Freitag, 23. September 2011

Von "verklemmt" bis "enthemmt" - Episode 2: Sex und Liebe

Vor Kurzem sah ich im TV einen Bericht über Janis Joplin und die glorreiche Zeit des "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Phänomens. Freie Liebe, propagiert von jenen, die aus dem konservativen Schubladendenken ihrer Vorfahren ausbrechen wollten. Die Menschen bevorzugten statt der frühen Eheschließung das "Ausprobieren" zahlreicher Sexualpartner, bis sie sich schlussendlich für den/die Eine/n entschieden hatten - oder eben nicht. Nun, wenn man es genauer betrachtet, steckt schon ein wenig Klischee dahinter. Die Hippies waren nicht ausschließlich darauf aus, ihr Bett jede Nacht mit jemand anderem zu teilen, es sei denn, sie ließen sich vom Rausch der Drogen verführen und zu solchen Taten hinreißen. Ob sie das im Ende dann bereuten oder nicht, steht wohl indivduell bei jedem der Beteiligten auf einem anderen Blatt.

Nun ist diese Generation auch schon wieder seit 40 Jahren vorbei und ziert nur noch die Geschichtsbücher als eine Zeit, in der die Revolution für Gleichberechtigung in allen Formen in Gange war. Und heute? Man könnte meinen, 40 Jahre später wären wir längst soweit, uns mit anderen Themen zu beschäftigen. Doch wenn man sich die Nachrichten anschaut, wird man erkennen, dass sich nicht viel verändert hat: auf der einen Seite kämpfen Homosexuelle für die absolute Gleichberechtigung, auf der anderen steht der Papst vor Tausenden von Gläubigern und predigt genau das Gegenteil. Und die freie Sexualität der "Woodstock-Generation"? Sie ist da, zweifelsohne - kaum jemand wird noch den ersten Sexualpartner direkt heiraten und mit ihm eine Familie gründen. Wir sprechen mehr über Sex, spätestens dank "Sex & The City" weiß jeder, was ein "brazilian waxing" ist und kennt die Tücken sämtlicher Sexualpraktiken. Und trotzdem drängt sich immer wieder der Verdacht auf, bei allem Reden und Diskutieren, dass wir über Sex weit weniger wissen als je zuvor. Sicherlich, in der Theorie kennen wir uns gut aus, wir kennen die Fachbegriffe, die "handwerklichen Kniffe" sind uns eigentlich auch bekannt. Nur mit der Umsetzung hapert es gewaltig.

An dieser Stelle tritt die natürliche Barriere zwischen Mann und Frau wieder zutage. Oder besser gesagt: zwischen Partner und Partner, wenngleich sich einem der Verdacht aufdrängen mag, dass Sexualität bei homosexuellen Beziehungen weitaus besser funktioniert als bei heterosexuellen. Ganz einfach weil Mann und Mann oder Frau und Frau ein besseres Verständnis füreinander haben als Mann und Frau. Ein Mann kann sich schlecht in die Schuhe einer Frau denken (gerade, wenn sie hochhackig sind) und bei Frauen verhält es sich ähnlich mit Männern. Die Ehrfurcht voreinander mag da sein, in einem gewissen Rahmen, aber der Rest? Die Praxis geht unter in all der Theorie und nicht selten herrscht mehr tote als lebendige Hose im Bett.

Wie passend sind doch die Gegensätze, die sich diese Woche präsentierten: die Piraten-Partei, die mit überwältigenden 8,9 % in das Berliner Bürgerhaus gewählt wurden und die sich für die Legalisierung weicher Drogen und freie Liebe aussprechen. Was so viel heißen mag wie "Woodstock 2.0". Und dann kam gestern der Papst nach Deutschland, der allseits heiß geliebte Benedict XVI. Er, der die Hoffnung in sämtlichen Katholiken weckt, dass die Christen als Religionsgemeinschaft doch noch zu retten sind und die Leute scharenweise ins Olympiastadion lockt. Nur über sexuellen Mißbrauch von Kindern durch Pfarrer wollte "Benedetto" dann doch nicht reden, es ging nur um die Treue der Katholiken zu ihm - und damit die Sicherheit der katholischen Kirche als Weltinstitution. Wir wissen alle, dass die katholische Kirche über alles außer über Sex reden möchte - denn Sex ist nur zum Zeugen von Kindern da. "Seid fruchtbar und vermehret euch!" - im besseren Sinne wie die Kakerlaken. Denn eine Spezies, die sich zuviel fortpflanzt, wird irgendwann eine, die als Ungeziefer gilt... und nur, weil wir Menschen diese Regel erfunden hat, heißt es nicht, dass wir automatisch davon ausgeschlossen sind.

Es ist gut, dass der Mensch heutzutage (zumindest in der westlichen Welt) Sex als reine Lustbefriedigung denn als Fortpflanzungsnotwendigkeit nutzt. Denn eine Welt mit 20 Milliarden Menschen wäre wohl kaum vorstellbar (immerhin sehen wir, wozu 7 Milliarden bereits imstande sind!). Die Probleme zwischen Männern und Frauen bleiben allerdings, das Unverständnis füreinander, egal wie oft sie untereinander miteinander "verkehren", sowohl im nicht-sexuellen als im sexuellen Bereich. Und das Balzen ist weitaus schlimmer geworden, als es noch vor 50 Jahren war, denn in früheren Zeiten gab es wenigstens das Ziel, miteinander alt zu werden oder wenigstens zusammenbleiben zu wollen. Heute geht es beim Balzen primär um Sex, den einen Akt, der zwischen 2 und 15 Minuten dauert (wenn man nun den reinen Akt ohne Schnickschnack sieht) und danach geht es ab zur Restmüllentsorgung.

Doch wie hat sich dieser Wandel vollzogen? Gibt es Gründe, dass Sex und Liebe heute so streng getrennt werden wie selten in der Geschichte zuvor? Es mag sein, dass nur zur Zeit der Hippies die Menschen wahlloser Sex hatten, rein aus Spaß an der Freude. Heute hat sich daringehend nicht so viel geändert: wir nehmen nicht haufenweise Drogen (wenn man nun mal die legalen Rauschmittel wie Alkohol ausklammert), aber wir haben immer noch sehr gerne Sex. Aber Liebe? Die steht auf einem anderen Blatt. Man weiß nicht, welche Faszination ausgeübt werden muss, damit Liebe entsteht. Tatsache ist nur, sie entsteht längst nicht mehr so leicht wie vorher. Mag sein, dass es an der neugewonnen Selbstständigkeit liegt, dass die Menschen sich ungerne in eine Lebensgemeinschaft reindenken möchten. Oder es liegt einfach an einem Überquellen an zuviel Information, weil es potenziell zuviele Partner gibt, die man sich aussuchen könnte. Die Antwort darauf kann wohl nicht universal beantwortet werden, es bleibt nur das Staunen, wie sehr die Menschen sich inzwischen selbst genug sind. Lebensgemeinschaften können schließlich durch so viele Dinge ausgeglichen werden: Hobbies, Freunde oder dem Fröhnen des "Ich bin klasse"-Lebensstils allgemein. Ja, wir sind uns selbst genug - vermissen dann aber doch irgendwie die Zweisamkeit. Das Bett ist schließlich kalt nachts, wenn man sich alleine hineinlegt. Zum Ausgleich gibt es dann das "Fleisch pfundweise" - eine ganze Kuh kaufen kann schließlich jeder Bauer!

Nun möchte ich die Welt nicht so schwarz-weiß sehen und ja, ich weiß, es gibt auch viele Menschen, die glücklich in Partnerschaften oder Ehen verbandelt sind. Was auffällt ist aber, dass die Menschen sich schnell einander überdrüssig sind, es nicht lange miteinander aushalten und für jede Kleinigkeit eine Beziehung beenden. Es geht dann ähnlich zu wie in jeder besseren amerikanischen Comedyserie: "Sie benutzt das falsche Parfüm? Wie kann ich sie dann heiraten?" Oder Skandalgeschichten wie: "Er hat Mundgeruch, wenn er morgens neben mir aufwacht!"

Wir sind kritischer geworden, weniger uns selbst gegenüber, mehr jedoch allen anderen gegenüber. Speziell, wenn sie an unser Allerheiligstes wollen (und nein, ich meine nicht unseren Körper); das Herz des Menschen will schließlich geschützt werden, es bricht ja viel zu leicht. Und bei dem selbstbewussten, hochintelligenten und -begabten Westweltmenschen 2011 bricht es noch viel leichter, als wäre es aus Zucker. Wir sind empfindlicher geworden, werden aber nicht müde, diese Empfindlichkeit einander vorzuwerfen - damit die emotionale Verletzung noch schlimmer wird. Manchmal habe ich das Gefühl, die Menschen geifern regelrecht danach aus Angst, selbst verletzt zu werden, den Anderen vorher zu verletzen. Das dann aber auch richtig und im vollen Umfang. Nie waren wir im Bett intimer und offener miteinander und selten auf der anderen Seite so verletzend und persönlich gegen den Anderen wie jetzt. Das Mittelmaß ist "out", "in" ist, wer das Leben nicht nur in vollen Zügen genießt, sondern es genauso gut zerstört. Die Grenzen verschwimmen zwischen der Rettung und Zerstörung untereinander, es hat schon fast etwas Biblisches.

Offenheit in der Sexualität oder im Gefühlsleben sind zwar erfüllend im einen Moment, aber doppelt schädlich und verletzend im Nächsten. Und gerade da macht sich auch der Unterschied zwischen Mann und Frau breit. Männer sind allgemein gefühlskälter als Frauen, das ist psychologisch schon oft festgestellt worden. Natürlich nicht sich selbst, sondern anderen Menschen gegenüber. Es heißt nicht, dass sie weniger empfinden als Frauen oder nicht selbst leiden könnten, aber sie können das viel besser unterdrücken als eine Frau. Ob das an der Mütterlichkeit einer jeden Frau liegt (egal, ob sie Kinder hat oder nicht), sei dahingestellt. Frauen machen in Beziehungen nur entscheidende Fehler, die sie im Ende als Verlierer dastehen lassen müssen. Allein den männlichen Penis zu glorifizieren, als sei er der "heilige Grahl", stellt Frauen in eine Passivposition, eine untergestellte gar... und da braucht sich auch keine Frau mehr zu wundern, warum sie im Berufs- und Intimleben immer den Kürzeren den Männern gegenüber zieht. Nur durch diese Glorifizierung nämlich kommen sich Männer so speziell und unbesiegbar vor. Und das drücken sie auch in jeder Phase ihres Lebens aus: sei es im Beruf, wo sie mehr verdienen und mächtiger sein müssen oder im Schlafzimmer, wo es primär um ihre eigene Befriedigung geht statt um die der Frau.

Die weibliche Befriedigung gleicht auch der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, auch wenn es in Wirklichkeit weit weniger schlimm ist als der Mythos, der kreiert wurde. Eine Frau ist nicht ein Wesen, das nie befriedigt werden kann - es dauert nur länger und ist nicht so einfach herauszufinden als das reine "Rubbeln" beim Männchen, was oft einem Glückslos gleich, wo man potenzielle Gewinne freirubbeln kann. So ist die männliche und weibliche Befriedigung wohl wie der Unterschied zwischen der Suche nach Kohle oder nach Gold. Für Frauen ist es wohl schwerer, einen Orgasmus zu kriegen und da sie das männliche Glied als so wichtig erachten, bleiben Männer wohl für alle Zeit in dem Irrglauben, "das Ding reinstecken" reicht zur Befriedigung der Frau. Klappt bei "Ihm" ja schließlich auch!

Aber mal zum Kern der Dinge: wohin gehen wir mit unserer Freiheit in der Sexualität? Es ist wie mit Bekanntschaften, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat; ist es erst einmal so weit, dann ist das Pferd erschossen und beerdigt. Und je schneller die Männer an die Sexualität kommen, umso schneller wird der Gaul danach beseitigt. Nicht immer, zugegeben... aber immer öfter! Romantik (obgleich sie dem Menschen soviel mehr als ein zweisekündiger Orgasmus bringen kann) ist in den Hintergrund gerückt. Liebe, wie sie in Shakespeare's Dramen beschrieben wurde, gibt es zwar heute noch, aber die Relationen haben sich verschoben. Wo die Sexualität dominiert, bleibt nicht mehr viel Platz für Liebe. Es ist wohl wie im Film: während in indischen Schnulzen die Romantik im Vordergrund steht und Sexualität in jeglicher Form verpöhnt ist, fällt es beim Gucken einem Porno schwer, ein Gefühl zu entwickeln (abgesehen vom Gefühl in der Hose!).

Eine ausgeglichene Beziehung in allen Lebenslagen, danach sucht jeder Mensch. Ob diese Beziehung wirklich in absoluter Reinform so zu finden ist, bleibt jedoch fraglich. Wenn der Sex nicht stimmt, stimmt die ganze Beziehung nicht, so denken viele Menschen. Auf der anderen Seite gibt es Lebensgemeinschaften unter Partnern, die gänzlich ohne Sex auskommen und sich dabei gut fühlen. Ein Pulverfass, das explodieren muss früher oder später - wahrscheinlich würde jeder Sexfanatiker so diese Art zu leben abtun. Es darf allerdings spekuliert werden, ob nicht das Leben im Sexwahn (gerade in der Sexsucht) ein viel gefährlicheres Pulverfass ist. Beides hat seine Tücken, die Unterdrückung wie das überschwängliche Ausleben der Lust. Ähnlich verhält es sich mit Gefühlen - wer sie ständig unterdrückt, wird nicht glücklich. Und wer sie auslebt ohne Rücksicht auf Verluste, hat den gleichen Effekt.

Die Zweisamkeit oder das Alleinsein, was ist nun der bessere Weg? Da wir uns als Herdentier sehen wohl Ersteres. Wenn wir über die Empfindlichkeit des Herzens oder die Liebe zur Freiheit und Selbstentfaltung nachdenken, eher die zweite Variante. Am Ende des Tages steht die Entscheidung, wie Sex gelebt und zelebriert werden soll. Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie erschreckend, denn wo es Licht und einen Körper, da entstehen auch Schatten. Lange Schatten - wie sexuelle Perversion und der Drang, die Lustbefriedigung als Waffe einzusetzen. Pädophilie, Sodomie und weitere krankhafte "Spielarten der "Liebe"" sind nicht neu, doch sie sind in einer Welt, in der alles diskutiert wird, immer stärker vertreten. Nicht nur, weil es ein krankhafter Trieb ist, auch durch das offene Reden werden Tabus gesucht, die gebrochen werden können. Schließlich ist nicht jeder Sexualtriebtäter von Geburt her verdorben, in den meisten Fällen wird er dazu gemacht - durch die Erziehung der Eltern und deren Fehler oder die Gesellschaft. Natürlich kann man nicht der Gesellschaft die Schuld daran geben, dass es Pädophile gibt - auf der anderen Seite gibt die Gesellschaft Ideen. Und es gibt verdammt viele Menschen, die meinen, solche Ideen umsetzen "zu müssen", ganz gleich, wie krankhaft oder unerträglich sie für den Betrachter sein mögen. Wie ich sagte, der Mensch 2011 versteht sich zu oft als freies Wesen, das tun und lassen kann, was er/sie möchte. Und auch wenn diese Freiheit laut Recht und Gesetz in der Gesellschaft Grenzen vorschreibt, so sind es gerade diese, die den Menschen anspornen, zu weit zu gehen. Das Überschreiten der Grenze (im emotionalen wie sexuellen Bereich) auf Basis der Unterdrückung anderer ist und bleibt ein Verbrechen - manchmal nur ein moralisches, oft auch ein juristisches.

Das Herz kann eine Mördergrube sein, die Liebe tödlich und die Sexualität verhängnisvoll. Hollywood würde es so beschreiben und die großen Dichter und Denker wahrscheinlich auch in ihren Gedichten. Und so unendlich, wie Hollywood's Vielfalt und die der Lyriker ist, so ist auch dieses Thema. Und deswegen wird es wohl noch einige Einträge zum Thema "Sex und Liebe" von mir geben - obwohl ich weder verwandt noch verschwägert bin mit Oswald Kolle.... In diesem Sinne, allen Lesern ein schönes Wochenende und bis zum nächsten Freitag. ;-)

LG Gene :-)

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