Freitag, 20. März 2009

Der "Reiz" des Besonderen

Freitag, 20. März 2009: wie jeden Morgen strömen Millionen Menschen aus ihren Häusern und Wohnungen, begeben sich per Zug, Bus oder Auto in ihre Büros, Geschäfte, Schulen ... es gibt zig Möglichkeiten und eigentlich wäre jede dieser Situationen und Menschen schon etwas Besonderes.

Denn die ganze Welt, jeder Einzelne von uns, sogar das Leben als eigenständiger Terminus folgt einem bestimmten Bestreben: Perfektion zu erreichen! Zumindest aber (weil schon Billy Wilder den Ausspruch "Nobody is perfect" durch den Film "Manche mögen's heiß" berühmt gemacht hat) möchte jeder Mensch etwas "Besonderes" sein. Aber was heißt das überhaupt? Darüber stolpere ich des Öfteren, gerade, wenn ich darüber nachdenke, ob der Ausdruck "besonders sein" nun wirklich eindeutig positiv zu verstehen ist oder nicht.

In erster Linie heißt "besonders sein", man hebt sich von der Masse ab, man geht einen WEg, der nicht alltäglich ist; oder man meistert Dinge, die eigentlich selbstverständlich wären, auf eine Arzt und Weise, die Bewunderung, zumindest aber Aufmerksamkeit erzielt.


Aber macht das einen Menschen wirklich besonders? Eine gut "durchgezogene" Aktion und ich darf mir den Stempel "Besonders" auf die Stirn pressen? Ich denke, der Mensch macht doch allgemein den Fehler zu glauben, dass das Wort 'besonders' bedeutet, alles ist dadurch positiv, man erstrahlt in einem Glanz, der einem ohne dieses Wort nicht zustehen würde. Dabei heißt das Wort oft auch das Gegenteil: Besonders sein ist oft schlichtweg gleichgesetzt mit "anormal sein". Menschen oder Dinge, die auffallen, weil sie nicht den gleichen Weg gehen oder weil sie in andere Lebensumstände geboren wurden oder gewachsen sind.

Beispiel: Ein Mensch, der blind geboren wurde, erlebt die Welt anders, dadurch gilt er als "besonders". Aber: würden sich sehende Menschen wirklich darum reißen, auf diese Art und Weise besonders zu sein? Selbst, wenn der Blinde noch so sehr beteuert, er wäre gerne blind, er könnte die Welt auf einer anderen Ebene erfahren. Wer möchte schon blind sein, Außenseiter und damit "besonders"? Wohl kaum jemand!

Aber mal abgesehen von den Menschen mit einer Behinderung, es ist nicht alles Gold, was sich "besonders" nennt - vor allem ist es nicht Gold, besonders zu sein! Die Menschen gehen davon aus, wenn sie sich durch Individualität ausdrücken, würden sie anerkannt, hätten mehr Ruhm, mehr Ansehen, mehr von allem - sogar mehr Schokoladenpudding.

Im Ende ist dem nicht wirklich so. Es geht nicht darum, dass man bewundert wird, nur weil man besonders ist. Denn schwimmst du nicht mit dem Strom, schwimmst du gegen ihn. So einfach ist die Sache manchmal.Und wirklich positiv ist das Besondere nie - zumindest nicht für Diejenigen, die es sind.

Also ich persönlich fand es noch nie sonderlich spannend, besonders zu sein. Ein gutes Aussehen, einen überdurchschnittlich hohen IQ, eine andere Auffassung der Welt... nun, wenn ich die Mädchen meines Alters (oder ein paar Jahre jünger) höre, sehe, einfach erlebe, bekomme ich oft mit, sie wären alle gerne wie "Amélie" aus "Die fabelhafte Welt der Amélie". Alle diese Mädchen haben diesen Film als einen ihrer Lieblingsfilme aufgelistet (vorausgesetzt, sie sind über die "Highschool Musical I-III"-Phase hinaus!) und meinen wirklich, sie wären so besonders, dass sie wie "Amélie" sind. Aber haben sich diese Mädels den Film wirklich ernsthaft angeschaut? Haben sie überhaupt gesehen, wie fatal es ist, besonders zu sein?

Amélie trägt keine Kleidung, die dem Uniformierungsstil der heutigen weiblichen Generation ähnelt, mit ihren großen Knopfaugen wirkt sie oft genug wie wahnsinnig, ihre Streiche und Aktionen sind oft am Rande der Legalität. Und trotzdem: alle wollen sein wie sie! Nun, ich kann nur eins sagen: ich persönlich bin oft so nahe am Verhalten und Blickwinkel der Amélie Poulin dran, dass ich mit Recht behaupten kann: "Es ist NICHT cool, Amélie zu sein!" Denn die "Coolness" der Amélie wirkt wohl nur im Film, freiwillig alleine zu leben, sich selbst über mehr Dinge als Sex und schicke Klamotten (was auch immer für schick gehalten wird!) zu philosophieren.

Etwas "Besonderes" zu sein heißt ja nur zu oft auch, sich von der Masse in einer unvorstellbaren Form abzuheben. Gerade diese Woche hat dies ein Fall deutlich gezeigt: der Fall Fritzl! Ist Josef Fritzl etwas Besonders? Natürlich wird die Menge nun entsetzt aufschreien und einheitlich sagen "NEIN!", aber ist er es nicht doch? Er hebt sich von der Masse ab, er hat Dinge getan, die jenseits der Vorstellungskraft von ca. 95% der Menschen liegen. Er hat Menschen manipuliert, gedemütigt, gefangen gehalten... wer sonst, als ein "besonderer" Mensch könnte so etwas zustande bringen? Ein perverser Mensch, sicher... aber ist Perversität ein Alltagsphänomen oder nicht doch "extraordinary", weil schlichtweg nicht jeder Mensch dieses Planeten zu so etwas fähig wäre. Vor allem: wer sagt, dass man "Kaltblütigkeit" nicht auch als etwas Besonderes bezeichnen kann?

Also Vorsicht: wer dich als "besonders" bezeichnet, meint das nicht immer positiv. Vielleicht kann man sogar einen Schritt weiter gehen: wer dir dieses Prädikat verleiht, bringt dich einen Schritt näher an den gesellschaftlichen Ruin und die Kategorie "gaga". Und mit "gaga" meine ich bestimmt nicht "Lady Gaga"... das wäre ja (nach jugendlicher Definition) schon wieder cool.

Besonders sein ist immer an der Grenze zwischen "absolut uncool" oder "wahnsinnig mutig" - wofür ihr euch entscheidet, es sei euch überlassen ;-)

In diesem Sinne: eine schöne neue Woche

LG Gene :-)

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