Mittwoch, 5. September 2012

Olympische Sommer(loch)spiele 2012: 2. Golddisziplin: 100 m Glücksjagd

In dieser Woche startet in London die 2. Olympische Runde, mit anderen Worten: die Paralympics stehen in Großbritanniens Metropole auf dem Plan. Grund genug, hier weiter an der Sommerlochserie zu feilen (immerhin ist es jetzt auch wieder legitim, über Olympische Spiele zu schreiben).

Man muss sagen, es ist trotz allem immer noch eine große Ungerechtigkeit, dass die Paralympics im Ende nur die Stiefschwester der großen Olympischen Spiele für die "Normalos" darstellen. Sport und Behinderungen gehören genauso zusammen wie Sport und Gesundheit, man ist nicht krank, weil man einen körperlichen "Nachteil" hat und damit ist es schon fast wieder ein Skandal, dass die Leute lieber den "Gesunden" bei sportlichen Wettkämpfen zusehen und der Fokus der Aufmerksamkeit immer auf ihnen liegt. Von der Ungerechtigkeit, dass ein Athlet bei den Paralympics eine geringere Goldprämie vom Bund erhält als ein Athlet bei den Olympischen Spielen. Die Paralympics stehen anscheinend im Ruf, in irgendeiner Weise minderwertiger zu sein, was schade ist. Vielleicht widme ich genau deswegen dieses  Thema heute den paralymischen Athleten.

Vor gut einer Woche habe ich eine Dokumentation zum Thema "Glück" im Fernsehen gesehen. Es ging darum, ob das Glück an sich fassbar ist, neurologisch erklärbar oder warum einige Menschen auf diesem Planeten so viel glücklicher sind als andere. Gibt es festgeschriebene Quellen für das Glück, Kategorien, in die das Glück eingeteilt werden kann? Und (was auch eine sehr wichtige Frage war): wieviel Glück braucht bzw. verträgt der Mensch? Gibt es eine "Glücksüberdosis"?

In diesem Bericht gab es (und das ist doch sehr passend zur Thematik) ein Kurzinterview mit Phillippe Pozzo di Borgo, dessen Lebensgeschichte in der anrührenden Komödie "Ziemlich beste Freunde" verfilmt wurde. Als er nach seiner Vorstellung von Glück befragt wurde, sagte er, dass wenn er das Glück für sich heutzutage auf einem Level beschreiben sollte, dieses Level jetzt, seitdem er querschnittsgelähmt ist, weitaus höher liegt als zu der Zeit als gesunder Mensch. Für einen Menschen, der selbst gehen und sich bewegen kann, wie er möchte, ist diese Aussage fast unvorstellbar. Trotzdem, es muss etwas dran sein, dass man als behinderter Mensch glücklicher sein kann denn als gesunder Mensch. Man blickt sich um und stellt oft fest, dass Menschen mit Behinderungen oder unter chronischen Erkrankungen leidend oft (weiß Gott nicht immer!) mehr Lebensfreude und -bejahung in sich tragen als diejenigen, die jederzeit und an jedem Ort körperlich alles tun können, was sie wollen.

Immerhin: Glück ist kein Zustand des Körpers, er mag den Körper nur beeinflussen. Das Glück spielt sich zum größten Teil doch im Kopf und im Geist ab. Immerhin: wie soll ein Arm an sich glücklich sein? Ist er glücklich, wenn er funktioniert oder färbt er sich gelb mit lila Streifen, wenn es ihm verrückt-gut geht? Wenn das Glück vorhanden ist, betrifft es doch den ganzen Menschen, nicht nur einzelne Körperteile. Natürlich kann man nun denken, ein Mensch müsste zwangsläufig glücklicher sein, wenn sein Körper sich in einwandfreier Funktionalität und Gesundheitszustand befindet. Allerdings gäbe es wohl kaum die Jagd auf das Glück, wenn die Rechnung so einfach zu erstellen wäre.

Das Glück spielt sich im Kopf ab, gesteuert von Gedanken. Zu ihm gehören die Zufriedenheit bis zu einem gewissen Anteil. Ein zufriedener Mensch ist leicht dazu geneigt, glücklich zu sein. Aber was gehört noch dazu? Liebe? Nun, Liebe kann glücklich machen, sie kann aber auch genauso gut unglücklich machen. Viele Liebesdramen der Weltgeschichte haben genau bewiesen, wie unendlich glücklich Liebe machen kann... und wie sie gleichzeitig jedes Glück zerstören kann. Oft hängt dies davon ab, ob man in der Liebe das angestrebte Ziel erreicht oder nicht. Also sind die Ziele an sich auch ein großer Teil, von dem das Glück abhängt. Ein Ziel zu erreichen macht glücklich und zufrieden, in der Reihenfolge oder umgekehrt. Ein Ziel jedoch nicht zu erreichen macht den Menschen unglücklich. Also sind Ziele ein entscheidender Schlüssel zum Glück.

Glück hat wohl auch etwas mit persönlicher Vollkommenheit zu tun. Wenn wir ein Ziel im Leben erreichen, dass komplettieren wir etwas in unserem Leben und werden dadurch glücklicher. Vielleicht kommt daher auch der Trugschluss der Menschen, ein behinderter Mensch wäre weniger glücklich als ein Mensch ohne Behinderung. Der Mensch sieht sich als glücklich durch einen Körper, der einwandfrei funktioniert. Deswegen sind gesunde Menschen wohl auch so schnell unglücklich, wenn sie von einer Krankheit (und sei es einem leichten Schnupfen) betroffen sind. Wie kann da ein Mensch, der für immer (oder zumindest für sehr lange Zeit) ein Gebrechen hat, damit wirklich glücklich sein? Das werden sich wohl viele gesunde Menschen, die von dem einen oder anderen Zipperlein (körperlich oder seelisch) hier und da geplagt sind, fragen.

Es ist alles recht einfach: der Mensch lebt vom Anspruch. Vor allem dem Anspruch, den er an sich selbst stellt. Wenn er seinem eigenen Anspruch nicht gerecht wird, neigt der Mensch dazu, unglücklich zu sein. Die erschreckend einfache Lösung: man nimmt sich vor, weniger Anspruch an das Leben und an sich selbst zu haben und es stellt sich automatisch mehr Glücksseligkeit ein.

Nun mag sag zu vereinfacht klingt, zu gut um wahr zu sein. Leider ist es aber wahr. Es mag nach billiger Binsenweisheit klingen, aber die Menschen leben einfach zu sehr in der Maxime und werden dadurch immer unglücklicher. Materieller und seelischer Reichtum sorgen in immer höherer Dosierung dafür, dass das Streben nach dieser Form des Glückes zum absoluten Unglück führt. So führt mehr finanzieller Reichtum zur immer größeren Sorge darum, ob man sein Geld investieren soll, wie man es am Besten investiert, um es nicht zu verlieren... eben die Dinge, die ich schon in meinem letzten Blog zum Thema "Rating" angesprochen habe.

Das Glück liegt dabei so nahe, dass es nicht einmal durch Geld zu erwerben ist. Immerhin (wenn wir es mal ganz sarkastisch sehen wollen): arme Menschen haben keine Probleme damit, ihr Geld irgendwo zu investieren und kriegen deswegen keine Schweißausbrüche, ob diese Investition wirklich richtig ist oder eine andere wesentlich besser wäre. Für arme Menschen gibt es keine geeigneten Investitionen oder das Streben nach maximalem Profit, für arme Menschen gibt es nur notwendige Investitionen: wenn Menschen in absoluter Armut leben und zwei Drittel ihres Monatsgehaltes allein in Lebensmittel investieren müssen, stellt sich nicht mehr die Frage nach "Profit", "Gewinnmaximierung" oder ähnlichem. Es geht um das blanke Überleben. Macht das glücklich? Vielleicht macht es einfach glücklicher, nur in reellen Dimensionen zu leben. In Dimensionen, in denen es nur um die Realität und die Gegenwart geht. Sobald man anfängt, finanziell auf dem Sektor des "was wäre wenn" zu verfahren, nur noch an die Zukunft zu denken oder an Hypothesen, die man aufstellt, damit man mehr von seinem Geld hat, ist man in der misslichen Lage, dass man sich weiter und weiter vom Glück entfernt.

Glück bedeutet Seelenfrieden, die innere Ruhe, die einen wie Watte einpackt. Sicher, es gibt den Spruch "Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt!", womit schon quasi ein Widerspruch geschaffen wurde, immerhin hat Beruhigung auch viel mit Glück zu tun. Ein Blutdruck, der nicht ständig auf Höchstgeschwindigkeiten rast, ist ein glücklicher. Also ist Beruhigung auch eine Quelle des Glückes. Doch was macht das Glück konkret mit uns? Warum ist es uns so wichtig? Warum mögen wir Geld, wenn es uns nicht glücklich macht, sondern "nur" beruhigt?

Vielleicht sind wir oft dazu geneigt, von Dingen angezogen zu werden, die uns potenziell unglücklich machen. Vielleicht ist Glück nicht alles im Leben. In der Dokumentation über das Glück wurde auch offen für das Recht plädiert, unglücklich zu sein. Es wurde darüber philosophiert, wie wichtig es ist, auch Schmerzen und Leid zu empfinden. Die Logik, die dahinter steckt, ist einleuchtend: das Glück muss etwas sein, dass man zwar regelmäßig, aber wohl dosiert braucht. Mit dem Schmerz und dem Unglück geht es uns ähnlich. Wären wir alle dauerhaft glücklich, so wüssten wir den Zustand der Glücksseligkeit gar nicht mehr zu schätzen.

Wahrscheinlich fühlen wir uns deswegen oft von Dingen angezogen, die uns potenziell eher schaden als nützen. Somit ist auch das Geld bei der Glücksjagd wieder mit im Spiel. Geld zu gewinnen oder zu verlieren führt zu einem Fieberrausch bei vielen, der einen wesentlichen Teil bei der Glücksjagd ausmacht.

Und das Gold? Wie glücklich macht uns das Edelmetall? Gerade während der olympischen Spiele und der Paralympics sieht man immer wieder strahlende Sieger, die Gold gewinnen und viele Athleten, die über eine Silbermedaille enttäuscht sind. Ist es nicht interessant, dass die Zweitplatzierter über den Gewinn einer Silbermedaille weniger glücklich sind als Drittplatzierte über den Gewinn einer Bronzemedaille? Die Enttäuschung darüber, knapp das Gold verfehlt zu haben, scheint oft bei Zweitplatzierten höher zu wiegen als die Tatsache, dass sie überhaupt eine Medaille gewonnen haben. Und Bronzesieger? Vielleicht sind sie einfach froh, gerade noch eine Medaille ergattert zu haben, da die Plätze danach nur noch "Blech" bedeuten. 

Was auch immer es ist, das uns glücklich macht, vielleicht bedarf es gar keiner Rezepte, wie man glücklich wird oder was genau einen warum und in welcher Dosierung glücklich macht. Ein weiser Spruch für alle Grübler und Weltverbesserer dieser Welt wäre wohl nur:

"Glücklich ist, wer vergisst... was doch nicht zu ändern ist!"

Dies gilt dann wohl für das tägliche Leben wie für die Paralympics, die Olympischen Spiele und alles andere wohl auch. Also, man genieße das Leben, egal ob es Schokolade oder saure Gurken regnet. Und wer gewinnt nun in dieser Disziplin die Goldmedaille? Nun, der 100 m Sprint auf der Jagd nach dem Glück geht wohl an all die Menschen, die verstehen, dass Glück weniger mit Materialismus als mehr mit einem Zustand seelischer Gelassenheit zu tun hat. Wie wäre es mit den Mönchen buddhistischer Klöster in Bhuthan oder in Tibet? Sie hätten es jedenfalls verdient, denn sie haben so einiges mehr schon verstanden als die meisten Bürger der Industriegesellschaften.

In diesem Sinne noch viel Spaß beim Rest der Paralympics und der jetzigen Woche. Bis zum nächsten bald folgenden Blogeintrag. 

LG Gene :-)

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