Freitag, 12. August 2011

Dumpf & stumpf = Trumpf? Oder: Nach dem Sommerloch ist vor dem Sommerloch

Da meine Sommerlochserie vorbei ist, wird es langsam Zeit, sich auf den "heißen Herbst" einzustellen. Und bevor irgendwer jammert: der Sommer war gar nicht sooo schlecht, er war eben nur den Sonnenverwöhnten ein wenig zu kalt. Aber (das habe ich schon des öfteren gesagt!) es gibt schlimmeres als schlechtes Wetter!

Nun, wir bewegen uns einen wenig weg von der großen Seele Mahatma Gandhi und beschäftigen uns mit dem Hier und Jetzt. Und das hat es immer noch in sich. Man denkt, es wäre still in Deutschland, weil sich gerade alles und jeder im Urlaub befindet? Pustekuchen! Wenn wir nicht zu Hause für Randale sorgen, dann eben direkt am Urlaubsort. Denn der Krawall hat nie wirklich Urlaub.

So gab es in den Nachrichten der letzten Tage auch nur das Thema "Krawalle an allen Ecken und Enden". Zunächst mal zum "Kindergeburtstag des Krawall", der Krawallnacht am Lloret del Mar, wo Urlauber meinten, alles kurz und klein zu hauen, weil die Klimaanlage einer Disco ausfiel und die jungen Urlauber sich in ihrer Partylaune doch allzu sehr gestört gefühlt haben. Keine Party? Dann gibt's auch kein Lloret del Mar mehr, dachten sich die Randalierer wohl. Und dass die Polizei vor Ort darauf allzu gewalttätig reagierte, hat die Stimmung der Krawallmacher nicht unbedingt gebremst. Wie ich heute in den Nachrichten zu hören bekam: "Gewalt erzeugt Gegengewalt!", so rechtfertigen dann die Urlauber ihre Krawallaktionen, als befänden sie sich in Libyen oder Syrien und würden um ihre Freiheit kämpfen. Das Einzige, wofür die Urlauber wohl "gekämpft" haben, war eine funktionierende Klimaanlage und Freibier! Kann auch wichtig sein, es kommt halt immer darauf an, wo auf der Welt man sich gerade befindet - und in welcher Stimmung man sich befindet...

Überhaupt ging es in dieser Woche stark um das Thema "Stimmungen", ob an der Börse oder auf den Straßen von London. Wahrscheinlich jedoch steckt viel mehr hinter dem Zerstörungsphänomen der vergangenen Woche als Stimmungen - wenn es nur um Schwankungen im eigenen Gemüt ginge, würden viel mehr Dinge auf diesem Planeten geschehen. Und trotzdem, die Krawallnächte von London machen mehr als nur nachdenklich; sie sind die Weiterführung einer Entwicklung, die immer mehr Angst machen kann.

Alles geht nach dem Motto: Kinder sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wie ich bereits im Artikel "Nachwachsende Rohstoffe Teil 1: Kinder" beschrieben habe, sind Kinder weiaus erwachsener als in früheren Dekaden. Ob sie dadurch freilich klüger sind, steht auf einem anderen Blatt. Und gerade in der letzten Frage müssen sich die Eltern von Kindern und Mittzwanzigern die Frage stellen: "Gott, welches Monster habe ich da erschaffen?"

Es hat schon etwas von Frankenstein's Monster, wenn man sich die Generation um die 20 heute anguckt. Technikmanipuliert, suchtversessen, zwar hochgebildet, dafür aber zu gleichen Teilen immer arbeitsscheuer - so scheint die neue Generation, die in spätestens 10 Jahren die Weltherrschaft übernehmen soll zu sein. In 10 Jahren? Nun, aufgrund der heutigen Jugendversessenheit sind Politiker um die 30 keine Seltenheit mehr, immer mehr Menschen, die gerade ihre aristrokatische Bildung abgeschlossen haben, übernehmen ohne Umwege direkt die Chefpositionen. Aber ist das wirklich gut für unsere Gesellschaft? Für die ganze Welt? Sollten wir nicht eigentlich wissen, dass Menschen, die zu schnell und früh an die Macht kommen an ein Desaster grenzen? Platt verglichen kann man einen Mann nehmen, der einfach beim Sex immer zu früh kommt... im Ende hat da keiner was von! Und so sieht es dann auch bei politischen Ämtern aus, die zu früh angestrebt werden. Oder Unternehmen, die Vorstandsvorsitzende wählen, die sich noch lebhaft an die eigene Zeit in der Windel erinnern können.

Erfahrung ist ein wichtiges Gut im Leben eines Menschen. Doch seit Eltern darauf bestrebt sind, unsere Kinder zu Akademikern auszubilden, die nicht nur über dem Durchschnitt stehen, sondern am Besten die Elite anführen, haben sie sich ein gewaltiges Problem geschaffen: das Monster, dass sie erschufen, hat keine Seele - und somit auch fähig zum Verbrechen.

Es ist mir bewusst, dass die Randalierer in London zum größten Teil aus der benachteiligten Schicht des Landes stammen. Die vergessenen Kinder, übersehen von allem oder jedem, nicht fähig, die Bildung zu ergattern, um später in die hohen Schichten der Gesellschaft aufsteigen zu können. Trotzdem will mir die Entwicklung in London nicht wirklich in den Schädel. Es fing alles mit einem Verdächtigen an, der bei einer Verfolgungsjagd von Polizisten (wie wir bis jetzt wissen zu Unrecht) erschossen wurde. Daraufhin wurde protestiert, allerdings friedlich. Und erst DANN kamen einige Nichtsnutze auf die Idee, einfach ganz London in Schutt und Asche zu legen!

Inzwischen gibt es fünf Tote bei diesen Krawallen in und um London. Premierminister Cameron musste sogar tatsächlich seinen Toskanaurlaub dafür abbrechen! Der Mann ist doch echt zu bedauern... nicht nur, dass er sich bis jetzt in seiner Amtszeit als Premierminister als absolut unfähig erwiesen hat, nein, jetzt muss er noch wegen randalierender Jugendlicher seinen Sommerurlaub abbrechen. Das Leben kann doch verdammt ungerecht sein. Wenn die Menschen, denen vermeintlich Unrecht widerfährt, denen, die ein Leben lang auf der Sonnenseite wandern, den ganzen Spaß verderben.

Nun, ich sage "vermeintlich Unrecht" und das aus gutem Grunde. Die Jugendlichen, die diese Zerstörungswut über das Internet anzetteln, sind angestachelt vom Neid auf die Privilegierten des Lebens, die ihren Reichtum schön für sich behalten und mit dem Geld so gezielt um sich schmeißen, dass sie noch mehr Neid erzeugen. Es ist schon nachvollziehbar, dass eine Schicht, die übersehen wird, ausgegrenzt wird, sich dagegen irgendwann mit blanker Gewalt und Zerstörungswut zur Wehr setzt. Die Frage ist nur: warum macht das nicht die gesamte Schicht der Vergessenen? Warum gibt es auf der einen Seite die, die gegen das System ankämpfen, indem sie sich durch das Leben kämpfen und versuchen, etwas zu erreichen... und auf der anderen Seite diejenigen, die einfach trotzig durch die Straßen ziehen und das Hab und Gut von Menschen zerstören, die nicht einmal diesen übergroßen Reichtum besitzen?

Würden die Armen und Geknechteten wenigstens (wie in der Französischen Revolution) den Reichen den Kopf abschlagen und deren Eigentum zerstören, würden sie wenigstens ein Statement setzen, dass der Rest der Menschheit nachvollziehen könnte. Stattdessen gibt es Zerstörung, die Menschen erreicht, die dadurch ihre gesamte Habe verlieren. Geschäfte, die zerstört werden und dadurch den Inhaber bankrott machen. Häuser, in denen Menschen zur Miete leben und deren gesamter Besitz zerstört wird. Hat das wirklich noch etwas mit einem politischen Statement zu tun? Allein das perfide Zusammenschließen der Jugendlichen über das Internet, wo sie als Nächstes zuschlagen sollen... gilt das wirklich noch als Revolution, die für irgendetwas anderes als das Streicheln verwöhnter Seelen gut sein soll?

Man fragt sich allen Ernstes, worüber sich diese Jugendlichen aufregen, dass sie mit so viel Hass und Zerstörung agieren. Regt es sie auf, dass sie sich das neueste iPhone nicht leisten können? Wahrscheinlich den neuesten iPad nicht in der Hand halten werden? Und nach dem Motto: "Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben!" wird alles um sie herum in Brand gelegt?

Die bittere Wahrheit ist, es gibt keinen Grund für solche Krawalle, weil sie nicht das hervorbringen, was eventuell die Motivation gewesen sein könnte. Kein Politiker wird seine Meinung über seine Regierungspolitik ändern, ganz im Gegenteil: die Politiker drohen mit mehr Härte, mehr Strafen und weit weniger Toleranz. Die Polizei wird mit mehr Gewalt auf gewalttätige Jugendliche reagieren und diese werden dadurch noch wütender, weil sie immer noch nicht einsehen, dass sie etwas falsch machen.

Warum sollten sie das auch? Ein Leben lang bekommen sie von den Reichen und der gesamten Gesellschaft vorgelebt, wie reich, schön und klug man sein muss, um auf diesem Planeten überhaupt eine Existenzberechtigung zu haben! Hast du nicht das neueste Produkt aus dem Hause Apple bist du eh uncool. Hast du nicht mit spätestens 25 die halbe Gesellschaft so aufs Kreuz gelegt, dass du als Sieger hervorgegangen bist und alle ausgebeutet hast, bist du es nicht wert, zur Elite zu gehören. Das Problem liegt nicht in der Benachteiligung einiger Menschen, sondern in den Glaubenssätzen, die verbreitet werden.

Wenn man sich eine Gesellschaft anguckt und sie allen Epochen der Zeitgeschichte aussetzt, gab es immer Anführer, die Elite und die Arbeiter. Der Unterschied von gestern zu heute ist, dass die Arbeiterschicht immer weniger einsieht, dass sie für die Elite und die Anführer arbeiten muss, um den Apparat am Laufen zu halten. Ein neues Zeitalter wurde geboren, spätestens seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts: das Gefühl, alles haben zu können, auch wenn man nicht so viel Geld besitzt wie ein reicher Mensch. Schlimmer noch: der Glaube, dass jeder das Recht besitzt, einen gewissen Lebensstandard zu besitzen.

Darüber hatte ich erst kürzlich eine Diskussion, in der jemand meinte, dass uns Deutschen per Grundgesetz ein gewisser "Lebensstandard" zugesichert wird. Ich frage mich allerdings immer noch, ob dieser Lebensstandard einen eigenen PKW, ein eigener PC, ein eigenes Handy und mindestens einmal im Jahr in Urlaub fahren beinhaltet. Und das in einer Welt, in der ein Sechstel der gesamten Weltbevölkerung Hunger leidet. Sicher, wir können nichts dafür, dass andere Länder nicht unsere vorausschauende Politik anwendet (selbst die USA hat gewaltige Probleme damit). Aber müssen alle deswegen gleich den Großkotz raushängen lassen?

Es scheint, als hätten sie die Pflicht dazu. Hinzu kommt, dass die Menschen ständig trotz hoher Bildung immer dümmer agieren, es gilt gar als schick, sich immer blöder anzustellen, um damit immer mehr zu erreichen. Und wenn dumm nicht mehr reicht, dann greift man auf die Arbeitsverweigerung zurück. Die Medien spielen uns täglich vor, wieviel man doch mit so wenig Arbeit erreichen kann, wieviel Geld man verdienen kann und womit man kommen kann, wenn man nicht einmal den Hintern von der Couch hochbewegt.

Oh, man sollte sich nicht täuschen, diese Faulheit wird nicht offen propagiert! Kein Multimillionär wird es müde zu betonen, wie hart er für seinen Reichtum arbeiten muss. Allerdings sage ich immer noch: wenn du genug Zeit hast, über deine harte Arbeit zu reden, dann kannst du gar nicht hart genug arbeiten!

Und wenn dir ein fauler, reicher Mensch vorlebt, wie bequem das Leben sein kann, warum solltest du dann noch für die Volkswirtschaft den Finger krumm machen? Das haben wir von zuviel Bildung und zuviel Förderung: die Kinder der heutigen Zeit sehen es gar nicht mehr ein, arbeiten zu gehen, rein um des Arbeitens willen. Solange sie nicht als Willkommensprämie mindestens einen brandneuen Wagen und ein iPad bekommen, machen sie erst einmal gar nichts. Die Unis sind inzwischen überfüllt (zumindest die im Westen Deutschlands, weil es dort immer noch angenehmer ist zu leben als im Osten), dafür gibt es auf der anderen Seite 60 000 offene Lehrstellen. Dabei ist nicht jede von diesen Stellen einfach nicht gut genug für die Kids, Bewerber wird es wohl geben. Doch den Arbeitgebern sind die Leistungen der Schulabgänger nicht gut genug; es wird also immer mehr Bildung von Schulabgängern erwarten, sich dann aber gewundert, dass die Kids vermeintlich "schlau" genug sind, sich für ein Studium statt eine Berufsausbildung zu entscheiden.

Diese Entwicklung muss in einer Sackgasse enden, nicht nur in brennenden Häusern in London. Ich rede nicht vom Kommunismus wenn ich sage, dass man arbeiten muss, um eine Gesellschaft am Laufen zu halten. Oder dass man arbeiten muss, um sein eigenes Seelenheil zu finden... denn ein Mensch, der gar nichts zu tun hat, wird auf Dauer vor Langeweile sterben (das ist nicht nur ein dummer Spruch, er entspricht sogar der Realität!). Das ist kein kommunistischer sozialistischer Scheiß, sondern entspricht nur Tatsachen.

Wir leben in einer Zeit von Scheingeschäften, Theoriespielchen mit Zahlen, die 1:1 umgesetzt werden in Geldsummen (im Ende so hoch, dass das Kapital als echte Währung gar nicht zur Verfügung steht). Die feste Überzeugung, wir könnten und MÜSSTEN alles besitzen, was es gibt, hat sich so stark verselbstständigt, dass die Welt, in der wir leben, einer Traumseifenblase gleicht, alles in rosarot, nichts wirklich greifbar oder belegbar. Nur die Konsumgüter in unseren Händen sind der Beweis für den "gut funktionierenden Kapitalismus" der westlichen Welt.

Natürlich kann es nicht die Lösung zu sein zu sagen: "Es darf keinen Reichtum mehr geben!", denn sonst würde keiner mehr arbeiten gehen. Wir brauchen das Streben nach dem kapitalen Glück... der Knackpunkt dabei ist, es ist eigentlich egal, wie hoch der erstrebte Reichtum sein soll. Die Zeiten, in denen 1 Millionen Dollar als Vermögen galt, sind nur vorbei, weil wir in unserem ständigen "Fortschritt" meinten, den Wettbewerb auf neue Spitzen treiben zu müssen. Aus 1 Millionen als Vermögen wurden 20 Millionen, dann 100 Millionen in den 90er Jahren, inzwischen gilt als erstrebenswert reich, wer 1 Milliarde besitzt. Bruno Mars sang "I wanna be a billionaire so f*cking bad!" - anscheinend haben die Leute, die seine Platte gekauft haben, den Song zu wörtlich genommen. Mal ehrlich: wenn man reich sein möchte, würde 1 Million doch auch reichen, oder? Nicht, wenn man alles haben will... aber um satt und glücklich zu werden würde diese Summe bei guter Einteilung schon reichen.

Womit Schluss sein muss, ist das Leben in einer Fantasiewelt mit Fantasiekapital, mit denen man reale Menschen und reale Konsumgüter kaufen kann. Wettbewerb und Bildung sind nur gut, solange er nicht zerstörerisch gegen sich selbst wirken. Und genau das tun sie gerade - im Positiven in nordafrikanischen Staaten, wo gebildete Menschen Freiheit und Demokratie fordern. Und im Negativen in Großbritannien, wo Schichten beginnen die Demokratie, wie sie derzeit stattfindet, als lästiges Übel anzusehen, das ausgemerzt werden soll.

Dieses Denken zieht sich auch durch eine (oder mehrere) Generation(en) von Menschen, die denken, dass der Wohlstand an ihnen vorübergezogen ist. Satt werden oder gesund sein reicht nicht mehr, es geht um den ultimativen Wohlstand, das Gefühl, vor lauter pappsattem Gefühl mit allem um sich schmeißen zu können. "Römische Dekadenz" nannte Guido Westerwelle das und nutzte den Ausdruck im Zusammenhang mit Hartz IV-Empfängern. Ich benutze ihn für die gesamte westliche Welt, die sich einbildet, das Leben ist nur dazu da, um mit allem im Überfluss um sich zu werfen. Das Gefühl zu hungern, mit Geld wirklich knapp kalkulieren zu müssen, kennen die Menschen zwar, aber in einem völlig anderen Maßstab als z. B. in afrikanischen Armutsstaaten.

Man mag das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, im Zusammenhang mit Krawallen verstehen. Doch die, die sich an solch sinnlosen Taten beteiligen, wägen nicht die Konsequenzen ab. Für sich selbst eventuell, aber nicht für die Schicht, die sie mit repräsentieren, die mit in den gleichen Dreck von verbrecherischem Tun abgestempelt werden. In London macht sich dieser Tage wieder einmal der Rassismus breit, weil Schwarze jetzt potenziell alle als Krawallmacher gelten. Arme Menschen werden durch die Taten dieser Woche weit mehr ausgegrenzt und als Übeltäter abgestempelt.

Das Traurigste daran mag nur sein, dass nur durch solche Konsequenzen das Denken bei den Tätern einsetzt... im Wissen zu leben, dass die Krawalltaten von London völlig sinnlos waren. Sie haben weder den unschuldigen Mann gerächt, der von der Polizei erschossen worden ist, noch haben sie einen Standpunkt für ihre benachteiligte Gesellschaftsschicht geschaffen. Es ist alles nur Schutt und Asche und Asche und Schutt - mit vielen Leidtragenden und noch mehr uneinsichtigen Reichen, die meinen, ihr Lebensstil in der Dekadenz wäre genau der Richtige.

In diesem Sinne - an alle Leser des Blogs fernab von der Gewalt wünsche ich ein krawallfreies Wochenende. Bis nächsten Freitag!

LG Gene :-)

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