Donnerstag, 12. Februar 2009

Über Leerräume und Lehrräume

Mittwoch, die Woche wurde geteilt, also haben wir
wiedermal 50% hinter uns. 50% der Woche, 50% des
Lebens... wohl eher nicht. Zumindest die meisten Leser
werden hoffen, dass noch mindestens 50% ihres Lebens
noch vor ihnen liegt, eher mehr.

Nun, im ganzen Jugendwahn hat sich natürlich in dieser
Woche eine Nachricht besonders hervorgetan:
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg ist unser
neuer Wirtschaftsminister und löst damit (den in den
vergangenen Jahren sehr ergrauten und deswegen nicht
mehr jugendlich genug wirkenden) Michael Glos ab.
Debatten zu dem Thema gibt es genug, fast mehr als zu
Guttenberg an Vornamen hat (das werde ich uns allen
jetzt ersparen!): wurde Glos ausgebootet, weil er zu
alt ist? Ist es wirklich ratsam, in Zeiten einer der
größten Wirtschaftskrisen aller Zeiten einen quasi
unerfahrenen 37jährigen Politiker zum
Wirtschaftsminister und damit hauptverantwortlich für
die Geschicke der Gesellschaft zu machen?

Mich beschäftigt eher die Frage: wie zur Hölle hat er
das geschafft? Der Mann ist 37, hallo!!!! Ich konnte
Bill Clinton als Präsident akzeptieren mit 46 Jahren,
auch Barack Obama, der mit 47 Jahren das wichtigste Amt
der Welt bekleidet, kein Thema. Damit kann man leben,
immerhin befanden/befinden sich beide Männer in der
Mitte ihres Lebens.
Aber mit 37? Das wäre ich in zehn Jahren und ich muss
gestehen: Okay, das schaffe ich in meinem Leben wohl
nicht mehr! Vielleicht kann ich mir auch einfach sagen,
wenn ich mich mit von Guttenberg vergleiche:
"Gegen den Mann hab ich nix erreicht!"
Nicht, dass ich gar nichts erreicht habe, aber
Politiker bin ich noch nicht. Andererseits: ich könnte
mich auch mit Britney Spears vergleichen und lobend
hervorheben, dass ich nicht tabletten- und
drogenabhängig war und nicht zwei Kinder habe, die ich
durch meine Unachtsamkeit an meinen Ex-Mann verloren
habe.

Gut, ich schweife wiedermal ab, wir befinden uns doch
in weit wichtigeren Krisen! Da wäre zunächst einmal die
Weltwirtschaftskrise, die sich inzwischen durch
sämtliche westliche Länder frisst, dann noch mehr durch
die Wirtschaftsneuwunder Indien und China, deren
Wirtschaft aber immer noch wächst, aber nicht so
explosionsartig wie sonst.

Frage: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen den
Zeiten mit und den Zeiten ohne Wirtschaftskrise? Wenn
ich die Nachrichten gucke, kann ich keine Unterschiede
feststellen: an Feiertagen wird immer noch viel Geld
ausgegeben für Geschenke (siehe Weihnachten), Alkohol
(siehe Fastnacht) und Pralinen und Blumen (siehe
Valentinstag) ausgegeben. Und keiner kann mir erzählen,
dass irgendwer an Ostern auf Eier,
Schokoladenosterhasen und Lammfilet verzichten wird.
Klar, Hartz IV Empfänger, aber die zählen in dieser
Gesellschaft sowieso nichts mehr.

Welcher Hartz IV Empfänger dagegen bei mir protestieren
möchte, sollte sich nur angucken, wieviel Hetze gegen
die Menschen gefahren wird, die vom Sozialstaat
abhängig sind.
Da heißt es immer, diese Leute liegen auf der faulen
Haut, diese Leute lassen es sich von "unseren
Steuergeldern gut gehen". Dass den Leuten, die
Steuern bezahlen, diese Steuern auch so nicht viel
bringen würden weil es sich um Kleinbeträge handelt,
wird ihnen nicht bewusst. Nein, für diese 3,17 Euro
könnte der Steuerzahler sich einen großen Eisbecher im
Sommer leisten. Also, was tun die Hartz IV Empfänger?
Sie gönnen dem Steuerzahler keinen großen Eisbecher mit
Sahne bei brütender Hitze! Ist das nicht skandalös? Das
gleicht dann schon fast dem Bananenstreit zwischen
Giulia Siegel und Ingrid van Bergen.
Frauen gönnen einander ja auch nichts - weder den
Penisträger, den Frau A hat und Frau B nicht, oder die
Banane, die die Vegetarierin essen will, die die
Fleischfresserin aber auch gerne hätte.

Und so ähnlich geht es auch in der Wirtschaftskrise zu,
nie wird soviel über das Geld ausgeben und Steuern
abdrücken gemosert wie jetzt. Die gleichen Steuerzahler
geben zwar mehrere hundert Euro für Geschenke aus, die
eigentlich (wenn wir mal kleinlich sind) für Jesus
Christus bestimmt wären... doch wenn sie Geld für das
Funktionieren des deutschen Staates abdrücken müssen,
stöhnen sie, als lebten wir alle in der Wüste Gobi.
Sicher, man möchte mit seinem Geld machen, was man
selbst für richtig hält. Dabei bedenken die meisten
Menschen aber nicht, wieviel Geld gebraucht wird, um
alltägliche Dinge im Gang zu halten. Menschen mit
Kindern brauch öffentliche Einrichtungen, um ihr Kind
unterzubringen - erst der Kindergarten, später die
Schule. Mal ehrlich: welches Elternpaar möchte denn zu
100% die Lehrer, die Lehrräume, die Instanthaltung der
Lehrräume etc finanzieren?
Oder (für alle, die keine Kinder haben) die Straßen,
auf denen wir immer noch trotz Finanz- und Umweltkrise
mit Benzinschleudern durch die Gegend fahren. Was wäre,
wenn die Straßen nur noch aus Schlaglöchern bestehen
würden, es keine Ampelsysteme gäbe (ja, für Raser wäre
das eine Wonne! Aber hier ist realistisches Denken
gefragt), wenn es keine Gehwege mehr gäbe und kein
geregeltes Straßenverkehrssystem. Und das nur, weil wir
ein paar Euro Steuern sparen wollen?

Es gibt noch viel viel mehr, was aus Steuern finanziert
wird, ich hab jetzt eher lapidare Beispiele genannt.
Aber alle, die meinen, die Steuern, die an die
Sozialkassen fließen, seien verschwendet seien an
dieser Stelle hier mal an eins erinnert: es kann jeden
treffen! Krebs, ein Kriegsbomber - oder die
Arbeitslosigkeit. Ich hüte mich davor, Parolen gegen
Arbeitslose zu schwingen, denn ich bin viel zu froh,
Arbeit zu haben!

Soviel dazu, nun zurück zum Jugendwahn: wohin soll die
Entwicklung gehen mit einem 37jährigen
Wirtschaftsminister? Was wäre denn zum Beispiel mit der
nächsten Familienministerin? Da die Kinder heutzutage
schon locker mit 14-15 Jahren ihr erstes Kind kriegen,
könnte nicht eine von denen die Geschicke der modernen
deutschen Familie demnächst treffen? Eine
Familienministerin, die etwa 23 wäre, wäre doch schick.
Zumindest wäre sie "was für's Auge",
denn darauf kommt es anscheinend inzwischen mehr an als
auf die politischen Kompetenzen.
Okay, von Guttenberg ist nicht gerade optisch
ansprechend - typischer Versicherungsvertreter. Und was
er jetzt besser machen soll als Michael Glos, dessen
bin ich mir auch noch nicht schlüssig.

Manchmal frage ich mich, ob wir durch den Jugendwahn
dazu neigen, einfach alles Alte über Bord zu werfen
(inklusive aller unnützen Rentner in Deutschland!) und
einen Staat aus jungen, dynamischen Menschen schaffen,
die nicht einmal bis drei zählen können. Erinnert mich
auf makabere Weise an Stephen King - vielleicht hatte
der Mann schon damals prophetische Vorahnungen, als er
"Manchmal kommen sie wieder..." schrieb,
indem es um ein Volk ging, dass alle Kinder, die älter
als 14 waren, tötete.
Und ein wenig erinnert das heutige Verhalten der jungen
dynamischen Generation um die 35-45 daran, wenn sie
immer wieder von den "lästigen Alten"
sprechen. Wenn ich es realistisch betrachte, sehe ich
ja auch ein, dass ein älterer bis alter Mensch
körperlich stark abbaut, dass sich die Sinneskräfte
abschwächen, das Denken vielleicht langsamer wird und
dass sie sich nicht mehr dynamisch schnell auf dem
Laufband dreimal die Woche die Seele aus dem Leib
schwitzen können.

Damit sind alte Menschen unvollkommen und der modernen
Stylinggesellschaft nicht mehr würdig - ähnlich wie
Übergewichtige und Behinderte. Und was soll darauf
jetzt folgen laut der "ab 1968er Generation"?
Erinnert fast an die Wiederauferstehung des Holocaust.
Alle, die nicht ins Raster passen, ab in die Gaskammer!
Bevor aber jetzt alle laut "Ja!" schreien,
sollte sich die Generation 35-45 Folgendes überlegen:
das Jahr 2030 ist nicht weit weg. Und dann seid IHR
dran. Ich kann schon deutlich hören, wie alle dann
wieder "NEIN!" schreien. Schließlich wollen
wir doch alle 90+ werden. Ich nicht, aber die Meisten.
Das Groteske am Jugendwahn ist ja, dass die Jungen
nicht alt werden wollen, andererseits aber auch nicht
früh sterben wollen.

Worum es geht? Zeit. Zeit, die wir alle irgendwo haben,
aber sie zu wenig nutzen. Und deswegen meinen wir immer
mehr, wir bräuchten noch mehr Zeit, in der Annahme, die
Zeit würden wir besser nutzen als die vorher. Ist
genauso wie bei einem Kind, dass einen Euro geschenkt
bekommt und davon Bonbons kauft. Die Bonbons enthalten
Zucker, was nicht gut für die Zähne ist. Daraufhin
verspricht das Kind: "Beim nächsten Euro wird
alles anders!" Sobald der Euro allerdings im
Kinderhändchen blitzt, sind die Bonbons wieder so
verführerisch, so bunt, so süß... ähnlich verhält es
sich mit der Zeit. Wir versprechen uns insgeheim immer,
wir würden unsere Zeit besser nutzen - doch im Ende
wird die Zeit eher zum Leerraum als zum Lehrraum. Statt
etwas zu lernen bevorzugen wir, uns der unerträglichen
Leichtigkeit des Nichtstuns hinzugeben. Verdummung auf
Zeit sozusagen. Fast schon wie ein Bankkonto, auf das
wir einzahlen und das nicht nur keine Zinsen abwirft,
sondern auch noch das Kapital langsam aber sicher
schrumpfen lässt.

Vielleicht sollten wir alle uns einer Initiative
anschließen: "Lehrräume statt Leerräume!" Wir
bezahlen von unseren hart erarbeiteten Steuern
Schuleinrichtungen schön und gut. Aber was tun wir noch
für uns? Ich würde ja sagen: "Vernichtet die
Leerräume in euren Köpfen und füllt sie mit Bildung und
ein wenig Wissen auf!". Schließlich kann es so
einfach sein: schon 10 Minuten lesen am Tag, oder mal
einen interessanten Artikel lesen und sich merken kann
viel dazu beitragen, nicht mehr den Leerräumen im Kopf,
den "schwarzen Löchern" des Hirns, Freiraum
und damit die Macht zu geben. ;-)


Okay, das war jetzt wiedermal alles sehr unstrukturiert
als Blogeintrag. Aber da ich schreibe, wie ich es für
richtig halte, kommt es so raus. Alle, denen es nicht
passt, mögen mich, wie in Dr. Faust "im A****e
lecken!" ... naja, wem's schmeckt! ;-)

LG und eine schöne Restwoche - Gene

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