Mittwoch, 25. März 2009

Vergiss-mein-nicht (mehr)!

Manchmal ist es wie verhext: man begegnet Menschen, und das nur kurz (wie bei tausenden Anderen auch) und trotzdem... ihre Gesichter brennen sich in unser Köpfe und das scheinbar unauslöschlich. Vielleicht hat das ja auch mit "besonders sein" zu tun, allerdings ist es in diesen Fällen mehr der Subjektivität unterworfen. Denn obwohl in solchen Fällen das betreffende "Objekt" nichts optisch Gravierendes ausmacht, ihr Gesicht, vielleicht auch ihre Gestik (je nachdem, wie lange die Begegnung dauert) brennen sich unauslöschlich in unser Gedächtnis. Obwohl wir so vielen Menschen begegnen, außergewöhnlichen Menschen begegnen wir nicht so oft. Und wir haben eine "Antenne" für Menschen, die für uns etwas Besonderes darstellen. Wahrscheinlich liegt es auch am Interesse - einige Menschen interessieren dich, andere wiederum interessieren mich, obwohl sie dir vielleicht m Hintern vorbeigehen.

Ob dsa etwas mit Romantik oder sexueller Anziehungskraft zu tun hat? Natürlich, in vielen Fällen wird es damit zusammenhängen. Vor allem, wenn man an den "Selbsterhaltungstrieb" denkt, der in uns allen steckt. So lange wir fähig zur Fortpflanzung sind, suchen wir - nach den besten Genen, die wir bekommen können. Da die Keinem auf die Stirn geschrieben stehen, loten wir aus und entscheiden (und das innerhalb von Bruchteilen von einer Sekunde), ob uns das Gegenüber zusagt oder nicht.

Und genauso passiert es auch manchmal im Leben, an Plätzen, an denen wir bewusst gar nicht aktiv suchen, sondern uns treiben lassen und mit einem Mal der Schalter umgelegt wird. So geschieht es tagtäglich millionenfach - aber es geschieht nicht immer aus dem Motiv "l'amour toujours" heraus. Manchmal passiert es einfach, weil man einen Menschen sieht und wissen möchte, was hinter ihm steckt. Geht es euch nie so? Nun, mir passiert das schon des Öfteren. Ein Beispiel: da ich öffentliche Verkehrsmittel benutze (und das präzise zur gleichen Uhrzeit) kommt es mehr vor, als bei einem Autofahrer, der sich allein hinter's Steuer setzt, dass man anderen Menschen begegnet. Und damit Menschen, die das Interesse wecken, selbst am frühen Morgen.

Mir begegnen natürlich Dutzende Menschen, die auch zur gleichen Zeit zur Arbiet oder zur Schule fahren. Einige erinnere ich immer mal wieder, anderen kann ich täglich begegnen, es festigt sich einfach nicht mein Blick für diese Leute. Ich sehe sie, sie gehen an mir vorbei, ich hab sie vergessen. Woran das liegen mag, kann man heutzutage nur schätzen, klar ist jedoch, dass wir in einer uniformierten Gesellschaft leben, einer Gesellschaft, in der die Durchschnittsfrau so durchschnittlich aussieht, dass sie mehr und mehr zur "mir doch egal"-Frau wird. Sprich: die gleichen Klamotten in den gleichen Farben, zwar perfekt abgestimmt zur Jahreszeit und zum Trend, aber mal ehrlich: wen interessiert schon, ob die durchschnittlichste aller Frauen einen fliederfarbenen oder lilafarbenen Rock trägt? Für einen Mann liegt zwischen tiefem Aubergine-Lila und hellem Flieder eh kein Unterschied.

Dann die Frisur, im Gleichtakt zerfranste und zerschnittene Haarsträhnen, die dafür sorgen, dass die weibliche Haarpracht mehr und mehr zur Marke "Staubwedel" verkommt. Denn wirklich als volles gesundes Haar kann man diese ganzen "ausgedünnten und stufig geschnittenen" Frisuren kaum noch bezeichnen. Vielfärberei und viele verschiedene "Stylingprodukte" machen eher Entwürfe für den Haarfriedhof als für den glänzenden Auftritt. In einem können diese Frauen beruhigt sein: wenn 90% der Frauen eine verschnittene Frisur haben, fällt es nicht mehr auf. Man sieht sich an den Fauxpas der Gesellschaft schon nach wenigen Minuten des Tages satt!

Aber das eigentliche Problem war ja ein ganz anderes: wir reden ja von den Menschen, die wir sehen und NICHT mehr vergessen. Nun, ich habe einen Fall, er begegnet mir jeden Morgen an der gleichen Strecke im gleichen öffentlichen Verkehrsmittel - kurioserweise das seit Jahren. Okay, jetzt wird jeder sagen, wenn ich diesem Mann jeden Tag begegne, kann man nicht von einer kurzfristigen Begegnung sprechen. Von wegen! Was, wenn ich nun sage, dass ich über zwei Jahre ganz andere Pendlergewohnheiten hatte und ihm deswegen gar nicht begegnen konnte - aber vergessen? Sagen wir, er rutschste irgendwo tief in die Hinterstube des Gehirns, aber wirklich vergessen habe ich ihn nicht. Und seit Kurzem (das Leben geht halt manchmal gewöhnlich-ungewöhnliche Wege) benutze ich wieder die alte Strecke beim Pendeln zur Arbeit. Nun habe ich nicht tagtäglich gefiebert, was er wohl macht, ob es ihn "noch gibt" etc, aber ein komisches Gefühl war es schon, als ich ihm natürlich wiederbegegnet bin.

Mal am Rande: das hat NICHTS mit "verknallt sein" zu tun etc... es geht gar nicht um den Typen an sich (der nicht mein Typ ist!), mir geht es um etwas Anderes. Man kann auch einem Menschen begegnen, der eindeutig nicht "ins Beuteschema" passt, trotzdem gehen diese Menschen uns nicht mehr aus dem Kopf und wir fangen an, sie zu studieren. Wir studieren ihre Kleidung, ihre Haltung, ihre Gewohnheiten. Und fangen ein wenig an, eine Geschichte um diese Person zu spinnen. Und genau das war/ist hier der Fall! Obwohl ich diese Person nicht kenne, interessiert mich plötzlich aus der Isolation des Gewohnten heraus: Wie lebt dieser Mensch? Welchen Gewohnheiten geht er nach?

Warum mich das interessiert? Diese Frage stelle ich mir auch des Öfteren, wenn ich ihm (0der anderen Menschen) begegne. Vielleicht zeigen solche Beispiele einfach auf, dass wir nicht in einem Vakuum leben, wenngleich diese Gesellschaft immer mehr zum Vakuum verkommt. Wir leben unser Leben - und zwar allein! Es geht nur nach MEINEN Bedürfnissen, MEINER Lebensart, MEINEM Wohlbefinden... und der Rest ist so ziemlich Wurst (klammern wir die Faktoren "Familie haben" mal einfach aus, denn es gibt nur wenige Mütter, die nur auf sich selbst bezogen sind!). Aber in diesen Momenten keimt die Saat der "Geselligkeit" auf, das "Gruppengefühl" - es kehrt in genau solchen Momenten (zumindest theoretisch!) zurück. Wir nehmen (zwar ohne aktiv zu werden, aber immerhin...) endlich mal wieder teil an Etwas, das nicht nur einen selbst betrifft.

Bevor Menschen hier wieder etwas falsch verstehen: es geht nicht darum, dass die Leute, die solche Gedankenspielchen wagen (wie ich) Egoisten sind! Ich bin kein Egoist, zumindest nicht in diesem Sinne. Aber wer von euch denkt bewusst und im positiven Sinne an Menschen, zu denen ihr keine Beziehung habt? An die eigenen Kinder zu denken, die Eltern, die Verwandschaft oder den Freundeskreis, den Partner oder die Partnerin, das ist doch keine große Kunst. Aber an jemanden zu denken, mit dem man im Prinzip gar nichts zu tun hat, das ist das Prinzip, auf das ich mich stütze. DA beginnt die Gruppendynamik, von der immer so getan wird, als wäre sie nicht vorhanden.

Vorhanden ist sie, wie wir alle tief im Innern erahnen. Aber was daraus tun? Soll ich diesen jungen Mann nun ansprechen und ihn nach seinem Leben fragen, nur weil mich seine Person interessiert? Klar, das könnte ich tun - aber es ist relativ sinnfrei, so etwas zu tun, gerade für das Gegenüber, das angesprochen wird (und ich weiß das aus eigener Erfahrung, denn ich habe schon sehr oft erlebt, dass mich Menschen eigentlich ohne Grund und speziell ohne sexuellen Hintergrund angesprochen haben).

Nun, ich habe diesen Blogeintrag "Vergiss-mein-nicht (mehr)" genannt. Es ist eben Menschen, denen man begegnet und die man nie wieder vergisst. Und merkwürdigerweise gibt es so viele Menschen, mit denen verbringt man sogar einen Teil seines Lebens, eine relativ lange intensive Zeit des Lebens - aber irgendwann sind sie einfach vergessen.

Ich habe heute Morgen ein Plakat gesehen mit dem Titel "Vergiss-mein-nicht"; es ging (worum auch sonst?) um Demenz. Und irgendwie hat mich das nachdenklich gemacht. Vergessen ist schön und gut, ich bin sogar heilfroh, dass ich einige Menschen komplett aus meinem Leben streichen und sie vergessen konnte. Ich gehe davon aus, es geht vielen Lesern auch so, schließlich möchte man sich gar nicht an jeden Hinz und Kunz erinnern, dem man irgendwann einmal begegnet ist. Aber was, wenn wir die plötzlich vergessen, die uns interessieren? Was, wenn in dir plötzlich jede Erinnerung und jede Verbindung mit anderen Menschen abstirbt, ohne dass man es möchte?

Ich möchte manche Menschen nie wieder vergessen, ganz einfach, weil mein Herz an ihnen hängt. Aber kann ich das wirklich beeinflussen? Ich denke, wenn sich Menschen für eine Krankheit bewusst entscheiden könnten, Alzheimer und Demenz wäre wohl die Krankheit, die am Wenigsten Zulauf finden würde. Aber warum? Wo wir alle nur auf unseren eigenen vollen Teller gucken und uns nicht interessiert, was rechts und links von uns passiert. Aus dieser Sicht her gesehen wäre es doch schön, wenn wir vergessen, und zwar alles und jeden um uns herum, wir vergessen, dass wir überhaupt Beziehungen führen, platonische oder partnerschaftliche, wir vergessen die Liebe für unsere Partner, Kinder, Eltern, Freunde... einfach alles. Im Ende gibt es nur uns selbst, allein auf weiter Flur....

Erschreckender Gedanke? Vielleicht sollten wir aus Angst zu Vergessen und zu Vereinsamen in Zukunft viel öfter im Zug oder Bus oder in der Stadt beim Einkauf einmal links und rechts gucken und egal, ob uns das Gegenüber optisch oder verhaltensmäßig anspricht oder nicht... wir sollten dankbar sein! Und einfach mal überlegen, wie einsam diese Welt wäre ohne Artgenossen, die uns begleiten. Das Vergessen und das Erinnern laufen Hand in Hand mit uns durchs Leben.

In diesem Sinne: vergiss-mein-nicht ... oder eben doch, ganz wie euch beliebt. Eine schöne Restwoche an alle!

LG Gene

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Gene.
Dein Eintrag hat mich echt Fasziniert denn du hast recht es gibt so viele Menschen auf dieser Welt und wie die Leben oder einfach nur auf der Strasse laufen und dir Freundlich Hallo sagen das ist immer wieder schön.
Bei mir gibt es auch einen Menschen wir kennen uns nur vom sehen aber wenn wir uns sehen dann ist das schön .Ein kleines Lächeln zeigt uns das es noch andere Freunliche Menschen gibt.Z.B zu Dir wir kennen uns nicht aber ich frage mich oft wie Du wohl Ausehen tust.Bist du groß oder Klein.usw....Lg

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