Samstag, 16. Juni 2012

Wo bitte geht's zur Vernunft? - Europäische Wahlen und globale Qualen

Mal nix zur EM, da wird schon genug an allen Ecken und Enden geblubbert - jaaa, die Deutschen fühlen sich wieder wie die ganz Großen. Aber das tun sie allgemein ganz gern - auch in der Politik! Zumindest in der Europapolitik. Innenpolitisch haben sie diese Woche wohl doch einen Riesenbock geschossen - oder ein Riesenhammel? Tja, der sogenannte "Hammelsprung" vom Donnerstag ging ja mal gründlich in die Hose. Die Sache mit dem Betreuungsgeld ist aber auch verflucht, soll eigentlich nur eingeführt werden, weil Herr Seehofer das so gerne hätte. Der Herr Seehofer... wäre er doch nur mal gut bei seiner Facebook-Party im P1 in München hängengeblieben!

Sei's drum, das Betreuungsgeld soll her, egal wie. Warum? Weil der Herr Seehofer meint, das wäre gut für Deutschland, für die Familien. Trotzdem sind inzwischen laut Umfragen fast drei Viertel der Bundesbürger gegen das Betreuungsgeld. Nun, wenn das Betreuungsgeld auch nur eingeführt wird, damit Besserverdiener davon ihr Aupair-Mädchen finanzieren oder die Kindererziehung dann auf Oma und Opa abgeschoben wird und man so ganz billig 150 Euro im Monat mehr bekommt, nun, dann kann man wohl gerne an dem Betreuungsgeld zweifeln. Immerhin, so richtig Sinn macht das Ganze nicht - die Eltern müssen motiviert werden, ihre Kinder selbst zu Hause zu erziehen. Dafür gibt es dann also das Kindergeld. Allerdings: Generationen zuvor haben ebenfalls ihre Kinder selbst erzogen und keinen Cent dafür bekommen. Schlimmer noch: es gab doch mal Zeiten (und die sind noch gar nicht sooo lange her!), da gab es für Eltern nicht einmal Kindergeld. Heute hingegen werden die Eltern, die sich in der konsumdurchtränkten und vom Egoismus aufgegeilten Gesellschaft entschließen, ihre Fruchtbarkeit zu nutzen und ihre Gene weiterzutragen, zu Tode motiviert und subventioniert. In der Lebensmittelindustrie und in der Rohstoffgewinnung geht es ja schon lange ähnlich zu, aber bei Kindern? Sind sie nun doch der neue "nachwachsende Rohstoff", von dem ich bereits vor drei Jahren gesprochen habe?

Nun kann ich verstehen, dass die Kindererziehung finanziell vom Staat unterstützt werden muss - immerhin bezahlen die Steuerzahler so viel Steuern, dass fast kein Geld mehr übrig bleibt, um ein Kind zu erziehen. Es fängt allerdings in diesem Denken schon wieder an, gewaltig zu haken. Immerhin: Steuerzahler jeder Gehaltsklasse sollen von dem Betreuungsgeld profitieren - dabei ist es dann auch egal, ob es sich dabei um Geringverdiener oder ein Managerehepaar mit 100 000 Euro plus Jahresgehalt handelt. Frage: wozu brauchen Zweitere bitte das Betreuungsgeld? Warum müssen diese Leute überhaupt motiviert werden, ihre Kinder zu Hause zu lassen, wenn sie sie eh nicht selbst erziehen werden? Es geht in erster Linie doch darum (so hab ich das Betreuungsgeld zumindest verstanden), dass man seine Kinder zu Hause lässt und selbst erzieht. Oder geht es doch im Ende nur darum zu vertuschen, dass die Regierungen von Bund und Kommunen jahrelang gepennt haben und das gesamte Kita-System so brüchig ist, dass es lange nicht mehr genug Kita-Plätze für alle Kinder gibt? Es heißt nun, das Problem wäre nicht wirklich der Raum für die Kinder in Kitas, sondern das Fachpersonal. Aha, wieder einmal Fachkräftemangel in Deutschland! "Fachkräftemangel" sollte wirklich bald als Prädikatsstempel rechts unten neben dem Deutschlandadler stehen. Wir haben "Fachkräftemangel" im Ingenieursbereich, nun bei den Erzieherinnen, bald werden wir wohl in mehr als nur einem Handwerksberuf "Fachkräftemangel" haben. Hauptsache ist doch, wir haben genug Fachkräfte für Bürojobs! Bürojobs, ausgerechnet ... Jobs, die eigentlich nur dazu da sind, aktive Posten zu organisieren und wie auf dem Rechenschieber hin- und herzuschieben, gegebenenfalls zu streichen oder am anderen Ende wieder anzuheuern. Bürojobs - die wahrscheinlich unnötigsten Jobs der Welt. Aber wenigstens in diesem Bereich haben wir längst keinen "Fachkräftemangel".

Zurück zum Betreuungsgeld! Die Deutschen, die jahrelang dazu genötigt wurden "seid fruchtbar und vermehret euch" haben sich wohl nun doch zuviel vermehrt. Nein, das stimmt nicht, die Politik und die gesamte Gesellschaft jammert ja immer noch, weil die Deutschen sich nicht genug vermehren. Wie allerdings mit dem Strom an gewolltem Nachwuchs umgegangen werden soll, weiß keiner. Die Politik wohl am allerwenigsten. Horst Seehofer ist in dieser Hinsicht wohl der Ahnungsloseste, wenn es um die Versorgung und die Zufriedenheit deutscher Eltern geht. "Naja, er hat's zumindest versucht!", könnte man sagen, wenn es um das Thema Betreuungsgeld geht. Es ist ja auch verflucht, wenn nicht einmal Familienministerin Kristina "Danke, ich bin emanzipiert!" Schroeder dahintersteht. Die ist mit ihren "Latte Macchiato Muttis" und dem ewigen Kampf gegen Frauenquote beschäftigt, weil wie gesagt, sie ist ja schon von selbst emanzipiert. Aha! Wer wundert sich da noch, dass der "Hammelsprung", zum "Lemmingsprung" über die Klippen wurde? Plötzlich wollte die gesamte Opposition nicht mehr rein in den Bundestag, ein Drittel der Regierungsparteienmitglieder war schon im Wochenende (oder Sommerurlaub? Die Grenzen sind in der Politik ja fließend!) und damit ist das Betreuungsgeld wohl auch ein Fall für das Sommerloch - Auflösung über die Entscheidung gibt es per Cliffhanger erst im September!

Aber schläft die Politik? In Deutschland vielleicht, im Rest der Welt eher nicht. In Griechenland finden nun schon wieder Wahlen statt und irgendwann blickt da keiner mehr durch. In Ägypten sollen Wahlen stattfinden, während die Parlamentswahlen vor vier Monaten für ungültig erklärt wurden. Okay, man könnte nun sagen "Jetzt wird noch einmal überall gewählt und dann geht's ab in den Sommerurlaub!". So oder so ähnlich soll es wohl funktionieren. Problem an der Sache: die Eurokrise wird dadurch auch nicht gelöst, nicht einmal ansatzweise. Die Radikalparteien in Griechenland wollen den Fiskalpakt am Besten komplett kippen, Hollande will immer noch gravierende Änderungen, die Frau Merkel immer noch nicht will. Dieses ganze Chaos kann man dann wohl nur noch mit "Alles Scheiße - deine Tante Emma!" unterschreiben.

Worauf ich hinaus will? Nun, ich bin ehrlich: ich habe keine Ahnung! Die Politik wurstelt sich nur noch irgendetwas zurecht, ohne Sinn oder Verstand, die Menschen werden dadurch immer unleidlicher, obwohl ich das Gefühl habe, sie wären auch nicht wirklich zufriedener, wenn die Politik kompetent wäre und etwas erreichen würde. Die Zufriedenheit der Menschen bewegt sich auf den Nullpunkt zu - oder auf Gefrierfachtemperaturen. Merkwürdig an der Sache ist doch nur, dass die Menschen, die eigentlich so ziemlich alles haben, ausgerechnet diejenigen sind, die am stärksten meckern und Veränderung wollen.

Erst in dieser Woche wurde ich auf eine erschreckende Tatsache aufmerksam gemacht: weltweit arbeiten mehr als 200 Millionen Kinder in Kinderarbeit. Der vollgefressene Durchschnittsbürger mag sich da nur denken "Was interessiert es mich?". Doch ist es nicht erschreckend, dass wir hier Luxusprobleme wie das Betreuungsgeld hin und herwälzen, wo es beispielsweise in Indien, China oder vielen afrikanischen Ländern Millionen Kinder gibt, die tagtäglich arbeiten müssen statt zur Schule zu gehen, nur um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sichern? In diesen Ländern bekommen die Menschen keine Kinder, um ihre Gene weiterzutragen oder aus Liebe zum Partner; man bekommt dort Kinder, damit diese ab einem gewissen (meist viel zu jungem Alter!) als Arbeitskräfte den Lebensunterhalt der Familie sichern. So sind dann auch Familien mit acht bis zehn Kindern zu erklären. Recht auf Bildung oder eine Kindheit? Das ist meist Fehlanzeige in diesen Gesellschaften. Die Lebenserhaltungskosten der Menschen betragen dort rund 70% ihres gesamten Einkommens (zum Vergleich: wir geben für Lebensmittel durchschnittlich 30% unseres Gehaltes aus!), deswegen müssen die Kinder dort auch wesentlich früher heranklotzen als hier in Deutschland, wo der Nachwuchs erst durchschnittlich vier bis sechs Jahre nach dem Abitur studieren geht, bevor er überhaupt einmal ernsthaft arbeiten geht...

Versteht mich nicht falsch! Es ist doch toll, in Deutschland zu leben, gerade unter diesen Umständen. Doch diese ganzen Luxusprobleme gehen mir langsam aber sicher auf den Wecker. Wir wissen vor lauter Großkotzigkeit doch gar nicht mehr, in welche Ecke wir noch kacken sollen, damit der letzte saubere Flecken Erde beschmutzt wird. Zugegeben, wir sind nicht die einzigen, das Problem an dieser Welt ist wohl, dass inzwischen alle Gesellschaften, alle Schichten, alle Kulturen meinen, sie bräuchten diesen Luxus, das Gefühl, alles zu haben und dabei immer mehr zu erhalten. Erst kürzlich sah ich einen Bericht über den Fortschritt und darüber, wie tot wir uns alle laufen, indem wir nach immer mehr streben. Wir wollen vermeindlich weiterkommen, dabei entwickeln wir nur immer wieder neue Methoden, um auf der Stelle zu treten.

Den Tatsachen stellt sich hierbei kaum einer: die Weltbevölkerung wächst dramatisch und dadurch gibt es viele Dinge, die geregelt werden müssen, mit denen wir umgehen müssen: ein Mehrbedarf an Rohstoffen, Platzmangel und das Recht aller, ein erträgliches Dasein zu führen. Damit wären wir wohl schon beim Stichwort: das Dasein sollte "erträglich" sein, es redet keiner davon, dass über sieben Milliarden Menschen in Wohlstand und Luxus leben sollen. Das müssen sie auch gar nicht! Es mag für uns unvorstellbar sein, aber viele Menschen auf diesem Planeten sind mit ihren für uns "eingeschränkten" Möglichkeiten weitaus zufriedener als wir mit unserem Luxus! Ist es nicht unfassbar? Es gibt doch tatsächlich Menschen, die nicht nach einem Mercedes, einem Jaguar und einer Traumvilla streben. Es soll sie tatsächlich geben, die Menschen, die auch ohne Prada oder Adidas zufrieden sind. Ich gebe zu: es werden immer weniger Menschen, die so denken. Doch wenn man es genau betrachtet, sind genau diese Menschen diejenigen, die unseren Planeten noch einigermaßen retten. Nicht die großen Wissenschaftler, die an globalen Lösungen zur Energiewende arbeiten und sich den Kopf zerbrechen, wie der Luxus in unserer Gesellschaft weiterhin Standard bleiben kann und was wir tun können, damit wir "umweltfreundlich" wirtschaftlich noch profitabler sein können als vorher.

Das sind die Dinge, die wir allgemein als "Fortschritt" bezeichnen: die Umwelt retten bis zu einem gewissen Grad - Hauptsache, die Kohle stimmt und wir können und danach noch mehr leisten als vorher. Dabei ist die Lösung so erschreckend wie einfach, wie der Planet gerettet werden kann: indem weniger produziert und weniger verbraucht wird als zuvor. Tja, diese Leichtigkeit und Simplizität ist allerdings grotesk für alle, die so gerne so viel mehr hätten als das, was sie bereits haben. Sparen? Den Gürtel enger schnallen? Diese Vorstellungen klingen für die meisten Menschen derart furchtbar, dass sie nicht im Geringsten darüber nachdenken möchten. Wenn diese Menschen doch alle nur die Wahrheit kennen würden: dass der bewusste Umgang mit Rohstoffen und das Einsparen und weniger verbrauchen so viel erfüllender sein kann als aller Luxus und jegliche Verschwendung, die wir so gerne propagieren.

Nun, die Vernunft muss irgendwann Einzug nehmen bei uns allen. Wenn dies nicht geschieht, muss sich die Menschheit zumindest um einen großen Anteil reduzieren. Denn so traurig wie es klingt: die Menschenmenge, die zur Zeit auf diesem Planeten lebt, kann nicht mehr lange weiterexistieren, wenn wir unter den gleichen Bedingungen weitermachen wie bisher. Den meisten Menschen in der westlichen Welt wird das wohl leider egal sein, solange die Menschen, die sterben, aus armen Ländern stammen. Wenn es soweit kommt, hoffe ich doch wenigstens auf die Gerechtigkeit, dass die Gier und der Egoismus auch viele Menschen in diesen Breitengraden dahinraffen möge. Das klingt grausam, aber die Grausamkeiten, vor denen wir tagtäglich die Augen verschließen, sind noch wesentlich schlimmer und herzzerreißender als das, was wir uns in unserem kleinen Kosmos vorstellen können.

In diesem Sinne wünsche ich trotzdem allen Lesern eine schöne neue Woche und auf einen neuen Blogeintrag am nächsten Samstag!

LG Gene :-)

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