag.

LG Gene :-)

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