Freitag, 3. Februar 2012

"Ilse Aigner - Am Rande des (Rinder-)Wahnsinns"

Zugegeben, ich schreibe (wiedermal) eine Fortsetzung. Allerdings ist der Eintrag der letzten Woche noch nicht vollständig und gerade die Tatsache, dass im Titel bereits "Bridget Jones" lose zitiert wurde (dies nur mal am Rande erwähnt, falls es bis jetzt noch nicht aufgefallen ist!), trifft es sich, noch einen Teil zum Thema zu schreiben, auch wenn die "Grüne Woche 2012" am vergangenen Wochenende zu Ende ging.

Ich gebe zu, die Kritiker waren sich relativ einig, dass der zweite Teil von "Bridget Jones" nicht so witzig war wie der erste. Wenn ich aber allein an die Szene mit Bridget in Thailand denke, in der sie von "magic mushrooms" die schönsten Farben gesehen hat, bin ich schon fast wieder hier beim Thema. Und ich fand es brüllend komisch; vielleicht erreiche ich mit diesem Eintrag das Gleiche.

Seit geraumer Zeit häufen sich die Berichte in den Medien über mehr oder weniger neue Seuchen, die Nutztiere befallen. Zunächst gibt es da den sogenannten "Schmallenberg-Virus", ein durch eine Fliege übertragenes Virus, das bei Schafen und Ziegen zu Missbildungen und Totgeburten der Lämmer führt. Diese Seuche ist (Gott sei Dank für alle Fleischfresser!) bis jetzt als für den Menschen ungefährliche Seuche eingestuft, sprich: die Tragödie findet nur auf dem Tierlevel statt und ist damit für alle Fleischfanatiker relativ uninteressant. Die Landwirte allerdings sind neben dem finanziellen Schaden auch emotional tief getroffen von mißgebildeten Kälbern und Lämmern, die nicht lebensfähig sind. Die größte Tragödie an dieser Sache ist wohl nur, dass keiner weiß, wohin diese Seuche bei den Nutztieren führt und was sie für die Landwirtschaft bedeutet. Aber an dieser Stelle ginge das Thema wieder in Richtung Geld und das soll nicht sein.
Die zweite Seuche ist im Prinzip schon seit längerer Zeit bekannt; bereits im Jahr 2007 wurden die ersten Fälle von Botulismus bei Rindern bemerkt, seit 2010 gilt diese Krankheit als neue Seuche bei Rindern, deren Folgen für den Menschen nicht absehbar sind. An dieser Stelle werden Bilder wieder wach aus vergangenen Zeiten: Rinder, die aussahen, als würden sie unter einer Extremform von Parkinson leiden und zitternd zu Boden fielen - das war wohl das erschreckendste Bild von BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie), auch lapidar als "Rinderwahn" bezeichnet. Der Schrecken für die Fleischkonsumenten wurde allerdings erst richtig groß als bekannt wurde, dass die Seuche auch auf den Menschen übertragbar war und zu schlimmen Krankheiten führte, die tödlich ausgingen. Jeder hatte plötzlich Angst, ähnlich wie die Rinder dazustehen, zitternd auf den Tod wartend. Aber sind die Menschen damals geschlossen zu Vegetariern geworden?

Die Antwort auf diese Frage kennen alle. Der Schuldige an der Seuche war schnell ausgemacht, es gab langwierige und flächendeckende Untersuchungen, Rinder wurden herdenweise in Panik geschlachtet, sobald auch nur ein Rind in einer Herde mit Verdacht auf Rinderwahn entdeckt wurde. Die Lösung erschien so einfach, denn in früheren Zeiten wurden verendete Tiere zu Tiermehl verarbeitet, die den Rindern als Futter gegeben wurden. Als dann BSE in einem akuten Maße in den Schlagzeilen auftauchte war klar, dass die Landwirtschaft sich umstellen und dem erzwungenen Kannibalismus unter Tieren ein Ende bereiten musste. Nachdem das geklärt wurde und Tiermehl in der Fütterung offiziell unter Verbot stand, war für Otto Normalverbraucher wieder alles in Butter und er konnte sich sein tägliches Steak wieder gönnen.

Nun aber gibt es eine neue Seuche und diesmal sind die Wissenschaftler und Landwirte gleichermaßen ratlos. Die Ursache für Botulismus kann nicht einwandfrei geklärt werden und damit können immer mehr Landwirte nur tatenlos zusehen, wie ihre Rinderherden einer nach dem anderen verenden. Alarmierend für den Verbraucher ist wohl die Tatsache, dass wie bei BSE die Seuche "Botulismus" auch einen Effekt auf den Menschen hat. Man könnte (wenn man sarkastisch wäre) von "Rinderwahn 2.0" reden, aber so weit kann im Moment noch niemand gehen, weil die Seuche nicht medienwirksam genug vermarktet wird.

Wahrscheinlich ist das das einzige Problem. Bis auf wenige Berichte in ausgewählten Sendungen wissen die Leute gar nicht, dass eine neue Seuche auf dem Rindermarkt grassiert. Die Politik strengt sich in diesem Fall auch nicht gerade an, die Menschen zur Vorsicht zu ermahnen. Ähnlich wie der Skandal um den Antibiotikakonsum bei Hühnern braucht es immer einen richtigen Skandal, es muss Tote geben, bevor sich auch nur annähernd über das Problem Gedanken gemacht wird. Getreu dieser Methode sagt auch diesmal Verbraucherministerin Ilse Aigner zum Thema "Botulismus", es bestünde "kein Handlungsbedarf". Ohnehin hört man dieses "kein Handlungsbedarf" in dieser und ähnlichen Varianten erstaunlich oft von Frau Aigner. Liegt es daran, dass sie nicht wirklich Lust auf ihre Arbeit hat? Oder glaubt sie sich wirklich selbst, was sie da redet? An dieser Stelle denke ich ernsthaft wieder an "magic mushrooms", vielleicht sieht Frau Aigner auch zu viele schöne Farben, wenn es um die Landwirtschaft und die Massenproduktion im Fleischsektor geht.

Unabhängig von allen Seuchen in der Tierindiustrie, die in letzter Zeit auftauchen, bleibt doch nur die Frage: wer wundert sich überhaupt über diese Entwicklung? Tiere, die in Massen hochgezüchtet werden, um den maximalen Profit durch ihr Fleisch und Nebenerzeugnisse (z. B. Milch und -produkte) zu erzielen. Wie in der letzten Woche schon angedeutet: es geht um Effizienz, nicht um Effektivität. Aber wer daran Schuld ist, daran scheiden sich naturgemäß die Geister, denn Schuld sein möchte niemand, Schuld verteilen möchte jeder. Es beginnen Schlachten, wer wem was genau vorwirft, warum die Fleischindustrie so, wie sie jetzt läuft, nicht funktioniert aber funktionieren sollte. Im Ende sind sich die meisten Menschen einig, dass die Fleischindustrie genauso weitermachen sollte wie bisher, allerdings soll aus heiterem Himmel jedes Stück Fleisch Bioqualität bekommen, wobei der Preis der Supermarktmassenware nicht steigen soll. Diese Utopie ist ähnlich sinnvoll wie die Vorstellung, dass wir alle von nun ab doppelt soviel arbeiten, zusätzlich in unsere Arbeit finanziell investieren, aber am Ende des Monats das Gleiche verdienen.

Wie schon des öfteren angedeutet, ist der Veganismus (zumindest aber der Vegetarismus) für die meisten Menschen auch keine Lösung - vielleicht hätten in diesem Zusammenhang "Die Toten Hosen" statt "Kein Alkohol ist auch keine Lösung" die Zutat Alkohol durch Fleisch ersetzen sollen; es würde wohl noch besser in unsere heutige Welt passen. Der Irrglaube, Fleisch wäre lebensnotwendig für die Menschheit zum Überleben (vor allem aber für ein gesundes Leben) hat sich so tief in die Köpfe und Herzen der Menschen gebrannt, dass sie sich nicht einmal ansatzweise ein Leben ohne vorstellen können. Und es ist ihnen nicht einmal bewusst! Raucher werden oft für ihre mangelnde Disziplin getadelt, weil sie nicht in der Lage sind, mit dem Rauchen aufzuhören. Dabei verstehen viele Menschen nicht, dass sie mit ihrem Fleischkonsum selbst einer Sucht verfallen sind. Gut, man kann dies auf jede mögliche Sucht auf diesem Planeten erweitern, aber es ist ein Unterschied, ob man sich seiner Sucht bewusst ist oder nicht.

Aber Halt! Warum sollte man eigentlich keiner Sucht nachgehen in seinem Leben? Das Leben ist (für viele Menschen) scheinbar trostlos genug, den Verzicht in diesem Grau in Grau zu üben wäre doch die Hölle. Man stelle sich vor, auf Schokolade, Kaffee, Fleisch, Alkohol und alles, was Spaß macht, zu verzichten. Um offen zu sein, wäre ich dazu auch nicht in der Lage, auf sämtliche Schwachstellen in meinem Leben zu verzichten. Es geht nicht nur darum, sich selbst vermeintlich "etwas Gutes" zu tun, obwohl man weiß, wie schlecht es für den Körper sein mag. Aber wer möchte schon ewig leben? Reicht es nicht, dass wir jetzt schon über 80 Jahre alt werden, gepeinigt von verschiedensten Krankheiten und immer auf der Suche nach dem Glück, das wir eigentlich besitzen, das uns aber nicht reicht? Ähnlich wie im Überkonsum bei den Lebensmitteln haben wir doch nie wirklich genug, die Steigerung von der Befriedigung der Bedürfnisse zum aktiven Suchen nach neuen potenziellen Bedürfnissen hat eine Spirale in unserer Gesellschaft gebildet, der sich inzwischen alle Menschen mehr oder weniger anschließen. Alledem entsagen hieße, nicht mehr Teil der Gesellschaft zu sein, ein Außerirdischer, den niemand wirklich versteht.

Vielleicht gerade deswegen hält sich die Politik in der Bekämpfung der Massenindustrie so aktiv zurück. Geht es nur ums Geld? Daran kann es nicht liegen, denn die Lösung für das Problem wäre denkbar einfach: die Produktion um 50% zurückfahren, dafür Fleisch zum doppelten Preis verkaufen und wir hätten den gleichen Gewinn bei gesünderem Fleisch und weniger Abfallprodukte. Wer jetzt sagt: "Kein Mensch würde Fleisch zum doppelten Preis kaufen, das machen sie zur Zeit bei Biofleisch ja auch nicht!", dem kann man nur entgegensetzen, dass durch die Tatsache, dass Billigfleisch existiert, Biofleisch einen schlechten Stand hat... und nicht, weil es zu teuer ist. Den Menschen ist der Konsum von Fleisch wichtig und wenn von heute auf morgen das Fleisch wesentlich teurer wäre, würden die Menschen weiterhin Fleisch kaufen, allerdings in kleineren Mengen. Es würde sie garantiert nicht umbringen, das genaue Gegenteil wäre der Fall. Aber die Landwirtschaft wäre in einer besseren Position, wenn nicht in Massen Tiere unter unwürdigen Bedingungen gehalten werden, damit Produkte aus tierischen Erzeugnissen billig auf den Markt geworfen werden können. Man bedenke auch: Fleisch ist ein Luxusgut, schon immer galt es als wertvoll und erst durch die Massenindustrie ist es zur Selbstverständlichkeit geworden. Jeder Mensch, der selbst einmal gejagt hat, wird wenigstens ansatzweise wissen, dass es viel Arbeit ist, ein Tier zu jagen und zu töten.
Übrigens: Benzin war vor einigen Jahrzehnten auch wesentlich billiger. Und selbst wenn die Menschen gerne lautstark und langanhaltend über die teuren Preise beim Benzin meckern, die Erhöhungen führen nicht dazu, dass die Menschen geschlossen ihre Autos abschaffen und nur noch zu Fuß gehen. Preiserhöhungen führen nicht zum kompletten Verzicht, aber sie können zum gewissenhafteren Umgang mit Lebensmitteln führen.

Dies wäre dann auch der Appell, der an unsere "gute" Verbraucherministerin gerichtet werden müsste: für eine gewissenhaftere Landwirtschaft sorgen, weniger Kapazität, dafür mehr Klasse innerhalb der Produktion. Entstand BSE nur durch den Gebrauch von Tiermehl in der Fütterung? Gibt es Botulismus bei Rindern nur aus Zufall? Mitnichten! Seuchen wie diese entstehen durch Profitgier und einer Überproduktion, bei der niemand (weder die Produzenten noch die Verbraucher) im Ende noch wissen wohin mit dem ganzen Kram. Antibiotikaverseuchtes Hühnerfleisch? Ebenfalls ausschließlich eine Folge von Massenproduktion, die auf die Spitze getrieben wurde.

Was die Menschen wohl in dieser Gesellschaft, in der alles zu haben ist, nicht verstehen (können) ist, dass wir zum Erhalt unseres Körpers (selbst wenn man einige Prozentpunkte mehr für die Befriedigung draufpackt) nur verdammt wenig brauchen zum glücklich sein. Natürlich hat uns jeder, von der Medienwelt bis hin zum angeberischen Nachbarn, beigebracht, wir bräuchten viel und immer mehr. Trotzdem kann etwa die Hälfte der Weltbevölkerung wenig und noch weniger auskommen. Erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt, oder? Nachdenken ist wohl (wie bei allen Themen) das entscheidende Stichwort. Bei allen: beim Bundespräsidenten, der Kanzlerin, Frau Aigner... und schlussendlich bei jedem einzelnen von uns.

Mit diesen Worten schließe ich diesen Zweiteiler in Hoffnung auf eine einigermaßen gute Quote (auch wenn die Menschen der Wahrheit nur sehr ungerne, zumindest aber mit einem hohen Maße an Desinteresse, begegnen) und verabschiede mich bis zum nächsten Blogeintrag am nächsten Freitag. Allen Lesern ein schönes Wochenende und eine gute neue Woche!

LG Gene :-)

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