Donnerstag, 26. März 2009

Das Maß ist 'nach Belieben' voll....

Am gestrigen Tag durfte der gemeine Zuschaer der Nachrichten eine besonders kuriose Nachricht sehen: die EU (wer sonst?) hat beschlossen, dass die nationalen Bestimmungen zum Thema "Füllmenge bei Lebensmittel" ab dem 11. April 2009 einheitlich geregelt werden sollen. Und dadurch verfallen die uns eigenen nationalen Bestimmungen. Laut Nachtrichten heißt das: wir werden von nun ab vom Großhandel richtig kräftig übers Ohr gehauen! Wir kriegen jetzt nicht mehr 100 g Schokolade, sondern 88 g - aber zum Preis von 100! Und nicht mehr 1 Liter Milch... nein, der Handel wird jetzt derart fies, dass er für 200 ml Milch den Preis von 1 Liter verlangt!

Soweit jedenfalls die Berichterstattung nach dem Bildzeitungs-Prinzip im Fernsehen. Ob das im Ende auch sstimmt? Wer kann das schon wissen! Stattdessen geht die mediale Welt nach em Leidmotiv "Angriff ist die beste Verteidigung" ... oder besser: "Vorpanik ist besser als Nachpanik!" Denn nachher aufregen ist grundsätzlich viel zu spät, also machen wir es direkt. Schließlich kann keiner wissen, ob man nicht doch längt beschlossene Entscheidungen der EU mit kollektivem Aufregen und Meckern bis zum wahlweise Hirnschlag oder Herzinfarkt rückgängig machen kann.

Das Ganze klang jedenfalls nach wahnsinnig viel Aufregung - um angeblich Alles, eigentlich aber Nichts. Was der Deutsche in seiner Wut zum Meckern immer wieder ignoriert: wir leben in recht guten Zeiten, zumindest in Deutschland. Das glaub mir keiner? Nun, sehrn wir es mal aus folgender Perspektive:

Deutschland verkauft seine Lebensmittel im europäischen Durchschnitt relativ billig. Wir sind eins der Länder, die Lebensmittel am Billigsten vertreiben, Aldi, LIDL und Co. sei Dank! Es wird in rauen Mengen eingekauft, produziert, eingeschweißt, weiterverkauft - das Ganze läuft ähnlich einem Marathon der Massen ab. Der Kunde kann entscheiden, er kann sich dumm und dusselig kaufen und bezahlt dafür nicht mehr als ein paar Euro. Im Vergleich zu Ländern wie Schweden oder Frankreich leben wir doch recht gut. Nur keiner hat's bis jetzt gesehen. Ich weiß nicht wirklich, welche rosarote Brille der deutsche Konsument auf hat, jedenfalls färbt sie das Leben der Deutschen weniger schön, als sie ohne diese Brille sehen würden.

Wir beschweren uns, es könnte bald dazu kommen, dass die Produzenten uns weniger Ware für das gleiche Geld verkaufen. Andererseits: wir leben in Zeiten, in denen z. B. Butter so billig ist wie seit 60 Jahren nicht mehr. Und was war vor 60 Jahren? Richtig - Nachkriegszeit, wir befanden uns gerade im Wiederaufbau des Landes. Manch einer möchte zwar die derzeitige Krise vom Härtegrad her mit der Nachkriegszeit gleichstellen, aber offen gesagt: dafür, dass wir nicht durch Trümmer waten und Kartoffelschalen zu Suppe verarbeiten müssen, geht es uns preislich gesehen paradiesisch! Klar kann ein Hartz IV Empfänger nicht jeden Tag Fleisch essen, so billig sind die Lebensmittelpreise bei uns nun auch nicht.

Aber potenziellen Betrug zu vermuten wegen einer Füllmenge? Malen wir den Teufel mit goldenen Hörner an die frisch gestrichene Wand, obwohl wir gar nicht wissen, ob wir in der Wohnung wohnen bleiben werden? Es kann schließlich gut sein, dass sich schlichtweg nichts ändert! Denn, nur weil es solch eine Entscheidung und Gesetzesanpassung gibt heißt das noch lange nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird. Es KANN, MUSS aber nicht!

Ich sehe ein: dem Einzel- und Großhandel einen Heiligenschein malen wäre eine Aktion, die für mich selbst wenig glaubwürdig wäre. Ich sehe ein, wir könnten uns auch auf Zeiten zubewegen, in denen wir weniger Produkt für's gleiche Geld bekommen.
Und trotzdem: gestern nach den Nachrichten fühlte ich mich unweigerlich an letztes Jahr erinnert, ungefähr die gleiche Zeit... als die Menschen in Massen in die Supermärkte strömten, um Milch und Milchprodukte zu kaufen. Ja, der Streik der Milchbauern, kaum eine Aktion nervte die Deutschen im letzten Jahr (neben dem Insolvenzskandal um Franjo Pooth!) so sehr wie dieser Streik. Und was ist daraus geworden? 40 Cent wollten die Bauern pro Liter Milch. Es stieg zeitweise an, dann kam die Wirtschaftskrise und zack! - der Milchpreis sank weit tiefer als je zuvor, inzwischen bekommen die Milchbauern nicht mehr als gut 20 Cent pro Liter Milch.

Doch damals, als protestiert wurde für mehr Geld für die Milchbauern war niemand für die Situation dieser Berufsgruppe verständnisloser als die Konsumenten! Immerhin: jeder Konsument träumt in seinem Job von einem guten Verdienst... und wenn er den hat, von einem noch viel besseren Verdienst in absehbarer Zukunft. Aber wenn eine andere Berufsgruppe ein wenig mehr Geld möchte, um ihre Existenz am Laufen zu halten? In solchen Situationen wird das Kopfschütteln von lautstarkem, wütenden Protest begleitet. Eine tolle Gesellschaft, in der der Verbraucher bei astronomisch niedrigen Milchpreisen nicht einmal 20 Cent pro Liter mehr bezahlen will. Aber er muss ja auch gar nicht, der Handel zwingt mit Masseneinkauf jeden Bauern früher oder später selbst in die Knie...

Was lernen wir aus den Nachrichten? Eigentlich nur, dass wir in einer Zeit leben, in der jeder Geld sparen will - und keiner weiß warum. Wir wollen viel Geld verdienen, noch mehr sparen - um dann das Leben zu genießen. Wahrscheinlich betrachten wir dann in einheitlicher Harmonie alle unsere hart ersparten Geldscheine und Girokontoauszüge (falls wir uns nicht so mit Bargeld haben!) und beten still und insgeheim, durch virtuelle Kopulation würde sich das Geld möglichst rapide vermehren.
Begründung für solche Aktionen? Weil man's kann! So einfach kann die Welt manchmal sein...

In diesem Sinne, einen schönen Donnerstag!

LG Gene

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