Sonntag, 23. September 2012

Olympische Sommer(loch)spiele 2012: 3. Golddisziplin: 25 Schuss/s Wettschießen

Die Paralympics 2012 sind am Sonntag mit einer rauschenden Party als Abschlussfeier beendet worden und auch wenn ich Coldplay als musikalischem Act so gar nichts abgewinnen konnte, fand ich die Inszenierung an sich passend und einfach wunderbar anzuschauen. Eins werden die Paralympics in London bewiesen haben: sie gehören nicht mehr zur kleinen Stiefschwester der Olympischen Spiele, sondern haben sich etabliert als ganz eigenes Happening. Wenn das kein Erfolg ist, weiß ich es auch nicht.

Auch das Sommerloch neigt sich langsam aber sicher seinem Ende zu: die Kinder gehen wieder zur Schule, die Arbeitnehmer kehren einigermaßen vollzählig aus ihrem Sommerurlaub zurück. Sogar das Fernsehprogramm ist wieder überfüllt mit Sendungen, die man sich antun kann (und mindestens doppelt so vielen, bei denen man es getrost sein lassen kann!).

In dieser Woche beschäftigt mich (quasi zum Einläuten in den Herbst) der 11. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001. So kryptisch, wie dieser Jahrestag auch anmuten mag, er kennzeichnet sich wohl als "der Jahrestag, an dem die Anschläge schon fast wieder vergessen sind". Erinnert man sich noch an die letzten Jahrestage in den letzten 10 Jahren, so war das Gedenken mit einem riesigen Aufstand, vielen Dokumentationen und Leidensberichten rund um das Ereignis verbunden. In diesem Jahr? Nichts! Es gab Berichte am gestrigen Tag über die Gedenkfeier am Ground Zero, die gleiche Prozedur wie in den anderen Jahren zuvor. Und doch... es verwundert, wie wenig im Fernsehen allgemein über die Anschläge berichtet wurde. Sollen wir die Ereignisse einfach gehen lassen, weil wir weiterleben, weil eben alles irgendwie weiterläuft, egal, was gestern passiert ist?

Das Gedenken für die Opfer des 2. Weltkrieges wird auch fast 70 Jahre danach am Leben gehalten, zumindest wird alles dafür versucht. Sicher, der 2. Weltkrieg hat von der Opferzahl her eine völlig andere Dimension als die der Anschläge vom 11. September, trotzdem galt 9/11 als der größte Schock für die moderne Gesellschaft seit der Jahrtausendwende. In diesem Jahr nun scheint es, dass 9/11 in die Geschichte eingeht und dort vor sich hin schimmelt, zumindest hat der gestrige Gedenktag viel von der Naturgewalt der Vorjahre verloren. Die Menschen scheinen weitergegangen zu sein, vielleicht sind sie gewachsen, vielleicht wird es ihnen aber auch dem Anschein nach mehr und mehr egal, was vor 11 Jahren in New York City geschah.

Andererseits... kann man das Ganze wirklich als Gleichgültigkeit bezeichnen? Ein Mensch ist so lange einer Sache nicht gleichgültig gegenüber, solange er an sie denkt? Wenn das wirklich der Fall wäre, wären wir wahrscheinlich früher oder später allen Dingen gegenüber gleichgültig. Vielleicht sollte man die sinkende Aufmerksamkeit auf den 11. September einfach als Abschluss mit der Sache an sich sehen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt versuchen die Menschen einfach weiterzuleben, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Genau da beginnen die Menschen, die Opfer von Kriegen oder Anschlägen zu vergessen: es kommen neue Menschen auf uns zu, werden in diese Welt hineingeboren und treten damit in unser aller Leben. Es wäre schlichtweg überfordernd für Jedermann, wenn wir uns auf alle Menschen, die waren, sind und sein werden gleichzeitig konzentrieren würden.

Ich gestehe, so wenig ich auch mit dem Hype um die vergangenen Jahrestage der Anschläge von 9/11 anfangen konnte (obwohl ich selbst auch viele ergreifende Dokumentationen zu dem Thema gesehen habe!), so sehr mache ich mir ab einem gewissen Punkt Gedanken um die Konsequenzen, die dieser eine Tag auf die Weltgeschichte hatte: die Kriegseinsätze in Afghanistan, später auch im Irak (alles in die Wege geleitet von George W. Bush) wurden in dem Versuch gestartet, die Länder aus der Diktatur und dem Terror der al-qaida zu befreien. Was ist daraus geworden? Der Demokratieversuch kann in beiden Ländern als durchwachsen bis gescheitert angesehen werden und so sehr sich die Politiker auf dem nationalen und internationalen Parkett bemühen, so viele Soldaten in diesen Ländern auch eingesetzt wurden, die Al-qaida hat immer noch ihre Stärke und demonstriert täglich durch Terroranschläge im kleineren Rahmen ihre Macht.

Die Welt kocht wieder einmal über, vergesst die Anschläge vom 11. September, das von einem radikalen koptischen Christen produzierte Hassvideo gegen Mohammed ist nun Zündstoff für neue Religionskriege. Westliche Botschaften wurden angezündet, es wurde demonstriert und es gab Tote. Allein dadurch zeigt sich schon, wie weit wir von der Vernunft und der Weisheit, die uns allen eigentlich zustehen müsste bei aller Aufklärung und Weltoffenheit, weg sind. Am Ende eines jeden Tages gibt es Konflikte, speziell über die Religion. Nichts entfacht solch ein Lauffeuer wie die Gretchenfrage "Wie hast du's mit der Religion?". Wobei inzwischen nicht mehr nur die Frage ist, was man eigentlich glaubt, sondern, ob man auch das Richtige glaubt. Radikale Moslems meinen, dass nur sie dem richtigen Glauben folgen. Radikale Christen denken genauso, allerdings beanspruchen sie für sich das Allwissen in der Religion und die Richtigkeit ihres Glaubens. Diese Liste kann eigentlich für jede andere Religion weitergeführt werden, denn egal ob Jude, Hindu oder sogar Buddhist: wenn ein Glaube sich in radikale Formen wandelt, ist der Platz für Toleranz in den Herzen ausgelöscht.

Kriege werden heute weitaus weniger wegen der Frage um Gebietsansprüche oder Geld geführt, es geht immer und immer wieder um die Religion. Die Schranken in den Köpfen der Beteiligten werden dabei immer enger und es geht immer öfter um Vernichtung. Ist das die neue Methode, mit der das Übermaß in der Weltbevölkerung reduziert werden soll? War der 11. September 2001 eigentlich nur der Anfang der Neuzeit in der Vernichtung ganzer Menschengruppen?

Die Rassen- oder Religionstrennung ist in der Geschichte fest verankert und auch in den Köpfen der meisten aufgeklärten Menschen immer noch präsent, aber haben wir daraus überhaupt etwas gelernt? Man darf seine Zweifel haben, die Weltreligionen arbeiten noch lange nicht zusammen und schließen sich zu einem friedlichen Nebeneinander zusammen, stattdessen geht es immer und immer wieder um die Frage "Wer hat nun mehr Recht?". Wenngleich: dieses Problem besteht nicht ausschließlich in der Religion, im weltlichen Gegenstück, der Politik, geht es ähnlich zu. Gerade darf die Welt im Höhepunkt des amerikanischen Wahlkampfes dabei zusehen, wie die Spitzenkandidaten Obama und Romney sich gegenseitig die Schuld am Elend in der Welt geben, wobei Romney weitaus aggressiver gegen Obama vorgeht als umgekehrt und sich dabei schon längst in das eigene Knie geschossen hat. So sehr Romney mit Populismus auch auf den Zuspruch der Wählerschaft hoffte, reagiert die Allgemeinheit in den USA verstimmt, wenn der Herausforderer im Wahlkampf in einer außenpolitischen Krise auf den Amtsinhaber einprügelt. Kritik am Amtsinhaber darf sein, aber in Krisenzeiten stehen die Amerikaner zusammen, egal, ob es sich dabei nun um einen Republikaner oder Demokraten handelt. 

Aber zurück zum eigentlichen Thema, der Golddisziplin "25 Schuss/s Wettschießen". Es läuft durch alle Konfliktsituationen der letzten Zeit alles wieder auf einen neuen Krieg hinaus. Wo er stattfindet, wer die Beteiligten sein werden und worum es gehen wird, ist bis jetzt nicht genau abzusehen. Der Religionskonflikt wird mit aller Wahrscheinlichkeit nach die größte Rolle im neuen Krieg spielen und die Ausmaße dieses Krieges werden die des derzeit stattfindenden Krieges in Syrien bei weitem übertreffen. Eine Seite (meist die radikalen Muslime) lassen sich gerne provozieren, eine andere Seite (fanatische Religiöse anderer Glaubensrichtungen) provozieren gerne. Fertig ist der Konflikt, der viel Blutvergießen mit sich bringt.

Es fiel mir in der vergangenen Woche auf, wieviel Zeit wahrhaft Religiöse in ihren Hass gegen alle, die nicht das Gleiche glauben wie sie selbst, investieren. Scheinbar steht die Zeit in den Ländern, in denen gerade so intensiv auch gewalttätig demonstriert wird, still, denn zu arbeiten brauchen diese Leute wohl nicht, Geld brauchen sie nicht, zu Essen haben sie wohl (aus welchen Gründen auch immer) genug, ohne dafür 12 Stunden am Tag arbeiten zu müssen. Ehrlich gesagt ist es mir ein Rätsel, woher diese Menschen für so etwas "Banales" wie Religion haben.

Bevor ich nun den Zorn aller Religionsfanatiker auf mich ziehe, sage ich es frei heraus: 1. das Wort banal steht in dem Vorsatz in Anführungszeichen. Will heißen: ich persönlich empfinde Religion an sich nicht als banal, den Kampf um die Religion allerdings als mehr als banal, wenn nicht sogar schwachsinnig. 2. Religion ist nicht greifbar, also kann man theoretisch auch nicht darüber argumentieren oder Kriege darum führen. Es ist eine einfache Logik: wenn in früheren Zeiten Kriege wegen Geld oder wegen Land geführt wurden, gab es im Ende immer jemand, der gewonnen hat. "The winner takes it all" - so leidenschaftlich, wie ich die Musik von ABBA hasse, aber der Songtitel ist wahr: wer einen Krieg gewinnt, streicht die Kohle ein oder ist neuer Landbesitzer. Jetzt aber die Frage: wenn ein Krieg um die "einzig wahre und richtige Religion" geführt wird, wie wird dann entschieden, wer Recht hat? Natürlich ist auch "Unterdrückung" das Stichwort, das gab es auch schon beim Krieg um Grund und Boden. Eine Gruppe hat in aller Regel den Boden in Besitz genommen und hat die gegnerische Gruppe entweder vertrieben oder unterdrückt.

Also: was geschieht in solch einem Krieg um die Religion? Müssen dann alle, wenn z.B. die Radikalmuslime den Krieg gewinnen, zum Islam konvertieren und diejenigen, die sich weigern, werden getötet? Unwahrscheinlich ist dieses Szenario nicht und es wirkt, als wären die Religionsfanatiker genau darauf hinaus.

Um das Gedankenspiel mal zu Ende zu spielen: der Welt wäre nicht gedient, wenn nun endlich der Konflikt der Religionen endet, eine Religion gewinnt und alle anderen eliminiert. Der Planet wird nicht dadurch gerettet, dass alle Menschen sich nach einem Religionsführer richten, sei es nun der Koran oder die Bibel oder welches Buch auch immer gewählt werden wird. Es werden dadurch weder Umweltprobleme gelöst noch Wirtschaftsprobleme, die Menschheit wird durch den Religionskrieg zwar reduziert, aber vernünftiger wird sie dadurch nicht.

Viel entscheidender als die Gretchenfrage wäre doch, wie wir vorgehen wollen im Zerfall des Planeten und in der uns drohenden Umweltkatastrophen, die viel mehr Menschen als jeder Krieg dahinraffen werden. Wie ich allerdings jeden Tag aufs Neue einsehe, ist die Menschheit immer noch nicht bereit für diese Gedankenspiele und Diskussionen, also endet an dieser Stelle (vorläufig!) das Gedankenspiel.

Nun die alles entscheidende Frage des Blogs: wer gewinnt nun die Goldmedaille in dieser Disziplin bei den Sommerlochspielen? Zweifelsohne, wenn wir bedenken, dass der nächste Krieg Religion als Leitmotiv führen wird, geht die Goldmedaille zweifelsohne an Religionsfanatiker, die in ihrer Idiotie das Leben nicht verstanden haben und sich in einen kleinen Anteil der menschlichen Philosophie verbissen haben. Offen bleibt wohl nur, welche "Religion" Gold gewinnt. Religion steht in diesem Fall in Anführungsstrichen, weil der Fanatismus keine der eigentlich vorgeschobenen Religionen widerspiegelt. Vom derzeitigen Stand wird Gold wohl an die Al-Qaida gehen, die es wie keine zweite Radikalgruppierung versteht, Tatsachen zu verdrehen, Unschuldige ohne Sinn und Verstand zu ermorden und die Welt ohne eigentlichen Sinn in Angst und Schrecken zu versetzen. Es wird mir wohl ein Rätsel bleiben, warum es solch eine Radikalgruppierung gibt, genauso wenig wird sich mir erschließen, warum es Nazis gibt oder allgemeine Intoleranz gibt. Wir müssen wohl einfach damit leben lernen, ab und zu den Mund aufmachen und uns mit Worten statt mit Waffen wehren, wo es geht und ansonsten hoffen, dass die 25 Schuss/s im Wettschießen nicht uns treffen, besser noch: dass sie niemanden treffen.

In diesem Sinne wünsche ich allen Bloglesern eine schöne neue Woche und bis zum nächsten Blogeintrag.

LG Gene :-)

PS: Dem geneigten Leser wird aufgefallen sein, dass sich dieser Blogeintrag eigentlich in zwei zeitliche Teile aufteilt. Das kommt nun mal dabei heraus, wenn man einen Blogeintrag zu Ende schreiben möchte, weil man das Thema wichtig findet, allerdings keine Zeit hat, ihn zeitnahe zu beenden.

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