Freitag, 20. Mai 2011

Hart in der Hose, weich im Kopf - von Hundert auf Null in 0,3 Sekunden

Wie ich bereits letzte Woche erwähnte, ich hatte eine Entscheidung zu treffen bezüglich meines Blogs. Und nur, weil ich mich im Ende gegen den Sex und für die Umwelt entschieden habe, heißt das lange nicht, dass ich den Sex links liegen lassen würde! Also stand für mich dieser Blog seit bereits zwei Wochen fest... mit nur einem Unterschied: den Ereignissen der letzten Zeit, die den Eintrag entscheidend mitprägen.

Die Fortpflanzung im Zeitalter der geschlechtlich unkontrollierten Groß- und Kleinstädter hat sich zu einer Art Verzweiflungsphänomen entwickelt. Nie zuvor in irgendeinem Zeitalter lebten wir Sexualität offener aus - gleichzeitig gibt es wohl auch kein Zeitalter, in dem wir uns so steif anstellten, wenn es um gleiches Thema geht. Wenn die Hose runtergezogen wird, scheint sich eine Mauer in unserem Kopf zuzuziehen. Zur gleichen Zeit! Alle tun so, wie liberal und freizügig sie mit ihrer Sexualität sind, in Wirklichkeit haben sie soviel Angst vor ihrer eigenen Courage, dass es erschreickend ist. Denn Freiheit in der Sexualität heißt noch lange nicht Freiheit im Kopf! Egal, wie oft sich Männer und Frauen vor wem auch immer (auch vor großen Öffentlichkeiten) ausziehen und demonstrieren, wie egal es ihnen ist, mit wievielen (und vor wievielen) Menschen sie miteinander Sex haben, die natürliche Schamgrenze bleibt irgendwie immer in unseren Köpfen. Ob es uns passt oder nicht! Egal, ob sich Menschen nun in einer monogamen Beziehung befinden oder für die Pornoindustrie arbeiten, irgendwo gibt es die Schamgrenze. Vielleicht nicht direkt in der Sexualität bei denen, die sich professionell ausziehen und miteinander Doktorspielchen spielen, dafür ist die Grenze verschoben, hin in einen anderen Bereich. Einen Bereich, der immer mit dem Schild "Privat" betitelt wird.

Natürlich sind wir eher geneigt, das "Privat"-Schild über das Sexualleben zu hängen. Daran hat keine sexuelle Revolution etwas geändert - und "Sex and the City" schon dreimal nicht! Das Einzige, wozu die Serie geführt hat ist der Irrglaube, eine Frau müsste sich von der Körperbehaarung derart stark trennen, dass sie im Ende wie eine 6jährige aussieht.

Wir nötigen uns selbst solche Mythen im Ende auf, indem wir alles glauben, was das Fernsehen oder sogenannte "Experten" in Büchern und einschlägiger Fachliteratur sagen. Der Glaube an den "Playboy" statt an eine gutgeführte Beziehung hat dazu geführt, dass es Mythen gibt, wie eine Frau nackt auszusehen hat. Die drei wichtigsten Merkmale: 1. Brüste, unter die man keinen Bleistift klemmen kann; 2. Eine Taille, die insgesamt so schmal ist, dass quasi nur ein absolut leergepumpter Magen hineinpasst (sorry an alle anderen Organe! Ihr müsst draußen bleiben!); 3. ein staubfreier und glattrasierter Intimbereich.

Dass nun nicht jede Frau so aussieht (und es gar nicht vorhat, so auszusehen), dürften wir alle wohl als großes Glück bezeichnen. Ansonsten würden wir jetzt schon die "Frauen von Stepford" als neue und einzige Rasse in unserer Mitte akzeptieren. Perfekte, gelackte Frauen, die alles machen, um Männer glücklich zu machen. Nicht "ihren" Mann, einfach Männer. Weil es ja fast schon als schändlich gilt, in einer festen Beziehung zu stecken. Der Slogan "Wer zweimal mit derselben pennt..." kann man heute auch locker auf die Frauen übertragen. Woher das kommen mag? Vielleicht hat die Überbevölkerung etwas damit zu tun. Auf diesem Planeten rennen so viele Menschen herum, so viele verschiedene Möglichkeiten, so viele Looks und Styles... es ist fast wie ein riesiger Süßigkeitenladen - und all unsere Kindheitsträume sind wahr geworden: wir müssen uns gar nicht mehr für die eine Sorte Schokolade entscheiden, nein! Wir nehmen sie ALLE! Und das am Besten gleichzeitig, nicht nur hintereinander.

Nun ja, das Phänomen Seriensex ist doch eher was für die Kennerecke (sooo viele Swinger und dergleichen gibt es ja dann doch noch nicht!). Aber, wir können uns einfach sehr schlecht entscheiden, wenn es um den Einen oder die Eine geht. Und da es nicht nur Trend geworden ist, Sex frei zu leben, sondern auch, ihn so erfüllt zu erleben, dass wir im Ende alles wissen, brauchen wir mehr als einen Partner im Leben. Die Utopie vom Bauernmädchen, dass mit spätestens 18 den Mann für's Leben heiratet und immer nur mit ihm schläft, ist wahrscheinlich so ausgestorben wie der Tiger in Bhutan. Es gibt ihn zwar noch, die Frage ist nur, in welcher Anzahl und wie lange.

Doch es gibt (bei aller Freiheit und allem Experimentieren) noch ein paar Probleme mehr als der "Privatbereich", den wir schützen wollen. Denn es gibt eine Prämisse: je freier wir mit der Sexualität werden, desto angreifbarer werden wir. Merkwürdig, oder? Wir sehen es allein im Promileben: müsste es uns wirklich jucken, wenn es sogenannte Skandale um das Sexleben von Promineten geht? Wir leben doch alle frech und frei unsere Sexualität aus und trotzdem kichern wir hinter vorgehaltener Hand, wenn George Michael auf der Herrentoilette bei sehr "verruchten" sexuellen Aktivitäten erwischt wird.

Also sind wir doch prüde! Schlimmer noch: wir leben (wie in so vielen Bereichen) nach dem Motto: ich darf im Prinzip alles... aber wenn jemand anderes das tut, was ich für selbstverständlich halte, ist es absolut unvorstellbar! Quasi erfindet dann derjenige, der das, was man selbst natürlich und frei vollzieht, das Rad neu - oder macht die erste Mondlandung (dabei ist die längst vorüber!).

Und so ist der Sex in unserer Gesellschaft neben scheinbar lebensnotwendig auch noch die beste Waffe, seit die Atombombe erfunden wurde. Kein Mensch ist angreifbarer als im Schlafzimmer (okay, mit heruntergelassener Hose lässt es sich auch nur schwer kämpfen!).
Der Knackpunkt liegt wohl darin, dass wir, wenn wir uns sexuell betätigen (oder es mehr als alles andere auf der Welt wollen), nicht wirklich fähig sind, analytisch und klar zu denken. Speziell bei Männern ist das so. Der Titel dieses Blogs bestätigt sich: sobald ein Mann sein "Lieblingsteil" ausgefahren hat, sind sämtliche Denkverfahren ausgeschaltet. Natürlicher Stromausfall, ganz ohne SuperGAU.
Und diese beiden Faktoren (die männliche Dummheit, wenn's um Sex geht und Sex als Waffe gegeneinander) beschäftigt uns derzeit am meisten in den Nachrichten. Kein Wunder, wir leben ja davon, uns über den Absturz und Zerfall anderer tierisch zu freuen.

Sex ist also im Ende auch die Wurzel zum Absturz und Zerfall von Menschen, die eigentlich sonst fest im Leben stehen. Wie Dominique Strauss-Kahn. Oder wie Jörg Kachelmann. Zwei Männer, inzwischen angeklagt wegen dem gleichen Verbrechen, das sich nur auf eins begründet: der Gier nach Sex wider dem Willen des gewählten Sexualpartners.
Problematisch ist das Thema Vergewaltigung allerdings nicht nur, weil es um die Ehrvernichtung des Opfers geht. Nicht nur die Brutalität dieses Verbrechens ist inzwischen ein Thema in der Medienwelt, sondern auch die Waffenkraft dieses Verbrechens gegen vermeintliche Täter.
Diese Schlammschlacht geht dann teilweise soweit, dass man nicht mehr weiß, wer Täter und wer Opfer ist.

Zur Beurteilung der Verbrechen um DSK und Jörg Kachelmann bin ich nicht fähig, dafür habe ich (wie alle anderen auch) zu wenig Hintergrundwissen. Und wer nicht live in dem Moment am Tatort dabei war, kann auch kaum einschätzen, ob "einvernehmlicher Sex" einer Tatsache entspricht oder nur der beliebtesten Ausrede von Vergewaltigern.
Doch wer hätte noch vor zwei Jahren gedacht, dass wir heute, in genau dieser Woche, gleichzeitig über den ehemals beliebtesten Wettermoderator Deutschlands und den Chef des IWF diskutieren würden im Zusammenhang mit Vergewaltigung? Wir hätten es doch eher anderen zugetraut, sich Sex da zu holen, wo er ihnen nicht zusteht.

Profilanalysen zu den Motiven der Täter gibt es zuhauf, allen voran steht die These, dass Männer, die in ihrem Leben alles haben (und haben können), ihre Machtposition dazu mißbrauchen, sich auch etwas zu holen, selbst wenn das Gegenüber ihnen ein klares "Nein!" ins Gesicht wirft. Gleichzeitig werden auch Hypothesen aufgestellt, die beweisen sollen, dass beide vermeintlichen Täter unschuldig sein könnten.
Bei Jörg Kachelmann wird die Eifersucht als Motiv für falsche Beschuldigung erwähnt. Da das vermeintliche Opfer eine Ex-Freundin war, die herausfand, dass sie nicht zu der Kategorie "die Eine", sondern doch eher zur Schokoladensorte gehörte, die gleichzeitig mit anderen von Kachelmann konsumiert wurde, hat sie die Vergewaltigung als Racheakt ins Leben gerufen. Wenn das wirklich stimmen sollte (wie gesagt, man kann keine Urteile fällen in dem Fall, ohne dabeigewesen zu sein), gehört sie inzwischen jedenfalls zum absoluten Verlierer. Nicht nur, dass sie ihren Liebsten eh verloren hat, inzwischen hat er eine andere geheiratet und sie steht vor demütigenden semi-öffentlichen Gerichtsverhandlungen, bei denen zwar ihr Gesicht, ihre eigene Scham vor solch einem öffentlichen Akt nicht verfremdet werden kann.

Bei Dominique Strauss-Kahn sieht die Sache wiederum ganz anders aus: das Opfer (ein Zimmermädchen) hatte bisher wohl kaum eine Beziehung mit dem 62jährigen, verheirateten Lebemann. Und von der Theorie "Reicher Mann akzeptiert kein "Nein!"" passt DSK ins Bild wie die Faust aufs Auge. Und trotzdem scheint nichts zusammen mit allem ins Bild zu passen: zuerst hatte Strauss-Kahn ein Alibi für die Tatzeit, dann wiederum war der Sex einvernehmlich. Und ab dem Stichwort "einvernehmlicher Sex" bleibt einem ein kleiner Kloß im Hals stecken. Denn dieser Vorwand wird wohl von jedem Vergewaltiger als Erklärung gestellt, solange das Opfer nicht körperlich so lädiert ist, dass es wie "einvernehmlicher Sex" wirken könnte.

Die Schuldfrage in solchen Prozessen ist immer sehr schwer erstellbar, und solange nicht alle Beweise in einer Gerichtsverhandlung zusammengetragen wurden, ist es unmöglich, Prognosen anzustellen. An dieser Stelle begehen die USA jedoch einen Kardinalsfehler (und es wäre schön, wenn das ihr einziger Fehler wäre): den verhafteten mutmaßlichen Vergewaltiger Strauss-Kahn in Handschellen vor der gesamten Weltpresse abzuführen, gleicht einer Vorverurteilung und einer nicht wiedergutzumachenden Zerstörung des Rufes. Und beides ist nie wieder ausbügelbar und nie wieder gutzumachen, besonders, wenn man sich die Umstände Strauss-Kahns in der Weltpolitik ansieht. Er war der Einzige, der dem amtierenden Staatspräsidenten Frankreichs, Nikola Sarkozy, gefährlich hätte werden können.
Wer sich das und die Tatsache, dass die Wahlen in Frankreich für's nächste Jahr anstehen, genau vor Augen führt, kann auch verstehen, wieso die Franzosen nun die anscheinend wildesten Verschwörungstheorien entwickeln. Denn was würde besser dazu passen, als Sarkozy als Anführer einer Verschwörung anzusehen, der versucht, die Karriere Dominique Strauss-Kahns zu zerstören. Und WENN das wirklich einer Tatsache entspricht, ist ihm bereits jetzt der ganz große Coup gelungen (zusammen mit der Nachricht, dass seine Frau Carla Bruni-Sarkozy schwanger ist! Doppeltes Plus für die anstehenden Wahlen!).

Eins ist jedenfalls klar: Sex ist eine Waffe - und eine verdammt gefährliche dazu. Wer dachte, die Zeiten von Mata Hari wären vorbei, der hat sich getäuscht, denn wir haben nicht mehr verführerische Spioninnen, die Diplomaten zu Fall bringen können, heute sind es Zimmermädchen. Oder das zu große Ego mächtiger Männer. Das kann man im Ende sehen, wie man will. Doch der Sturz für erfolgreiche Männer aus dem 54. Stock des Machthochhauses geht schneller und fataler vonstatten als der Aufstieg in gleichem. Und gestürzt kann kaum schneller werden als über die Sexschiene, da, wo wir alle schwach sind, auch die Mächtigen, Reichen und Schönen (oder weniger Schönen).

Es gibt sie also, die Archillesferse, nicht nur bei Siegfried. Und wir werden das Problem weiterhin haben, solange wir uns darauf verlassen, dass wir liberal mit Sex umgehen und eigentlich so frei leben, in den Köpfen allerdings immer noch die gleiche Mauer wie vor 250 Jahren steht.

Die These könnte lauten: Freiheit beginnt im Kopf - nicht mit der heruntergelassenen Hose! Doch wenn diese Freiheit wirklich erstmal Überhand nehmen würde, hätten wir ein Problem: wir könnten nichts mehr gegen unser verhasstes Gegenüber als Atomwaffe verwenden. Oder wir werden einfach wieder gleiche, wie in Hiroshima. Geht schnell, schadet vielen - macht allerdings nicht so viel Spaß und ergötzt das Zuschauerbild nicht so effektiv als Nachrichten über Sexeskapaden.

Natürlich sollte es auch Dinge geben, die absolut "privat" sind im Leben. Und Sex gehört zweifelsohne dazu. Nur stellt man immer wieder eins fest: wir müssen uns im Leben für eins entscheiden. Entweder sind wir prüde (und damit in der Lage, alles, was mit Sex zu tun hat, als unsere eigene Privatsphäre anzusehen) oder wir werden ganz liberal im Sexgedanken und müssen jederzeit damit rechnen, dass der eigene Partner Privatvideos mit einem Selbst als Hauptdarsteller/in ins Netz stellt. Wir können nunmal (wie so oft im Leben) nicht alles haben - und unterschiedlich geltende Regeln für uns selbst und unser Gegenüber aufstellen.

Das klingt zu sehr nach Predigt? Naja, im eigenen Schadensfall würden sich die Betroffenen wohl immer wieder einen wünschen, der predigt. Nicht absolutes Zölibat - aber den verantwortungsvollen Umgang auch im liberalen Sexbild.

In diesem Sinne - ein schönes Wochenende. Bis nächsten Freitag!

LG Gene :-)

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