Freitag, 29. April 2011

"Sarrazin und ein Dutzend dreckige Bohnenfresser" - Polemik trifft Multikulti

Der heutige Tag stand eigentlich ganz im Zeichen von Zweien, die in die Westminster Abbey auszogen, um den Bund für's Leben zu schließen - ja, "we are so froh" (dieser ZDF Jingle nervte rund zwei Wochen vorher bereits!), der Prinz William hat endlich seine Kate geheiratet. Wonderful! Marvelous! Bis dass der Tod sie scheiden mögen; das aber dann möglichst spät, die Beiden sollten ja was voneinander haben. Rund zwei Milliarden Menschen haben das Ereignis live mitverfolgt, die Zeremonie wurde groß aufgezogen, im Ende haben die Beiden sich schon fast zu brav auf dem Balkon geküsst (ich dachte erst an zwei Vierjährige, als ich das sah... andererseits, beim Adel gehört es sich einfach so: geküsst wird immer noch streng nach Protokoll schön anständig). Nun dachte ich zunächst, das wäre doch das IDEALE Thema für meinen wöchentlichen Blogeintrag: die Institution Ehe heutzutage - und wieviele Menschen diese in den Dreck ziehen. Aber ganz ehrlich: dafür bin ich zu wenig religiös, zu wenig verheiratet (nämlich gar nicht) und das Thema ist fast schon zu offensichtlich, als dass ich es jetzt ausschlachten würde.

Also, gab es noch andere Themen in dieser Woche? Schwer zu sagen, die royale Hochzeit hat alles überschattet, umrundet und ausgestochen, was es da an Themen noch gab. Der Rest war erschreckenderweise wohl nicht interessant genug. Auch wenn ich mich frage, warum die Tornados, die über den Süden der USA hinweggefegt sind (am Schlimmsten hat es Alabama getroffen) nicht das Mitleid der Menschen so in Beschlag genommen hat wie die Katastrophe in Japan. Wahrscheinlich ist die Antwort erschreckend einfach: Alabama hätte einfach auch ein Fukushima gebraucht, bei dem wir Deutschen uns dann gefragt hätten: "Treffen die atomaren Strahlungen durch Windströme auch uns?" Wie ich schon sagte, wenn es den Menschen nicht unmittelbar betreffen könnte, ist es relativ uninteressant. Auch wenn die Ausmaße für die Leute in Alabama genauso schlimm sind wie für die in Japan. Okay, sie werden wohl weiter in Alabama leben dürfen, die Menschen rund um Fukushima müssen sich ein neues Zuhause suchen. Verloren haben in beiden Fällen die Menschen alles, was ihnen lieb und teuer war. Und Menschen sind in beiden Fällen gestorben.

Oft frage ich mich, woran das liegt, dass Menschen immer nur betroffen sind, wenn sie selbst mitbetroffen sein könnten (aus welchen Gründen auch immer). Genauso die Frage, warum bei Anschlägen, bei denen Ausländer umkommen, immer noch erwähnt werden muss, ob Deutsche unter den Opfern waren. Wie gestern beim Anschlag in Marrakesch, wo zunächst die Rede von 14 Toten und mindestens 20 Verletzten war. Schrecklich und traurig genug. Dann hieß es, unter den Opfern seien 11 Ausländer. Und dann kam der wieder einmal entscheidende Satz: "Unter den Opfern sind keine Deutsche!"
Wut beschleicht mich, wenn ich solche Sätze höre. Macht die Tatsache, dass das Opfer eines Terroranschlags ein Deutscher ist, die Sache irgendwie wertvoller, als wenn es sich bei den Opfern um Kanadier und Niederländer handelt? Gibt es einen geheimen Börsenwert für Deutsche? Und wenn ja, was macht diesen Wert aus? Die deutsche allerseits gepriesene Qualität? Unsere Pünklichkeit? Macht vielleicht die Tatsache, dass wir angeblich immer pünktlich sind, uns um zwei Euro wertvoller als Niederländer, die eh nur an Tulpen und Gouda denken?

Natürlich macht es betroffen, wenn ein Deutscher Opfer eines Anschlags wird, mit dem Flugzeug abstürzt etc... und vielleicht werden solche Dinge in den Nachrichten erwähnt, damit die Angehörigen, die gerade jemand aus der Verwandtschaft zufällig in Marrakesch haben, ordentlich Sorgen machen und sich auf Spurensuche begeben, ob es nicht der Eine sein könnte, der beim Anschlag ums Leben kam. Irgendwo könnte man das als logische Erklärung einsehen, andererseits: wenn ein Deutscher bei einem Anschlag ums Leben kommt, finden Ermittler am Tatort Möglichkeiten, Anverwandte ausfindig zu machen (zumindest stelle ich mir das Ganze mal so leichtgläubig vor).

Einfacher wäre es (und vielleicht auch zutreffender), wenn man sagen würde, dass jedes Land (auch Deutschland) sehr nationalstolz ist. Und dadurch werden (im Positiven wie im Negativen) die eigenen Sachen hervorgerufen. Was Deutsch ist, ist für Deutsche nun einmal wertvoller als das, was z. B. Niederländisch ist. Aber keine Bange, wir sind hier nicht im "Hitlerreich Reloaded" angekommen: den Holländer geht es mit dem, was Holländisch ist, genauso. Es wird immer das erwähnt, was einen selbst betrifft, wo man lebt und sich entfaltet. Und bis auf wenige Ausnahmen, ist jedem Bürger auch das am Wichtigsten, was in seinem eigenen Land und mit seinen Mitbürgern geschieht. Über den Tellerrand gucken wir meist nur, wenn es um wirtschaftliche Aspekte oder die nächste Sonnenbräune geht. Sprich: für Handel, Wandel und Urlaub sind die anderen Länder auch ganz gut. Für den Rest aber sollte es doch bitte schön deutsch sein und bleiben. Und immerhin: wir Deutschen haben doch allen Grund, Stolz auf uns selbst zu sein. Vor ein paar Monaten erst wurden wir durch eine weltweite Umfrage zur sympathischsten Nation gewählt. Nicht die Amis waren die Besten, auch nicht die Kanadier oder Australier oder Franzosen, nein - Deutsch scheint das Non plus Ultra in Sachen "Sympathie" zu sein.

Da sollten wir doch heilfroh sein, Deutsch zu sein, oder? Wenn die Vergangenheit und die Gewissensbisse wegen gleicher uns nicht ständig einen Strich durch die Rechnung machen würden, wir wären die tollste Superman-Nation, die man sich vorstellen könnte. Wir arbeiten hart, unsere Produkte sind weltweit heiß begehrt, wir stehen für Integrität, Verlässlichkeit und Pünktlichkeit. Mit anderen Worten: wir sind so nahe am perfekten Roboter wie keine gleichgeartete Erfindung der Japaner.
Doch, wie gesagt, die Vergangenheit, die lastet uns verdammt schwer an. Im Ausland (speziell in Amerika) sind wir immer noch die "Krautz", die allesamt auf Hitler stehen und immer wird mit Argwohn gesehen, wenn wir uns auch nur annähernd negativ über andere Kulturen äußern. Deswegen wurde Deutschland mit den Jahrzehnten (hauptsächlich, um alle Kritiker Lügen zu strafen - nebenbei auch, weil es viel Arbeit in unserem Land gab) immer mehr zu einer Multikultination. Gastarbeiter aus aller Herrenländer kamen zu uns, um mit uns und für uns zu arbeiten; und dann gefiel es ihnen gerade so gut hier, dass sie beschlossen zu bleiben. Kein Wunder: wenn eine Nation eine stabile Wirtschaft hat, will jeder was von dem Kuchen abhaben, nicht nur die, die zufällig in dem Land geboren wurden.

Irgendwann gab es dann doch die ersten vorsichtigen Versuche zu sagen: "Einwanderung schön und gut, aber wenn das so weitergeht, sind die Kapazitäten einfach ausgeschöpft!". Das war dann nicht der einzige Grund, warum Deutschland bis heute beim Thema "Fachkräfte" gewaltig hinterherhinkt. Mitte der 90er wollte Deutschland keine Computerinder und bis heute will die schwarz-gelbe Regierung die Schleusen für Arbeiter aus dem Ausland nicht aufmachen, die mehr drauf haben könnten als die Kräfte, die wir gar nicht haben. Es wird immer davon gesprochen, dass im Land selbst die jungen Menschen zu Fachkräften ausgebildet werden sollten - nur: wie soll das funktionieren, wenn trotz Wirtschaftshoch und zuviel offenen Arbeitsstellen nichts wirklich in die Gänge kommt? Der Aufschwung ist da, aber wo versteckt er sich nur?

Nun, ab dem 01. Mai 2011 (sprich diesen Sonntag) sollten wir diese Probleme ein für allemal gelöst haben: denn dann öffnen sich die sonst mit Beschränkungen versehenen Grenzen für 8 osteuropäische Staaten und die große Zuwanderung kann beginnen. Fachkräfte, schnappt euch eure Zeugnisse, auf geht's nach Deutschland... wirklich?

Wie gesagt, wir Deutschen dürfen kaum den Mund aufmachen, was Zuwanderung und Ausländer im eigenen Land betrifft, ohne als "Nazis" oder zumindest als "ausländerfeindlich" bezeichnet zu werden. Dann, letztes Jahr, kam er, der Ritter in schillernder Rüstung, wenn es darum geht, Immigranten zu kritisieren: Thilo Sarrazin, SPD-Politiker, ehemaliges Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank - und mit anscheinend einer verdammt großen Klappe, wenn es um das Thema Zuwanderung und Integration geht. Immerhin: er traute sich etwas, was sich sonst keiner traute, der ein paar Schläge mehr auf die Hände befürchteten: er kritisierte, dass laut Buchtitel "Deutschland sich selbst abschafft".

Vom Grundsatz hat er damit gar nicht mal so unrecht: wir leben inzwischen so multikulti und neudeutsch, dass wir a) nicht mehr wirklich wissen, wo wir herkommen, da wir immer mehr mit den Traditionen und Kulturen anderer Länder zwangszutapeziert werden und b) vor lauter neudeutschem Klugschwätzen gar nicht mehr wissen, was wir sagen. Auch einige Tatsachen, die Sarrazin aufführte, waren nicht so falsch, wie viele Kritiker sie gerne sehen würden. So ist es eine Tatsache, dass viele Immigranten sich scheinbar weigern, sich der neuen Kultur, in der sie leben, zu öffnen und ihre eigene dem unterzuordnen. Keiner verlangt, dass man seine Traditionen und seine Kultur aufgibt und in den Papierkorb wirft, nur weil man ein neues Land aufsucht, um wirtschaftlich sein Glück zu finden.
Gefährlich wird die "Ich gebe meine Traditionen nicht auf"-Attitüde erst, wenn man anfängt, denjenigen, die heimisch in einem bestimmten Land sind und ihre Traditionen haben, die mitgebrachten Eigenarten aufs Auge zu drücken, schlimmer noch: zu verlangen, dass die Einheimischen bitte akzeptieren, dass ein Ausländer sich nicht nur in einem Land breit macht, sondern sich auch noch fast bis aufs Blut damit behauptet.

Das klingt jetzt rassistisch? Ich selbst bin kein deutsches Reinblut, außerdem kenne ich die andere Seite der Medaille: für ein Jahr war ein anderes Land meine neue Heimat und auch ich musste viel lernen in dieser Zeit. WAs ich allerdings nie getan habe, war meine deutschen Überzeugungen jedem aufzudrücken, der nicht bei drei auf den Bäumen war. Ganz anders scheint es allerdings hier in Deutschland zu gehen (allerdings nicht nur hier, das kann ich zur Beruhigung aller Zuwanderer in Deutschland sagen: irgendwie ist das ein globales, kein deutsches Problem!).
Wichtig ist, dass durch die Öffnung aller Grenzen die Gemeinschaften immer stärker gemischt werden: reinrassisch ist endgültig eine Spinnerei aus der Nazizeit. Und Gott sei Dank ist das so! Es würde der Menschheit ohne die Mischung der Nationen so viel fehlen. Nun, vielleicht auch nicht, aber schöner ist es doch, wenn der Mensch mehr Auswahl hat als zwischen einer bis zwei Varianten entscheiden zu müssen.

Aber zurück zu Sarrazin: mit seiner Polemik zum Thema Zuwanderung und Integration von Immigranten hat er sich nicht gerade viele Freunde gemacht - einen Bestseller hatte er trotzdem. Es ist schon verrückt: jeder verteufelt das Buch, keiner will es gelesen haben - und trotzdem haben sich alle das Buch für ca. 23 Euro gekauft. Anscheinend haben viele Menschen in diesem Land doch noch zuviel Geld. Ich persönlich hatte dieses Geld nicht - oder besser gesagt, ich wollte dieses Geld nicht haben. Denn wer über bestimmte Gene spricht, die schädlich sind, im Zusammenhang mit Integrationsfähigkeit oder Schaffenskraft, der muss doch nicht ordentlich seine Laterne geputzt haben, oder?

Wie gesagt, er hatte nicht ganz unrecht, der Herr Sarrazin. Er hatte nur verdammt unrecht, wie er diese Thesen formuliert hat. Vielleicht hätte er Nachhilfe bei Herrn Luther nehmen sollen, er hätte glatt eine neue Religion unter diesem Thema gründen können. Was jetzt noch bleibt, ist die Tatsache, dass Deutschland als Zuwanderungsland auch durch die Aussagen Sarrazins unattraktiver denn je geworden ist. Und die immer noch offene Frage, wie man denn die immer noch nicht Integrierten endgültig davon überzeugen kann: "Yes, Deutschland is super!" Die Politik hat sich wortreich damit auseinandergesetzt, nachdem das Buch "Deutschland schafft sich ab" erschienen ist. Davon übrig geblieben ist jedoch wenig: es wird von türkischer Seite immer noch darauf gepocht, dass der Islam endgültig in Deutschland integriert wird, Muslime alles dürfen, was sie wollen und türkisch soll jetzt noch laut dem türkischen Präsidenten Erdogan Pflichtsprache an deutschen Schulen werden. Willkommen in der "Türkei Teil 2".

Und Sarrazin? Der soll aus der SPD ausgeschlossen werden, doch die Arbeiterpartei macht dabei einen Rückzug nach dem Anderen. Wirklich nützen wird das ihnen bei der nächsten Wahl nicht, aber die Demokratie steht ihnen wahrscheinlich wieder einmal im Weg: es herrscht Meinungsfreiheit, egal, was für ein Quark dabei unterm Strich rauskommt. Und damit hat Frau Nahles auch Recht, wenn sie das Bleiben von Herrn Sarrazin verteidigt.

Viel schlimmer als alles, was ich bis jetzt geschildert habe, ist in dem Zusammenhang "Zuwanderung" nur die Tatsache, dass wir jetzt zulassen, dass rund 140 000 Zuwanderer aus den osteuropäischen Ländern aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zum arbeiten kommen, auf der anderen Seite die Regierung "Alarm!" schreit, wenn Italien um Hilfe bittet bei der Unterbringung von 30 000 Flüchtlichen aus dem nordafrikanischen Raum, die alle vor Krieg und Tod flüchten. Grund? "Unter die politischen Flüchtlinge könnten sich auch Wirtschaftsflüchtlinge mischen!".

Die Frage bleibt, welchen Wert jeder Bürger einer jeden Nation auf diesem Planeten hat. Wahrscheinlich ist ein Pole doch 1,80 Euro mehr wert als ein Libyer. Immerhin darf der Pole ab dem 1. Mai hierherkommen zum Arbeiten, ein Libyer noch lange nicht. Und dabei spielt es dann auch keine Rolle, wie weit sich ein Pole oder ein Libyer integrieren oder wer sich besser integriert: in einer funktionierenden Welt sollten politische Flüchtlinge Vorrang vor denen haben, die nur aus Wirtschaftsinteressen ins Land kommen. Andererseits: von einem Land, an dessen erster Stelle der Profit und das Funktionieren der Wirtschaft steht, kann man nicht erwarten, dass es die große Wandlung von Paris Hilton zu Mutter Theresa macht, oder?

So frei ist jeder Einzelne von uns doch nicht, wie er immer meint. Arbeiten, wo man will? Fehlanzeige! Jeder ist gleich? Nein! Die Einen sind gleich, die Anderen ein wenig gleicher. Alles abhängig von Druck, Temperatur und Sympathie. Wir versuchen, uns alle im gleichen Licht zu sehen, in Wirklichkeit sorgen wir alle selbst dafür, dass wir in der Masse am hellsten strahlen. Das gilt auch für uns als gesamte Nation: wir wollen die Besten sein und leider wollen das viele andere auch. Und um zu erreichen, dass wir die Besten sind, wägen wir einfach ab: welche Zuwanderung tut uns gut und welche schadet uns. Welche Entscheidung hilft unserem Land wirtschaftlich und macht es attraktiver und welche Entscheidung sorgt dafür, dass wir ins politische und wirtschaftliche Abseits geraten.

Solange wir nicht den Fehler machen und in großer Prozentzahl rechts zu wählen, wie es in letzter Zeit viele nordeuropäische Staaten getan haben, werden wir kaum Probleme bekommen. Einzig Menschen wie Thilo Sarrazin können (wenn auch ungewollt) an unserer Popularität sägen. Oder schlichtweg die Tatsache, dass wir (wie jede andere wirtschaftlich gut dastehende Nation) Zuwanderung nur wollen, wenn es darum geht, unattraktive Jobs zu machen. Und da spielen inzwischen auch die Polen nicht mit: denn die wollen laut eigener Aussage a) gar nicht kommen, weil sie eh nie die Toppositionen erreichen werden, die sie wollen oder b) nur kommen, wenn sie über einen bei Deutschen ungeliebten Job doch später an die guten Jobs drankommen.

An alle Zuwanderer (und alle Deutschen) kann man nur sagen: einen frohen Tag der Arbeit - auch wenn er dieses Jahr auf einen Sonntag fällt. Damit gibt es dann einen Feiertag weniger dieses Jahr - aber zugegebenermaßen war der Titel "Tag der Arbeit" selten passender als dieses Jahr.

In diesem Sinne - ein schönes Wochenende (bis nächsten Freitag!)

LG Gene :-)

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