Freitag, 18. November 2011

"Wie Clint Eastwood die Welt rettet" - Punkt 1: Integration

Fast hätte es in dieser Woche den Bruch eines Versprechens hier in diesem Blog gegeben, denn ich wusste nicht, wie ich die Geschehnisse der vergangenen Woche behandeln sollte. Ob ich sie zugunsten der Vorweihnachtsserie komplett ausklammern oder die Vorweihnachtsserie einfach verschieben sollte. Aber (wie es nun einmal auch in der Diplomatie zugeht) es geht um den Kompromiss. Und als ich es näher betrachtete wurde mir bewusst, dass die beiden Themen besser zueinander passen, als auf den ersten Blick angenommen.

Also, wie versprochen heute nun der Beginn der Vorweihnachtsserie 2011. Für diese Serie habe ich wieder einmal ein prominentes Gesicht "zurate" gezogen, auch wenn es nicht solch eine politisch wertvolle, schillernde Persönlichkeit ist. Trotzdem hat Clint Eastwood so einiges geleistet in seinem Leben, in seiner Filmkarriere wie auch in seiner kurzen Politikerkarriere als Bürgermeister. Vielleicht ist er gerade deswegen auch so geeignet, in einer zugegebenermaßen scherzhaften Art und Weise als neuer Heilsbringer der Menschheit (oder zumindest des deutschen Volkes) betitelt zu werden.

Oft betrachte ich die Entscheidungen und Vorgehensweisen (nicht nur in Deutschland) mit Kopfschütteln. Und manchmal fange ich an zu philosophieren, wie "Dirty Harry" diese Sachen angehen würde - Harry Callahan im Kampf gegen die politischen Unfähigkeiten dieses Planeten. "Einfach die Pistole gezückt und los geht's!" Gut, ich gebe zu, die "Dirty Harry"-Reihe ist wahnsinnig flach, was die Lösungsansätze für Problemfälle betrifft. Denn dass Gewalt nicht die Antwort auf Ungerechtigkeit sein kann, dürfte jedem einigermaßen zivilisierten Menschen bewusst sein. Allerdings, ob Harry Callahan so zivilisiert war, kann man auf unterschiedliche Weise sehen, wenn man sich die Filme anguckt.

Nun, es geht hier allerdings nicht um die berühmteste Figur, die Clint Eastwood je verkörpert hat, wenn es auch ein guter Einstieg ist. Aber "Dirty Harry" ist kaum der Grund, warum ich Clint als Titelfigur der Vorweihnachtsserie 2011 gewählt habe. Aber nun mal der Reihe nach.

Letzten Freitag um die gleiche Zeit war es schon klar, dass der Fall um den Suizid zweier Männer in einem Wohnwagen Ausmaße angenommen hatte, die weit über die üblichen "Eintagsfliegen"-Nachrichten hinausgingen. Die Umstände waren zunächst mysteriös, dann wurden Tatwaffen gefunden, die als Dienstwaffe der ermordeten Heilbronner Polizistin Michele Kiesewetter zugeschrieben wurde. Dann später fanden sich in der Wohnung der Männer die Waffen, die als Tatwaffen im Zusammenhang mit den "Döner-Morden" identifiziert wurden. Und damit Peng! - die Sensation war perfekt. Schlimmer noch: Deutschland hat wieder ein Thema, über das jeder reden konnte und zu dem jeder eine Meinung hat. Aus einem einfachen Doppelsuizid hatte sich innerhalb von zwei Tagen eine endlich aufgeklärte Mordserie und die neue Wahrnehmung des rechtsradikalen Terrorsumpfs entwickelt. Fast scheint es, als hätten wir mal ein anderes Thema statt der Finanzkrise gebraucht - auch wenn jeder zugeben muss, es hätte bessere Themen gegeben, um mal nicht mehr nur ans Geld zu denken!

Die Diskussionen zum Thema "Bekämpfung Rechtsradikaler" überschlagen sich, die Politik packt sogar wieder das Thema "NPD-Verbot" auf den vorweihnachtlichen Gabentisch. Nur, wenn man das Thema mal ganz genau betrachtet, stellt sich die Frage, warum wir erst jetzt bemerken, dass dieses Problem existiert? Brauchte es wirklich diese "Initialzündung", damit wir verstehen, dass Rassenhass kein Thema graubrauner Vergangenheit ist?

Ich gebe zu, selbst ich war lange genug verführt zu glauben, die Menschheit sei zivilisiert und gebildet genug, nicht mehr das Märchen von der "reinen" Rasse zu glauben. Rechtsradikalität tauchte in den letzten Jahren nur als schlechter Scherz bei irgendwelchen Landtagswahlen (vorzugsweise in den neuen Bundesländern) auf. Und selbst da glaubte man oft, dass die Mehrheit dieser Wähler einfach Frustwähler sind, Menschen, die aus Protest einfach mal das Schlechteste oder Radikalste wählen, damit sie dem Rest der Politik beweisen können, wieviel Mist diese in ihren Regierungszeiten baut.
Seit dieser Woche plötzlich ist das Thema "Kampf der rechten Szene" wieder salonfähig geworden, es brennt den Menschen förmlich unter den Fingernägeln. Nicht, dass sonst NIE über das Thema geredet würde, aber in dieser Woche wirkt es oft so, als wäre dieses Thema noch nie so wirklich ernsthaft diskutiert worden, als gäbe es jetzt den Bedarf, Rechtsradikalismus als größtes Problem auf diesem Planeten darzustellen und zu verteufeln.

Der Mensch neigt nun einmal zur Übertreibung - erst beachtet er ein Thema gar nicht, vernachlässigt es wie ein Kind, dass unbedingt einen Hamster wollte, sich aber nach drei Wochen von dem neuen Haustier furchtbar gelangweilt fühlt. Und dann? Wird das Tier zu Tode gefüttert und gestreichelt, weil unbedingt ausgeglichen werden muss, wie schlecht man es vorher behandelt hat. Um es auf das Thema dieser Woche anzuwenden: erst wird die Naziszene stumm mit einem Argusauge im Hinterkopf betrachtet, dann wird mit scharf und erbarmungslos geschossen. Bevor mich hier irgendjemand falsch versteht: ja, die rechte Szene muss bekämpft werden und das erbarmungslos (wie jede Szene, die Gewalt gegen bestimmte Bevölkerungsschichten predigt und menschenverachtend reagiert!). Doch während die Politik nur davon redet, wie rechtsradikale Parteien (speziell die NPD) verboten werden können und man sich fünf Minuten später einig ist, dass ein Verbot gar nicht durchzusetzen ist, sollte dieses Thema weitaus tiefer angegangen werden, als es Pauschallösungen derzeit tun. "Menschliche Probleme bedürfen menschlicher Lösungen" so pathetisch und (leider!) fast schon christlich könnte mal es zusammenfassen.

Im Film "Gran Torino" spielt Clint Eastwood einen Kriegsveteranen, der chronisch rassenfeindlich ist. Dummerweise ziehen in seine Wohngegend immer mehr Asiaten, die selbst Flüchtlinge sind und aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Im Laufe der Zeit entwickelt Walt Kowalski (die Figur, die von Clint Eastwood verkörpert wird) eine Freundschaft zu der benachbarten koreanischen Familie, die er anfangs nicht ausstehen konnte (wie alles, was nicht amerikanisch ist). Selbstverständlich ist der Film (gerade zum Schluss hin) fast schon zu patriotisch, doch im Kern trifft er die Thematik sehr gut, die uns alle dank der Lösung zu den "Döner-Morden" beschäftigt.

Wenn man nach der Lösung gegen Rechts sucht, wird schnell klar, dass politisch klug ausgefeilte Taktiken nicht wirklich helfen. Rechtsradikal ist schließlich keine Modeerscheinung oder ein Accessoire, das sich schnell mit kleinen Zusatzparagraphen lösen lässt... es ist (für die, die daran glauben) eine Lebenseinstellung, ähnlich einer Religion oder einer politisch tief verwurzelten Überzeugung. Katholik? Moslem? Nee, Nazi! So oder so ähnlich könnte die Gleichung aussehen. Denn Menschen, die denken, dass Rassenhass gut und richtig ist, sind nicht so leicht von ihrer Überzeugung wieder abzubringen. Das wiederum ist nur möglich, da die Menschen in ihren Verhaltensweisen dazu beitragen, dass sich sowohl gute wie auch abgrundtief schlechte Strukturen entwickeln.

Seit wir in Zeiten der Globalisierung leben und die Menschen selbst entscheiden können, wo sie leben wollen, wird die Zahl derer, die ihr Heimatland (zum Großteil aus wirtschaftlichen Gründen) verlassen, immer größer. Sie lassen sich in anderen Ländern nieder, suchen sich Arbeit und gestalten ihr Leben neu. Obwohl, nicht so ganz - und oft liegt dort auch der Knackpunkt. Der Spagat, eine neue Heimat zu haben und die alte gleichzeitig im Herzen weiterleben zu lassen, ist anstrengend ... oft zu anstrengend. Jeder, der einmal im Ausland für einen längeren Zeitraum war, wird das Problem kennen: so wirklich kann (und will!) man seine Heimat nicht aufgeben, weil das Herz eben doch dort schlägt, wo man geboren und aufgewachsen ist. Strukturen, Traditionen und Verhaltensweisen haben sich in Kopf und Herz festgesetzt... und diese kann man auch nur schlecht loslassen.

Im letzten Jahr kam in Deutschland der Bestseller "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarazzin auf den Markt, welcher sich so massig verkaufte, weil die Leute von den Thesen einerseits angewidert, andererseits fasziniert waren... und nicht wenige gaben ihm in seinen doch teilweise sehr kruden Themen Recht. Das Thema "Integration" ist indes auch ähnlich verworren wie das der rechtsradikalen Szene - und ist unmittelbar miteinander verknüpft.

Sarazzin warf der deutschen Gesellschaft vor (und speziell der Politik) vor, nicht genug für die Integration der Einwanderer zu tun. Wie wir aber alle wissen, ist es mehr als schwer, Menschen zu integrieren, gerade wenn es ihnen schwer fällt - ob nun unbewusst oder doch mit Absicht. Wenn ein Mensch kein Gemüse essen will, kann man ihn schließlich auch schwer dazu nötigen, es doch mal zu versuchen. Man kann es ihm schmackhaft machen, aber wer nicht will, will einfach nicht. Es klingt als Vergleich banal, aber mit der Integration verhält es sich ähnlich - wer nicht will, den kann man nicht zwingen. Das Problem bleibt aber, denn wer sich nicht in eine Gesellschaft eingliedert und die Vorgehensweisen in diesem Land akzeptiert und respektiert, der sorgt für dank Opportunismus für ein Ungleichgewicht.
Auf der anderen Seite der Integrationsmedaille stehen Menschen, die sich von der hiesigen Politik (und der Gesellschaft allgemein) im Stich gelassen fühlen. Menschen, die es nicht mögen, mit Misstrauen betrachtet zu werden, nur weil sie aus einem anderen Land stammen (oder schlimmer noch: weil ihre Vorfahren aus einem anderen Land stammen!). Manche von ihnen geben dann auf, wenn sie keine Hilfe bekommen und beschließen so zu leben, wie sie es eigentlich in ihrer Heimat tun würden - sie verweigern sich dann trotzig allem, was für die deutsche Gesellschaft steht. Und nicht oft fragt man sich dann, warum diese Menschen überhaupt in einem Land bleiben, das sie innerlich ablehnen.

Ob daraus nun Rassenhass entsteht, will ich nicht in den Raum stellen - es könnte eine der Ursachen sein, doch Rassenhass geht weitaus tiefer. Bei Rassenhass stellt sich nicht mehr die Frage nach Reviermarkierung, es geht um mehr: Rechtsradikale würden am liebsten Menschen anderer ethnischer Zugehörigkeit auslöschen. Denn bei Rechtsradikalismus geht es nur sehr wenig um Feindlichkeit gegen weiße Menschen aus anderen Ländern, die beliebtesten Opfer sind immer noch diejenigen, die eine komplett andere Kultur verbunden mit einer anderen Hautfarbe vertreten (auch wenn unbestritten ist, dass Nazis gerne ein Land voll arischer Bewohner hätten, die auch hier geboren wurden).
Die Frage, die sich die Gesellschaft und die Politik gleichermaßen stellen muss, wenn es um die Bekämpfung von rechts geht, ist die nach den Gründen für Rechtsradikalismus. Und die ist nun einmal bei jedem verschieden. Manche sind vom Umfeld so geprägt, von hoher Arbeitslosigkeit, andere wiederum aus dem Lustprinzip nach Gewalt und Zerstörung. Gründe gibt es viele so zu handeln, ob die allerdings gerechtfertigt sind, sei mal dahingestellt. Fest steht nur (und das weiß die Politik selbst!): der "braune Sumpf" lässt sich nur schlecht mit Pauschallösungen bekämpfen und mit der Gleichstellung zum Terrorismus ist es nicht getan. Der islam-radikale Terrorismus ist von den Beweg- und Hintergründen ein völlig anderer als der aus der rechten Szene. Daher muss er auch auf andere Weise behandelt werden.

"Thilo Sarazzin hat Recht!", diesen Satz durfte ich schon x-mal im Zusammenhang mit seinem Buch und dem Thema "Integration" lesen. Ob diese Zustimmung nur aus dem "braunen Sumpf" stammt, darf angezweifelt werden. Denn viele Menschen wissen, dass Integration ein wichtiges Thema ist und richtig angepackt werden muss - nicht nur von den betroffenen Einwanderern und denen, die politisch für sie zuständig sind. Doch ob abstruse Thesen über genetische Vorbestimmung durch ethnische Herkunft einen Lösungsansatz im Kampf gegen gescheiterte Integration sind, ist mehr als fraglich. Zu behaupten, dass gescheiterte Integration schlicht an den Genen liegt, ist schon weit hergeholter Humbug und da verwundert es auch nicht, dass viele Menschen vom Buch "Deutschland schafft sich ab" so gar nichts halten. Denn gerade durch solche Behauptungen (von denen sich der Autor inzwischen auch selbst beschämt distanziert hat) fühlen sich die Rechten in ihren dumpf-behämmerten Parolen bestätigt.

Seit der letzten Woche leben wir in einem Wust - die Rechten sind urplötzlich eine "tickende Zeitbombe" (als wären sie das nicht vorher auch schon gewesen!), die Integration ist plötzlich kein Thema mehr, nur noch der Schutz der Einwanderer (egal, wie die sich auch benehmen mögen). Statt beide Probleme anzupacken, wird wieder nur ein Thema vollends behandelt und der zweite Hamster darf im Käfig verhungern. Es wundert mich schon, wie Gesellschaften überhaupt noch funktionieren können, wenn Probleme nicht als Ganzes gesehen werden sondern nur nach Schlagzeilen immer nur wahlweise in Scheiben aus einer bestimmten Perspektive. Der allumfassende Rundblick fehlt den Menschen. Auf der anderen Seite, hätten die Menschen den 360°-Blick, hätten wir wahrscheinlich gar keine Probleme mehr auf diesem Planeten. Und da wir Probleme brauchen, ist auch die in dieser Woche entfachte Diskussion ein willkommenes Strohfeuer.

Diese Diskussion als Strohfeuer zu bezeichnen, ist bewusst von mir so gewählt. Denn mal ehrlich: wie jedes Thema in diesem Jahr, das heiß und leidenschaftlich diskutiert wurde, war genauso schnell wieder in Vergessenheit geraten. Und mit der jetzigen Diskussion wird es nicht anders gehen - der einzige Grund, warum das Thema "Rechts" so heiß diskutiert wird ist die Panik der Deutschen, wieder einmal flächendeckend als Altnazis zu gelten. Andererseits, seit dem Dritten Reich gelten wir sowieso als rechtsradikal im Ausland, immer mal wieder dann, wenn wir weltpolitisch anderer Meinung sind als der Rest. Die Hitler-Vergangenheit wird uns immer wieder vorgeworfen und wir nehmen diesen Vorwurf auch dankbar an, in gebückter Demutshaltung jedes Jahr aufs Neue. So wurde auch in der letzten Woche (wie passend!) der Reichsprogromnacht im Jahr 1938 gedacht, der Beginn des rechten Terrorismus.

Die Frage bleibt: wie würde Clint diese Krise um Integration und Rassenhass bekämpfen? Eher als Walt Kowalski, indem er nach Zögern und Ablehnung erkennt, wie wertvoll ein Mensch (auch wenn er nicht der gleichen Ethnie angehört) die ihm gereichte Hand annimmt oder wie Harry Callahan, der einfach um sich schießt und einfach alles niedermäht, was sich weigert, vernünftig und gerecht zu leben (womit dann sowohl Nazis als auch unwillige Einwanderer und Islam-Radikale gemeint sind)? Die Antwort gegen Gewalt kann (und muss) immer Frieden sein. Das einzige Problem: der Frieden ist keine Sache, die mit einem Schritt geschehen kann, denn jedes Individuum bedeutet einen Schritt. Es müssen viele kleine Schritte gemacht, jeder einzelne Gewaltbereite dazu bewegt werden, sich für den Frieden zu entscheiden, Toleranz zu entwickeln - und damit sind wieder beide Seiten gemeint! Es ist nicht gerade hilfreich, wenn in Vierteln, in denen vorwiegend Einwanderer leben, Tiraden geschwungen werden, wie schlimm das deutsche Volk mit ihnen umgeht, wie nachlässig bei den "Döner-Morden" ermittelt worden wäre und überhaupt: "Alles Scheiße, was die Deutschen machen, sind eh alles Nazis!" Auf diese Art kann kein Frieden geschlossen werden - Frieden kann nur dann herrschen, wenn ALLE die Waffen niederlegen. Hält nur ein Mensch an seiner Waffe fest, wird der Krieg weitergehen - ob der Krieg der Religionen, der Rassen oder schlicht der Finanzen.

Ob Clint Eastwood nun in die deutsche Regierung gehört oder nicht - es bleibt abzuwarten, ob die Diskussionen um die "rechte Brühe" zu einem Ergebnis führen oder in spätestens zwei Wochen kein Hahn mehr nach diesem Thema kräht. Vielleicht ist bis dahin ein neuer Virus entdeckt, vor dem wir uns in dieser Saison fürchten müssen - Vogelgrippe 2.0 oder so ähnlich.

Bis zum nächsten Blogeintrag an dieser Stelle ist es weit weniger weit, der folgt nämlich am nächsten Freitag. Allen Lesern wünsche ich ein schönes Wochenende.

LG Gene :-)

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