Freitag, 24. Juni 2011

"Die aktuelle Sündenwoche" - 2. Tag: Dienstagsgenuss

Thank God it's Friday - dieses Lied von R. Kelly gesungen (zumindest erinnere ich mich nur an diese Version, vielleicht ist es auch nur ein Cover und es gab schon mehrere Versionen) geistert mir doch immer mal wieder an einem Freitag durch den Kopf. Endlich Wochenende... allerdings für mich nur fast! Denn erst steht der neue Eintrag zur Woche in den Startlöchern. Nur, wenn ich den erfolgreich hinter mich bringe, kann ich mich zurücklehnen und sowas wie Wochenende haben.

Laut Wochenserie sind wir noch sehr weit vom Freitag entfernt - wir befinden uns beim zweiten Teil. Und da man in Deutschland die Woche gerne mit dem ungeliebten Montag anfängt, befinden wir uns gerade bei Dienstag. Wie der regelmäßige Leser weiß, geht es um die Todsünden der Modernen Welt, verfasst von Mahatma Ghandi. Nun habe ich einige Schriften von Ghandi gelesen und trotz der Tatsache, dass ich kein Hinduist bin, liegt in den Worten Ghandis doch viel Wahres. Vielleicht habe ich mir deswegen diese Todsünden als Wochenthema ausgesucht und nicht die sieben neuen Todsünden, die Papst Benedict XVI. vor ein paar Jahren ausgerufen hat.
Zur Todsünde des Sommerlochdienstags steht auf der Ghandi-Agenda: "Genuss ohne Gewissen". Klingt einleuchtend, werden an dieser Stelle viele denken und sofort ans Essen denken. Dazu ist zu sagen: so falsch liegt ihr gar nicht, liebe Leser! Doch mal zurück auf Anfang.

Erinnern wir uns an die Zeit, in der es nicht für jeden Menschen in Deutschland genug zu essen gab. An diesem Punkt scheitern die Meisten von uns bereits, denn wir haben nicht zur Zeit des zweiten Weltkriegs oder der Weltwirtschaftskrise um 1929 gelebt. Die Überlieferungen dieser Zeit wecken in uns jedoch immer wieder Alarmbereitschaft, durch die wir in ständiger Angst leben, einen Zustand wieder zu erleben, den die meisten Menschen in diesem Land zum ersten Mal in ihrem Leben erleben würde. Das Land wurde in seiner Geschichte schon oft durch Hungersnöte und Wirtschaftskrisen geprügelt - jeder Einzelne von uns wahrscheinlich nicht. Es sei denn er hat die 60 bei weitem überschritten oder war in seinem Leben von bitterer Armut geprägt.

Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft, das ist weder ein Geheimnis noch macht das irgendwen in diesem Land traurig. Durch einen straff durchorganisierten Staat sollten alle Menschen genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und saubere, intakte Kleidung besitzen. Hinzu besitzt der deutsche Bürger das Informationsrecht, also ist es heute schon Standard, dass jeder entweder einen Fernseher, zumindest aber ein Radio besitzt. Bevor nun Unkenrufe kommen á la "Es gibt verdammt viel Kinderarmut hier in Deutschland!" "Viel zuviele Menschen haben das alles nicht!", sage ich nur: es besteht vom Staat her die Absicht, dass jeder Bürger dieses Landes das besitzt - ob das nun im Ende wirklich der Fall ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Die Kinderarmut (oder allgemein die Armut) greift auch in einem Staat um sich, in dem jeder eigentlich genug zu essen hätte, um damit drei Menschen zu füttern. Die Kapazitäten unserer Lebensmittelvorräte sind schier unglaublich. Manchmal, wenn ich durch einen Supermarkt gehe und ein bestimmtes Produkt sehe, versuche ich mir vorzustellen, wieviele Produkte in diesem gleichen Moment in sämtlichen Supermärkten des Landes zur Verfügung stehen. Aber gelingen mag mir das nicht wirklich; dafür sind die Dimensionen der Massenproduktion einfach zu groß.

Sicher kann man sich nicht über alles so detailliert Gedanken machen, wie ich es gerade in dem Beispiel "Lebensmittelvorrat" angedeutet habe. Denn über die Vielfalt und Masse, in der uns Güter zur Verfügung stehen, würden wir irgendwann wahnsinnig werden. Vor allem, wenn man die Tatsache bedenkt, wieviele dieser Produkte tagtäglich in die Tonne gekloppt werden. Es heißt, dass jeder Deutsche Lebensmittel für 330 Euro pro Jahr wegwirft - insgesamt sind das 20 Millionen Tonnen meist noch genießbares, gutes Essen. Im Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wären solche Zustände unvorstellbar gewesen, aber die Bundesrepublik Deutschland hat es in dieser Relation wahrlich weit gebracht.

Ich hatte die letzten Wochen erwähnt, ich würde es meiden, über EHEC zu sprechen. Da jetzt das Thema weitestgehend aus den Nachrichten und damit aus den Köpfen der Massen raus ist, wird es Zeit, doch mal darüber zu reden (vor allem, da wir jetzt weniger panisch wie Schafe denken, was die Ansteckung angeht!).
Es wurde ja viel darüber diskutiert, wie falsch die Regierung an die Sache mit dem EHEC Virus herangegangen ist, wieviel Zeit vergeudet wurde, den Erregerherd ausfindig zu machen oder die medizinische Versorgung zu optimieren. Alles, was mir in dem Moment wirklich sauer aufgestoßen war in diesser Zeit, war der Umgang mit den Lebensmitteln. Zunächst waren ja die spanischen Gurken (neben allen Gurken überhaupt und Tomaten und Blattsalaten) an der Misere Schuld. Und wie hat der doch immer so besonnene deutsche Bürger reagiert? Nach der Warnungsmeldung von Verbraucherministerin Aigner persönlich haben alle brav auf den Verzehr von Gurken, Tomaten und Salaten verzichtet. Was dann passierte? Das Bildmaterial in den Nachrichten türmte sich, Gurken wurden massenweise in den Müll geworfen, Salate wurden direkt auf dem Feld durch den Schredder zerstört. Es kam in diesen Wochen ganz deutlich zum Vorschein, was keiner eigentlich wahrhaben will im Ernährungsstumpfsinn: wir Deutschen haben wahrlich viel zu viel zu essen!

Der Witz an der Sache war im Nachhinein nur, dass keiner der drei Hauptbeschuldigten Schuld an der Verbreitung von EHEC war... stattdessen waren es Sprossen, die auch nur durch eine Mitarbeiterin, die das Virus in sich trug, kontaminiert sind. Fall erledigt, Akte geschlossen, Deutschland kann wieder aufatmen. Nun, anders gesehen heißt das aber: es sind immer noch Millionen Gurken, Tomaten und Salatköpfe einen "sinnlosen Tod" gestorben (wenn man's mal ganz lyrisch sehen will), mit denen locker ganze Städte hätten gesättigt werden können.

Aber, wie gesagt, Deutschland hat einfach zuviel zum Essen. Woran das liegt? Liegt es wirklich an der Angst, dass wir, hätten wir weniger Vorräte, verhungern könnten? Bereitet uns ein Tod, dessen Qualen wir nicht einmal im Ansatz kennen, solche seelischen Schmerzen? Das kommt ja fast der Angst der Menschen im Mittelalter vor der Hölle nahe. Als Ablaßbriefe für Verwandte und sich selbst gekauft wurde, damit man nicht unter den Qualen des ewigen Höllenfeuers leiden sollte. Wenn man dieses Beispiel wirklich mit der heutigen Angst vorm Hungertod vergleicht, wäre es doch eigentlich schön, wenn man sich mit Ablaßbriefen vor dem Hungertod retten könnte. Wenigstens bräucht es dann nicht die übermäßige Flut an Lebensmitteln.

Damit sind wir natürlich noch nicht aus der Sache mit dem "Genuss ohne Gewissen" raus. Immerhin geht es uns Wohlstandsbürgern längst nicht mehr darum, einfach satt zu werden... das würde nämlich nur zur Hälfte erklären, warum es solch eine Vielfalt an Lebensmitteln gibt.

Essen ist längst nicht mehr nur dazu da, um satt zu werden. Allein die Menge und Vielfalt, die jeder von uns jeden Tag zu sich nimmt (Magermodels mal ausgenommen!) beweisen das. Wir brauchen das Essen und das nur sekundär zum Selbsterhalt. Primär wollen wir Essen genießen, mit mindestens drei Sinnen: Geruch, Geschmack und Optik. Der Trend nimmt dabei immer wahnwitzigere Formen an.

An unser Essen stellen wir inzwischen die höchsten Ansprüche: wir wollen nicht immer das Gleiche zur gleichen Uhrzeit essen (mal einfallslose TK-Pizza & Döner-Junkies ausgenommen!), wir wollen auf Entdeckungsreise gehen. Kulinarische Weltreisen in unserer kleinen bescheidenen Kochecke - oder den verschiedendsten Restaurant von den Maestros der Kochkunst zubereitet. Es ist nicht nur wichtig, das Essen zu kennen, dass in unseren Nachbarländern gegessen wird, wir wollen mehr. Höher, schneller, weiter gilt eben auch für die Themenwelt "Essen & Trinken". Immer außergewöhnlicher, teurer, exquisiter müssen die Geschmäcker sich in unserem Gaumen hin- und herwälzen. Wir preschen mit unserem Essen in ferne Länder vor, die wir in unserem Leben wahrscheinlich nie bereisen werden: Indien, Thailand, Australien, Neuseeland, Südafrika... es gibt inzwischen keine Küche, auf die nicht bereits in irgendeiner Weise der Fokus gelegt wurde. Auch in punkto "industriell hergestelltem Essen".

Grillsaucen mit indischem oder chinesischem Allroundflavour sind da nur der Anfang. Und es verkauft sich doch verdammt gut... billiger und stressfreier als ein authentischer Trip in die Länder ist es allemal, eine Grillsauce "Sweet China" für 80 Cent im Supermarkt zu kaufen. Die Wahrheit über chinesisches Essen wollen dann nur die wahren "Kulinariker mit Abenteuer im Blut", die alles ausprobieren, egal wie schmerzhaft oder geschmacklos es ist.

Auch die ständige Suche nach immer mehr Gechmacksformen und die ewige Verschwendung von Lebensmittelbeständen nur zur eigenen Befriedigung durch den Gaumen kann ruhigen Gewissens als "Größenwahn" bezeichnet werden. Nichts gegen gutes Essen! Auch ich liebe gute Küchen und das aus aller Welt. Und im Punkt "alles ausprobieren, kochen und essen wollen" kann ich mich auch ruhigen Gewissens schuldig bekennen. Der Schlüssel liegt wohl im Maß, nicht in der Masse. Wie mit allem im Leben.

Deutschland ist Spitzenreiter, wenn es um Dickleibigkeit geht. Dabei sind drei Viertel aller erwachsenen Männer und über die Hälfte der Frauen übergewichtig. Lachten wir vor einigen Jahren über die Übergewichtsrate der US-Bürger, ist inzwischen klar, dass wir uns (dank des Vorbilds amerikanischer Ernährung) dicht auf den Fersen der Amerikaner befinden. Ein immer bequemeres Leben gepaart mit immer weitreichenderen, fett- und zuckerreichen Ernährung hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Gegentrends gibt es natürlich auch, in übertriebener Pseudoaskese und so viel Sport, dass sich die Gelenke auf das hohe Alter des Sportlers nicht freuen dürften.

Das Gegenteil zum "Genuss ohne Gewissen" lag für Ghandi wohl in der Askese, in der der Fastende spirituelle Erleuchtung erhoffte durch den Verzicht auf Essen. Vergleichbar mit Magermodels ist das natürlich nicht, die essen nur nichts, um eine gute Figur zu erhalten. Fastende fasten nicht, um Gewicht zu verlieren, sondern (um es platt auszudrücken!) um zu Verstand zu kommen. Dass Essen unseren Verstand blenden kann, dürfte wohl jedem klar sein, wenn er darüber nachdenkt, wie wir uns durch das Essen manipulieren lassen. Ein Essen, dass verführerisch aussieht, ist bereits in unserem Mund, ehe wir darüber nachdenken können, woher die Zutaten für das Essen kommen, ob das Essen hygienisch einwandfrei ist etc.

Wen interessiert da schon "Gammelfleisch", wenn das Steak auf dem Teller so verdammt gut aussieht? Wirklich sehen kann man Gammelfleisch nicht, man kann es schmecken (und dann bereuen, dass man je eine gute Meinung davon hatte), aber das Auge spielt uns mehr als einen Streich, wenn es um den Gusto geht.

Ein interessanter Trend in dieser Richtung ist übrigens der "Food Porn". Ja, ganz recht... es handelt sich um "Essen im Pornoformat", wobei allerdings nicht die sexuelle Libido angesprochen werden soll. Es geht um Essen, dass so verführerisch für das menschliche Auge fotografiert wird, dass man schon beim Anblick einen Orgasmus bekommt. Also quasi "Playboy kulinarisch": das Essen löst Lustgefühle aus, ohne dass man es riechen oder schmecken kann.

Doch "Genuss ohne Gewissen" beschränkt sich ja nicht nur auf das, was wir oral aufnehmen und unseren Verdauungstrakt durchwandert. Genuss gibt es in vielen verschiedenen Formen. Und wo wir schon beim Thema "Porno" sind, auch dort gibt es den Genuss. Sexueller Genuss wird inzwischen derart hoch angepriesen, dass die Menschen vergessen, wozu Sex an sich überhaupt da ist. Und auch hier gibt es den "Genuss ohne Gewissen".

Wenn wir zurückblicken auf die Zeiten von Hungersnöten und Wirtschaftskrisen (um 1929), waren die Menschen dieser Zeit auch sexuell gesehen ganz andere wie die, die wir heute neben und vor uns haben. Ein Sexualpartner für's Leben.. so könnte man die Devise der damaligen Zeit zusammenfassen. Nicht flächendeckend, aber der Gedanke an Sex mit vielen wechselnden Partnern stellte sich doch wesentlich seltener als heute. Wir sind heute dank Kondomen und Pille wesentlich privilegierter als damals, wo man mit einem Mal Sex gleich den Artenerhalt sichern konnte.

Doch wie mit allem im Leben geht es um die Extreme. Und wo früher kaum Sex praktiziert wurde aus Angst vor erneutem Nachwuchs, wird dank dem Schlupfloch "Pille" (oder Kondom, je nachdem) der Sex bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Nicht, dass ich zum Moralprediger in dieser Sache mutieren möchte, das läge mir absolut fern. Doch auch sexueller Übergenuss, ohne ein Gewissen zu haben, kann schädlich sein - für sich selbst und für andere.

Spätestens, wenn Verhütung missachtet wird oder wenn der Sexualtrieb immer abenteuerlichere Ausmaße annimmt. Die Pornoindustrie mutiert inzwischen in ihren Videos schon zu olympischen Gymnastikübungen, wo man sich anfangen könnte zu fragen: was bringt's? Sexuelle Erfüllung? Oder eher ein paar gebrochene Rippen? Und die Zweisamkeit, nach der sich der Mensch so potenziell sehnt, bleibt bei all dem eh auf der Strecke. Wenn immer mehr Pornos gezeigt werden, in der Frauen mit immer mehr Männern gleichzeitig ungeschützten Verkehr haben, kann man sich zwangsläufig nur noch mit den Worten der "Black Eyed Peas" fragen: "Where is the love?"

Vielleicht geht es in den Todsünden alles in allem wirklich nur darum, die Liebe als höchstes Gut zu bewahren. Im weitesten Sinne (bei diesem Thema) die Liebe zum Essen, die Liebe zum guten, weil nicht wahllosen Sex und die Liebe zueinander. Ohne sich gegenseitig die Butter vom Brot nehmen zu wollen. Schließlich haben wir doch so viel Butter, so viele Kühe, die Milch für die Butter geben - und so viele Supermärkte, wo man kiloweise Butter kaufen kann.

Zweifel mögen sich an der Überflussgesellschaft nur breitmachen, wenn Menschen kurz vor Feiertagen in Panik durch den Supermarkt strömen und mit Ellenbogen und Beinchen stellen sich die besten Lebensmittel sichern wollen. Das alles in einer Welt, in der auf der anderen Seite der Erde in Haiti Menschen qualvoll verhungern ... so ganz ohne Butter, ohne Milch und ohne Kühe.

Schöne Welt ohne Probleme, grausame Welt ohne Gewissen - in diesem Sinne, ein schönes (kulinarisch wie sexuell erfülltes) Wochenende! Bis zum nächsten Freitag (bzw. Sommerlochmittwoch! ;-))

LG Gene :-)

Freitag, 17. Juni 2011

"Die aktuelle Sündenwoche" - 1. Tag - Montagsreichtum

Wie versprochen komme ich an diesem Freitag zum ersten Teil meiner Sommerloch-Serie. Seit dem letzten Eintrag ist wieder einmal viel Wasser die Mosel (oder auch andere Flüsse dieser Welt) hinabgeflossen und nicht jedes Gemüt blieb bei dem Thema "Narzissmus" so kalt wie das Wetter derzeit in Deutschland. Es scheint, als hätte ich einige narzisstische Gemüter allzu stark erhitzt in der Gewissensfrage: "Wieviel Narzissmus ist gut für uns?". Nun bin ich nicht dazu da, Menschen zu be- oder verurteilen aufgrund von übersteigerter Eigenliebe... und mein Blog ist es genausowenig. Vielleicht muss ich erneut den Leser einfach daran erinnern, dass es hier nur um ein paar Denkanstöße geht - auch an mich selbst! Denn nur, weil ich mich mit einem Text öffentlich an ein Publikum wende, heißt das nicht, dass ich in dem Schreibprozess nicht selbst darüber nachdenke, wie ich bestimmte Dinge im Leben angehe.
So und ähnlich hat sich auch die Themenfindung für die Serie gegen die Langeweile im Sommerloch abgespielt. Dabei hat mich das Thema schon sehr lange beschäftigt und indirekt hängt es auch mit dem Thema der vergangenen Woche zusammen. Denn in dem (bereits erwähnten) Buch "Narzissmus Epidemie" wurden nicht nur die Symptome und Phänomene übersteigerten Narzissmusses präsentiert, sondern auch Ansätze zur Eindämmung der Epidemie. Dabei wurde allerdings relativ nüchtern auch festgestellt, dass die Epidemie kaum aufzuhalten sei.

Mitnichten ist es einfach, die Selbstverliebtheit gegen eine bescheidenere Art des Lifestyles zu tauschen. In dem Buch sprachen die Autoren unter anderem davon, dass sich die Menschen bewusst werden müssten, sich wieder stärker religiösen Lebenseinstellungen zuzuwenden. An dieser Stelle hatte ich dann so meine Probleme, da ich nicht wirklich glaube, dass Religion alles im Leben lösen kann.

Nun braucht der Mensch allgemein eine Art Anker, an dem er sich festhalten kann. Dieser Anker kann durch vieles repräsentiert werden, beinhaltet meist aber im Kern eine Frage: "Warum leben?" und den damit verbundenen Fragen "Was mache ich eigentlich hier?", "Woher komme ich?" und "Wohin gehe ich?". Für die meisten Menschen war über Jahrhunderte hinweg die Religion (egal, ob man sich nun für das Christentum, den Buddhismus, den Hinduismus, das Judentum oder den Islam entschied) der entscheidende Mittelpunkt im Leben. Die Religion bildete den Grundstein für die Lebensart, für die man sich innerhalb einer Gesellschaft entschied.
In den letzten Jahrzehnten hat sich diese traditionsreiche Einstellung immer mehr verändert. Dabei geht es nicht nur um Atheismus, der beinhaltet, einfach an gar nichts zu glauben, was man nicht mit Sicherheit beweisen kann, sondern um eine Grundeinstellung, die in Zweifel zieht, dass Religion wirklich mit dem strengen Auge hoher Geistlicher gesehen werden muss/soll.

Ob das nun wiederum am Kapitalismus und der Gewinner/Verlierer-Einstellung der Allgemeinheit liegt ist fraglich. Wahrscheinlicher für die Verdrossenheit der Religion gegenüber ist die immer besser werdende Bildung der Massen, durch die der "gemeine Mob" (wie früher die durchschnittlich oder unterdurchschnittlich bezahlte Mehrheit der Gesellschaft genannt wurde) nicht mehr so manipulierbar ist wie vor einigen Jahrhunderten.
Da das Lesen und Schreiben zu den Grundfähigkeiten zählen, die jeder erlernen kann und mit denen fast jeder als Erwachsener ausgestattet ist, wird in der Wissgier der Menschen immer mehr in Frage gestellt. Und damit auch die Religion. Natürlich sind wir längst nicht soweit, dass alle Religionen abgeschafft wurden, ganz im Gegenteil entsteht neben der Religionsverdrossenheit der Fanatismus in der Religion, der Motive einer Religion so stark verdreht, dass sie in etwas Zerstörerisches umgewandelt wird.

Nun, das hier ist kein Religionsblog! Und ich selbst bin weit entfernt davon, ein streng gläubiger Mensch zu sein, wie er noch bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts existierte. Ich sehe auch nicht in der Zuwendung zur Religion das Allerweltsheil im Kampf gegen gesteigerten Narzissmus. Denn auch in der Religion gibt es durchaus genug davon.

Allerdings habe ich durch die Erwähnung des Themas "Religion" nachgedacht und mich nach einer Weile gefragt: "Was ist eigentlich aus den Todsünden geworden?".

In der heutigen Gesellschaft wird an vielen Ecken und Enden immer mehr bemängelt, wie abgebrüht oder hemmungslos wir Menschen uns benehmen. Sei es bei Jugendlichen, die an U-Bahn-Stationen willkürliche herausgepickte Opfer halb oder gar ganz tot prügeln. Oder Politiker, die dem Wähler das Blaue vom Himmel lügen, um später dann doch mit der Wirtschaft Hand in Hand zu arbeiten - alles in der Hoffnung, später einen gut dotierten Job in deren Reihen zu ergattern, wenn die Politikerkarriere einmal vorbei ist.
An diesen Punkten muss man sich (religiös oder nicht) doch fragen, wohin unsere Gesellschaft geht. Und wie sie so weit kommen konnte.

Dass die sieben zu Todsünden führenden Charaktereigenschaften Hochmut, Geiz, Wolllust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit uns noch nie weit gebracht haben, hat die Geschichte schon oft gezeigt, im Kleinen wie im Großen. Weitaus interessanter fand ich allerdings die sieben Todsünden der Modernen Welt, festgelegt von Mahatma Ghandi. Denn diese treffen heute mehr denn je auf unsere Gesellschaft zu und zeigen auf, wie sehr wir uns jeden Tag aufs Neue mit diesen Todsünden selbst ein Beinchen stellen.

Den Auftakt der Reihe machen wir nun (wie in einem klassischen Wochenzyklus) beim Montag - und der Todsünde "Reichtum ohne Arbeit". Und passender könnte diese Todsünde gerade gar nicht sein.

Logisch ist doch, dass (fast) Jeder am Montag seine Arbeitswoche beginnt - in der Hauptsache, um Geld zu verdienen. So sehr wir auch darauf pochen wollen, dass uns unsere Arbeit Spaß macht oder wir uns beruhigen wie sehr uns die Beschäftigung Freude bereitet, im Ende geht es immer um den schnöden Mammon. Was uns allerdings in den letzten Wochen wirklich gebannt bewegt ist die Situation des kurz vor der Pleite stehenden Griechenland.

Seit 2007 fürchtet sich die gesamte Weltwirtschaft vor der Finanzkrise, die viele Menschen (inklusive ihrer Immobilien) in die Pleite trieb, Tausende von Menschen ihren Job kostete und nun ganze Nationen in die Pleite führt. Wir Deutsche waren dabei noch verhältnismäßig gut davongekommen und ständig rühmt sich die derzeitige Regierung damit, wie gut wir mit der Finanzkrise zurechtgekommen sind. Man könnte allerdings meinen, wir sind im Ende zu gut aus der Sache rausgekommen, denn in den letzten Jahren ist Deutschland (neben anderen Nationen) nur noch damit beschäftigt, Hilfsmittel in die verschiedensten Kanäle zu pumpen und damit die ultimative Katastrophe, die Inflation, abzuwenden. Das war bei der Bankenkrise der Fall, aus der die Regierung mit millardenschweren Rettungspaketen aushalf. Dann kam der finanzielle Zerfall Irlands, das ehemalige europäische Wirtschaftswunder. Und nun ist es Griechenland. Neben Spanien und Portugal hat es Griechenland am Härtesten erwischt, das Land ist finanziell in die Knie gezwungen worden. Dabei ist wohl jedem bewusst, dass diese Pleite vor allem auf Mißwirtschaft und den lächerlichen Umgang der Griechen im Geldverteilen zurückzuführen ist.

Nun, es liegt wohl nicht nur daran, dass die Griechen ein niedrigeres geplantes Renteneintrittsalter im Gegensatz zu Deutschland haben. Denn obwohl Kanzlerin Merkel fordert, das Renteneintrittsalter aller EU-Staaten auf 67 anzuheben und damit Deutschland anzugleichen, so liegt im eigentlichen Renteneintrittsalter Griechenland fast gleichauf mit Deutschland. Was nützt also ein geplantes Renteneintrittsalter von 67, wenn die Deutschen im Durchschnitt doch mit 62 in Rente gehen? Und da unsere Wirtschaft nicht kaputt ist und wir nicht bedürftig sind nach Milliardenpaketen aus anderen EU-Staaten, kann es wohl kaum ausschließlich daran liegen, dass Griechenland jetzt pleite ist.

Allerdings ist das Renteneintrittsalter oder die Tatsache, dass Renten an bereits tote Bürger Griechenlands weitergezahlt wurden, ohne zu überprüfen, ob die betreffenden Personen noch leben, Baustein für Baustein der Teil des Gesamtproblems. Im Groben und Ganzen kann man auch in dieser Situation vom "Reichtum ohne Arbeit" zu reden. Nicht, dass kein Grieche etwas arbeitet - aber wie kann es sein, dass milliardenschwere Rettungspakete geschnürt werden, die dann an das Land gegeben werden, um zu retten, was noch zu retten ist ... und im Gegenzug hört man nur noch in den Schlagzeilen (ähnlich wie bei Portugal) wie sehr die Politik NICHT bereit ist, den Haushalt enger zu schnallen und Lösungen zu finden, um das Land vor dem Bankrott zu retten?

Ist es im Ende wirklich so, dass wir uns im Ende zu sehr auf andere verlassen, die den Karren aus dem Dreck ziehen? Es geht bei der Todsünde "Reichtum ohne Arbeit" nicht nur um Griechenland, sondern um uns alle. Keiner kann sich wirklich von dem Vorwurf freisprechen, lieber sein Geld mit weniger als mit freiwilliger Mehrarbeit verdienen zu wollen.

Gut, im Durchschnitt leistet der deutsche Festangestellte drei Überstunden die Woche. Doch freiwillige Überarbeit ist nicht darin begründet, dass der Mensch gerne arbeitet, oft geht es um den sicheren Erhalt seiner Arbeit, die Gewissheit, dass man auch Festangestellter bleibt. Schlussendlich hat die Ableistung von Überstunden auch viel mit der Furcht, den Job zu verlieren, zu tun... nicht mit der reinen Arbeitsfreude.

Schlimmer wird der Fall erst, wenn man mit möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld verdienen möchte. Dieses Phänomen trat erst Anfang bis Mitte der 90er auf, als anscheinend die gesamte Mittelschichtswelt an die Börse strebte und Aktien kaufte. Dabei ging es nicht darum, sein Geld sicher für die Zukunft anzulegen für schlechte Zeiten.... das Börsenfieber schlug mit der Absicht um sich, jeden mit möglichst wenig Aufwand potenziell zum Millionär zu machen.
Als es einige Fälle von Aktienmillionären gab, war der Rest der Bevölkerung schnell angesteckt. Bei jedem Börsengang jedes Großunternehmens war nicht nur die Presse, sondern auch jeder Durchschnittsbürger gebannt dabei. Bis zum Börsenkrach.

Der Katzenjammer war groß, als die Aktienkäufer feststellten, dass die Börse keine sichere Geldanlage, sondern ein riskantes Spiel ist, bei dem man wie beim Roulette alles gewinnen oder auch verlieren konnte. Das scheinbar so einfach verdiente Geld an der Börse war nicht nur nicht da, die Börse nahm den Börsenlaien auch noch ihr hart erspartes Geld weg. Im Prinzip hätten die Menschen spätestens ab diesem Punkt begreifen müssen, wie hart es ist, Geld zu verdienen. Und dass es keinen wirklichen Weg gibt, die Arbeit als Treibmittel, Geld zu bekommen, zu umschiffen.

Bereits letzte Woche sprach ich vom Narzissmus, immer reicher werden zu wollen und dadurch zu immer größerer Macht zu gelangen, den Materialismus in seinem eigenen kleinen Universum zu vergrößern. Heute ist die Gier nach viel Geld und einer abgesicherten Zukunft nicht nur für sich, sondern auch für seine Kinder und deren Kinder, wesentlich größer als noch vor einigen Jahrzehnten. Und noch nie wurden Menschen, die mit Faulheit zum großen Geld kamen, mehr gehasst und gleichzeitig geliebt wie heute.

Wir regen uns (da wir hart arbeiten und uns bemühen, jeden Euro ehrlich zu verdienen) immer wieder über die auf, die auch ohne Arbeit an Geld kommen. An der Spitze stehen dabei ausgerechnet Arbeitslose, die monatliche finanzielle Unterstützung bekommen. Natürlich ist es ungerecht, wenn Hartz IV Empfänger es durch Steuergelder schaffen, im Monat über die Runden zu kommen, während der arbeitende Durchschnittsbürger jede Woche mindestens 40 Stunden auf der Arbeit verbringt und unterm Strich das Gleiche erreicht. So sehr ich den Arbeitern in ihrem Unmut darüber zustimmen möchte, so sehr wundere ich mich zur gleichen Zeit, warum sie sich wesentlich weniger über Menschen echauffieren, die eine sehr hohe Summe an Geld für fast gar keine Arbeit verdienen.

Was ist zum Beispiel mit hochbezahlten Managern in Großunternehmen? Jeder Manager wird es natürlich nicht müde, in jedem Interview mit Journalisten zu beklagen, wieviel und wie hart sie für ihr Geld arbeiten müssen. Doch seien wir ehrlich: wenn diese Menschen wirklich so hart arbeiten müssten, wie sie behaupten, warum haben sie dann überhaupt noch die Zeit für Interviews? Und warum sehen diese Menschen noch so verdammt gesund aus für den harten Alltag, den sie angeblich haben? Wenn sie wirklich von der Stundenzahl so hart arbeiten würden wie ein Fabrikarbeiter im 19. Jahrhundert, würde keiner mehr den Job des Managers machen wollen; weil er dann nach spätestens 20 Jahren im Amt tot wäre.

In Anbetracht dieses Vergleichs werden Manager doch noch verdammt alt, oder? Ähnlich sieht es mit der Prominenz aus, sei es aus Sport, Kunst oder (um seriös zu bleiben) Politik. Man kann sich vorstellen, dass Musikkünstler manche Tage 14 bis 16 Stunden arbeiten... denn wenn die Werbemaschinerie angekurbelt werden muss, muss sie angekurbelt werden und das pronto. Aber was rechtfertigt dann die Bezahlung dieser Künstler in mehrstelliger Millionenhöhe? Was macht ein Popkünstler besser als Durchschnittsarbeiter? Inwieweit rechtfertigt Öffentlichkeitsarbeit eine Entlohnung, die in der Jahresbilanz so hoch ist, dass kein Durchschnittsbürger diese Summe in seinem gesamten Leben erarbeiten wird?

Wir haben also weitaus weniger Probleme mit einer Lady Gaga, die Millionen an ihrer Musik verdient oder Joseph Ackermann, Chef der Deutschen Bank, der jedes Jahr millionenhohe Gehälter kassiert als mit einem Hartz IV Empfänger, der ca. 500 Euro im Monat zur Lebenssicherung zugestanden bekommt. Natürlich, die ersten Beiden arbeiten für ihr Geld - aber wieso wird Arbeit auf der einen Seite so unrealistisch hoch bezahlt und auf der anderen Seite werden Tarife für einen Job festgelegt? Sind die Grenzen wirklich nach oben offen, sobald es um Verantwortung oder Öffentlichkeitsarbeit geht?

"Reichtum ohne Arbeit" ist ein natürlich viel weitverbreiteteres Phänomen als nur in diesen paar Beispielen. Eigentlich gibt es mitten unter uns verflucht viele Menschen, die versuchen, mit allen Mitteln außer Arbeit an Reichtum zu kommen. Hacker, die wie diese Woche zwei junge Männer, die meinten, unveröffentlichte Songs von Weltstars von deren Privat-PCs zu klauen und im Internet zu verkaufen. Eventmanager, die gerne mal im Voraus Summen in vielstelligen Höhen kassieren und sich anschließend aus dem Staub machen. Und das, weil sie entweder gar nicht die Qualifikation oder das Grundwissen zum Gestalten eines Events haben oder schlichtweg in großen Versprechungen den Nerv der Menschen treffen, die sich dann nur zu gerne prellen lassen.
Die Liste ließe sich mit Betrügern, Schwindlern und Steuerhinterziehern fortsetzen. Oder Politikern des EU-Parlaments, die sich selbst gerne mal für EU-Ratssitzungen in Anwesenheitslisten eintragen, um dann, ohne an der Sitzung teilgenommen zu haben, wieder verschwinden. Nur um das Geld für die angebliche Anwesenheit zu kassieren. Vielleicht ist das "Reichtum ohne Arbeit" in Reinkultur. Und damit eine Todsünde der Modernen Welt.

Was wir daraus lernen? Wahrscheinlich eher wenig. Denn die Beispiele für "Reichtum ohne Arbeit" motivieren den Durchschnittsbürger nicht gerade, ehrlich und hart arbeitend durch's Leben zu gehen. Alles, was aus solchen Beispielen resultiert, ist die immer größer werdende Suche nach dem Reichtum, ganz ohne viel dafür tun zu müssen.

Nicht alle Menschen werden je so werden; es wird glücklicherweise immer die geben, die gerne ehrlich arbeiten. Menschen, die es schätzen, für ihre Arbeit ein Gehalt zu bekommen, ganz gleich, ob es millionenschwer oder doch nur im Tarifbereich ist. Das sind die Menschen, die erkannt haben, dass Reichtum nicht alles im Leben ist - und wir eher Arbeit als zentrale Beschäftigung des Lebens brauchen als Reichtum. Denn Geld im Überfluss führt nur zu Faulheit - und daraus resultiert die quälende Depression, die das Leben weitaus höher belastet als wenn man sein Leben mit einem Quantum zuviel Arbeit füllt.

In diesem Sinne - bis zum nächsten Freitag und dem zweiten Teil von "Die aktuelle Sündenwoche".

LG Gene :-)

Freitag, 10. Juni 2011

"Natürlich blöd!" - Auf der Reise zum Planeten "Narziss"

Mittlerweile schreiben wir die zweite Juniwoche im Jahre 2011 und damit ist es auch Zeit, über die wahrscheinlich schönste Zeit des Jahres zu sprechen - die Ferienzeit! Die Zeit, in der die schwer geplagten Arbeitnehmer sich massenweise frei nehmen, ihre Köfferchen packen und den Abflug machen in weite Weiten und ferne Fernen, von denen sie sonst nur träumen können.

Dabei bleibe ich heute mal bewertungsfrei, ob es wirklich so toll ist, mit Sack und Pack zwei bis drei Wochen All-inclusive Urlaub auf Mallorca sich ausschließlich damit zu beschäftigen, sich ab 10 Uhr morgens mit Sangria zu betrinken und den Rest der Zeit in die eigene flächendeckende Krebsrötung zu investieren. Oder ob es besser ist, in die Karibik oder in eine europäische Großstadt zum Kulturtrip zu fliegen. Schwamm drüber! Es ist Juni, die Urlaubszeit beginnt. Doch warum eigentlich? Mal ganz allgemein gesehen: warum denken die Menschen, sie hätten ein verfassungsmäßiges Recht (oder möglicherweise Pflicht dem Vaterland gegenüber?!) die sieben Sachen zu packen und in Urlaub zu fahren. Ausgerechnet dann, wenn das Wetter im eigenen Land vermeintlich am Besten ist, fahren die Leute weg, geben Tausende von Euros dafür aus, es sich vier Wochen angeblich gutgehen zu lassen. Dabei ist damit vom Abflug über das teilweise große Ärgernis über das Hotel bis hin zum späteren Rückflug, alles in allem ist der Urlaub dann bei vier Wochen Länge mal gerade drei Wochen wirkliche Erholung.

Kann man zuhause ehrlich gesagt schneller haben. Nicht unbedingt besser, aber wenn es ja nur ums Feiern, Trinken und Bräunen geht, reicht Deutschland allemal. Wie gesagt, bei den Kulturfreaks sieht es wieder anders aus. Da muss man schon in die Ferne schweifen.

Ich habe mir allerdings gedacht, heute gibt es mal einen Beitrag zum Thema "Urlaub ganz anders". Vor allem aber ist der Urlaub, von dem ich rede, eine Art Dauerurlaub. Aber dazu gleich mehr.

Die vergangene Woche hat mir wiedermal viel zu viel Zeit gegeben, über die Menschheit nachzudenken. Dass mich jetzt keiner falsch versteht: ich denke nicht pausenlos über die Menschheit nach, gehe aber mit einer gewissen Nachdenklichkeit ans Werk, wenn es um die Menschen im näheren oder weiteren Umfeld geht. Außerdem wundert man sich immer wieder über die Menschheit, nicht nur die, die man kennt oder nur die, die man gar nicht kennt. Es scheint, als gäbe es eine Art Spirale, die sich immer weiter dreht und dabei nach unten gehend immer enger wird.
Vor ein paar Jahren habe ich bereits einen Eintrag in meinem Blog geschrieben über "Die böse Kunst, sich selbst (zu sehr) zu lieben". Und damals dachte ich, dass die Spirale eigentlich ihr Ende erreicht hat und es gar nicht schlimmer werden kann. Ist wahrscheinlich genauso wie bei einem richtig beschissenen Urlaub: wenn das Hotel schlecht ist und das Essen grauenhaft, wird es jawohl obendrein nicht noch die ganze Zeit regnen!

Doch genauso ist es beim Thema "Narzissmus" gekommen. In der vergangenen Woche hatte ich einen wahren "Flashmob" an (ich gebe es ungern zu) hauptsächlich Männern, die meinen Blog gelesen haben. Die Meisten waren voll des Lobes für meine Schreibweise und einige suchten den Dialog zu mir. Dabei kamen dann die unterschiedlichsten Charaktere zum Vorschein. Eins allerdings ist mir aufgefallen: Menschen, die einigermaßen was im Oberstübchen haben, bilden sich darauf furchtbar was ein. Nicht alle und auch nicht alle in einem unerträglichen Maße, aber es hat die Tendenz dahin. Doch das gilt nicht nur für Intelligenz.

Jeder Mensch, der irgendeine Fähigkeit hat, bildet sich früher oder später darauf mächtig was ein. Kaum ein Mensch besitzt heutzutage die Gabe, etwas zu können und nicht zu denken, er hätte das Rad neu erfunden. Und auch ich gebe es zu: ich bin nicht uneingebildet, wenn es um meinen Blog (oder allgemein um meine Art zu schreiben) geht. Immerhin mache ich das Ganze schon eine Zeitlang, habe Erfahrungen gesammelt. Da spielt es dann auch nicht wirklich eine Rolle, ob ich damit den einschlagenden Erfolg habe und ein Angebot einer großen Zeitung kriege, für sie eine Kolumne zu schreiben. Eigentlich braucht es das gar nicht. Denn es gibt von mir zu anderen einen gravierenden Unterschied: für mich ist der eigene innere Erfolg nicht unbedingt davon abhängig, ob ich außen genausoviel Erfolg habe.

Allerdings verhält es sich bei dem Gros der Masse anders, wie ich vor rund einem Jahr feststellen durfte. Damals kaufte ich mir ein Buch in Kanada, dass sich mit dem Thema "Narzissmus" befasste. Es hieß "Die Narzissmus Epidemie" und war von einem Psychologenehepaar, dass beschloss, die Phänomene der amerikanischen Gesellschaft zum Thema "Ichbezogenheit" bzw. "Selbstverliebtheit" zu analysieren. Und zu warnen. Denn die Zustände der jetzigen Zeit geben großen Anlass zur Sorge.

Denn die Legende von Narziss, der von seiner eigenen Schönheit so überzeugt war, dass er sein eigenes Spiegelbild so lange betrachtete, bis er vor Hunger und Durst verstarb, ist heute mehr aktuell als je zuvor. Keine Generation und keine Gesellschaft insgesamt war so selbstsüchtig, von sich überzeugt und arrogant wie die im Jahr 2010 bzw. 2011. Denn nur, weil wir ein Jahr weiter sind, heißt das nicht, dass wir uns von unserem Spiegelbild abwenden könnten. Dafür sorgt nicht nur die Kosmetikindustrie mit Werbekampagnen, die von Photoshop so manipuliert wurden, dass die Models eher wie Androiden aussehen als wie normale Menschen. Oder der Drang der Menschen, immer nach dem neuesten Trend gekleidet zu sein. Den besten Job zu haben, bei dem man mit möglichst wenig Arbeit möglichst viel Geld verdient. Und nicht zuletzt der Drang eines Jeden irgendwann mal ins Fernsehen zu kommen.

All das macht die Generation Narzissmus aus. Die Narzissmus-Epidemie zeichnet dich dabei durch weitaus mehr Dinge aus. In dem Buch wird der Wahnsinn der Amerikaner beschrieben, in ihrer Selbstverliebtheit alles zu toppen, was bisher dagewesen ist. Und die besorgniserregende Eigenschaft amerikanischer Eltern und der gesamten amerikanischen Gesellschaft, ihren Kindern die Worte "du bist etwas Besonderes" so einzuprügeln, dass die Kinder gar nicht anders können, als von sich überzeugt zu sein. Ob sie nun etwas können oder nicht.

Dabei beschreiben die Autoren auch genau, dass es gar nicht sein KANN, dass jeder Mensch etwas Besonderes ist im Sinne von "Eines Tages wirst du ein Star". Nur haben die Menschen das bereits jetzt schon verlernt. Jeder möchte ins Fernsehen, einmal in die Schlagzeilen (egal ob im Positiven oder Negativen), jeder möchte gesehen werden. Ob er nun etwas kann oder nicht. Ob er es nun verdient oder nicht. Hauptsache, er oder sie wurde einmal in seinem/ihrem Leben gesehen... und das von der ganz breiten Masse. Egal ist bei diesem Phänomen auch, wie die Masse auf die Erscheinung der Mediengeilen reagiert. Denn die sind so stolz auf ihre eigene Anwesenheit, dass sie sich durch nichts davon abbringen lassen, wie wunderbar sie sind.

Wir leben lange nicht mehr in Zeiten von Konkurrenz, auch wenn wir das immer noch glauben. Der Witz ist, dass wir schon in Zeiten von Wettbewerb leben, sogar in ständigem Wettbewerb mit allen Menschen stehen. Nur glauben wir längst nicht mehr daran, dass wir Teil der Konkurrenz sind. Jeder Einzelne bildet sich inzwischen ein, durch sein Aussehen und seine Fähigkeiten an der Spitze der Konkurrenz zu stehen, weit entfernt von jeglichen Kontrahenten. "Keiner kann mir das Wasser reichen!", ist das Credo vieler Menschen. Weitaus mehr, als es sich eingestehen wollen.

Der Wettbewerb fängt dabei schon fast in der Kinderwiege an. Es geht darum, welches Baby das Schönste ist (wovon natürlich die Eltern mehr haben als die Babies selbst) und welches ein potenzielles Wunderkind ist. Jede Mutter, jeder Vater hofft doch heutzutage inständig darauf, einen kleinen Einstein geboren zu haben. Deswegen wahrscheinlich werden auch bereits in der Kindererziehung entscheidende Fehler gemacht, die unbescholtene Kinder zu kleinen Narzissten erziehen. Das wird schon laut Buch allein durch die Babyshirts der heutigen Zeit erreicht, auf denen Titel wie "Kleine Prinzessin" oder "Ich bin hier der Boss" zu lesen sind. Man könnte meinen, dass das nichts damit zu tun hat, dass Kinder zu Narzissten erzogen werden. Allerdings geht die Entwicklung von dort immer weiter mit Sprech-Chören der Eltern zum Thema "Du bist so etwas Besonderes!" "Du bist einzigartig!" und dem ewigen Streben der Eltern, dass die Kinder das dem Rest der Welt zeigen.

Ist das schlecht? In geringen Dosen nicht unbedingt. Aber wenn man zuviel Hustensaft trinkt, geht der Husten davon auch nicht schneller weg. Also sind die Aussichten, mit einem Zuviel mehr zu erreichen, eher schlecht. Das allerdings wird heutzutage nicht gesehen. Es geht nur noch darum, mit seinem Verhalten und seinen Statussymbolen "on top of the world" zu stehen.

Ich sprach von Urlaub und versprach dem Leser eine Art Dauerurlaub. Nun, wir sind mittendrin. Denn wenn wir ehrlich sind: wie oft am Tag denken wir über uns nach, über unsere Ziele, die wir erreichen wollen und über uns... dann nochmal über uns... und wenn uns langweilig wird, denken wir immer noch über uns nach. Es fällt uns doch in einer ichbezogenen Gesellschaft immer schwerer, über etwas anderes nachzudenken. Immerhin: Beispiele über sogenannte Ikonen, die nur leben, um sich selbst darzustellen, gibt es genug.

Natürlich denken die deutschen Leser dieses Blogs, wenn ich mich auf ein amerikanisches Buch, dass sich mit einem amerikanischen Phänomen beschäftigt, dass sie nichts damit zu tun haben. Immerhin sind die Amerikaner doch bekannt dafür, zu übertreiben und weit durchgeknallter zu sein als wir. Leider haben wir Deutschen (neben unserer Unfreundlichkeit) einen entscheidenden Nachteil: mit Vorliebe machen wir alles, was die Amerikaner vormachen. Um cool zu sein! Und meine Güte, sind wir cool, wenn wir Grillen wie beim amerikanischen BBQ oder wenn wir sämtliche unserer Resourcen verschwenden. Denn obwohl wir alle Kinder kriegen, denken wir nicht an unseren Planeten und wie er morgen aussieht, wenn wir heute alles kreuz und quer durch die Lande schmeißen, die Natur zerstören und uns gehen lassen.

"Chillen" nennt sich das im Neudeutschen. Allein die Anglizismen in unserer Sprache zeigen uns auf, wie sehr wir inzwischen von den Amerikanern abhängig sind. Dazu kommen noch die gleichen Klamotten, die gleiche Abhängigkeit von Statussymbolen - und fertig ist der "Amerikaner 2.0". Nun, dabei sind Fortsetzungen oder Weiterentwicklungen des Originals nicht unbedingt besser. Wenn das Original schließlich schon so seine Macken hat, wie kann die Fortsetzung da irgendwie gut werden.

Es ist nicht mehr erstrebenswert, einfach nur ein Europäer zu sein oder zum Land der "Dichter und Denker" zu gehören. Nein, heute wollen alle nach Hollywood! Zumindest insgeheim. Ich sage nicht, dass jeder jetzt durch's Leben rennt und nur noch von Hollywood redet, aber Hand aufs Herz: den Ruhm Hollywoods (und das Geld) hätte inzwischen jeder gern. Oder die Art der Amerikaner, ein Unternehmen aus verbrannter Erde zu erschaffen und damit Multimilliardäre zu werden. Und ja, auch das ist ein Zeichen von grenzenlosem Narzissmus: wo wir früher davon träumten, eine Million im Lotto zu gewinnen, ist es für die, die es bis ins Showbusiness schaffen, erst bei der ersten Milliarde gut. Ob es daran liegt, dass Multimillionäre bewiesen haben, dass man auch mehrere Millionen leicht in den Sand setzen kann?

Keiner fragt sich dabei, woher das ganze Geld kommen soll, dass wir alle wollen. Und keiner stellt sich die Frage, warum wir eigentlich für unser Leben so viel Geld brauchen. Zugegeben: vom Hartz IV-Satz möchte keiner leben, speziell weil erwiesen ist, dass man davon nur sehr schlecht über die Runden kommt. Aber wozu braucht ein Mensch (selbst wenn er verheiratet ist und vier bis sechs Kinder hat) eine Milliarde Dollar (oder Euro, um's noch schlimmer zu machen) in seinem Besitz? Selbst, wenn man möchte, dass seine Kinder für's Leben gut versorgt sind... ist da solch eine Summe nicht eigentlich utopisch?

Vor 50 Jahren hätte wahrscheinlich kein Mensch gewagt, solch eine Geldsumme in den Mund zu nehmen, geschweige dessen daran zu denken, solch eine Summe zu besitzen. Doch anscheinend ist das auch eine weitere Entwicklung dank Narzissmus-Epidemie. Das Spiel um Macht erreicht Dimensionen, dass selbst eine Runde Monopoly und das Kaufen der "Parkstraße" wie ein Witz wirken.

In der Natur des Menschen mag es so sein, dass wir Sicherheit wollen, weil wir rein körperlich gesehen doch sehr angreifbar sind. Nicht nur der Rummel um EHEC die vergangenen Wochen hat das bewiesen. Wir haben einfach keine Waffen am Körper, mit denen wir uns gegen natürliche Feinde wehren können. Eigentlich müssten wir reihenweise von Tigern oder Krokodilen gefressen werden - dank Erfindungen wie Schusswaffen und Messern ist es umgekehrt. Ob ich diese Entwicklung begrüßen soll, ist bei unserem Gedankengut der jetzigen Zeit eher zu verneinen.

Die Frage, bei all dem Urlaub vom Urlaub bleibt: wozu brauchen wir Urlaub? Wir arbeiten durchschnittlich 40 Stunden die Woche (zumindest Festangestellte, die keine Überstunden leisten), haben ein zweitägiges Wochenende, das meistens noch am Stück. Also: warum brauchen wir die Erholung vom Alltagsleben? Sind wir wirklich vom Arbeitsstress überfordert? Oder überfordern wir uns eigentlich in unserem Streben nach der Weltherrschaft selbst?

Das Gefährlichste am Narzissmus ist schlussendlich nur, dass wir meinen, wir könnten die Welt beherrschen... aber schon bei der kleinsten Entscheidung kapitulieren. Wenn wir uns schon beim Ausmisten nicht entscheiden können, ob wir uns von Dingen trennen sollen oder nicht.

Wir verurteilen Systeme wie die Diktatur, in der ein einziger über alles herrscht. Ingeheim träumen wir allerdings davon, wirtschaftlich derart unabhängig zu sein, dass wir uns eine eigene Insel kaufen könnten, auf der wir alleine herrschen. Wie Diktatoren. Ironie, oder nicht?

Nun, die demokratischen Systeme funktionieren nicht grundlos nur über das Miteinander statt über die Alleinherrschaft. Problematisch wird diese Entwicklung inzwischen erst, da auch in der Politik immer mehr gegeneinander statt miteinander gearbeitet wird. Und die wirtschaftlichen Interessen über denen des Volkes stehen.
Gerade deswegen wäre es auch wichtig, dass der Einzelne den Mut beweist, sich nicht immer wie seine Vorbilder zu benehmen. Das gilt für die amerikanischen wie für die politischen. Wer nicht immer danach strebt, die Nummer 1 zu sein und sein eigenes Ego pflegt, kann sich auch darauf konzentrieren, seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und in Zusammenarbeit mit Anderen etwas zu lernen.

Das gilt inzwischen für die Jungen - aber auch für die Alten! Wir müssen anscheinend alle verdammt viel lernen. Aber zunächst: schönen Urlaub an alle, die jetzt (oder später) fahren. Ich bleib lieber zu Hause. Sonnenbrand steht mir nicht! ;-)

In diesem Sinne - bis nächsten Freitag!

LG Gene

PS: dieser Eintrag war die Einleitung zu einer mehrteiligen Reihe, die den Sommer weniger löchrig machen soll. Ob's klappt, werden wir dann im Herbst wissen. Ansonsten: ein schönes Pfingstfest an alle! :-)

Freitag, 3. Juni 2011

7 Milliarden gute Gründe...

Leicht ist es ja (wie ich letzte Woche schon beschrieben habe!) nicht, in Zeiten des Sommerlochs ein Thema zu finden für einen wöchentlichen Blogeintrag. Es gibt Themen, ja (und inzwischen gibt es auch genug Besserwisser, die mir mitteilen, über was ich doch potenziell schreiben könnte), das Problem bleibt aber: es ist MEIN Blog, damit MEIN Territorium und ich gebe es zu: auch wenn ich sonst nicht rein anatomisch zum Katerchen mutieren und mein Revier markieren kann, virtuell in meinem eigenen Blog kann ich es. Und deswegen sage ich zu solch wohlgemeinten Ratschlägen: wenn Leute solch gute Ideen haben, können sie gerne einen eigenen Blog gründen und genau die Themen behandeln, die sie gerne auf ihrer Tapete sehen würden. Das hier allerdings ist meine Leinwand - und welche Farbe ich darauf verteile, entscheide ich je nachdem, welche Farben ich eingekauft habe.

Was das heißt? Nun, ich könnte theoretisch zur Wochenzeitung mutieren und jetzt nach Herzenslust über den Fall Kachelmann (der endlich abgeschlossen wurde, um jetzt doch laut Staatsanwaltschaft nicht abgeschlossen zu sein) abhetzen, die Schuld- und Unschuldfrage klären, die doch eigentlich keiner klären KANN, weil keiner im Schlafzimmer mit Kachelmann und seiner inzwischen Ex-Gespielin mit dabei war. Und sicherlich könnte ich jetzt auch über EHEC philosophieren, weil das jeden Menschen in Deutschland zur Zeit so wahnsinnig brennend interessiert. Warum ist an dieser Stelle ja wiedermal klar: weil es DEUTSCHE Opfer gibt. Würde das Ganze in Frankreich geschehen und nicht hier, würde es keinen jucken. Von daher (und da ich über beide Themen schon ein wenig philosophiert habe in den vergangenen Wochen), mal zu einem ganz anderen Thema.

Und da stellte sich wie gesagt die Frage: worüber kann man denn nun schreiben? Besser gesagt: worüber kann ICH jetzt nun schreiben? Ganz ehrlich: Themen gibt es (auch außerhalb der Schlagzeilen) genug. Aber nun wieder in die Sexschiene abzudriften, wäre dann doch ein wenig zu eindeutig. Vor allem, wenn ich an den Rhythmus der Themen denke, die ich die letzten Wochen behandelt habe. Ganz ehrlich: ich möchte nicht unbedingt in nächster Zeit ständig zwischen den Themen "Umwelt" und "Sex" hin- und herpendeln.

Also geht es mal um uns. Um uns alle. Darum geht es eigentlich immer, aber die Meisten verstehen das irgendwie nicht. Die Menschen denken, wenn es um ein Thema und darum geht, die Sünden des Lebens zu behandeln, geht es immer um die Anderen. Weil potenziell machen wir alles richtig, zumindest aber nach bestem Wissen und Gewissen.

Diese Woche lese ich nun, dass am 31. Oktober 2011 Erdenbürger Nummer 7 000 000 000 geboren werden soll. Schon wieder! Ein wenig fühlte ich mich bei dem Bericht wie Bill Murray in "Und täglich grüßt das Murmeltier" - allerdings habe ich nicht Sonny & Cher "I got you babe" singen hören. Denn eigentlich habe ich gedacht, dass wir bereits 7 Milliarden Einwohner auf dem Planeten Erde hätten. Zumindest gab es schon des Öfteren solche Berichte und die waren auch regelmäßig auf ein Datum angesetzt, dass inzwischen längst vorbei ist.

Natürlich ist es schwierig, alle Erdenbewohner zu zählen. Dafür gibt es viel zu viele Menschen, die nicht in hochtechnisierten, vermeintlich "wohlorganisierten" Gesellschaften leben wie wir zum Beispiel. Es ist schwer, in sämtliche Wüsten- oder Bergregionen oder den Dschungel vorzudringen, um versteckte Indianerstämme oder wandernde Tuaregstämme zu zählen. Und wenn man sich die Mission Einwohnerzählung mal in Indien anguckt, ist das doch (gelinde gesagt) mit wesentlich mehr Schwierigkeiten verbunden als die derzeit laufende Volkszählung in Deutschland, über die so heftig diskutiert wird.

Jedenfalls (und darüber dürfen wir uns einig sein): 7 Milliarden-Marke geknackt oder nicht, wir sind verdammt viele Menschen auf diesem Planeten! Und all diese Menschen verbrauchen verdammt viele Resourcen. Schlimm wird die Sache erst, wenn das Gönnerprinzip wegfällt.
Dieses Prinzip beinhaltet, dass wir einem anderen etwas gönnen können, ohne selbst den Anspruch zu haben, das Gleiche haben zu müssen. Das klappt bei Krankheiten wie den Windpocken und Masern (oder eben EHEC!) ganz gut. In den Relationen können wir sehr gut gönnen.
Beim Geld oder einem guten Sexualpartner sieht das schon wieder anders aus. Genauso bei gutem Aussehen, dem neuesten schickesten Auto oder Manolo Blahniks (letzteres gilt eher bei Frauen denn bei Männern!). Was ich damit sagen will: wenn es um Besitztümer oder Annehmlichkeiten des Lebens geht, sind wir wenig bis gar nicht gönnerhaft. Die wichtigste Regel im Spiel "Leben" scheint zu sein, das Meiste und Beste zu bekommen - und das am Besten vorgestern.

Erst diese Woche lief im Fernsehen ein Bericht über eine Schule in Deutschland, in der alle Schüler einem sogenannten "Handy-Fasten" unterzogen wurden. Dafür wurden sämtliche Mobiltelefone der Schüler konfisziert und für eine Woche weggesperrt. Was übrig bliebt waren Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren, die sich benahmen, als wären sie gerade in der Wüste Gobi ohne Wasser ausgesetzt worden.
Am Ende des Berichts bekamen die Schüler brav ihre Handys wieder und die Erkenntnis der Schüler war (gelinde gesagt) doch erschreckend: Beim nächsten Mal wollten die Schüler das nicht mehr mitmachen.

Anscheinend war bei ihnen die Angst, auf den gewohnten Luxus zu verzichten, so groß, dass sie sich geschworen haben, nie wieder auf irgendeinen Luxus des Lebens zu verzichten. Unter keinen Umständen werden die Kinder der heutigen Wohlstandsgesellschaft nun mehr auf ihren Laptop oder ihr Mobiltelefon verzichten. Eine Frage bleibt dabei allerdings zurück: WO (wenn nicht von den Erwachsenen) sollen Kinder lernen, dass ein Laptop oder ein Mobiltelefon nicht alles im Leben sind?

Laut einem Bericht bräuchten wir drei Erdbälle, um 7 Milliarden Menschen so verschwenderisch und rücksichtslos zu versorgen, wie derzeit die Einwohner der Vereinigten Staaten von Amerika leben. Sprich: die Wohlstandsgesellschaft des Westens verbraucht zuviel - von allem! Es gibt keine Resource, die wir nicht bis zum Erbrechen bereits ausgeschöpft hätten. Wir benutzen Trinkwasser als Toilettenspülung, wo Menschen in Afrika für ein paar Eimer voll benutzbarem Wasser kilometerlange Fußmärsche zurücklegen müssen. Ja, richtig gelesen! Das Auto muss bei diesen Exkursionen in der imaginären Garage stehen bleiben, denn (oh weh!) die armen Afrikaner der Elendsstaaten haben gar kein Auto!

Kann sich ein Kind in Deutschland überhaupt vorstellen, was es heißt, kein Trinkwasser zu haben? Oder kein Essen? Oder kein weiches Bett mit Federkernmatraze? Wenn ihnen das fehlen würde, wäre die Sorge ums fehlende Mobiltelefon nur halb so groß. Was nützt es zu wissen, ob dir jemand eine SMS geschickt hat, wenn du die letzten drei Tage nichts mehr zu essen gehabt hast?

Doch wir haben diese Probleme einfach nicht... und können uns die Leiden der Welt jenseits des Wohlstandes gar nicht vorstellen. Es ist grotesk: für die Herstellung eines Kilogramms Fleischs (im Endprodukt), muss durchschnittlich 16 Kilogramm Getreide verfüttert werden. Und wozu? Damit der gemeine Deutsche zwanzig Mal (oder öfter) pro Sommer "Freiluftgrillen" betreiben kann. Was wohl noch mehr an der Sache stinken könnte (abgesehen von den Emmissionen der Holzkohle) ist die Tatsache, dass sich jeder mit seinem rücksichtslosen Verhalten so verdammt cool vorkommt. Statt das Getreide selbst zu essen, entscheiden wir uns für die Massentierhaltung und dem Ungleichgewicht, dass hungertechnisch auf diesem Planeten entsteht.

Man kann es nämlich drehen und wenden, wie man will: die Menschen der Wohlstandsgesellschaft reden davon, nur Biofleisch zu wollen, artgerechte Haltung. Doch wie soll das (rein logisch gesehen) aufgehen? Im Ende MUSS es Massentierhaltung geben - und das nicht, weil die Landwirtschaftsbetriebe alle überleben müssen, sondern schlichtweg, weil wir auf nichts verzichten möchten. Wir wollen in den Supermarkt gehen und die freie Auswahl haben, jedes Stück Fleisch kaufen zu können, das wir wollen. Um es noch auf die Spitze zu treiben: wir wollen nicht nur ein Stück Fleisch für's Wochenende einkaufen, dafür bräuchte man ja gar nicht den Grill anwerfen. Nein, es müssen mindestens 5 Stücke Fleisch sein - pro Person! Übertrieben?

Nicht wirklich, wenn man sich den Konsum an Fleisch in unseren Breitengraden anguckt. Es ist ja nicht nur Deutschland, dass unter chronischer Verschwendungssucht leidet. Die Amis sind schließlich noch viel schlimmer! Mit dieser Ausrede beruhigen wir uns quasi täglich selbst. Recht haben wir damit, denn verschwenderischer als die Amerikaner geht wohl nicht mehr. Wenn Großstädter mit benzinfressenden Jeeps durch die Stadt fahren müssen statt mit einem normalen Auto mit Niedrigverbrauch, dann merkt der Betrachter von außen schon, dass irgendwas mit diesem Land nicht stimmt. Und dass dieses Verhalten (auf alle Nationen umgelegt) gar nicht funktionieren KÖNNTE.

Sagen wir mal, jedes afrikanische Kind (egal, wie arm es ist) würde jetzt dank des Facebook-Booms der letzten Jahre, darauf bestehen und sagen: "Ich brauche unbedingt ein iPhone! Denn ich muss die Updates meiner Freunde haben, die 20 Kilometer von mir entfernt wohnen!" Das Material (und speziell die Edelmetalle) die für die Herstellung der Handys dieser Erde benötigt würden, um alle zu versorgen, würden sämtliche Goldgruben sprengen. Natürlich nur dann, wenn man bedenkt, dass in unserem Land jeder ja gleich drei bis vier Mobiltelefone haben muss. Dabei stellt sich nie die Frage, ob man die Telefone wirklich braucht, man MUSS sie haben. Punkt. Ende der Diskussion.

Nur so ganz am Ende der Diskussion bin ich noch nicht. Die Massentierhaltung, die Verschwendung von alltagsüblichen Resourcen, die wir für selbstverständlich halten, vom Strom über das Trinkwasser, Erdöl, Lebensmittel... alles das kann es nur im Überfluss für uns geben, weil wir (noch) die einzigen sind, die in solch rauen Mengen diese Dinge in Anspruch nehmen. Aber inzwischen geht es uns wie jedem Extrembergsteiger: die Luft wird immer dünner. Denn ehemalige Entwicklungsländer, die von uns nur milde belächelt wurden, die wir aber gleichzeitig gerne um ihre Rohstoffe gebracht haben, schlagen jetzt zurück. Indien, China, Brasilien - sie alle wollen an die Spitze der Weltmacht. Und sie sind verdammt gut in ihrem Aufstieg! Denn sie haben eins erreicht: wir brauchen inzwischen diese Länder. So stark, dass wir wie ein Heroinjunkie an der Nadel hängen, die in diesen Ländern in Massen produziert wird.

Drecksarbeiten der vergangenen Jahrzehnte, die wir nie machen wollten, sind nun in der Hand dieser Länder. Alltagsgüter wie Kleidung in Massen produzieren war schon lange nicht mehr unser Ding. Kein Wunder: ein in Deutschland produziertes T-Shirt wäre so teuer, dass es kein Pfennigfuchser unserer Zeit kaufen würde. Wenn ein T-Shirt nämlich mehr als 3 Euro kostet, ist es schon überbezahlt. Und da Länder wie Bangladesh oder China die Massenproduktion zu Schleuderpreisen übernommen haben, ist die Welt des geldbewussten Deutschen wieder in Ordnung. Nur: damit erreichen diese Länder auch mehr, als uns lieb sein kann. Denn wo diese Länder durch hohe Exporte viel Geld verdienen, entstehen auch viele reiche Menschen. Nicht gerade die, die im Akkord die T-Shirts nähen, aber an anderer Stelle. Und die wollen dann das Gleiche, was wir für selbstverständlich sehen: fließend Wasser; Energie, wo wir sie gerade brauchen; ein Auto (oder auch zwei, oder drei!); das Essen essen, auf das man gerade Lust hast. Und natürlich auch technischer Schickschnack, der wiederum jede Menge Rohstoffe verbraucht.

Natürlich wollen wir, dass alle Menschen zumindest so leben, dass sie über die Runden kommen können. Armut ist kein erstrebenswertes Gut und da sind wir doch recht gönnerhaft, wenn wir denken, dass kein Mensch an Hunger und Armut sterben sollte. Der Gedanke schmerzt uns, selbst wenn wir nicht davon betroffen sind, dass Menschen auf diesem Planeten an Krankheit und Hunger sterben. Und in diesen Momenten hätten wir gerne, dass jeder Mensch all das zur Verfügung hat, was wir haben.

Die Frage ist nur: woher soll das kommen? Um nochmal auf die Massentierproduktion zu sprechen zu kommen, es wäre unmöglich, für alle Menschen dieser Erde so viel Vieh zu halten, dass jeder so viel Fleisch zur Verfügung hätte, wie wir es gerade haben. Selbst wir kommen mit den Fleischmengen, die für uns produziert werden, nicht klar. Jeden Tag werden Unmengen an guten Lebensmitteln weggeworfen, weil wir die Befürchtung haben, bei überschrittenem MHD könnten wir sterben, wenn wir die Lebensmittel essen. Dabei gab es Zeiten, da haben Menschen aus Kartoffelschalen Suppen gekocht. Schlichtweg, weil es nichts anderes gab.
Grotesk ist es schon. Wir haben Angst vor einem überschrittenen MHD und auf Haiti essen Menschen Lehmfladen, um ihren Hunger zu stillen. Und (im Gegensatz zu einem Joghurt, dessen MHD um zwei Tage überschritten ist) sind diese Lehmfladen tatsächlich tödlich! Denn die bestehen aus Dreck, der mit Wasser gemischt zu Fladen geformt und auf Hausdächern getrocknet wird. Wenn man sarkastisch sein möchte, könnte man diese Diät doch auch mal den verwöhnten Handy-Kids unserer Gesellschaft angedeihen lassen... andererseits, DAS wäre ein wenig zu übel.

Denn die Kids unserer Zeit sind ein Produkt dessen, wohin sie erzogen wurden. Die Bequemlichkeit, den Hang zum Überkonsum an Alkohol und Drogen und der Trugschluss in ihren Köpfen, man bräuchte technischen Sonderschrott, um zu überleben. All das ist nur das Endprodukt der Erziehung der Eltern. Wenn die Erwachsenen meinen, sie bräuchten ein Mobiltelefon und ein Laptop, um umfassend informiert zu sein. Oder dass man mindestens zweimal die Woche grillen muss, um cool zu sein. Oder dass man in Urlaub fahren muss, um sich von den "Strapazen des Lebens" zu erholen.

All diese Dinge braucht man eigentlich genauso stark wie die Reichen jeden Abend eine Flasche Chrystal Champagner trinken müssen. Der Champagner ist keine Medizin. Das Grillen von Fleisch ist keine nötige Methode zur Zubereitung eines Grundnahrungsmittels.

Ein anderer Punkt, warum der Mensch dem Planeten mehr schadet als nützt ist allerdings nicht nur die Verschwendungssucht der Wohlstandsbürger. Auch die fatale Sicht der Menschen, dass wir die Natur eigentlich nicht brauchen, um zu überleben, macht uns schlussendlich kaputt.
Die "rote Liste" des WWF wird täglich um Tierarten erweitert, die Weltmeere sind inzwischen von allem möglichen so stark überfischt und verschmutzt, dass unsere "blaue Lunge" bald kollabieren könnte und Brasilien meint, dass es keinen Regenwald mehr braucht, sondern stattdessen Fichten in Massen anpflanzt.

Also, es liegt nicht nur an uns, dass die Welt kaputt geht, denn das Bewusstsein, der Tier- und Naturschutz wird in Deutschland und anderen Wohlstandsnationen sehr stark betrieben. Nur, wie bringt man die eigene Einsicht, die uns Jahrzehnte gekostet hat, bis wir sie endlich hatten, Ländern bei, die sich gerade auf unserem Stand von vor über 60 Jahren befinden? Die Verschwendungszeit zu übergehen, die wir über Jahrzehnte betrieben haben, fällt den Schwellenländern verständlicherweise besonders schwer. Denn wieso sollte man die Schokokekse, die alle anderen über Jahre im Überfluss gegessen haben, weglassen und direkt auf Kohlsuppendiät gehen?
Das dürfte dann wohl auch der Grund sein, warum Menschen in aufstrebenden Wirtschaftsnationen ihre Rohstoffquellen in Profitgier bis zum Austrocknen ausschöpfen oder ohnehin bedrohte Tierarten abschlachten, bis nichts mehr von dem übrig ist, was diese Welt eigentlich schön macht.

Kurzum: es gibt knapp 7 Milliarden gute Gründe (neben den Erläuterungen dieses Artikels), die eher für ein Aussterben der menschlichen Rasse sprechen als ein Fortbestehen. Wenn sich nichts an unserem Gedankengut ändert, haben wir weder das Recht, uns als die "Krönung der Schöpfung" zu bezeichnen noch das gute Gefühl, dass wir wirklich nützlich sind. Denn im Leben sollte es darauf ankommen, Hand in Hand zu arbeiten. Oder Hand in Pfote. Oder Hand in Flügel. Denn das Problem geht weit tiefer, als dass wir uns untereinander nicht verstehen, uns hassen aufgrund religiöser, rassistischer oder geschlechtlicher Konflikte. Wenn wir uns weder untereinander, noch mit anderen Spezien verstehen, die auf diesem Planeten leben oder die Natur respektieren als unsere Lebensquelle, die auch gepflegt sein will, haben wir in Zukunft verdammt schlechte Karten. Und dann stünde jeder Erdbewohner ganz individuell und einzigartig dafür, dass es besser wäre, es gäbe uns nicht.

Im Prinzip ist der erste Schritt zur Besserung die Einsicht. Wenn man selbst einsieht, dass man nicht alles braucht, wonach man verlangt und lernt zu verzichten, ist das zwar nur ein kleiner Schritt. Wenn man das große Ganze allerdings betrachtet, wird man feststellen, dass nicht nur das eigene Gefühl durch den Verzicht besser sein kann, sondern der kleine (oder auch etwas größere) Beitrag jedes Einzelnen zu einer Erholung unserer Heimat Erde gehören kann.

Und wem das ganze zu sehr auf Moral getrimmt war, dem kann ich versichern: solche Einträge wird es auch in Zukunft von mir geben. Vielleicht nächste Woche schon wieder - oder doch mal wieder was über Sex? Wir werden sehen. ;-)

In diesem Sinne - bis nächsten Freitag

LG Gene :-)

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