Freitag, 6. Mai 2011

Obama, Osama und Frau Merkel - oder: "The Good, The Bad And The Ugly"

Eigentlich befanden wir uns am letzten Sonntag beim "Tag der Arbeit". Und genau an diesem Tag endete ein Kapitel einer Legende über Krieg, Leid und Tod. Nur ein Kapitel? Nun, diese Legende ist eine nie enden wollende, immer erweiterbar durch manchmal nicht auszudenkende neue Strategien und Katastrophen, die das Bild komplettieren.

Als ich am Montag Morgen aufwachte und gefragt wurde: "Rate mal, was passiert ist?", ohne vorher die Nachrichten gesehen zu haben, dachte ich nur: "Gaddafi wurde geschnappt!", "Gaddafi ist tot!". Mitnichten, aber irgendwie scheint Gaddafi in unseren Köpfen im Moment den Thron des "Herrschers des Bösen" eingenommen zu haben. Wenngleich seine Schreckensherrschaft schon so lange ging, dass diese Stelle mit ihm schon lange hätte besetzt sein müssen. Doch, es gab da noch jemand, der hatte eine ganze Weile diese Stellung inne und war doch so plötzlich vergessen: Osama Bin Laden. Nach dem 11. September 2001, der sich durch den Terroranschläge auf die Twin Towers in New York für immer in unsere Köpfe gebrannt hatte, war er derjenige, der das Sinnbild für den "Schurken der Neuzeit" eingenommen hatte. Hitler war gestern, Bin Laden war das Übel der heutigen Zeit. Und die damit verbundene radikale Organisation Al Qaida genießt auch bis zum jetzigen Zeitpunkt die Rolle des Angstmachers schlechthin. Die Terroranschläge von 9/11, die Anschläge auf die Londoner U-Bahn und Pendlerzüge in Barcelona, der Terroranschlag in Mumbai 2007... das sind nur wenige der vielen Taten, mit der sich die Organisation stolz brüstet. Wenn man inzwischen ein Symbol für das abgrundtief Böse auf dieser Welt sucht... mit der Al Qaida hätte man schonmal ein ziemlich treffsicheres. Und Osama Bin Laden könnte als Ikone dieser Organisation bezeichnet werden - sein Bild kennt jeder und damit ist er sowohl verehrt von denen, die seinem Beispiel folgen wollen als auch gehasst von denen, die seine Taten verurteilen.

Nun ist er tot - "le coq est mort/der Hahn ist tot". Und das Witzigste ist wohl, dass keiner mehr mit dieser Nachricht gerechnet hat. Dachten wir nicht alle, bin Laden sei wie "Phantomas", ein Phantom, dass vielleicht noch lebt, vielleicht aber auch schon tot ist? Hatten nicht oft genug Experten die Hasspredigten in Videobotschaften angezweifelt und vermutet, dass diese längst veraltet waren und damit nur die Verherrlichung für die Gefolgschaften am Leben gehalten werden sollte? Bin Laden schien unfassbar zu sein, wenn man den Fall denn annahm, er sei noch am Leben. Es wurde vermutet, er befände sich irgendwo in Afghanistan, eventuell auch in Pakistan. Aber genau sagen konnte das keiner. Und so, wie er verschwand, ist er jetzt tot wieder aufgetaucht - aus dem Nichts heraus ins Nichts zurück!

Als Barack Obama den Tod des Al Qaida Anführers bekannt gab, konnte man nicht anders als sich zuerst fragen: "Wie haben die Amerikaner DAS denn jetzt geschafft?". Man erinnerte sich an George W. Bush jun. der verzweifelt versuchte, Bin Laden zu finden "We want him - dead or alive!". Und jedem war damals schon klar: Bush wollte ihn lieber tot als lebendig. Er schrieb es sich so dick auf die Fahnen, Bin Laden zur Strecke zu bringen, dass mitsamt dem Afghanistankrieg die zweite Amtszeit von Bush gesichert war - ob er nun die Fähigkeiten zu regieren hatte oder nicht. Denn die Anschläge von 9/11 waren ein dicker, schwarzer Stachel im Fleisch des amerikanischen Volkes; nie hatte die erfolgreichste, schönste und beste Nation der Welt gedacht, sie könnte von irgendetwas in ihren Grundfesten erschüttert werden. Und als Osama bin Laden sich zu den Anschlägen bekannte, war der Hass der gesamten amerikanischen Nation gegen ihn gerichtet. Ein Hass, motiviert aus tiefer Trauer, der viel größer wurde als der Hass, den die Al Qaida in ihrem religiösen Irrsinn predigte.
Und nun, kurz vor dem 10. Jahrestag des 11. September, hat der "Heilsbringer Amerikas" etwas geschafft, dass eigentlich George W. Bush in seinen Lebenslauf schreiben wollte: er hat bin Laden aufgespürt. Nicht er persönlich, aber der Dank und die Ehrfurcht der Naiton gehören nun ihm und das genau zum richtigen Zeitpunkt. Nachdem Obama nun lange mit dem Image zu kämpfen hatte, nicht das halten zu können, was er 2008 so vollmundig versprochen hatte, ist er jetzt zum "Hero of America" aufgestiegen. Er hat das Böse besiegt, er ist der Jäger, der den bösen Wolf endgültig erschossen hat. Perfekt wie im Märchen und doch verbunden mit so viel Mißtrauen und bösem Blut, wie man es sich eigentlich nur von der Seite der Al Qaida vorstellen konnte.

Denn was kurz nach dem Lob für Barack Obama folgte, war die große Schelte der republikanischen Seite: er habe das alles nur gemacht, damit er bei den nächsten Wahlen gut dasteht. Er betreibe nur Wahlkampf auf dem Rücken der "Operation Geronimo", will Sympathien, die ihm eigentlich gar nicht zustünden. Aber das ist nicht alles, was zu dieser Nachricht geschehen ist und gründlich in die Hose ging, auf diplomatischer wie menschlicher Seite.

Was die Weltbevölkerung kurz nach der Mitteilung Obamas als Erstes zu sehen bekam, waren tausende jubelnder Menschen auf den Straßen New Yorks, am Times Square und am Ground Zero, die jubelnd nur "USA! USA!" brüllten und damit demonstrieren wollten, welch großer Triumph ihnen mit dem Tod bin Ladens gelungen war und dass ihre Nation stärker denn je aus dieser Aktion hervorgegangen ist. Und so sehr man sich mit den New Yorkern, mit den Amerikanern und eigentlich auch mit sich selbst freuen wollte, dass das Spukgespenst bin Laden nicht mehr ist... ein fader Nachgeschmack hatten die Bilder, die man sah.

Denn auch wenn jeder nur über die Bilder redet, die jeder sehen will, von denen Obama sich aber weigert, sie zu zeigen (nämlich die vom toten bin Laden), es fällt schwer, wirkliche Freude über den Tod eines Menschen zu zeigen. Egal, wie schlimm ein Mensch ist, über seinen Tod zu triumphieren ist wohl eine Tugend, die zu Amerika gehört wie Peanutbutter und Hand auf die Brust beim Nationalhymne singen. Nicht allein der ethische Gesichtspunkt hat mich im Zusammenhang mit den Straßenfeiern nachdenklich gemacht; es geht nicht nur darum, wie "vulgär" dieser Jubel der Amerikaner war (um Altbundeskanzler Helmut Schmidt im Interview diese Woche zu zitieren), man fragt sich doch, bei aller Erleichterung, bei aller "Freude", was der Tod bin Ladens wirklich bringt.

Es wurden Meldungen in dieser Woche berichtet, laut denen bin Laden mit der Al Qaida neue Anschläge zum 10. Jahrestag von 9/11 geplant hatte. Der Knackpunkt am Tod bin Ladens ist schlussendlich, dass die Al Qaida keine "One man show" war, sondern eine straff organisierte Terrorvereinigung, die aus tausenden von Mitgliedern besteht. Und wenn bei diesem Fabelwesen der Kopf der Schlange abgeschlagen wird, wachsen kurz darauf drei Köpfe nach. Das Problem liegt ja nicht nur in bin Laden, es liegt in der Einstellung eines Teils einer ganzen Generation, die meint, nur durch Terror und Tod könnten die irrwitzigen Forderungen dieser Terrorgruppe durchgesetzt werden.

Wenn diese Aktion eins hat, dann ist es Symbolcharakter. Osama bin Laden war durchaus das Gesicht des Terrors und mit seinem Tod hat der Schrecken für's Erste sein Gesicht verloren. Und das ist vielleicht das Einzige, was die unbändige Freude und Erleichterung erklären mag.

Doch die "Freude" ist ein gewaltiges Fettnäpfchen in diesem Zusammenhang, gerade wenn man in einem Beruf steht, in dem auch die Diplomatie eine hohe Tugend zu sein hat. Aber wer wäre besser geeignet, in ein Fettnäpfchen zu trefen, als unsere allzeits beliebte Kanzlerin Angela Merkel? Nachdem sie schon so oft sich gründlich daneben benommen hat, wenn es um die wichtigen Dinge des Lebens ging (man denke zuletzt an ihre Haltung zu Atomkraftwerken unmittelbar nach der Katastrophe in Japan), ist es ihr auch diesmal gelungen, die gesamte deutsche Nation gründlich zu blamieren. Mit den Worten, sie freue sich über den Tod Osamas, hat sie zwar dem Ausdruck verliehen, was viele denken, allerdings hat sie dabei ein Problem: die Diplomatie steht nicht bei Lieschen Müller im Vordergrund, sondern bei ihr als Staatsfrau! Und sehr kurz nach dieser Aussage war das Donnerwetter um ihre Aussage groß. Wie kann sie es sich als Politikerin wagen, solch eine Aussage über den Tod eines Menschen zu machen? Dabei wird von den ethisch Korrekten völlig ausgeklammert, dass bin Laden ein Massenmörder ist. Er ist trotzdem ein Mensch, mit zwei Armen, zwei Beinen, einem Rumpf, einem Kopf - dass er dabei ein ideologisch sehr krankes Hirn hatte, spielt keine Rolle. Im Ende spielt eine Rolle, dass er ein Mensch war. Punkt! Und auf diesem Punkt ritt dann auch prompt die Opposition rum. Wer sagt denn, dass nur Obama mit seinem Triumph Wahlkampf betreiben kann? Was Amerika kann, kann Deutschland schon lange!

Es ist wohl klar, dass Frau Merkel sich wieder einmal so richtig mit falschem Ruhm bekleckert hat. Allerdings frage ich mich, ob die Aussage von ihr wirklich so stark und weltweit diskutiert wird, wie die deutschen Medien behaupten. Meiner Erfahrung nach interessiert es das Ausland herzlich wenig (besser gesagt gar nicht!), was Deutschland zu sagen hat. Ob es an den unbedachten Worten von Frau Merkel aus der Vergangenheit liegen mag? Mitnichten, das Land ist einfach zu klein gegen die Übermacht Amerika, dass man ihre Worte wirklich ernst nehmen würde. Der Ausspruch wird wohl nur positiv von den Amerikanern aufgenommen worden sein und die Terroristen hassen uns als Verbündete der Amerikaner sowieso.

Die Worte, die allerdings die Welt (und speziell Amerika) sehr interessieren dürften dieser Tage, sind die aus Pakistan. Irgendwie hat dieses Land schon seit der Abspaltung von Indien nicht viel Glück gehabt. Es gilt durch den Mehrheitsanteil an Muslimen allein als gefährlich, hinzu kommt die feindliche Haltung gegen alles Westliche. Und die Tatsache, dass die pakistanische Regierung die Diktatur der Al Qaida in Afghanistan über 25 Jahre unterstützt hat, macht Pakistan nicht gerade zur Sympathieträgernation dieses Planeten.
Pakistan könnte einem nun fast leid tun, da einer der schlimmsten Kriminellen in ihrem Land gefunden wurde. In Erklärungsnot befindet sich Pakistan nun auf jeden Fall, immerhin hat bin Laden sich nicht im Erdloch irgendwo in den Bergen Pakistans verbuddelt, nein! Er lebte in sehr renommierten Gegend, in der sonst nur wohlhabende pakistanische Pensionäre lebten und das über Jahre. Natürlich behauptet die pakistanische Regierung, sie habe von alledem nichts, aber auch gar nichts gewusst. Wirklich? Man darf seine Zweifel hegen, so sehr sich Pakistan auch um ein sauberes Image bemüht, ese ist mehr als unwahrscheinlich, dass Pakistan ahnungslos in der Angelegenheit war.

Aus der Vergangenheit ist es mehr als bekannt, wie schnell Nationen Kriegsverbrecher und Terroristen verstecken damit verhindern, dass sie ihrem wohl verdienten Kreigsverbrechertribunal vorgestellt werden. Das beste Beispiel aus der nahen Vergangenheit dürfte wohl der serbische Kriegsverbrecher Radovan Karadzic sein, der sich jahrelang im eigenen Land verstecken konnte, obwohl er für die Ermordung tausender Menschen verantwortlich war. Und trotz allem wurde er erst Jahre später in der Hauptstadt Serbiens, in Belgrad, verhaftet. Das stark veränderte Äußere und der falsche Name konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Karadzic nicht allein durch Verbündete im Untergrund erreichen konnte, vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal verschont zu bleiben. Es stellte sich später heraus, dass auch aus politischen Gründen nach Jahren doch der Entschluss gefasst wurde, den Hauptverantwortlichen neben Milosevic für die Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzigovina dem internationalen Geheimdienst zu verraten.

Es drängt sich nun der Verdacht auf, Ähnliches ist auch im Fall von bin Laden geschehen. Leider kommt es im Ende nicht auf ehrbare Motive an, wenn es darum geht, einen Kriegsverbrecher an die Justiz auszuliefern. Es gibt viel zu viele Verbrecher, die nach ihren Greueltaten das jeweilige Land ihrer Verbrechen verlassen und irgendwo, mitten unter uns, neu anfangen. Ja, auch hier in Deutschland! Nun war bin Laden nicht hier mitten unter uns, aber dass es auch in diesem Land Kriegsverbrecher gibt, die unbescholten ihr Leben weiterführen (und das meist finanziell nicht gerade in ärmlichen Verhältnissen!) ist ein offenes Geheimnis, dass viel zu viele Verantwortliche ignorieren. Und dann wollen wir wirklich Pakistan als die Bösen hinstellen, die bin Laden versteckten? Wahrscheinlich ja, denn im Gegensatz zu Kriegsverbrechern aus Sri Lanka oder Ruanda, die hier Unterschlupf finden, hat bin Laden einen zu großen Namen, um ihn zu verstecken.

Die Zukunft wird zeigen, welche Rolle Pakistan in dieser Sache gespielt hat - oder auch nicht, denn Vertuschung ist die Hauptzutat, die im Rezept zum Gericht "Kriegsverbrecherversteck" ganz oben steht. Und inwieweit wir uns alle wirklich "freuen" dürfen, darüber darf munter spekuliert werden. Eins ist jedenfalls klar: der Tod Osama bin Ladens wird nicht wirklich viel verändern! Er beruhigt die Amerikaner für eine Weile, bis die nächste Generation der Al Qaida unter neuer Führung dafür Sorgen wird, dass nicht nur der Tod ihrer Ikone gerächt wird. Denn es wird in Zukunft nicht nur um Rache gehen; die nächsten Anschläge kann man nicht unter "Rache" verbuchen, denn wahrscheinlich würden diese auch passieren, wenn bin Laden noch am Leben wäre. Die Lösung für das Problem "Al Qaida" ist immer noch in weiter Ferne und wahrscheinlich mehr im Inneren jedes einzelnen Mitglieds verwurzelt als in der Tötung der Gallionsfigur. Doch wie gesagt... die Zukunft wird das alles zeigen.

In inständiger Hoffnung, dass die Welt die nächsten sieben Tage in möglichst weitreichendem Rahmen friedlich bleibt, verbleibe ich hier und jetzt und wünsche allen Lesern eine gute Zeit... bis zum nächsten Freitag!

LG Gene :-)

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