Freitag, 26. August 2011

Von "verklemmt" bis "enthemmt" - Episode 1: Alkohol

"Ja wo laufen sie denn?" Dieser Kernsatz stammt aus dem Sketch "Auf der Rennbahn". In dieser Woche erreichte ganz Deutschland (wenn nicht sogar die halbe Welt) die traurige Nachricht, dass der mit Abstand wohl begabteste Komiker von uns gegangen ist: Vicco von Bülow, alias "Loriot". Auch mich hat diese Nachricht sehr traurig gemacht, auch wenn sie bei einem Alter von 87 Jahren nicht sooo überraschend kommt. Trotzdem macht die Nachricht betroffen, es ist offiziell: egal, was wir in unserem Leben tun und erreichen und wieviele Menschen wir mit unseren Nachrichten und Botschaften erreichen, irgendwann vergehen wir alle zu Staub. Schwer zu glauben in einer Zeit, in der alles für die Ewigkeit ausgelegt ist; Besitztümer, die wir uns anschaffen und scheinbar ewig halten müssen; oder Ereignisse, die sich in unsere Geschichtsbücher verewigen und von ewiger Gültigkeit sind.

Natürlich hat die Geschichte eine ewige Gültigkeit, Dinge der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft haben eine allumfassende Wahrheit und Richtigkeit. Alles und scheinbar nichts steht in unserem Universum fest, allerdings nehmen die Menschen dabei immer mehr ihre eigene persönliche Geschichte wichtiger als das große Ganze. Bei Loriot hingegen schien es immer der Blick auf genau diese spießbürgerliche Art des "mit-sich-selbst-beschäftigt"-Seins, das für die meisten Lacher bei denen sorgte, an die sich die Beobachtungen richtete. Also war sein Credo mehr das Geben als das Nehmen. Gegeben hat er uns wahrhaft viel und dafür kann man ihm nur dankbar sein. Und ich kann vor seinem Lebenswerk nur den Hut ziehen und mich in Ehrfurcht verneigen.

Zurück zum Eröffnungssatz: "Ja wo laufen sie denn?" ... genau diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit mehr als nur einmal täglich. Manchmal wirkt es so auf mich, dass diese Welt, die schon als rau und hart gilt, immer noch täglich einen draufpackt, die Gesellschaft unerträglich wird in ihrer Selbstverliebtheit gepaart mit immer mehr Faulheit. Seit der Emanzipation neigen Männer dazu, mit immer mehr Frechheiten ihre Unsicherheit gegenüber dem erstarkten weiblichen Geschlecht auszugleichen; gleichzeitig verlieren die Kinder durch ihre allumfassende Bildung und gründliche Aufklärung immer mehr den Respekt vor ihren Eltern. Allerdings... was sind die Eltern von heute eigentlich?

Seit einigen Monaten (eigentlich Jahren) sehe ich das Verhalten meiner Altersgenossen und der jüngeren Generation (sprich: 10-12 Jahre jünger), die (angeblich) gebildet sind, Unterrichtsstoff in rauen Mengen verputzen müssen wie Mastgänse Mais, um ihre Leber fett zu kriegen. Doch während Stopfleber als Delikatesse gilt, ist das übergebildete Hirn des Jugendlichen 2011 alles andere als eine Delikatesse. Das Problem wird wohl sein, dass Bildung nicht kiloweise konsumierbar ist wie Mais. Es wurde schließlich auch noch kein Rohr erfunden, mit dem man Unterrichtsstoff in Überdosierung in das Gehirn eines Schülers trichtern kann.

Nun, das wird wohl nie möglich sein - und so wird es auch nie eine Elitearmee geben, die die Welt im Sturm erobert. Realistisch betrachtet wäre das selbst dann nicht möglich, wenn die Menschen alle über einen IQ von über 130 verfügen würden. Denn zwischen Bildung, Intelligenz und der Führung lagen früher, heute und wahrscheinlich morgen noch Welten. Immerhin gibt es höchst intelligente Putzkräfte in dieser Gesellschaft, die doch nie eine Führungsposition in einer großen Firma erreichen werden... und auf der anderen Seite vermeintlich gebildete Führungskräfte im Management der größten Unternehmen dieses Landes, die schlussendlich nicht einmal richtig bis drei zählen können. Diese unterschiedlichen Bilder mögen zwar höchst selten vorkommen, aber vierblättrige Kleeblätter tun das der Legende nach auch - und es gibt sie trotzdem.

Was ist es nun, dass uns dazu trieb, sämtliche Jugendliche der Gesellschaft zu Eliteschülern zu drängen? Geht es dabei wirklich darum, dem eigenen Kind alle Möglichkeiten des Lebens zu eröffnen - oder nur darum, das eigene Ego zu streicheln, indem man das Kind zum nächsten Donald Trump trainiert?

So sehr sich auch alle bemüht haben, die Schüler sind kaum klüger als ihre vorherigen Generationen. Es ist wohl eher das Gegenteil der Fall: je mehr wir gegen das schlechte Abschneiden in einer PISA-Studie kämpfen, umso mehr werden die Kinder und Jugendlichen in einen Drill geführt, der das Gegenteil vom gewünschten Ergebnis führt. Statt gut ausgebildeter und kluger junger Erwachsener bekommen wir Menschen, die mit sich und ihrem erworbenen Wissen meist gar nichts anfangen können.

Der Denkfehler begann wohl schon vor einigen Generationen, als der Fleiß bei der Arbeit dem puren Wissen wich. Galt es beispielsweise in den 50er Jahren noch als Tugend, fleißig und zuverlässig seine Arbeit zu erledigen, geht es heute mehr darum, möglichst viel Wissen zu erlangen, um damit möglichst schnell so hoch wie es geht in eine Firma einzusteigen. Dadurch entstehen Arbeitskräfte, die vermeintlich die Theorie gut beherrschen und bei denen sich sämtliche Arbeitsprozesse im Kopf perfekt abspielen, die dann in der Praxis aber nicht wissen, wie sie dieses Wissen einsetzen sollen.

Diese Entwicklung dürfte für Besorgnis sorgen - vor allem aber der Anspruch einer Generation an die nächste, das sie weit höher aufsteigt als die Vorgänger. Ein Schüler, der nun mit schwer verdaulicher Bildung vollgestopft wird und weiß, dass er in einigen Jahren zu funktionieren hat, konkurrenzanführend sein muss und eine Weltkarriere hinzulegen hat, kann schnell zu Frust und Depressionen neigen. Und was liegt relativ nahe an Depressionen? Der Rausch, alles vergessen zu wollen.

Wahrscheinlich wurde deshalb vor tausenden von Jahren der Alkohol erfunden bzw. entdeckt. Als Beruhigungsmittel, Stimmungsaufheller und Weltverbesserer. Wenn Alkohol nur politische Ambitionen hätte, er könnte für glatt für eine bessere Welt sorgen. Nun, eigentlich spielt Alkohol in allen sozialen Schichten und Ländern dieser Erde eine tragende Rolle. Es gibt kaum ein Land, in dem es wirklich als Schande gilt, Alkohol zu trinken. Dazu ist er zu verführerisch, lockert den Geist, die Zunge und vermeintlich auch die Seele... plötzlich ist alles so viel leichter, man fühlt sich enthemmt, als hätte jemand einen Schalter tief im Inneren umgeschaltet. Kein Wunder also, dass die Jugend dieses Wundermittel auch für sich entdeckt.

Problematisch wird dieser Konsum nicht nur, weil Jugendliche in ihrer körperlichen Entwicklung gar nicht weit genug für regelmäßigen Alkoholkonsum sind, sondern auch durch die rauhen Mengen, in denen er "genossen" wird. So schwer es dem Jugendlichen fällt, etwas über Politik, Mathematik, Biologie oder deutsche Literatur zu lernen, so leicht fällt es ihm, Nachhilfe von Jack Daniel's oder Wodka Gorbatschow anzunehmen. Allerdings sind diese beiden "Burschen" sehr hart verträglich, deswegen werden sie auch gerne mit süßen Limonaden vermischt... die Liebe der Jugend zu ihnen beschränkt sich nur auf die Rauschwirkung.

Durch die gute Aufklärung in der Gesellschaft und die (immer noch angeblich) hohe Bildung der Jugendlichen meinen diese, ihren Alkoholkonsum im Griff zu haben. Egal, ob sie nun einen Drink pro Woche oder einen ganzen Rauschausfall durch zahllose Drinks zu sich nehmen. Irgendwo haben die Jugendlichen wohl mal gehört, dass Alkohol zu einer Sucht führen kann. Aber diese Sucht betrifft doch nur alte Säcke, die seit 30 Jahren täglich an der Flasche hängen... so zumindest die Meinung der Komasäufer. Für sie ist das hemmungslose Trinken eher ein Sport, wie der wöchentliche Gang ins Fitnessstudio. Nur mit Fitness hat es eben nichts mehr zu tun, die harte Arbeit findet nur noch oral statt... erst in rauen Mengen rein, später dann über die Kloschüssel gebeugt in rauen Mengen wieder raus. Doch nicht nur dort.

Auch verbal sind die Jugendlichen (ob im Rausch oder auf immer enthemmt dadurch auch nüchtern) ganz große Spitze. Frechheiten gegen Lehrer und Eltern sind da nur noch die Spitze - und wo dieses Verhalten vor vierzig Jahren anhand von einer Rebellion gegen das Spießbürgertum zu verstehen war fragt man sich heute, was die Jugend damit erreichen will. Anarchie? Der absolute Zusammenfall der Gesellschaft? Oder sind die Probleme der Jugendlichen wirklich (wie es Sozialpädagogen sagen) darauf zurückzuführen, dass sie sich mißverstanden fühlen, die Eltern die Hauptschuld daran sind, dass sie so agieren, wie sie es tun?

Eine Wahrheit gibt es: Kinder sind das direkte Produkt ihrer Eltern und das nicht nur biologisch gesehen. Ein Kind sieht nicht nur zu Teilen aufgeteilt wie seine Eltern aus, es lernt bereits in jüngsten Jahren, sich wie die Eltern zu benehmen. Und da der erhöhte Alkoholkonsum kein Problem von gestern ist, liegt es wohl teilweise auch an den Eltern, dass die Kinder saufen, als gäbe es kein Morgen. Denn: Eltern wollen immer, dass ihre Kinder die Taten der Eltern noch um ein Stück überbieten. Dabei ist es zwar wahrscheinlich, dass sie nicht unbedingt wollten, dass ihre Kinder sie im Alkohol trinken übertrumpfen, aber man kann sich nunmal nicht aussuchen, worin genau die Kinder zur Elite gehören.

Die Angst vor dem Überkonsum an Alkohol bei Kindern liegt nicht nur darin begründet, dass die Kinder beim Komasaufen sterben könnten. Es gab zu allen Zeiten Tote bei Jugendlichen aus unterschiedlichen Gründen: Mutproben, Drogen, Alkohol. Die Opfer dieser Manie sind wohl gefühlskalt als Kollateralschaden zu bezeichnen.

Mehr als das geht die Befürchtung um, wie die Kinder, die überleben, als Erwachsene werden mögen. Ein Jugendlicher, der gerne und viel säuft, stolz darauf ist, nur noch an Parties denkt und an jegliche Verantwortung dem Leben gegenüber pfeift... klingt fast wie die Denkweise eines zukünftigen Kriminellen. Oder die eines erfolgreichen Managers. Der Unterschied ist inzwischen nicht mehr sehr groß.

Gerade deswegen darf die Entwicklung besorgniserregend sein. Es geht nicht nur darum, dass die Spenderlebern in den Krankenhäusern in den nächsten 40 Jahren wohl sehr knapp werden bei steigendem regelmäßigen Alkoholkonsum (von anderen Krankheiten durch Alkoholismus mal ganz abgesehen). Das Herz aller Probleme liegt (wie so oft) in den Köpfen: Menschen, die Drogen jeglicher Art zu sich nehmen, tun dies, um einen Rauschzutstand auszulösen - in ihren Köpfen! Und auf Dauer ändert sich damit alles: die Fähigkeiten zur Konzentration, die Art des Denkens und damit die Verhaltensweisen des Menschen.

Wir leiden seit Jahrzehnten stetig unter dem Einfluss von Rauschmitteln, die dem eigenen Geist die ultimative Befriedigung verschaffen, aber im Ende für den eigenen Egoismus sorgen. Dadurch werden viele Menschen kaltherziger, berechnender und psychisch wie teilweise physisch gewalttätiger. Nun kann man auch die Frage aufwerfen, wohin diese Entwicklung noch gehen soll und wie die Jugendlichen von heute in zehn Jahren sind, wenn sie kurz davor stehen, als Eliteeinheit Deutschlands die Welt zu erobern.

Der Alkohol spielt dort nur eine Randrolle, wahrscheinlich werden auch die Jugendlichen von jetzt (wie viele Generationen vor ihnen) mit der Zeit einsehen, dass man irgendwann nicht mehr nur auf Parties und Komasaufen stehen kann. Bedenklich ist nur, dass das Erwachsenwerden künstlich immer weiter hinausgezögert zu sein scheint. Es wird länger studiert, länger zu Hause bei den Eltern gelebt... und selbst, wenn das Kind mit 18 von zu Hause auszieht, es lernt trotzdem nicht richtig, selbstständig und verantwortungsbewusst durch die Welt zu gehen. An Selbstbewusstsein mangelt es ihnen nicht, aber wozu ist das gut? Falsches Selbstbewusstsein mag wunderbar blenden und zu kurzfristigem Erfolg führen, aber auf Dauer muss sich jeder der Verantwortung stellen, für sich selbst einzustehen und seine wahren Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Wenn die nächsten Generationen allerdings immer älter sind, bevor sie Verantwortung übernehmen, gleichzeitig aber alles, was "erwachsen" ist immer früher ausprobieren und bis zum Exzess praktizieren, kann man vor den nächsten Generationen (inklusive der Generation, die zur Zeit noch in den Windeln steckt) Angst haben.

Wie ich allerdings schon sagte, das Kind ist immer das Produkt der Eltern. Und da die Eltern 2011 von sich selbst überzeugt sind, ihre Kinder mit bestem Wissen und Gewissen großziehen zu können, wird es Zeit, sich auch mal an die eigene Nase zu packen, was die Vorbildfunktion betrifft. Denn sind Eltern, die mehr an die eigene sexuelle Befriedigung als an das Kindswohl denken, wirklich Vorbilder? Nicht, dass alle Elternpaare nur an Sex denken... aber es fällt doch auf, wie wichtig den Eltern das eigene Wohl ist. Selbstaufgabe wegen Kindern? Auf keinen Fall! Vielleicht ist dies auch eine Entwicklung von übersteigertem Narzissmus, aber sie überträgt sich auf direktem Wege auf die Kinder. Wer von klein auf lernt, dass man selbst am Wichtigsten ist und immer (absolut immer!) an erster Stelle steht, wird kaum ein Gespür für eine Gesellschaft entwickeln, die nur zusammengehalten werden kann durch Respekt voreinander und die Zusammenarbeit miteinander. Ganz ohne das eigennützige Denken an der Spitze der Konkurrenz zu stehen.

Nun, "Ja wo laufen sie denn?" ... man kann sich die Frage wieder und wieder stellen. Und nur eine Antwort darauf geben: "Hoffentlich nicht gegen die Wand!"

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein schönes Wochenende. Bis zum nächsten Freitag!

LG Gene :-)

PS: Es mag wirken, als gehöre ich nicht zur Mittzwanziger-Generation. Aber man lese und staune: es gibt auch Wesen Mitte 20, die nicht ihren Lebensmittelpunkt auf Parties und das eigene Vergnügen beschränken. Davon gibt es sogar verdammt viele, die auch aus der Alkoholdiskussion herausgenommen werden müssen. Das einzig Bedenkliche ist nunmal, dass die Zahl derer, die nur sich selbst und ihr Vergnügen sehen, unaufhörlich steigt.

Freitag, 19. August 2011

"Ein Schweinchen namens von Boetticher" vs. "Romeo & Julia... verzweifelt gesucht!"

Nun, der Titel ist ungewollt eindeutig, aber da ich zu gerne Filme schaue, fand ich in dieser Woche diese "Schlagzeile" besonders passend. Zugegeben, damit werde ich mich wohl nicht für die BILD bewerben können, aber ich bin relativ zufrieden mit dem kleinen Leserkreis, den ich hier habe.

Wie man unschwer erkennen kann, auch mich hat die Nachricht über den CDU-Spitzenkandidaten und seine Affäre, die letzte Woche rauskam, erreicht. Falls man für das Märchen "Ein Schweinchen namens von Boetticher" eine kleine Einleitung oder Zusammenfassung schreiben müsste, so würde dort wahrscheinlich Folgendes stehen: "Die Geschichte von einem kleinen Mann, der rausging, groß zu werden und sich durch Dummheiten seinem eigenen Ziel auf immer und ewig zu entfernen."

Großes war mit ihm geplant, Christian von Boetticher. Er sollte im nächsten Jahr als Spitzenkandidat in den Wahlkampf gegen die "niederen Parteien" für die "Königsklasse CDU" ziehen. Was genau im Hintergrund passierte, war wohl eher unklar. Vielleicht passten vielen Parteibrüdern nicht, dass von Boetticher die politische Schlagkraft eines nassen Waschlappens hatte. Oder sie befanden schon immer sich selbst oder jemand anderes als den besseren Spitzenkandidaten. Wie gut, dass von Boetticher in dieser Kategorie nicht nur politisch zu Nichts zu gebrauchen ist, er ist obendrein noch schädlich für die Partei. Das zeigte sich, als herauskam, dass er eine Affäre mit einer 16jährigen hatte, heimlich - es war, wie er später beim Rücktritt sagen würde "wahrhaftig (*schnief*) Liebe! (*schnupfschnief*)!".

Wenn von Boetticher für eins gesorgt hat mit seinem Rücktritt, dann für Gesprächsstoff... und wenn's nur für eine Woche ist. Es wurde eigentlich über alles geredet bei dieser Diskussion - außer über Politik natürlich. Wäre ja auch eher langweilig, über Politik reden die in den Nachrichten schließlich immer. Aber ein Politiker, der etwas vermeintlich politisch Inkorrektes tut, tsk tsk... das ist doch ein Masse naserümpfender Menschen wert, die heftigst darüber diskutieren, was richtig oder falsch ist - gerade bei "wahrhaftiger (*schnief*) Liebe!".

Doch das Thema "Männer und was sie gerade als gut genug empfinden" beschäftigt mich schon seit Längerem. Grundsätzlich bin ich ein Gegner eines Altersunterschiedes bei Paaren, wenn er das Alter des jüngeren Protagonisten übersteigt. Sprich: wenn der/die Jüngere in der Beziehung 18 oder 20 ist, muss der Altersunterschied nicht unbedingt 25 bis 30 Jahre betragen. Die Pros und Contras solcher Beziehungen werden schon seit Langem diskutiert. Pro: wenn der jüngere Beziehungsteil mental reif genug ist, spricht nichts gegen eine Beziehung zu einem älteren Partner. Contra: Es muss ein Mutter- oder Vaterkomplex vorgehen, wenn man solche Beziehungen eingeht.

Alles Quatsch! Grundsätzlich kann man nicht alle Beziehungen in einen Topf werfen. Und an alle Pro-Anhänger: kann ein junger Beziehungsteil wirklich 20 Jahre seiner Entwicklung voraus sein? Oder ist der um 20, 30 Jahre ältere Beziehungsteil einfach um 10 bis 20 Jahre gegenüber seinen Altersgenossen zurückgeblieben? Mitnichten, es heißt dann immer, bei Beziehungen von beispielsweise einer 18jährigen zu einem 40jährigen: "Sie ist reifer als ihre Altersgenossinnen... und er ist einfach jugendlich geblieben!" Das Credo darf lauten: "Für jeden Geisteszustand das passende Gegenstück."

Also wenn ein Mann oder eine Frau längst die 40 überschritten hat, sich aber im Kopf noch wie 18 fühlt, darf er/sie sich ruhig auf einen wesentlich jüngeren Partner einlassen. An dieser Stelle stellt sich doch die Frage: welcher 40+ gibt schon gerne zu, dass er/sie auch geistig über 40 ist? Jeder, ausnahmslos jeder wird behaupten, dass er im Kopf "jugendlich" geblieben ist. Auch mit über 50, mit über 60, mit über 200 Lebensjahren wird jeder Mensch behaupten wollen, er sei alles, nur nicht reif oder alt. Reife beanspruchen tatsächlich nur die Allerjüngsten; Jugendliche sind oft gerne ihrer Zeit voraus, wenn sie nicht mit der Masse schwimmen wollen. Dann sind sie mit 15 "altklug", mit 16 - 18 ihrem Alter bei weitem voraus. Frage ist dann, ob man geistige Reife damit beweisen muss, dass man sich auf 40jährige Männer oder Frauen einlässt.

Sicherlich, Mädchen sind in ihrer Entwicklung Jungs immer voraus. Allerdings wird der geistige Altersunterschied ungefähr auf 4, nicht auf 20 Jahre festgelegt. Damit fällt auch dieser Punkt aus der Schachtel für das logische Denken, die logische Erklärung, warum 40+ Männer unbedingt ein Mädchen in ihrem Bett haben müssten, das ihre Tochter sein könnte.

Jedes Mädchen wird in seinem Leben mindestens 5 Mal von Männern angebaggert oder bezirzt, die weit über ihrem eigenen Alter liegen. Das Traurigste war für mich dabei immer, dass sie weder aussahen wie George Clooney oder Jeff Goldblum, noch intelligent waren wie Einstein oder Bill Clinton. Letzterer war in seiner politischen Karriere ja auch über mehr als eine Affäre gestolpert, die skandalöseste war zugegebener Maßen eine mit einer wesentlich jüngeren Frau, Monica Lewinsky. Dieser Name hat sich für immer in unser aller Hirn gebrannt, wenn es um Affären zwischen einem älteren Politiker und einer blutjungen Verehrerin seiner Arbeit geht. Damals (also in der grauen Vorzeit, den 90er Jahren) hatte sogar der Verfechter der Moral, der Aufklärer dieser schmutzigen Affäre, ein Gesicht: Kenneth Starr, ein amerikanischer Anwalt, der mit seiner Untersuchung alles versuchte, Bill Clinton aus seinem Amtssitz zu heben.

Im Fall von Boetticher sind die Moralapostel das gesamte deutsche Volk, das diskutiert. Man fragt sich, wie eine 16jährige eine Affäre mit einem 40jährigen anfangen kann und umgekehrt. Dabei ist es doch so einfach: weil sie's können! Mit 16jährigen ist in Deutschland nicht verboten, solange der Sex nicht erzwungen ist (aber das ist in jedem Alter verboten!) und der/die 16jährige sich bewusst darüber ist, was er oder sie tut. Über diesen Punkt stolpern dann allerdings so einige Menschen. Denn wie kann man sagen, ob jemand mit 16 wirklich "reif" genug für eine Beziehung mit einem Mann ist, der mehr als doppelt so alt ist? Wann ist ein Kind noch Kind, wann ist es noch Schutzbefohlene/r, wann ist es eigentlich schon erwachsen genug, Verantwortung für das gesamte Leben zu übernehmen?

Oft genug geht vieles schief, wenn Jugendliche meinen, sie seien erwachsen genug für Alkohol, Sex, das gesamte Erwachsenenleben. Das Ganze endet nicht nur in extremen Einzelfällen im Komasaufen oder ungewollten Schwangerschaften. Sicher, man könnte meinen, wenn ein Mann mit über 40 eine Beziehung zu einer 16jährigen pflegt, dann wird es kaum zu einer ungewollten Schwangerschaft führen. Dafür steht viel zu oft hinter dem Mann eine Andere, eine feste Freundin im gleichen Alter oder sogar eine Ehefrau mit Kindern.

Also, was treibt einen Mann in die Arme eines quasi Kindes? Denn egal, wie reif sie im Kopf ist, irgendwo ist sie mit 16 zu jung für einen Mann, der gerade kurz vor der Midlife-Crisis steht. Ein Mann, der schon alles hinter sich hat, die 20er, in denen er feiern konnte, die 30er, in denen er sich seine Arbeitskarriere aufgebaut hat. Dafür läuft unser aller Leben doch viel zu sehr in einem vorgegebenen Muster, einem Code, an den sich die meisten Menschen halten. Sie haben verschiedene Lebensabschnitte, in denen sie verschiedene Dinge tun und verschiedene Erfahrungen machen. Wenn nun eine 16jährige mit einem 40jährigen eine Affäre hat, ist das nicht weiter schlimm, es sei denn, der 40jährige benutzt die 16jährige als Jungbrunnen und bindet Sie zwanghaft an Ihn. Viele Mädchen träumen von einem Partner, der erwachsen ist und sie durch das Leben führt - und genauso sind die "reiferen Herren" fasziniert, fühlen sich geschmeichelt, wenn eine junge, knospende Frau Interesse an ausgerechnet ihnen hat. Sie, die schon eine Halbglatze und einen Bierbauch haben, die sich die Hälfte der Zeit gehen lassen und optisch wie geistig genau das Alter tragen, das sie haben.

Die Frage , warum Beziehungen stattfinden zwischen verschiedenen Generationen ist wahrscheinlich eine genauso müßige Diskussion wie die Frage warum Beziehungen zwischen gesellschaftlich unterschiedlichen Schichten stattfinden. Liebe ist (wenn sie "wahrhaft (*schnief*) ist) eine Sache zwischen zwei Individuen und damit so einzigartig und unerklärbar wie die Lottozahlen der nächsten Woche.

Vielleicht dreht sich die Frage der heutigen Zeit danach, warum Menschen so verkrampft auf der Partnersuche sind, wie sie es sind. Es gibt immer mehr Singles in unserer Gesellschaft, künstlich aufgebauscht von dem Gedanken, einen Traumpartner zu finden, der so viele gute Eigenschaften hat wie sie sonst nur bei einem hochintelligenten außerirdischen Leben auftauchen würden. Schönheit, Intelligenz, Charme, Gutmensch-Syndrom - das alles und noch viel mehr sollen die potenziell idealen Partner für die meisten Singles beinhalten. Mehr oder weniger. Wenn dazu noch ein gut gefüllter Geldbeutel kommt, ist die Liebe unsterblich groß.

Leider nie groß genug, dass sie auch nur ansatzweise dem "Romeo & Julia" Beispiel folgen könnte. Damit meine ich nicht, dass Liebende sich kollektiv in den Selbstmord stürzen sollen, um zu beweisen, wie verliebt sie sind. Es fehlt allerdings der Wille, etwas füreinander zu tun, die Selbstlosigkeit in einer Beziehung (jedoch ohne Selbstaufgabe) und die Bereitschaft, nicht immer als dominierender Sieger dazustehen. Eine Beziehung ist Geben und Nehmen, wie eine Freundschaft, wie eine gesamte Gesellschaft. Doch Nehmen ist seliger denn Geben, zumindest scheint es heute so, auch wenn der Spruch umgekehrt heißt. Vielleicht auch beim Suchen nach einem jungen Partner, dem man die Jugend stehlen könnte.

Die Jugend hat schon immer die Menschheit fasziniert und es gibt nichts, das wir uns mehr wünschen, als so lange wie möglich so jung bleiben, wie es nur geht. Wir wollen jugendlich aussehen, uns jugendlich benehmen - und jugendlich lieben. Ein junger Körper ist meist auch viel reizvoller als ein alter. Schon in der Novelle "Tod in Venedig" von Thomas Mann hat die Hauptfigur alles riskiert, nur um einen jungen Schönling zu beobachten. Selbst, wenn das bedeutete, dass ihm dieses Beobachten indirekt den Tod bringen würde.
Eine Liebe ist geprägt von Schönheit, äußerer Schönheit weit mehr als innerer. Die Zeiten, in denen sich Menschen ausschließlich in das Innere eines Menschen verlieben konnten, scheinen für immer vorbei. Dafür gibt es zuviel gewollter statt gekonnter Jugend, Schönheits-OP's en masse und (wenn man auf diese Radikalität verzichten möchte) Photoshop! Kein Starbild ist mehr natürlich, Stars in ihren Mittvierzigern sind nicht wirklich jung geblieben, sie sind eher jung gemacht, passend für eine von der Jugend zerfressenen Werbelandschaft.

Die Betreffenden müssen sich fragen, woran das liegt. Ist es die Angst vor dem Alter, weil das Alter früher oder später den Tod mit sich bringt, dass nur noch nach Jugend gestrebt wird? Warum meinen Männer immer, sie müssten Frauen anbaggern, die wesentlich jünger sind als sie selbst? Sind alte Frauen vom Kopf her zu alt oder einfach zu klug? Haben Männer im Ende Angst, nicht gegen eine Frau ihres Alters zu bestehen?

Vielleicht ist das die ultimative Erklärung: ein Mann fühlt sich erst wohl, wenn er dominieren kann... immerhin ist er ja auch das starke Geschlecht. Dominanz gegenüber einer wesentlich jüngeren Partnerin ist leichter zu vollziehen als bei einer gleichaltrigen. Denn solange ein Mensch noch kein selbstständiges Denken entwickelt hat oder das Denken noch nicht ausgeprägt genug ist, wird es leicht, einen Menschen zu beherrschen, ihn zu leiten, ihn zu beeindrucken. Meiner Meinung nach läuft vieles darauf hinaus, dass Männer sich (neben dem schönen jungen Körper) genau deswegen so wohl fühlen mit einer gefährlich jungen Frau. Die Grenzen verwischen immer mehr, Liebe ist kein Lebenselement mehr, es ist eine Ware, bewertet nach Klassen. Fast wie bei Eiern, es gibt alles von Käfighaltung bis Bio.

Die Zeiten von Romeo & Julia sind vorbei, wahrscheinlich hat Romeo's Vater viel mehr Chancen bei Julia und dafür kann sich Romeo mit Julia's Mutter vergnügen. Wir schwimmen durch eine Zeit, in der wir nur denken, dass es wichtiger ist, den guten Schein aufrecht zu erhalten. Im Geschäftlichen wie im Privaten. Bei von Boetticher hat das nicht geklappt - er hat die Affäre beendet, um politisch Karriere zu machen... und ist doch gnadenlos gescheitert. Die "wahrhaftige Liebe", die man für eine falsche Politkarriere aufgibt, kann soviel Wahrheit gar nicht beinhalten. Und eine Hochzeit mit einer Anderen, die nicht einmal ein halbes Jahr später in Las Vegas stattfindet (wie im Fall von Boetticher) untermauert nur die These, dass es sich im Ende doch um die schlichte Geilheit handelte. Beurteilen kann dies indes freilich niemand, doch die Aktionen waren mehr als abgeschmackt und haben für alles, außer für eine "wahrhaftige Liebe" zwischen einer 16jährigen und einem 40jährigen gesprochen.

So gerne sich auch die anderen 40+ler einreden würden, sie würden mit 16-18jährigen aus reiner Liebe ins Bett steigen, vordergründig ist bei diesen Beziehungen immer noch die Lust nach Naivität und jungem Fleisch. Nicht, dass das strafrechtlich oder moralisch zu verfolgen sei - wer nicht selbst darüber nachdenkt und den Denkfehler im eigenen System bemerkt, muss eben so weitermachen. Und die Schere zwischen Alt und Jung wird damit immer größer, Beziehungen an sich in solchen Extremsituationen immer unnützer. Die Liebe hat sich verändert, der Sex hat sich verändert, wir alle haben uns verändert. Aber ist nur noch das Extreme das Wahre, nach dem wir streben sollten? Ist normal wirklich uncool?

Fragen über Fragen, auf die sich jeder nur selbst die Antwort geben kann. Liebe geschieht zwischen zwei (vielleicht auch mehr) Menschen und hat in erster Linie mit Gefühl zu tun. Nicht mit Alter, Rasse, Religion oder Politik. Nur erkennen viele das nicht - weder die, die meinen, sie brauchen unbedingt jugendliche Sexualpartner in ihrem Leben... noch diejenige, die diese "Beziehungen" verteufeln.

In der Hoffnung, dass die "wahrhaftige (*schnief*) Liebe" überlebt (in allen Formen), wünsche ich ein schönes Wochenende. Bis zum nächsten Freitag!

LG Gene :-)

Freitag, 12. August 2011

Dumpf & stumpf = Trumpf? Oder: Nach dem Sommerloch ist vor dem Sommerloch

Da meine Sommerlochserie vorbei ist, wird es langsam Zeit, sich auf den "heißen Herbst" einzustellen. Und bevor irgendwer jammert: der Sommer war gar nicht sooo schlecht, er war eben nur den Sonnenverwöhnten ein wenig zu kalt. Aber (das habe ich schon des öfteren gesagt!) es gibt schlimmeres als schlechtes Wetter!

Nun, wir bewegen uns einen wenig weg von der großen Seele Mahatma Gandhi und beschäftigen uns mit dem Hier und Jetzt. Und das hat es immer noch in sich. Man denkt, es wäre still in Deutschland, weil sich gerade alles und jeder im Urlaub befindet? Pustekuchen! Wenn wir nicht zu Hause für Randale sorgen, dann eben direkt am Urlaubsort. Denn der Krawall hat nie wirklich Urlaub.

So gab es in den Nachrichten der letzten Tage auch nur das Thema "Krawalle an allen Ecken und Enden". Zunächst mal zum "Kindergeburtstag des Krawall", der Krawallnacht am Lloret del Mar, wo Urlauber meinten, alles kurz und klein zu hauen, weil die Klimaanlage einer Disco ausfiel und die jungen Urlauber sich in ihrer Partylaune doch allzu sehr gestört gefühlt haben. Keine Party? Dann gibt's auch kein Lloret del Mar mehr, dachten sich die Randalierer wohl. Und dass die Polizei vor Ort darauf allzu gewalttätig reagierte, hat die Stimmung der Krawallmacher nicht unbedingt gebremst. Wie ich heute in den Nachrichten zu hören bekam: "Gewalt erzeugt Gegengewalt!", so rechtfertigen dann die Urlauber ihre Krawallaktionen, als befänden sie sich in Libyen oder Syrien und würden um ihre Freiheit kämpfen. Das Einzige, wofür die Urlauber wohl "gekämpft" haben, war eine funktionierende Klimaanlage und Freibier! Kann auch wichtig sein, es kommt halt immer darauf an, wo auf der Welt man sich gerade befindet - und in welcher Stimmung man sich befindet...

Überhaupt ging es in dieser Woche stark um das Thema "Stimmungen", ob an der Börse oder auf den Straßen von London. Wahrscheinlich jedoch steckt viel mehr hinter dem Zerstörungsphänomen der vergangenen Woche als Stimmungen - wenn es nur um Schwankungen im eigenen Gemüt ginge, würden viel mehr Dinge auf diesem Planeten geschehen. Und trotzdem, die Krawallnächte von London machen mehr als nur nachdenklich; sie sind die Weiterführung einer Entwicklung, die immer mehr Angst machen kann.

Alles geht nach dem Motto: Kinder sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wie ich bereits im Artikel "Nachwachsende Rohstoffe Teil 1: Kinder" beschrieben habe, sind Kinder weiaus erwachsener als in früheren Dekaden. Ob sie dadurch freilich klüger sind, steht auf einem anderen Blatt. Und gerade in der letzten Frage müssen sich die Eltern von Kindern und Mittzwanzigern die Frage stellen: "Gott, welches Monster habe ich da erschaffen?"

Es hat schon etwas von Frankenstein's Monster, wenn man sich die Generation um die 20 heute anguckt. Technikmanipuliert, suchtversessen, zwar hochgebildet, dafür aber zu gleichen Teilen immer arbeitsscheuer - so scheint die neue Generation, die in spätestens 10 Jahren die Weltherrschaft übernehmen soll zu sein. In 10 Jahren? Nun, aufgrund der heutigen Jugendversessenheit sind Politiker um die 30 keine Seltenheit mehr, immer mehr Menschen, die gerade ihre aristrokatische Bildung abgeschlossen haben, übernehmen ohne Umwege direkt die Chefpositionen. Aber ist das wirklich gut für unsere Gesellschaft? Für die ganze Welt? Sollten wir nicht eigentlich wissen, dass Menschen, die zu schnell und früh an die Macht kommen an ein Desaster grenzen? Platt verglichen kann man einen Mann nehmen, der einfach beim Sex immer zu früh kommt... im Ende hat da keiner was von! Und so sieht es dann auch bei politischen Ämtern aus, die zu früh angestrebt werden. Oder Unternehmen, die Vorstandsvorsitzende wählen, die sich noch lebhaft an die eigene Zeit in der Windel erinnern können.

Erfahrung ist ein wichtiges Gut im Leben eines Menschen. Doch seit Eltern darauf bestrebt sind, unsere Kinder zu Akademikern auszubilden, die nicht nur über dem Durchschnitt stehen, sondern am Besten die Elite anführen, haben sie sich ein gewaltiges Problem geschaffen: das Monster, dass sie erschufen, hat keine Seele - und somit auch fähig zum Verbrechen.

Es ist mir bewusst, dass die Randalierer in London zum größten Teil aus der benachteiligten Schicht des Landes stammen. Die vergessenen Kinder, übersehen von allem oder jedem, nicht fähig, die Bildung zu ergattern, um später in die hohen Schichten der Gesellschaft aufsteigen zu können. Trotzdem will mir die Entwicklung in London nicht wirklich in den Schädel. Es fing alles mit einem Verdächtigen an, der bei einer Verfolgungsjagd von Polizisten (wie wir bis jetzt wissen zu Unrecht) erschossen wurde. Daraufhin wurde protestiert, allerdings friedlich. Und erst DANN kamen einige Nichtsnutze auf die Idee, einfach ganz London in Schutt und Asche zu legen!

Inzwischen gibt es fünf Tote bei diesen Krawallen in und um London. Premierminister Cameron musste sogar tatsächlich seinen Toskanaurlaub dafür abbrechen! Der Mann ist doch echt zu bedauern... nicht nur, dass er sich bis jetzt in seiner Amtszeit als Premierminister als absolut unfähig erwiesen hat, nein, jetzt muss er noch wegen randalierender Jugendlicher seinen Sommerurlaub abbrechen. Das Leben kann doch verdammt ungerecht sein. Wenn die Menschen, denen vermeintlich Unrecht widerfährt, denen, die ein Leben lang auf der Sonnenseite wandern, den ganzen Spaß verderben.

Nun, ich sage "vermeintlich Unrecht" und das aus gutem Grunde. Die Jugendlichen, die diese Zerstörungswut über das Internet anzetteln, sind angestachelt vom Neid auf die Privilegierten des Lebens, die ihren Reichtum schön für sich behalten und mit dem Geld so gezielt um sich schmeißen, dass sie noch mehr Neid erzeugen. Es ist schon nachvollziehbar, dass eine Schicht, die übersehen wird, ausgegrenzt wird, sich dagegen irgendwann mit blanker Gewalt und Zerstörungswut zur Wehr setzt. Die Frage ist nur: warum macht das nicht die gesamte Schicht der Vergessenen? Warum gibt es auf der einen Seite die, die gegen das System ankämpfen, indem sie sich durch das Leben kämpfen und versuchen, etwas zu erreichen... und auf der anderen Seite diejenigen, die einfach trotzig durch die Straßen ziehen und das Hab und Gut von Menschen zerstören, die nicht einmal diesen übergroßen Reichtum besitzen?

Würden die Armen und Geknechteten wenigstens (wie in der Französischen Revolution) den Reichen den Kopf abschlagen und deren Eigentum zerstören, würden sie wenigstens ein Statement setzen, dass der Rest der Menschheit nachvollziehen könnte. Stattdessen gibt es Zerstörung, die Menschen erreicht, die dadurch ihre gesamte Habe verlieren. Geschäfte, die zerstört werden und dadurch den Inhaber bankrott machen. Häuser, in denen Menschen zur Miete leben und deren gesamter Besitz zerstört wird. Hat das wirklich noch etwas mit einem politischen Statement zu tun? Allein das perfide Zusammenschließen der Jugendlichen über das Internet, wo sie als Nächstes zuschlagen sollen... gilt das wirklich noch als Revolution, die für irgendetwas anderes als das Streicheln verwöhnter Seelen gut sein soll?

Man fragt sich allen Ernstes, worüber sich diese Jugendlichen aufregen, dass sie mit so viel Hass und Zerstörung agieren. Regt es sie auf, dass sie sich das neueste iPhone nicht leisten können? Wahrscheinlich den neuesten iPad nicht in der Hand halten werden? Und nach dem Motto: "Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben!" wird alles um sie herum in Brand gelegt?

Die bittere Wahrheit ist, es gibt keinen Grund für solche Krawalle, weil sie nicht das hervorbringen, was eventuell die Motivation gewesen sein könnte. Kein Politiker wird seine Meinung über seine Regierungspolitik ändern, ganz im Gegenteil: die Politiker drohen mit mehr Härte, mehr Strafen und weit weniger Toleranz. Die Polizei wird mit mehr Gewalt auf gewalttätige Jugendliche reagieren und diese werden dadurch noch wütender, weil sie immer noch nicht einsehen, dass sie etwas falsch machen.

Warum sollten sie das auch? Ein Leben lang bekommen sie von den Reichen und der gesamten Gesellschaft vorgelebt, wie reich, schön und klug man sein muss, um auf diesem Planeten überhaupt eine Existenzberechtigung zu haben! Hast du nicht das neueste Produkt aus dem Hause Apple bist du eh uncool. Hast du nicht mit spätestens 25 die halbe Gesellschaft so aufs Kreuz gelegt, dass du als Sieger hervorgegangen bist und alle ausgebeutet hast, bist du es nicht wert, zur Elite zu gehören. Das Problem liegt nicht in der Benachteiligung einiger Menschen, sondern in den Glaubenssätzen, die verbreitet werden.

Wenn man sich eine Gesellschaft anguckt und sie allen Epochen der Zeitgeschichte aussetzt, gab es immer Anführer, die Elite und die Arbeiter. Der Unterschied von gestern zu heute ist, dass die Arbeiterschicht immer weniger einsieht, dass sie für die Elite und die Anführer arbeiten muss, um den Apparat am Laufen zu halten. Ein neues Zeitalter wurde geboren, spätestens seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts: das Gefühl, alles haben zu können, auch wenn man nicht so viel Geld besitzt wie ein reicher Mensch. Schlimmer noch: der Glaube, dass jeder das Recht besitzt, einen gewissen Lebensstandard zu besitzen.

Darüber hatte ich erst kürzlich eine Diskussion, in der jemand meinte, dass uns Deutschen per Grundgesetz ein gewisser "Lebensstandard" zugesichert wird. Ich frage mich allerdings immer noch, ob dieser Lebensstandard einen eigenen PKW, ein eigener PC, ein eigenes Handy und mindestens einmal im Jahr in Urlaub fahren beinhaltet. Und das in einer Welt, in der ein Sechstel der gesamten Weltbevölkerung Hunger leidet. Sicher, wir können nichts dafür, dass andere Länder nicht unsere vorausschauende Politik anwendet (selbst die USA hat gewaltige Probleme damit). Aber müssen alle deswegen gleich den Großkotz raushängen lassen?

Es scheint, als hätten sie die Pflicht dazu. Hinzu kommt, dass die Menschen ständig trotz hoher Bildung immer dümmer agieren, es gilt gar als schick, sich immer blöder anzustellen, um damit immer mehr zu erreichen. Und wenn dumm nicht mehr reicht, dann greift man auf die Arbeitsverweigerung zurück. Die Medien spielen uns täglich vor, wieviel man doch mit so wenig Arbeit erreichen kann, wieviel Geld man verdienen kann und womit man kommen kann, wenn man nicht einmal den Hintern von der Couch hochbewegt.

Oh, man sollte sich nicht täuschen, diese Faulheit wird nicht offen propagiert! Kein Multimillionär wird es müde zu betonen, wie hart er für seinen Reichtum arbeiten muss. Allerdings sage ich immer noch: wenn du genug Zeit hast, über deine harte Arbeit zu reden, dann kannst du gar nicht hart genug arbeiten!

Und wenn dir ein fauler, reicher Mensch vorlebt, wie bequem das Leben sein kann, warum solltest du dann noch für die Volkswirtschaft den Finger krumm machen? Das haben wir von zuviel Bildung und zuviel Förderung: die Kinder der heutigen Zeit sehen es gar nicht mehr ein, arbeiten zu gehen, rein um des Arbeitens willen. Solange sie nicht als Willkommensprämie mindestens einen brandneuen Wagen und ein iPad bekommen, machen sie erst einmal gar nichts. Die Unis sind inzwischen überfüllt (zumindest die im Westen Deutschlands, weil es dort immer noch angenehmer ist zu leben als im Osten), dafür gibt es auf der anderen Seite 60 000 offene Lehrstellen. Dabei ist nicht jede von diesen Stellen einfach nicht gut genug für die Kids, Bewerber wird es wohl geben. Doch den Arbeitgebern sind die Leistungen der Schulabgänger nicht gut genug; es wird also immer mehr Bildung von Schulabgängern erwarten, sich dann aber gewundert, dass die Kids vermeintlich "schlau" genug sind, sich für ein Studium statt eine Berufsausbildung zu entscheiden.

Diese Entwicklung muss in einer Sackgasse enden, nicht nur in brennenden Häusern in London. Ich rede nicht vom Kommunismus wenn ich sage, dass man arbeiten muss, um eine Gesellschaft am Laufen zu halten. Oder dass man arbeiten muss, um sein eigenes Seelenheil zu finden... denn ein Mensch, der gar nichts zu tun hat, wird auf Dauer vor Langeweile sterben (das ist nicht nur ein dummer Spruch, er entspricht sogar der Realität!). Das ist kein kommunistischer sozialistischer Scheiß, sondern entspricht nur Tatsachen.

Wir leben in einer Zeit von Scheingeschäften, Theoriespielchen mit Zahlen, die 1:1 umgesetzt werden in Geldsummen (im Ende so hoch, dass das Kapital als echte Währung gar nicht zur Verfügung steht). Die feste Überzeugung, wir könnten und MÜSSTEN alles besitzen, was es gibt, hat sich so stark verselbstständigt, dass die Welt, in der wir leben, einer Traumseifenblase gleicht, alles in rosarot, nichts wirklich greifbar oder belegbar. Nur die Konsumgüter in unseren Händen sind der Beweis für den "gut funktionierenden Kapitalismus" der westlichen Welt.

Natürlich kann es nicht die Lösung zu sein zu sagen: "Es darf keinen Reichtum mehr geben!", denn sonst würde keiner mehr arbeiten gehen. Wir brauchen das Streben nach dem kapitalen Glück... der Knackpunkt dabei ist, es ist eigentlich egal, wie hoch der erstrebte Reichtum sein soll. Die Zeiten, in denen 1 Millionen Dollar als Vermögen galt, sind nur vorbei, weil wir in unserem ständigen "Fortschritt" meinten, den Wettbewerb auf neue Spitzen treiben zu müssen. Aus 1 Millionen als Vermögen wurden 20 Millionen, dann 100 Millionen in den 90er Jahren, inzwischen gilt als erstrebenswert reich, wer 1 Milliarde besitzt. Bruno Mars sang "I wanna be a billionaire so f*cking bad!" - anscheinend haben die Leute, die seine Platte gekauft haben, den Song zu wörtlich genommen. Mal ehrlich: wenn man reich sein möchte, würde 1 Million doch auch reichen, oder? Nicht, wenn man alles haben will... aber um satt und glücklich zu werden würde diese Summe bei guter Einteilung schon reichen.

Womit Schluss sein muss, ist das Leben in einer Fantasiewelt mit Fantasiekapital, mit denen man reale Menschen und reale Konsumgüter kaufen kann. Wettbewerb und Bildung sind nur gut, solange er nicht zerstörerisch gegen sich selbst wirken. Und genau das tun sie gerade - im Positiven in nordafrikanischen Staaten, wo gebildete Menschen Freiheit und Demokratie fordern. Und im Negativen in Großbritannien, wo Schichten beginnen die Demokratie, wie sie derzeit stattfindet, als lästiges Übel anzusehen, das ausgemerzt werden soll.

Dieses Denken zieht sich auch durch eine (oder mehrere) Generation(en) von Menschen, die denken, dass der Wohlstand an ihnen vorübergezogen ist. Satt werden oder gesund sein reicht nicht mehr, es geht um den ultimativen Wohlstand, das Gefühl, vor lauter pappsattem Gefühl mit allem um sich schmeißen zu können. "Römische Dekadenz" nannte Guido Westerwelle das und nutzte den Ausdruck im Zusammenhang mit Hartz IV-Empfängern. Ich benutze ihn für die gesamte westliche Welt, die sich einbildet, das Leben ist nur dazu da, um mit allem im Überfluss um sich zu werfen. Das Gefühl zu hungern, mit Geld wirklich knapp kalkulieren zu müssen, kennen die Menschen zwar, aber in einem völlig anderen Maßstab als z. B. in afrikanischen Armutsstaaten.

Man mag das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, im Zusammenhang mit Krawallen verstehen. Doch die, die sich an solch sinnlosen Taten beteiligen, wägen nicht die Konsequenzen ab. Für sich selbst eventuell, aber nicht für die Schicht, die sie mit repräsentieren, die mit in den gleichen Dreck von verbrecherischem Tun abgestempelt werden. In London macht sich dieser Tage wieder einmal der Rassismus breit, weil Schwarze jetzt potenziell alle als Krawallmacher gelten. Arme Menschen werden durch die Taten dieser Woche weit mehr ausgegrenzt und als Übeltäter abgestempelt.

Das Traurigste daran mag nur sein, dass nur durch solche Konsequenzen das Denken bei den Tätern einsetzt... im Wissen zu leben, dass die Krawalltaten von London völlig sinnlos waren. Sie haben weder den unschuldigen Mann gerächt, der von der Polizei erschossen worden ist, noch haben sie einen Standpunkt für ihre benachteiligte Gesellschaftsschicht geschaffen. Es ist alles nur Schutt und Asche und Asche und Schutt - mit vielen Leidtragenden und noch mehr uneinsichtigen Reichen, die meinen, ihr Lebensstil in der Dekadenz wäre genau der Richtige.

In diesem Sinne - an alle Leser des Blogs fernab von der Gewalt wünsche ich ein krawallfreies Wochenende. Bis nächsten Freitag!

LG Gene :-)

Freitag, 5. August 2011

"Die aktuelle Sündenwoche" - 7. Tag: Sonntagspolitik

Es ist soweit: der Kreis schließt sich, die Woche endet. Die glorreichen sieben Blogeinträge zur Todsündenreihe wird heute komplettiert. Und das Thema könnte zu den Ereignissen, die sich fernab vom Spießerleben eines jeden von uns abspielt, gar nicht sein... Politik! Eigentlich wiedermal eine glatte Steilvorlage, allein schon den Sonntag in Zusammenhang mit der Politik zu nennen könnte jetzt allerlei Sprüche aus den Herzen eines jeden Wählers und Nichtwählers sprechen lassen: allein der Vergleich vom "Sonntagsfahrer" zum "Sonntagspolitiker ist ja schon Gold wert! "Politiker benehmen sich doch ein Leben lang, als würde sie nur sonntags Politik machen!" Zumindest eins ist in diesem Zusammenhang passend: erst vor wenigen Wochen schlug Andrea Nahles, ihres Zeichens Generalsekretärin der SPD, einen politikfreien Tag pro Woche vor. An diesem Tag soll (fast schon bibeltreu!) die Arbeit, die verbalen Hetzkampagnen etc. der Parteien untereinander ruhen. Und welcher Tag bietet sich da eher an als der Sonntag, von dem Gott schon gesagt hatte, dass an ihm sämtliche Arbeiten ruhen sollen? So sei es denn auch in dieser Sommerlochserie: der Politik gehört die letzte Todsünde, damit auch der Sonntag und gleichzeitig der letzte Platz bzw. Blogeintrag.
Doch zunächst mal wieder auf Anfang!

Ja, der Ruf des Politikers ist nicht zum Besten bestellt - und das ist kein nationales Problem, es ist ein Problem ihres Rufes. Wahrscheinlich gibt es kein Land auf diesem Planeten, in dem die Wähler mit ihren gewählten Stellvertretern in Regierungseinrichtungen wirklich zufrieden wären. Es ist wesentlich schwieriger, eine für die Masse zufriedenstellende Regierung zu formen als einen beispielsweise religiösen Stellvertreter. Vielleicht ist den Menschen die Politik wichtiger als die Religion und deswegen erhitzen sich sämtliche Gemüter beim Thema Politik so stark...? Nun, es ist mehr ein Gedankengang als eine Tatsache, denn immerhin kann auch die Religion Gemüter stark erhitzen (wie ich schon letzte Woche angesprochen habe!). Doch das Potenzial, die Gemüter in politischer Hinsicht überkochen zu lassen, ist weitaus stärker als das Einfordern von religiösen Wahrheiten und der Anspruch auf das ultimative Wissen im Religionskampf. Es liegt wahrscheinlich am gewaltigsten Unterschied zwischen Religion und Politik: Religion gründet sich auf Glauben, Politik auf (vermeintliches) Wissen.

Politik handelt vor allem von Fakten, vom Kampf für eine angeblich gerechte Welt, in der die wirtschaftlichen und menschlichen Interessen eines jeden Bürgers vertreten und Ernst genommen werden. Wenigstens ist das in demokratischen Staaten die Grundmaxime. Ob sie wirklich eingehalten wird, das steht auf einem ganz anderen Blatt... an die Politik zu glauben ist schließlich genauso tödlich, als in der Religion zu "wissen". Nicht umsonst sind "Kirche und Staat" getrennt, die Grundfesten sind einfach zu unterschiedlich. Auf der anderen Seite (wenn man vom Grundsatz eines jeden Themas im Leben geht) hat alles seinen gleichen Ursprung.


Das gleiche Problem stellt sich, wenn man sich die Parteien und ihren Kampf um die Politikkrone ansieht. Es könnte doch alles so einfach sein: Politiker gehen in ihren Beruf, um das Volk möglichst befriedigend zu vertreten. Aber gleich dort tauchen die ersten Probleme auf: wo mehr als ein Mensch zusammenkommt, gibt es Streit, weil es unterschiedliche Meinungen gibt. Also vertreten unterschiedliche Politiker mit unterschiedlichen Grundsätzen unterschiedliche Schichten und Ansichten in der Bevölkerung. Und genau dafür gibt es das Parteiensystem, in dem sozusagen Politiker mit anderen Politikern beruflich verheiratet werden - es soll ja schließlich zusammenkommen, was zusammen gehört.

Aber wie in jeder vernünftigen guten Ehe der Neuzeit bleiben Scheidungen und Neuverheiratungen nicht aus. Deswegen geschieht oft auch ein politisches "Bäumchen wechsle dich!"-Spiel statt. Zugegeben, es kommt weitaus weniger häufig vor, dass ein Politiker seine Partei wechselt als sich ein Mensch von seinem Partner scheiden lässt. Es ist an diesem Punkt doch wieder der Vergleich zur Religion passend... schließlich gibt es auch nicht so viele Menschen, die ihre Religion im Laufe des Lebens wechseln. Eher sind sie mit der Zeit uninteressiert an ihrer eigenen Religion; so in etwa funktioniert es dann auch mit der Politik. Ein Politiker verlernt in seinem Leben auch die Fähigkeit, an seiner eigenen Politik wirklich interessiert zu sein.

Woran das liegen mag? Wahrscheinlich an der von Gandhi beschriebenen, siebten Todsünde der Modernen Welt: Politik ohne Prinzipien.

Wenn ein Mensch sich entschließt, in die Politik zu gehen, tut er das, weil er ein Ziel hat: er will die Welt verändern, verbessern und das Volk, zu dem er dazugehört, zufriedenstellen. Dieses Ziel eint alle, ob sie zum politisch rechten, linken, mitte-rechten oder mitte-linken Flügel gehören - oder ob sie von der FDP sind. Dass es unterschiedliche Meinungen gibt und unterschiedliche politische Ansichten, ist dabei so klar wie dass das Amen ein Gebet abschließt.

Inwieweit diese politischen Ansichten bei extrem-rechts oder links jetzt sinnig oder unsinnig sind ist gar nicht mal so sehr Teil dieser Diskussion. Eine Demokratie hat schließlich den Sinn und Nutzen, dass dort jeder seine Meinung frei äußern darf - auch wenn sie uns manchmal nicht gefallen dürfte. Das trifft dann auch auf die Politik von rechtsextremen Parteien zu: so wenig dem Großteil der Bevölkerung diese Meinungen und Weltansichten gefallen, es gibt Leute, die so etwas hören wollen, die sich durch Politiker rechtsradikaler Parteien würdig und gut vertreten fühlen. Diese Tatsache ist zwar für jeden freiheits- und gleichheitsliebenden Menschen traurig mit anzusehen, aber leider Teil des demokratischen Gedankens.

Wie gesagt, ich möchte jetzt nicht über Rechts oder Links diskutieren, viel mehr beschäftigt mich der Zeitpunkt, ab dem Politiker ihre Prinzipien verlieren. Zwar heißt die Todsünde "Politik ohne Prinzipien", aber für eine prinziplose Politik bedarf es Menschen, die bei der Sache mitmachen. Und passenderweise müssen das Politiker sein, denn nur die gestalten in erster Linie die Politik eines Landes. Aber wo verlieren sie ihn, ihren beruflichen Lebensweg, die Grundsätze, durch die sie in die Politik kamen?

Ein Mensch muss (trotz viel Wissen) an die Sache glauben, für die er sich einsetzt. Damit wären wir schon wieder bei einer Parallele zur Religion. Und schon wie Jesus, als er sich in die Wüste zurückzog um für 40 Tage und Nächte zu fasten, ist auch ein Politiker allerhand Verführungen ausgesetzt. Die Wirtschaft ernährt nicht nur uns alle, sondern auch die Politiker - zunächst über uns, die wir mit unseren Steuern die immer weiter steigenden Gehälter bezahlen, später durch hohe Positionen in Wirtschaftsbereichen oder großen und reichen Konzernen. Und nach Scharen von Politikern, deren politische Karrieren immer kürzer und die Positionen in wirtschaftlich lukrativen Unternehmen immer höher werden, ist man zwangsläufig der Frage ausgeliefert: hatten die Politiker überhaupt je Prinzipien?

Früher hatten sie sie. Das zeigt sich, wenn man sich mit der Geschichte der Politik befasst. Natürlich gab es auch Politiker, die gravierende Fehler gemacht haben und es gibt auch sehr dunkle Kapitel der Politikgeschichte. Doch gerade, als ich mir den Film "Kapitalismus - Eine Liebesgeschichte" von Michael Moore angesehen habe, wurde mir klar, dass es revolutionäre Ideen in der Vergangenheit gab, die verworfen wurden und nie wieder eingeführt wurden. Und das trotz aller Bildung, die die Menschheit in der heutigen Zeit hat.
"Das Recht auf Arbeit für jeden Bürger!", "Das Recht auf Wohlstand!", "Das Recht auf Sicherheit"... sollten eigentlich in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika gegeben sein. Das Recht, dass der eigene Besitz nicht einfach von gierigen Banken unter fadenscheinigen Ausreden weggenommen werden kann. Doch das geschieht Tag für Tag. Seit der Bankenkrise im Jahr 2008 hat sich die gesamte Welt verändert, das Finanzsystem gilt nicht mehr als die Grundfeste, die unser Leben sicher steuert, die regelt, dass wir unser hart verdientes Geld anlegen können und einen utopisch hohen Gewinn durch Investitionen an der Börse oder Zinserträge aus Sparanlagen erreichen.

Die Bankenkrise 2008 hatte Befürchtungen erweckt, die sich heute bestätigen. Dass es nicht damit getan ist, die Banken durch milliardenschwere Hilfspakete zu retten, sondern dass mit der Zeit immer größere Probleme auf uns zukommen würden. Und gerade zeigt sich dies, in der Euro-Krise in Europa sowie in der Staatspleite in den USA, die am Montag noch kurz vor knapp abgewendet wurde. Zwar waren die Wohlstandsstaaten allzu bereit, die Banken durch großzügige Rettungspakete vor der absoluten Pleite zu bewahren, aber dass das umgekehrt genauso laufen würde war wohl eher Wunschdenken aller Nicht-Banker.

Des Pudels Kern wird in der Angelegenheit "Staatspleite in den USA" gesucht und ist so schnell gefunden: die Reform des Steuerrechtes wurde zu Gestalten versucht, zum Ableiten der Staatspleite und zum Wohl der gesamten Bevölkerung. Und an dieser Stelle merkte man im Streit zwischen Demokraten und Republikanern mal wieder, dass die Politiker entweder nie Prinzipien hatten oder auf ihrem Weg zur Macht verloren haben. Denn warum sonst wurde das Pokerspiel um die Reform derart lange ausgereizt, Interessen überreizt vertreten, Gegenvorschläge grundsätzlich abgelehnt - und das gegenseitig. Entweder die Demokraten wollten ein gerechteres Steuersystem mit Einbezug einer höheren Reichensteuer, das wiederum wurde mit Nachdruck von den Republikanern abgelehnt. Die wollten höhere Steuern, aber die 1% der Superreichen Amerikas mussten auf jeden Fall geschont werden.

Und die radikale Tea Party, eine Splitterbewegung, die aus der republikanischen Partei entstanden ist? Die war grundsätzlich gegen alles, egal was gesagt wurde. Selbst wenn die Demokraten gesagt hätten, die Sonne geht im Osten auf, die Tea Party hätte dem mit Nachdruck widersprochen. Wieso? Weil sie es kann, weil der Wähler sie in das Repräsentantenhaus gewählt hat, ohne zu wissen, was die Tea Party wirklich repräsentiert, wofür sie sich wirklich einsetzt... sie wurde aus Frust gewählt, Frust der Wähler über die Versprechen Obamas, dass der Wandel geschieht und den Frust über die Republikaner, die alles boykottieren aber in Wirklichkeit selbst kein besseres Rezept für Amerika haben. Vor allem aber die Tatsache, dass der "Beste amerikanische Präsident aller Zeiten", George W. Bush jun., das Land erst in diese tiefe Krise geritten hat mit unbändigen Geldausgaben für Kriegseinsätze mit absoluter Steuersenkung für die Superreichen obendrauf.

Bei George Dabbelju kann man allerdings sagen, dass der wohl nie wirklich Prinzipien hatte, was die Politik betraf. Dadurch fiel es ihm auch nicht schwer, die nicht vorhandenen Prinzipien bei jeder Gelegenheit über Bord zu werfen. Das Gewissen dem hart arbeitenden, an der Armutsgrenze lebenden Amerikaner gegenüber hatte er durch seine Zugehörigkeit zu den Republikanern nie gehabt, doch selbst für republikanische Verhältnisse stapelte George W. Bush sehr tief, indem er die Steuer für die Superreichen auf ein Minimum beschränkte und andererseits das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster des Weißen Hauses schmiss.

Macht's Obama nun besser? Wenigstens gibt er vor, Prinzipien zu haben. Und man glaubt es ihm, leider hat er so viel Gewissen und so viele Prinzipien, dass ihm das für Amerika hässliche Wort "Sozialist" angehaftet wird. Die Republikaner versuchten im Wahlkampf 2008 Obama als den neuen Karl Marx Amerikas abzustempeln, weil er sich für soziale Gerechtigkeit aussprach. Warum das nun etwas Schlimmes war, müssten mir die Republikaner erst einmal erklären... ach ja, richtig: weil Kapitalismus etwas Wunderbares ist! Das Recht, zu arbeiten und damit endlos reich zu werden...

Der Knackpunkt ist wohl gefunden: Politik ist heutzutage weltweit zu sehr mit Kapitalismus verknüpft! Egal, ob es sich um eine Demokratie oder eine Diktatur handelt, das Hauptbestreben von Politikern ist das Erreichen des höchstmöglichen Reichtums in kürzester Zeit. Obgleich die politische Macht eigentlich etwas Gutes an sich haben sollte: das Bestreben zur Zufriedenheit aller durch die Mitgestaltung in einem politischen System. Aber diese Befriedigung ist zu gering für Menschen, die kapitalverwöhnt sind, denn wer möchte schon die Dankbarkeit des Volkes für eine gelungene Politik? Das ist ja genauso, als wäre man ins Kloster gegangen, um sich seinem Nächsten in Barmherzigkeit zu widmen.

Nein, wer Politiker wird, will auch etwas davon haben. Und das ist immer früher der Fall. Dabei ist es auch inzwischen egal, ob die Politik das Volk/den Wähler zufriedenstellt, man kann es ja schließlich nicht jedem Recht machen. Also richten sich die Politiker immer mehr nach der Wirtschaft, Vorstandsvorsitzenden von Großkonzernen und Banken, die ihre Interessen wiederum am Besten vertreten wissen wollen. Wie hieß es in dem Film "Kapitalismus" noch? Es ist laut einem Referendum der Großbanken an ihre Aktieninhaber (sprich: dem 1% der Superreichen des Landes) unfair, dass jeder Bürger des Landes eine Stimme hat. Damit haben die Superreichen auch nur eine Stimme, auch wenn sie zusammen über mehr Kapital im Land verfügen als 90% der Restbevölkerung zusammen. Was eine Ungerechtigkeit! Gott sei Dank gibt es Politiker, die sich beeinflussen lassen vom blumig-sanften Geruch des Geldes. Dank diesen Politikern kommt die Gerechtigkeit zu den Superreichen zurück.

Wie das funktioniert? Ein Politiker mag dem Superreichen nicht eine Vollmacht für unbegrenzt viele Stimmen an der Wahlurne geben, dafür lässt er die Wirtschaftsbosse kräftig in der Politik mitmischen und sorgt dafür, dass Politikreformen immer so ausfallen, dass die Reichen als die Zufriedenen aus dem Reformkrieg hervorgehen. Steuererhöhungen gehen damit grundsätzlich an den Reichen vorbei, als Ausgleich dafür gibt es ein paar Erdnüsse in Form von minimalen Steuersenkungen für das Durchschnittsvolk, die dann wiederum dazu führen, dass die Staatskassen immer leerer werden. Das Staunen darüber ist groß - aber solange die Reichen nicht einsehen, dass sie geben müssten, um den Staatsapparat mit am Leben zu halten, wird sich nicht viel ändern.

Der Politiker, der jeweilig diese abenteuerlichen finanzpolitischen Beschlüsse fast, ist seinerzeit gar nicht lange genug im Amt, um ein Gewissen für seine eigene Politik zu gewinnen. Und damit bleiben die Prinzipien auch im unterbewussten Keller, wo sie hingehören. Prinzipien helfen nicht weiter, sie könnten nur helfen, eine gute Politik zu schaffen. Das Problem ist allerdings, dass eine gute Politik nicht nötig ist, um später in einer guten Wirtschaftsposition zu enden.

Bestes Beispiel und damit "Politiker der Woche" wäre in dieser Theorie Stefan Mappus. Der hatte in diesem Jahr bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg den CDU-Karren mächtig in den Kuhmist gefahren und für den revolutionären grün-roten Regierungswechsel gesorgt. Nach 58 Jahren politisch schwarzem Regieren in Baden-Württemberg war alles vorbei - aber nur, weil Stefan Mappus in Führungspositionen absolut unfähig ist, heißt das nicht, dass er jetzt arbeitslos enden sollte!

Genau deswegen wurde auch diese Woche bekannt, dass er in einer Führungsposition im Ausland für den Pharmakonzern Merck arbeiten wird. Und das wahrscheinlich nicht zum Nulltarif. Wie gesagt, kein Politiker geht ins Kloster und der Faktor Geld wird wohl dafür der ausschlaggebendste Grund dafür sein. Bemerkenswert ist wie gesagt nur, dass ein Normalo, der in seinem Beruf versagt, auf ewig gebranntmarkt sich durch die Arbeitswelt kämpfen darf. Ein Wirtschaftsboss oder Politiker kann dies immer wieder tun, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Und wahrscheinlich wird dies auch munter weiter gehen, weil wer keine für ihn fatalen Konsequenzen zu befürchten hat, wird unvorsichtig und riskiert mehr, als er überblicken kann. Die Scherben auffegen bleibt dann dem unterbezahlten Bürger überlassen.

Damit bewegt sich die Sommerlochserie langsam aber sicher auf ihr Ende zu. Es gäbe noch viel mehr über die Politik und ihre Eigenarten zu schreiben, aber dafür gibt es noch so viele potenzielle Blogeinträge, dass es schon jetzt weh tun darf. Denn idiotisches Verhalten in der Politik stirbt nicht aus.

Ich bedanke mich in aller Form bei allen interessierten Lesern, die mit mir auf die Reise zu Gandhi's "Todsünden der Modernen Welt" mitgekommen sind. Es bleibt dann wohl nur die Hoffnung, dass die angesprochenen Themen nicht zu schnell in die Schublade des Vergessens geraten.

In diesem Sinne wünsche ich ein schönes Wochenende und die beruhigende Nachricht (vor allem für mich!), dass das TV-Sommerloch fast vorüber ist. Es besteht also Hoffnung, auch in vielen anderen Bereichen ;-) Bis zum nächsten Freitag!

LG Gene :-)

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