Dienstag, 17. März 2009

"Was ich nicht weiß....

kann ich ja immer noch lernen!" Das nennt sich wohl "positives Denken", doch ehrlich gesagt glaube ich kaum dass in Zeiten von Geldmangel zum Überleben einerseits und genug Geld für Waffen und Ballerspiele andererseits noch genug Lust und Motivation übrig ist, sich die Welt schön zu denken.

"Die Hoffnung aufgeben" - nie war es so schick, so sehr in Mode, die Welt und die eigenen Lebensumstände auf hohem Niveau zu bedauern/beklagen. Und das nicht nur im deutschen Raum, wo doch eigentlich jeder weiß, welche Antwort der arme Idiot erhält, der einem Deutschen die harmlose Frage stellt: "Wie geht es dir?" Solch eine Frage löst im anglo-amerikanischen Raum üblicherweise ein schlichtes "Mir geht es gut" aus. Das dann mit der implizierten Aufforderung "Geh weiter - oder red weiter im Text." Denn egal, ob es dem Betroffenen wirklich gut geht oder doch nicht, es hat den Fragesteller nicht wirklich zu interessieren. Und das tut es natürlich auch nicht! Der gemeine Deutsche aber (und sehen wir ihn in diesem Moment als Spezies an) sieht sich durch die Frage nach dem eigenen Befinden dazu berufen, seine gesamte Krankengeschichte inklusive der letzten Wurzelbehandlung und deren schmerzenreichem Genesungsweg zu offenbaren. Immer natürlich zum Leidwesen des armen Idioten, der doch nur oberflächlich fragen wollte "Wie geht es dir?". Denn - so wissen die wenigsten Deutschen - die Frage ist eher rhetorischer Natur und bedarf keiner genauen Antwort.

Seit nunmehr einem halben Jahr allerdings vollzieht sich ein Wandel - nun sind es nicht mehr nur "wir Deutschen", die auf hohem Niveau jammern... es scheint, die gesamte Welt hat sich zum Trauerkloß zusammengeschlossen. Es scheint, als seien alle Nationalitäten auf dem "Sei deutsch, sei negativ"-Trip. Nein, nicht ganz so schlimm... nur fast! Der Deutsche hält sich bekanntermaßen gerne damit auf, sich dem Negativen hinzugeben. Dies könnte man vielleicht mit dem Genuss des Lieblings-Scotch oder dem regelmäßigen Besuch bei der Lieblingsprostituierten vergleichen.

Wieso? Vielleicht, weil es so einfach ist. Vielleicht auch, weil wir es gewohnt sind. Denn Gewohnheiten formen uns, prägen uns als Individuum in den Jahren von der Kindheit bis zum Erwachsensein - und als Gesellschaft über Generationen. Nicht umsonst haben wir die Sprache, die wir sprechen, lesen, schreiben und verstehen. Und nicht umsonst haben wir Traditionen: wir feiern im regelmäßigen Zyklus erst Fastnacht, dann die Fastenzeit, anschließend Ostern, danach genießen wir den Sommer, für die meisten Menschen gekrönt vom Sommerurlaub in Spanien. Wenn wir wieder nach Hause kommen, beschweren wir uns kollektiv über das "Sauwetter" in Deutschland, möchten jedes Jahr wieder in den Herbstmonaten am Liebsten für immer in den Süden auswandern. Aber dann hält uns die Sehnsucht nach Schnee an Weihnachten davon ab, uns nur einen Zoll von unserer Heimat wegzubewegen.

Es gibt Muster, die wir tief in uns tragen - und wahrscheinlich gehört das Jammern und das Schlechtreden des Lebens an sich genauso dazu. Nur ist nicht wirklich klar, warum genau Deutschland auf so "hohem Niveau" jammert. Hohes Niveau deswegen, weil wir faktisch gesehen mehr haben (selbst die Ärmsten des Landes) als die Hälfte der Länder dieser Erde. Es gibt genug Lohn, Brot und Dächer für die Köpfe des Landes. Problematisch wird es dann, wenn das Land falsch aufgeteilt ist, die Besitztümer sich immer weiter in beide Richtungen auseinanderbewegen. Wenn beispielsweise kinderreiche Familien nur ein warmes Essen pro Woche zustande kriegen, nicht wegen Faulheit, einfach wegen finanzieller Not. Auf der anderen Seite ein Immobilienmogul jeden Abend Hummer und Kaviar auf dem Speiseplan stehen hat. Oder wenn gleicher Immobilienmogul insgesamt zwanzig Dächer sein Eigen nennt, während auf der anderen Seite viele Menschen kein Dach überm Kopf haben und auf Obdachlosen-einrichtungen angewiesen sind.

Und genau DAS ist es, was vermeintlich zur Zeit weltweit geschieht - statt dass die Finanzkrise die Menschen angegriffen hätte, die weit mehr als genug zur eigenen Verfügung haben, ist es die Masse, die den Karren für ein paar Millionäre aus dem Karren fahren soll.
Seit die Krise im November begann habe ich auf die Millionäre gewartet, die berichten: "Die Bankenkrise hat mich xy Millionen Euro gekostet!" oder eine Schlagzeile in der Bildzeitung in etwa: "Ex-Millionär über Nacht Hartz IV Empfänger". Aber bis jetzt habe ich diese Schlagzeilen nicht lesen dürfen (es sei denn, die Schlagzeilen sind so geschickt unter den Teppich gekehrt worden, dass sie mir nicht mehr auffallen).
Und falls es doch mal dazu kommen sollte, dass ein reicher Unternehmer viele Karren in den Dreck fährt und ansatzweise von Armut bedroht wird - wird ihm mit großzügiger Spende und Kollekte der Bevölkerung ausgeholfen. Bestes aktuelles Beispiel: der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Post AG, Peter Zumwinkel. Er hat betrogen, gelogen und Steuern hinterzogen - dafür musste er nicht ins Gefängnis, sondern wurde mit einer Verurteilung auf Bewährung und einer Geldstrafe liebevoll abgestraft. Und nun? Tja, dem guten Mann fehlen ja jetzt 2 Millionen Euro, und die müssen wieder in die Kasse.. was kann man da tun? Ganz einfach: Herr Zumwinkel erhält hochoffiziell für seine Verdienste (vor allem für die in Liechtenstein!) von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Pension in Höhe von 20 Millionen Euro.

Und wenn der Deutsche meckern möchte, sollte er es an dieser Stelle tun. Vielleicht ist genau das der Grund, warum die deutsche Manie des Meckerns und Jammerns weltweite Kreise gezogen hat: die Armen, die schon nichts hatten, verlieren immer mehr - die Reichen, die schon immer alles hatten und zuviel, kriegen noch ein wenig mehr. Okay, das klingt nach Stammtischparolen. Aber ehrlich: ich hatte geglaubt, wenn wir schonmal dabei sind und Finanzkrise haben, dann werden die hohen Investitionen und das Angesparte auf den Banken von der reichen Bevölkerungsschicht angegriffen. Im Ende war das ja auch ein wenig so - immerhin investieren viele Reiche in Immobilien und da gab es ja einige Luftschlösser. Aber auf der anderen Seite: warum soll die arme Bevölkerung mit Durchschnittsgehalt genau dafür aufkommen? Diese Schicht soll jetzt den Verlust dessen tragen, was die Reichen eh immer zuviel hatten. Und das nur damit (Ironie!) die Reichen wieder zuviel haben! Diese Logik kann wahrscheinlich nur von überbezahlten Bankmanagern stammen.

Doch genug des Jammerns von meiner Seite, ich habe ja "positives Denken" geschworen für den Rest des Tages. Okay, beschränken wir es mal auf den Rest dieses Blogeintrags. Eigentlich (nochmal Ironie!) wollte ich auf ein ganz anderes Thema hinaus mit dem Ausspruch "Was ich nicht weiß, kann ich immer noch lernen". Im deutschen Sprachgebrauch wird "Was ich nicht weiß..." spontan mit dem Ausspruch "...macht mich nicht heiß" beendet. Das könnte bedeuten, man ist einfach stolz darauf, wenn man möglichst blöd bleibt - oder aber, man ist froh, wenn man manche Dinge nicht weiß. Im Folgenden kann jeder selbst entscheiden, ob es so klug ist, das zu wissen, oder den Schleier des Vergessens darüber fallen zu lassen:

Ich habe gestern Abend in einer Sendung einen Bericht über die "Gespräche der Frauen" mitverfolgen dürfen. Dort wurde jeder Mann Zeuge dessen, über was Frauen angeblich so reden, wenn sie "unter sich" sind. Und natürlich (wie sonst könnte es bei einem Privatsender anders sein!) ging es um Sex. Frauen (so der Bericht) reden vornehmlich über Penislängen, Blowjobs und die Marotten der Männer.

Also ich für meinen Teil bin eine Frau - doch wenn ich mich an diesen Bericht erinnere, bin ich wohl keine komplette Frau. Denn ja, ich habe Freundinnen; aber ich habe mich noch NIE mit einer Freundin über den "Geschmack des Glibbers" eines Mannes unterhalten. "Wie kann man den Geschmack verbessern, wenn er nicht schmeckt?" "Schluckst du überhaupt oder spuckst du aus?" "Machst du Oralverkehr auch mit einem One Night Stand oder nur mit deinem festen Partner?"

Fragen über Fragen, die die Menschheit nie interessiert haben, aber nun in aller Öffentlichkeit zu Grabe getragen werden. Prüderie würde nun sagen "Der Untergang der Abendlandkultur ist da!". Frivolität würde laut gröhlen und nach einem Nachschlag schreien. Ich bin weder a) noch b), ich bin nur jemand, der angesichts solcher Gespräche mit dem Kopf schüttelt. Als hätten wir Frauen nicht eigentlich viel tiefliegendere Probleme. Natürlich: zur Entspannung kann man immer ein paar Gespräche führen über "geblümtes Klopapier" oder das neueste Modell des "Black Hunk"-Vibrators. Meistens allerdings sind die Probleme der Gesellschaft und der Politik für mich zu tiefgründig, als das ich damit meinen Horizont entspannen könnte.

Klar, Spaß verstehe ich auch. Ich produziere auch haufenweise Spaß, den ich in Schubkarren quer durch den Garten ziehe. Trotzdem erinnere ich mich daran: es ist die eine Sache, guten Sex zu haben; eine andere Sache ist es, über Sex zu reden. Denn "Reden über Sex" ist meist ein guter Indikator für alle Zeugen, dass der/die Redselige eindeutig schlechten Sex hat.

Belassen wir es dabei und legen den Schleier des Vergessens über diesen Bericht und allgemein über "Frauengespräche" ;-)

LG Gene

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