Samstag, 14. Januar 2012

"Wenn Dummheit eine Pein wäre": Resignation vor der Massenkultur

In dieser Woche hinke ich wieder einmal etwas hinterher mit meinem Blogeintrag und ich gebe zu, es liegt nicht nur an privaten Gründen, dass ich eine ruhigere Kugel schiebe. Irgendwann kommt die Zeit, da man nicht mehr weiß, was man erzählen soll, die Konstanz ist wohl das Schwierigste im ganzen Leben. Jeder, der sich einen Neujahrsvorsatz gefasst hat und ihn bereits wieder aufgegeben hat weiß, wovon ich rede.

Hier liegt der Fall allerdings etwas anders: in dieser Woche hat sich so erschreckend wenig Wichtiges ereignet, dass es schwer fällt, einen Kommentar dazu abzugeben. Es bleibt als einzige Antwort meist nur: "Ohne Worte!" übrig. Das Hickhack um Christian Wulff und das Bundespräsidentenamt? "Ohne Worte!". Täglich mehr Tote in Syrien wegen Assad, der partout sein Amt nicht aufgeben will? "Ohne Worte!". Das Dschungelcamp bei RTL, das gerade wieder angefangen hat? "Oh bitte, bitte!!! Ohne Worte, absolut ohne Worte!". Was ich damit sagen will: oft sind Worte überflüssig, es gibt Dinge, die so erschreckend sind (wie Syrien) oder so banal (wie das Dschungelcamp), dass man zu solchen Dingen besser schweigt. Trotzdem ist der wöchentliche Kommentar wichtig, notwendig, auch wenn ihn fast niemand lesen mag, da Kochrezepte und Strickmuster in Blogs so viel interessanter sind als gesellschaftliche Kritik.

Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man resigniert, und zwar vor allen Dingen. Vor der Korruption, vor dem Unheil, der Ungerechtigkeit, den Katastrophen und allgemein (und da am Stärksten) vor der Dummheit der Menschheit. Nein, ich schließe mich in diesem Moment nicht aus, ich würde mich nie über den Rest der Gesellschaft stellen, um mit allumfassenden Wissen und Weisheit zu glänzen. Das steht so wenigen Leuten zu und die paar, denen das zusteht, die lehnen diese Position kategorisch ab. Noch so eine Sache, die Christian Wulff nicht verinnerlicht hat! Aber gut, mal weg von diesem leidlichen Thema, ich möchte auch nicht mehr ansatzweise andeuten, was für ein schlechtes Händchen Frau Merkel in ihrer Wahl mit dem Bundespräsidenten hatte (und das gleich zweifach, wenn man Horst Köhler mit einrechnet!). Bei diesem Thema kann man mehr über die Dummheit der Gesellschaft resignieren denn vor der Arroganz des Bundespräsidenten, der sein Amt irgendwie nicht richtig ausfüllen kann. Denn egal, wieviele Dinge noch ans Tageslicht über ihn kommen, laut Umfrage will die Hälfte der Bevölkerung immer noch an ihm festhalten. Nun gut, inwieweit Umfragen wirklich repräsentativ für das ganze Volk von 81,8 Millionen Bürgern ist, steht wieder auf einem anderen Blatt. Mal ehrlich: die Meisten interessiert das Thema ja nicht einmal, dafür gibt es doch viel zu viele andere Probleme (und überhaupt, sich mit sich selbst zu befassen ist viel schöner als mit der Politik)!
Es stellt sich mir immer wieder die Frage, warum die Menschen so leicht aufgeben, wenn es um Dinge geht, die eigentlich wichtig sind. Ist es wirklich wichtig, ob ein Bundespräsident integer ist und seinen Job ehrlich und gut macht? Ja, verdammt! Das ist wichtig, wichtiger zumindest, als sich über den nächsten Sommerurlaub Gedanken zu machen! Wir leben in einer Zeit, in der kaum einer mehr der Politik vertraut oder sich überhaupt für sie interessiert, dabei regelt die Politik das Geschehen der gesamten Gesellschaft - und das direkter, als die meisten Menschen denken. Plötzlich werden dann "Spaßparteien" wie die Piraten gewählt, weil es nur noch darum geht, mit der Wahl zu protestieren oder sich wirklich nur noch für die Legalisierung von Cannabis einzusetzen. Zugegeben, wenn wir alle leichter an weiche Drogen kämen, ginge es uns besser und dann wäre uns wahrscheinlich eh alles scheißegal, weil "Oh, ich sehe ein pinkes Einhorn in meinem Wohnzimmer!". Allerdings: wenn es in der Politik wirklich nur noch um Spaß geht und die wichtigen Themen so richtig schön auf Eis liegen, dann ist das Zähneknirschen und Heulen umso größer, wenn die Wirtschaft am Boden liegt und die Menschen gar nicht mehr wissen, wie sie finanziell überleben sollen.

Es ist kein Geheimnis, dass Reichtum hemmungslos verblödet. Ich könnte neben Paris Hilton mindestens ein Dutzend Beispiele innerhalb von 20 Sekunden nennen, die diese Theorie bestätigen. Zu behaupten, dass die Menschen, die reich sind, auch automatisch eine gewisse Intelligenz besitzen müssen, wäre wohl in dem Fall mehr als falsch. Ja sicher, Paris Hilton ist tief in ihrem Herzen eigentlich ein ganz kluges Mädel und wird nur unterschätzt, ist klar. Und Pornodarstellerinnen sind eigentlich sehr tugendhaft und sind die größten Verfechterinnen der Monogamie. Recht so!
Nun, die Prämisse "reich = doof" gilt nicht nur für das 1% der Superreichen, gegen die immer noch bei "Occupy Wallstreet" protestiert wird. Wir ALLE leben in solch einem Wohlstand (auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen), dass wir immer dümmer werden. Reichtum (zumindest Wohlstand) macht bequem, man lässt sich keine Lösung mehr für ein Problem einfallen, frei nach dem Motto: "Irgendwer wird's schon richten, nur bitte nicht ich!" Ein wirkliches Aufbäumen gegen die Politik existiert in unseren Breitengraden schon lange nicht mehr, wenn jemand wirklich gegen eine Regierung aufsteht, dann aus Hungersnot. Und die gibt es hier so gut wie nicht mehr.
Syrien ist eins der Beispiele, die zeigen, wann ein Volk gegen ein Regime aufsteht und sich versucht zu wehren: wenn die Bildungspolitik im Keller ist, die Menschen unterdrückt werden, kein Geld verdienen, unter Hunger oder zumindest Arbeitslosigkeit leiden und wenn sie ihre Meinung nicht frei äußern dürfen. In den letzten Monaten hört man so viel aus diesem Land, so viele schreckliche Meldungen, Demonstrationen, die aufgelöst werden, indem das Regime mitten in die Demonstrantenmenge schießt, dass es einem schwerfällt, überhaupt noch hinzugucken und dabei mit der Wimper zu zucken. Der Mensch gewöhnt sich in den Nachrichten verdammt schnell an eine Nachricht, vor allem, wenn sie ihn nicht unmittelbar betrifft. Wir hier in Deutschland sind viel zu reich, zu satt und haben zu sehr das Recht auf freie Meinungsäußerung (was wir in 75% der Fälle gar nicht nutzen), dass die Menschen hier kaum Mitleid mit dem Volk in Syrien empfinden. Es ist uns egal, wenn dort jeden Tag dutzende Menschen erschossen werden, wenn sie die Straße nicht mehr überqueren können, um Lebensmittel zu kaufen und stattdessen das Nötigste quer über die Straße werfen müssen, um nicht erschossen zu werden.

Vor 67 Jahren endete der letzte Krieg in Deutschland, der Zweite Weltkrieg. Und die Spuren von damals? Sie sind verblasst, kein Mensch, der vor 20 oder 30 Jahren geboren wurde, spürt noch, was es heißt, in Angst und Schrecken vor einem Regime zu leben, Hunger zu haben (und das unfreiwillig!) oder die Trümmer einer zerbombten Landschaft aufzuräumen. Die letzt "Ungerechtigkeit", die es in Deutschland gab, war die Teilung des Staates. Der Zerfall der DDR ist das letzte wirkliche Problem, das Deutschland mitbekommen hat, das uns alle irgendwo noch betroffen hat. Aber wer nicht gerade um die 30 ist, weiß davon auch nichts mehr. Alle anderen Dinge fanden immer in weiter Entfernung statt, man kennt den Schrecken des Krieges nur noch aus dem Fernsehen. Vom Kosovo, Tschetschenien, Afghanistan, dem Irak, bis zum "arabischen Frühling", der im letzten Jahr begann. Alles, was wir davon kennen, kennen wir aus dem Internet, dem Fernsehen, ein paar Interessierte vielleicht noch aus so "antiquierten" Dingen wie Büchern. Aber die Angst zu sterben kennen wir nur noch von schrecklichen Diagnosen beim Arzt oder beim Flug durch ein Unwetter.

Die Ereignisse jetzt in Syrien stehen im glatten Kontrast zu denen in Nordkorea, einem Staat, der aus der Diktator wohl für eine weitere lange Zeit nicht herauskommen wird, in dem der Hunger zwar allgegenwärtig ist (die Hungerkatastrophe dort ist ähnlich schlimm wie die in Ostafrika!), aber dort reicht die Kraft der Aufständischen anscheinend nie gegen das straff organisierte Regime der Diktatur an. Selbst jetzt, nachdem Kim Jong Il verstorben ist und man dachte: "Was ein schönes Weihnachtsgeschenk für Nordkorea!", kommt gleich der nächste Diktator in Gestalt seines Sohnes Kim Jong Un daher und will die ganze Diktatorensuppe weiterführen. Aus dem Begräbnis um Kim Jong Il wird eine Staatstrauerfarce, die Menschen weinen und werfen sich auf Knopfdruck im Schnee und wer nicht mitmacht, wird standrechtlich erschossen. Und in beiden Fällen, Syrien wie Nordkorea, fragt man sich, wer nun wirklich dumm ist: die Menschen dort, die wahlweise sich der Diktatur unterwerfen, um nicht getötet zu werden oder doch wir im reichen, satten, verwöhnten Westen, die nicht einmal ansatzweise einen Grund sehen, gegen diese Ungerechtigkeit (milde ausgedrückt!) vorzugehen.
Das Verbrechen im allgmeinen und speziell seine Bekämpfung liegt uns immer so am Herzen, jede Verfehlung gegen das Gesetz muss bestraft werden... zumindest in diesem Land! Deswegen ja auch der Aufruhr um den Bundespräsidenten: alles, was auch nur ansatzweise nach Unstimmigkeit und Verbrechen riecht, muss sofort bestraft werden. Doch im Ausland? Wenn dort etwas passiert und es offensichtlich ist, dass von außen eingegriffen werden muss, um zu helfen, sind wir alle von heilsamer Ignoranz umspült. Es ist plötzlich alles "zu teuer", "zu gefährlich" und überhaupt: "Würden die das Gleiche für uns tun?"

Der moralische Finger wird gerne in die Gegenleistungswunde gelegt, wenn es ums Helfen geht. Es wird zuerst gefragt, ob man selbst im Falle des Falles die gleiche, wenn nicht gar eine bessere Hilfe von der Partei bekommen würde, der man helfen soll. Aber ist das wirklich der Kern des Helfens an sich? Zu schauen, was man bitte schön zurückbekommt? Helfen ist (zugegeben) eine undankbare Sache, wenn man überhaupt ein "Dankeschön" bekommt, dann eins, das knapp durch die Zähne gepresst wird. Trotzdem hoffen wir alle, dass wir im Notfall Hilfe bekommen, unser ganzer Instinkt baut sich darauf auf. Wenn Karate und Weglaufen nicht mehr helfen, soll es ein anderer richten. Ähnlich geht es den Menschen in Syrien zur Zeit. Die Hoffnung durch die internationale Intervention in Libyen hat den Menschen in Syrien Mut gemacht, dass sich in ihrem Land auch was durch die Hilfe aus dem Ausland ändern würde. Warum indes nichts passiert, ist mir persönlich ein Rätsel. Zu teuer? Zu gefährlich? Oder ist es schlicht die Tatsache, dass wirtschaftlich nicht genug in dem Land zu holen ist, was einen Sturz des Regimes lohnen würde? Haben wir Angst, dass Assad seine Wut gegen uns richten könnte, ähnlich wie Iran's Ahmadinedschad, der stur seine Atomwaffen weiter aufrüstet und damit alle (inklusive der Supermacht USA) mit zitternden Knien zurücklässt?

Wir bilden uns in unserer pappsatten Arroganz ein, wir seien so frei, so unabhängig, so kultiviert und intelligent, dass uns nichts mehr in die Schranken weisen kann. Trotzdem beweisen Diktatoren wie Assad und Ahmadinedschad uns tagtäglich das Gegenteil. Unsere Angst, dass uns jemand gegen den Karren pinkeln könnte ist so groß, dass wir lieber schweigen und über Häkeldeckchen reden, statt eine Meinung zu haben und sie zu vertreten, schlimmer noch: diese Meinung mit aller Macht, die uns zur Verfügung steht, in die Tat umzusetzen. Wir wollen Freiheit für alle? Warum fällt es uns dann so schwer, diese Freiheit herbeizuführen? Es kann nur gegen, wenn wir uns einmischen, aktiv, auch auf die Gefahr hin, dass uns etwas passieren könnte.
Fast 70 Jahre gab es keinen Krieg mehr in Deutschland und Harald Schmidt sagte erst kürzlich in einem Spiegel-Interview, dass die Euro-Krise wohl der Nebeneffekt ist, mit dem wir für so viel Frieden leben müssten. Mit anderen Worten: wir mischen uns in nichts mehr ein und leben in Frieden, also verlieren wir früher oder später all unser Geld. Die Ratingagentur "Standard & Poor's" arbeitet indes schon fleißig an dieser These und senkt die Bonität von Frankreich und Österreich um eine Stufe auf "AA" ab (mit anderen Worten: das "Scheiß"-niveau). Wann wir dieses Niveau erreichen, ist nur noch eine Frage der Zeit. Im Prinzip befinden wir uns in unserer eigenen kleinen, privaten Diktatur, der Unterschied zu den Regimes wie Syrien und Nordkorea ist, dass wir kaum von Ratingagenturen standrechtlich erschossen werden, wenn wir das Maul gegen sie aufmachen. Dafür räumen sie uns dann durch Werteverfall einfach das Bankkonto. Wir zittern in Ehrfurcht vor Ratingagenturen, richten uns nach jeder Empfehlung der Agenturen (oder zumindest die Investoren, an die sich die Empfehlungen der Agenturen richten) und damit ist das gesamte Wirtschaftssystem in den Händen von nicht nur wenigen Menschen, sondern von noch weniger Menschen und ihren Spekulationsspielchen.

Vielleicht ist genau das der Grund, warum es immer schwerer fällt, sich noch Gedanken um diese Gesellschaft zu machen. So sehr ich auch auf Besserung hoffe, auf allumfassende Einsichten bei ALLEN Menschen, es geschieht viel zu wenig, die Menschen bleiben irgendwie auf dem gleichen Level hängen, tagein, tagaus. Es verändert sich zu wenig und wenn sich etwas ändert, dann eher mehr zur Trägheit als zum Aktiven. Wer möchte sich in der heutigen Zeit noch gerne bewegen, sowohl geistig als auch körperlich? Alles wird den Menschen vorserviert, vorgekaut und vorverdaut. Selbst beim Essen ist es fast noch zu anstrengend, die Nahrung überhaupt noch zu sich zu nehmen. Den Schritt des Essens würde man gerne auch noch abgenommen bekommen, damit man sich diese Aktivität am Tag auch noch sparen könnte.

Das alles wird auf Dauer nur dazu führen, dass wir alle in der Faulheit immer dümmer werden. Es wird am Bildungssystem geklagt und gemeckert, dass die Menschen nicht genug ausgebildet werden für ihre Berufe. Aber wohin soll all die Bildung führen, wenn am keine Zeit oder Lust mehr besteht, mit all dem Wissen etwas anderes anzufangen, als nur dem schnöden Mammon hinterherzujagen? Und was ist stattdessen die Lösung? Allem Reichtum und Wohlstand abschwören, in die Wüste gehen und dort die Erleuchtung finden?

Nein, so weit muss keiner gehen. Die Erleuchtung ist so nahe, an jedem Tag unseres Leben, sie läuft direkt vor uns her, unsichtbar, aber immer greifbar. Alles geht in diesem Sinne nur noch nach dem Motto: "Wir müssen nur wollen!", wie schon die Band "Wir sind Helden" sangen. Wer allerdings nicht will, der hat schon halb verloren und der wird auch weiterhin Christian Wulff als Bundespräsidenten dulden und jeden Tag desinteressiert zusehen, wie Menschen in Syrien sterben und in Nordkorea verhungern und unterdrückt werden. Eine schöne Welt, in der wir auch 2012 leben dürfen! Wenigstens auf Fastnacht und die Fussball-EM können sich die Deutschen in diesem Jahr noch freuen. Wenn es sonst keine Probleme gibt, dann ist ja gut. Mitgemacht, mitgelacht und alles Leid vergessen. Es ist doch so einfach und tut so gut! Gott sei Dank tut auch die Dummheit eher gut als weh, denn sonst würde man pausenlos das Schreien der an Dummheit erkrankten Menschen hören. Klagende Schreie aus sämtlichen Wohnungen und Einfamilienhäusern, in Bussen, Supermärkten, Bürogebäuden, ja, selbst im Schloss Bellevue in Berlin.

Nun, an dieser Stelle bin ich ausnahmsweise mal froh, dass Dummheit keine Schmerzen verursacht, denn bei all den Schreien wäre ich dann doch lieber taub.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein schönes Wochenende und eine angenehme neue Woche. Bis zum nächsten Freitag und dem nächsten Blogeintrag.

LG Gene :-)

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