Dienstag, 3. Februar 2009

Der Stolz, die Dummheit... und Convenience Food

"Gut Ding ...." wer sich mit Sprichwörtern auskennt, der weiß, dass wiedermal ein Blogeintrag meinerseits ansteht. Und er versteht auch, dass die Dinger nicht am Fließband produziert werden. Denn, obwohl ich in den letzten Wochen des öfteren Zuschriften bekommen habe mit Inhalten wie "Warum schreibst du soviel?" "Ein Autor muss ja nicht alles zerschreiben" (okay, so eine intelligente Zuschrift gab's von der Seite nicht, aber egal; hab ich die halt dazugedichtet!), so redselig bin ich gar nicht. Wenn ich nämlich wirklich so redselig wäre, würde hier alle drei Tage ein neuer Eintrag stehen. Aber da haben manche schon recht mit ihren Zuschriften, wenn sie mir sagen "Ist doch eigentlich vergebene Liebesmüh!"

Da wir (das heißt ich und meine mindestens fünf verschiedenen mir angedichteten Persönlichkeiten!) immer noch an das Gute im Menschen glauben, schreibe ich weiter. Auch wenn es mir doch so manches Mal Kopfschmerzen bereitet.

Nun befinden wir uns am Anfang des zweiten Monats im Jahre 2009. Und damit befinden wir uns mitten in der "fünften Jahreszeit", die auch allgemeinhin heutzutage als "Fortpflanzungsjahreszeit ohne Fortpflanzung" gesehen wird. Ja, liebe Leute! Wir haben Karneval, Fastnacht, Fasching. Helau, Alaaf... Hesse lacht zur Fassenacht, Mainz bleibt Mainz wie es singt und lacht.

Und alle, die meinen, bei mir vielleicht doch auf einen Fastnachtsfreund getroffen zu sein (allein schon wegen Bollywood, denn das gilt ja für jeden Deutschen als 365 Tage im Jahr Fasching), den muss ich leider leider enttäuschen. Wenn Fastnacht ist, bin ich für niemand mehr zu sprechen! Das ist mein Ernst! Kein Helau, kein Alaaf - und schon gar kein "Zu dir oder zu mir Süße!". Denn nie sind die Deutschen so enthemmt wie zur Fastnachtszeit. Frei nach dem Motto: nach Karneval wird gefastet und vorher lassen wir die Sau raus.

Dann werden nicht nur allerhand Süßigkeiten gegessen, sondern auch in schön rauen Mengen Alkohol konsumiert. Und der Kondomverbrauch steigt. Korrektur: er steigt nicht wirklich! Das Problem ist ja immer wieder, dass Menschen, die Sex haben und meistens vorher sich einen angetrunken haben, für's Verrecken keine Verpackungen mehr aufkriegen. Also sind das Szenen, die an die Werbung mit dem HB-Männchen erinnern und im Ende? Fliegt das ungeöffnete Kondom in die Ecke, bevor die Errektion sich komplett verabschiedet hat.

Ich will gar nicht wissen, wieviele Kinder unfreiwillig in der "5. Jahreszeit" entstehen (und auch nicht, wieviele davon überhaupt auf die Welt kommen! ich glaube, da ist schon viel früher Endstation). Was mich weitaus mehr beschäftigt ist, warum wir diese 5. Jahreszeit überhaupt brauchen???

Der Winter ist dunkel. Er ist auch kalt. Damit habe ich jetzt zwei Tatsachen in den Raum gestellt, die jeden nur gähnen lassen, weil das jeder selbst weiß. Aber was passiert dann? Wir haben von der Dunkelheit und Kälte soviel Langeweile und Depressionen, dass wir uns etwas einfallen lassen, damit es ein wenig mehr an Karibik und camparirote Sonnenuntergänge erinnert. Also verschieben wir die Geburt von Jesus (die angeblich im Sommer stattgefunden haben soll laut neuesten Erkenntnissen) mitten in den Winter hinein, wo die Tage am Kürzesten sind. Damit haben wir dann wieder eine Ausrede, bunte Lichtchen anzuzünden und viel Alkohol zu trinken. Wenn's schon nicht warm ist, bilden wir uns dank Glühwein wenigstens ein, es wäre warm.

Und ähnlich verläuft das Prinzip "Fastnacht": wir verabschieden uns damit vom Vielfraß und von der Völlerei in jeder Hinsicht, indem wir es nochmal richtig krachen lassen. Fast wie bei einem Junggesellenabschied. Aber das Fest hat sich in den Jahren doch sehr gewandelt: vor zehn bis fünfzehn Jahren ging es doch primär um die Verkleidungen, es ging um Kamelle Kamelle, vom Bogen bis zur Elle (oder so ähnlich!) und ja, ums Trinken auch. Vielleicht sind auch des Öfteren Unbekannte miteinander ins Bettchen gegangen, aber heute? Die gleichen Unbekannten gehen nicht mehr ins Bettchen, das ist denen schon zuviel Arbeit. Die gehen irgendwo aufs Herren- oder Damenklo oder in die nächste Gasse und lassen es da krachen. Dass das in Zeiten von HIV und anderen leckeren Geschlechtskrankheiten nicht gerade verantwortungsvoll ist, das können sich alle denken. Aber ich bin ja auch nicht verantwortlich für den Rest der Welt, also bitte, die die es machen wollen, können es gerne so tun.

Aber eins zeigt mir dieses Verhalten - die Menschen leben stolz, dumm - und verdammt gefährlich! Die Wegwerfgesellschaft hat nicht nur ihre tollen Seiten. Natürlich ist es toll, wenn Menschen etwas kaufen, es eine Zeitlang benutzen und wenn es dann nicht mehr interessant ist einfach wegwerfen - egal, ob es noch benutzbar ist oder nicht. Sobald der Gebrauchsgegenstand entweder nicht mehr im eigenen Interesse oder in der gesellschaftlichen Mode ist, wird er entsorgt. So einfach kann's gehen. Und dank China, Indien und Co. werden Gebrauchsgegenstände in solch heftigen Mengen hergestellt, dass es auch nicht weiter schwerfällt, sich von liebgewonnenem Gut zu trennen.

Leider greift diese Wegwerfmentalität nicht nur auf materielle, sondern auch auf ideelle Güter über - auf Werte und sogar auf Menschen selbst. Man kann es überall sehen, im Internet wie in der Realität: wenn dir ein Mensch nicht passt, wird er weggeworfen. Kann ein männliches Internetmitglied ein weibliches nicht schnell genug für eine reale "schnelle Nummer" überreden, wendet er sich sogleich den fünf nächsten potenziellen Kandidatinnen zu.

Und auch wenn es ums Überleben geht, greifen die Menschen eher zur Dose als zur frischen Zucchini. Manchmal habe ich gar das Gefühl, wenn ich die Leute mit ihren Dosen, Tüten und TV-Dinner Packs betrachte, dass etwa 65% nicht einmal wissen, wie eine Zucchini aussieht. Das Essen aus der Dose oder der fertigen Verpackung ist doch einfach zu verführerisch, weniger Arbeit, mehr Zeit für... ja für was eigentlich? Wie nutzen die Menschen die Zeit, die sie sparen, indem sie nicht frisch kochen. Angeblich spart man ja rund eine halbe Stunde Zeit ein, wenn man nicht selbst kocht, sondern die Packungen brutzeln und köcheln lässt. Wären also (wenn wir theoretisch zwei warme Mahlzeiten einrechnen) eine Stunde am Tag.

Was machen die Leute nur in dieser Stunde, die sie übrig haben? Verschlafen? Im Internet chatten? Fernsehen gucken? Irgendwie mag ich nicht wirklich daran glauben, denn alle drei Dinge würden bedeuten, die Leute würden die Zeit sinnvoll für Bildung verwenden.

Nun kann sich ja jeder mit mir streiten, was Bildung ist. In erster Linie ist Bildung meiner Meinung nach Interesse, und zwar egal an was! Wenn jemand Interesse an Briefmarken hat, dann hat er wenigstens an etwas Interesse. Er beschäftigt sich mit den teuersten Briefmarken und warum ausgerechnet die und nicht andere die teuersten sind. Sie beschäftigen sich mit der Geschichte der Briefmarke und wie Briefmarken in verschiedenen Ländern aussehen.

Ein Anderer hat vielleicht Interesse an Fussball. Dann weiß er über das Spiel an sich Bescheid, er weiß über die Spieler der Bundesliga Bescheid, wo sie spielen, wie erfolgreich sie sind... es bedarf schon ein wenig Intelligenz, um in seinem Interessensgebiet genug Wissen sich anzueignen. Aber bei vielen Menschen vermisse ich Interessensgebiete. Die einzigen Hobbies, die sie haben, sind ausgehen... mit Freunden Party machen... Sex... oder Computerspiele. Gut, Computerspiele können wieder das Gehirn in Fahrt bringen, ab und zu muss man da auch denken. Aber muss man denken, wenn man Parties feiert? Oder wenn man Sex hat? Sicher, viele Männer müssten anfangen zu denken beim Sex, um eine Frau wirklich zu befriedigen. Aber sie tun es nicht wirklich!

Was ich damit sagen will? Nun, es ist einfach nur mein Unmut, über die Wegwerfgesellschaft, die vermeintlich bequem ist, aber nicht genutzt wird. Dieser Unmut richtet sich aber nicht nur gegen Jene, die sich mit nichts beschäftigen und sich vor Langeweile ein drittes Loch in die Nase gebohrt haben. Was mich viel mehr ärgert als die, die gelangweillt durch's Leben gehen und sich damit wohl fühlen sind diejenigen unter uns, die meinen, sie wären intelligent, obwohl sie es nicht sind.

Okay, ich kann nicht immer 100%ig beurteilen, ob ein Pseudointellektueller wirklich pseudo ist oder nicht. Aber allein die Tatsache, dass sich die Leute, die meinen, sie seien so intelligent, weil sie mehr als drei Bücher im Jahr lesen und gleichzeitig Menschen diskriminieren, weil sie ihrer Meinung nach nicht die richtigen Dinge im Leben tun, ist für mich ein blanker Hohn! Keiner kann dem anderen vorschreiben, so zu leben wie er selbst. Das würde auch gar nicht funktionieren, denn "was für mich funktioniert, funktioniert für dich noch lange nicht." Diese Aussage trifft weitaus mehr zu als "ich weiß, wie das Leben läuft... wenn du es nicht so machst, wie ich, wundere dich nicht, wenn dein Leben schief geht!"

Und solche Aussagen sind für mich eine Sache, die inzwischen auf immer mehr Menschen zutrifft. Sie nennt sich (kurz zusammengefasst) Selbstüberschätzung. Diese Selbstüberschätzung bringt Tausende dazu, sich bei "Germany's next Topmodel" oder "Deutschland sucht den Superstar" zu bewerben. Diese Selbstüberschätzung bringt Menschen dazu, im Betrieb die vermeintlich Schwächeren zu mobben und ihnen vorzuhalten, wie toll ihr Leben doch ist. Und diese Selbstüberschätzung bringt viele Menschen im Internet dazu, Bilder von sich in allen möglichen Positionen und Lebenslagen zu zeigen. "Guckt her, letztes Jahr war ich in Ägypten!"... "Und hier bin ich mit meinem Schatzi... und es hat eh keiner einen schöneren, intelligenteren und erfolgreicheren Schatzi als ich!"

Jetzt wirft sich die Frage auf, ob ich neidisch bin darauf? Nach wirklichem Innehalten und ernsthaft darüber nachdenken sag ich dazu nur: NEIN! Und warum nicht? Weil jeder im Ende sein Leben so gut oder schlecht lebt, wie er kann - und jeder ruiniert und blamiert sich, so gut er kann. Vielleicht schreibe ich auch deswegen Blogeinträge, wer weiß das schon... ;-)

Nun, das Schönste an der fünften Jahreszeit für mich ist inzwischen, dass sie bald vorbei ist. Am 11.11. hat der "Spaß" (wie jedes Jahr) angefangen. Von daher, haben wir doch schon allerhand überlebt, oder? Die dunkle Jahreszeit wurde jetzt so hell wie möglich gefeiert und bald ist ja auch Frühling wieder da. Es wird wieder Sonne geben und da ja jeder im Zeitalter von elektrischer Beleuchtung so tut, als könnten wir nicht ohne Sonne, sagen wir "Na endlich!". Und dann kommt Ostern, wieder mit viel bunt und viel Kitsch.

Aber dazu beim nächsten Mal mehr... ich weise nur nochmal auf den Anfang hin (diesmal in kompletter Ausführung!): "Gut Ding... will Weile haben!" Also keinen neuen Eintrag mehr vor dem Valentinstag von mir erwarten.

Wünsche allen, die es feiern wollen, närrische Festtage vom Feinsten. Und denen, die Fastnacht gar nix abgewinnen können (wie mir!) ein starkes Nervenkostüm. Oder genug Platz unter der Spüle, um sich dort zu verstecken ;-)

LG Gene

Keine Kommentare:

English Blog