Samstag, 14. April 2012

Phänomen Fernsehen, oder: Überhaupt und sowieso... nix Neues aufm Damenklo!

Heute Abend ist für mich wohl wieder mal ein schwarzes Loch aufgebrochen. Die Untiefen des Unmöglichen haben sich wieder einmal breitgemacht und nun haben wir den Salat. Wovon ich spreche? Nun, sonst möchte ich in meinem Wocheneintrag auf politische Missstände oder die allgemeine Dummheit der Menschheit aufmerksam machen. Eigentlich ist es in diesem Blog nicht anders, auch wenn das Thema an sich im ersten Moment trivial wirken mag.

In dieser Woche durfte ich mich mal wieder kräftig aufregen, als ich las, dass eine meiner derzeitigen Lieblingsserien mir nichts, dir nichts aus dem Programm genommen wurde, quasi über Nacht, ausgetauscht gegen die x-te Wiederholung einer anderen Serie, die ich schon als Kleinkind anfang der 90er verstanden habe und nicht unbedingt wiedersehen musste. Ja, ich weiß, es gibt schlimmere Dinge auf diesem Planeten (die derzeitige vermeintliche Waffenruhe in Syrien; das Erdbeben diese Woche vor der Insel Sumatra, das schreckliche Erinnerungen an den Tsunami am Boxing Day 2004 wieder wachrief; dann noch das allgemeine Meckern über die Benzinpreise etc.). Eigentlich ist doch alles schlecht, wenn man sich umguckt. Früher gab es aber wenigstens noch den einen Fels in der Brandung (Achtung, Werbespruch!), auf den man sich verlassen konnte: das Fernsehen... oder, da man es heutzutage unterscheiden muss, als "Free-TV" bezeichnet. Das "Free-TV" gilt in der heutigen Zeit als so gut wie kostenlose (wenn man die GEZ-Gebühren nicht einrechnet!) Quelle der Unterhaltung und Information. Ich persönlich nutze das "Angebot" des Free-TV's (wie viele andere Menschen!) täglich. Ja, ich gebe zu, ich bin eine Art TV-Junkie. Doch bei mir hat der Wert der Unterhaltung Grenzen - und die sind inzwischen bei Weitem überschritten. Denn das Free-TV ist eher zur "Free-Folter" (oder besser: "Free-Torture") geworden! Das Absetzen meiner heißgeliebten Serie ist dabei nur die Spitze des Eisberges.

Jeden Tag werden die Menschen mit einer Flut von Programmangeboten überhäuft. Lassen wir das Internet mal einen Moment mal außer Acht und denken uns in die Zeit vor über 20 Jahren, als es noch gar kein Internet gab. Zu dieser Zeit (Ende der 80er, Anfang der 90er) galt das Fernsehen als DIE Unterhaltungsquelle schlechthin. Nein, es war nicht wirklich besser zu dieser Zeit, aber anders. In diesem "Anders"-Zustand aber dann doch zugegebenermaßen von höherer Qualität. Wenngleich ich zugeben muss: virale TV-Seuchen, die bis zum Erbrechen durch das TV gedudelt wurden, gab es schon immer. Das Niveau wurde nur konstant immer weiter herabgesenkt. Ende der 80er waren es die sogenannten "Gameshows", die in solch einer Penetranz über den Äther geschickt wurden, dass man Brechreiz allein beim Wort "Gameshow" bekommen konnte. Von "Geh aufs Ganze" über "Familienduell" bis hin zu "Der Preis ist heiß". Keine Gameshow war blöd genug, kein Teilnehmer sich für irgendeine bekloppte Aktion zu schade. Aber wer damals dachte, das Ende der Welt sei erreicht, der hat nicht mit dem Einfallsreichtum der Programmmacher gerechnet.

Anfang der 90er dann fingen die Menschen an, sich zu Gruppen zusammenzufinden, wild zusammengewürfelt aus scheinbar allen Schichten und Lebensbereichen, um dann Tehmen zu diskutieren, die die Welt nicht braucht. Die Talkshow war geboren! Früher nur für die Privilegierten (sprich: Politiker und Prominente, die wirklich was zu sagen haben) gedacht, gab es dann auf einmal Talkshows, in denen Hintz und Kuntz über Verdauungs-, Sexual-, Beziehungs- oder Religionsprobleme reden konnten - oder einfach alles zusammen! Zu einem bestimmten Zeitpunkt gab es weit über ein Dutzend Talkshows täglich (!), totgenudelt von sämtlichen wohlgemerkt privaten Fernsehsendern. Man sollte wohl bei alledem erwähnen, dass die viralen TV-Seuchen Erfindungen der werbebesudelten Privatsender sind. Ob das wirklich heute noch wichtig ist, steht wieder auf einem anderen Blatt.

Als die Talkshows müdegelaufen waren und sich nicht mehr Menschen aus allen Schichten, sondern nur noch aus der asozialen Schicht in eine Talkshow setzten, war es wieder einmal Zeit für etwas Neues. Olli Geissen, Bärbel Schäfer und Hans Meiser hatten irgendwann über alles diskutiert, von vollgeschissenen Windeln über Schleimauswurf bei Grippe bis zum Geständnis "Ich bin verheiratet und gehe trotzdem regelmäßig in den Puff!", also musste es etwas Neues geben, was den Menschen untergejubelt werden konnte. Es begann damit unaufhörlich der Aufstieg zum "geschriebenen Drama"... und warum? Weil authentische Talkshows mit authentischen Meinungen von authentischen Asozialen einfach stinklangweilig waren und keine Quote mehr brachten! Also gab es ein neues Konzept: die Gerichtsshow! Bildung am Nachmittag für alle, die immer mal wissen wollten, wie man wen warum und überhaupt verklagen kann.

Alles begann mit Barbara Salesch, der "Sirene der deutschen Gerichtsshows". Anfangs war ihre Show sogar noch authentisch, immerhin kloppten sich dort in Zivilprozessen reale Menschen um Recht und Ordnung. Zu dieser Zeit wurde auch Regina Zindler mit ihrem "Maschendrahtzaun" zu ewigem Ruhm. Jedoch (wie auch bei den Talkshows) war die Langeweile beim Zuschauer vorprogrammiert, denn wen interessiert schon, wo der Zaun aufhört und der Knallerbsenstrauch anfängt. Wiederum brauchte es ein neues Konzept... tadaa, die Gerichtsshow nach Skript war geboren! Plötzlich wurden die ganz harten Geschütze aufgefahren: das Strafgericht mit Mord und Todschlag, das Familiengericht mit den zerrüttendsten Familien, das Jugendgericht mit Kindern, die man sich sonst nur in der Bronx vorstellen mochte. Es war herrlich! Alle Menschen waren Straftäter und abgrundtief böse. Wiedermal gab es ein Dutzend Sendungen zu dem Thema täglich, die über den Bildschirm flimmerten.

Zugegeben, ein paar dieser TV-Leichen haben bis heute überlebt - zumindest bei Sat.1. Aber zu denen komm ich gleich noch! Was kam danach noch? Nachdem sich vor ein paar Jahren die Gerichtsshows endgültig zum Tode verurteilt haben, brauchte es wieder ein Allheilmittel gegen die Langeweile am Werktagnachmittag. Genau zu diesem Zeitpunkt muss ein ganz diabolisch veranlagter Mensch die fieseste Idee auf diesem Planeten bekommen haben, denn es wurde der Damien des schlechten TV-Geschmacks geboren: die "Doku-Soap". Früher kannte ich sowas nur von MTV, nannte sich "The Real World", spielte irgendwo in einer amerikanischen In-Metropole und war schon damals stinklangweilig: eine Gruppe junger Menschen, die zusammenleben und sich um den besten Sitzplatz auf der Couch beim Fernsehen kloppten. Im Vergleich zu dem, was die Dokusoaps Deutschlands allerdings zu bieten begannen, war wohl "The Real World" wie "Das Literarische Quartett" für Junge.

Dokusoaps waren anfangs wohl dazu gedacht, das Leben deutscher Familien zu zeigen, weil das einen Fernsehzuschauer anscheinend brennend interessiert. Kitschige amerikanische TV-Serien waren gestern, heute wird das Ganze mit "echten Menschen" und "echten Emotionen" verkaufen - Bon Dieu! Wären sie doch besser bei den gefälschten Menschen und Emotionen geblieben, mit "Reich & Schön" konnte ich so viel mehr anfangen, das war wenigstens noch zum Lachen!

Das Problem der Dokusoaps ist wohl, dass sie nicht nur so langweilig sind, dass man a) den Fernseher zum Fenster rausschmeißen oder b) Selbstmord begehen möchte... sie sind einfach nur zum Weinen, weil die Intelligenz so wahnsinnig unterfordert wird.

Gut, eine amerikanische TV-Serie, sei sie aus dem Bereich "Soap" oder "Drama" oder "Comedy" ist jetzt auch nicht größter intellektueller Anspruch... das will sie aber auch gar nicht sein und muss sie auch gar nicht sein. Der Unterschied zu einer deutschen Dokusoap ist allerdings, dass preisgekrönte TV-Serien, die von Profis geschrieben wurden, einen Handlungsstrang haben, manchmal unterschwellig sogar eine "Moral von der Geschicht". DAS müssten die "Familien im Brennpunkt" oder "X-Diaries" erstmal bieten können. Können sie aber nicht! Werden sie auch nie können. Wenn ich eine "Serie" wie "Mitten im Leben" sehe, möchte ich aus meinem eigenen Leben mit Freuden ausscheiden, so weit ist es schon gekommen! Der TV-Glibber ist überall, es ist wie in dem Film "The Blob" mit Steve McQueen aus den 50er Jahren. Eine rosa Masse, die alles, was es berührt, verseucht und verschlingt.... und es hört nie auf. Es dreht sich alles weiter, wie eine Spirale, die immer enger zusammenläuft auf dem Fernsehbildschirm in schwarz-weiß. Das Kaninchen wird hypnotisiert vom Privatfernsehen.

...was dieser Appell gegen das TV mit meinem wöchentlichen Blogeintrag zu tun hat? Nun, im ersten Moment nix, es wirkt wie der wütende Appell einer jungen Frau, der ihre Samstagabendserie geklaut wurde (und, mal so nebenbei bemerkt, "Flashpoint" ist eine verdammt gute Serie, die ich jetzt gerade in diesem Moment sehr schmerzlich vermisse!). Nein, es geht mir um etwas ganz anderes bei meiner Reise durch die letzten 20 Jahre TV-Geschichte. Ich frage mich täglich, wenn ich den Fernseher einschalte und per Zapping vor Sendungen wie "Verdachtsfälle" oder "Zwei bei Kallwass" fliehe: "Wieso machen wir das eigentlich alles mit?"

Jetzt mal ernsthaft: das Fernsehen ist nichts ohne seine Zuschauer. Der Konsument hat die Wahl (wie immer im Leben!). Meckern über das Niveau des Fernsehprogramms ist quasi Meckern über den IQ der deutschen Bevölkerung. Also beschwere ich mich hier öffentlich über die Doofheit der Leute. Damit wäre mein Blogeintrag wohl dann doch wieder da angekommen, wo er jede Woche mal so, mal so ankommt: bei der Intelligenz der Weltbevölkerung. Einen Vorwurf kann ich nicht an das deutsche Privat-TV machen: dass es diesen ganzen TV-Schrott erfunden hätte. Nein, selbst die Kreativität muss man den deutschen TV-Sendern bei diesem ganzen Leid aberkennen. Ob das nun schmeichelhaft ist oder nicht, sei mal dahingestellt.

Die Wahrheit liegt (wie so oft) im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die United States of Analphabeten haben die schlimmsten TV-Seuchen der Geschichte erfunden... und in gebündeltem Maße gibt es die heute noch im amerikanischen TV zu bewundern: dort laufen zuerst die Gameshows, dann die Talkshows, zwischendurch die Gerichtsshows, damit man im Ende bei Castingshows und den "Real Housewives of New York City" zusehen darf (was dann quasi das amerikanische Pendant zu "Die Geissens" oder Daniela Katzenberger ist). Also: die Amis sind Schuld! Andererseits, die Amis sind auch ganz andere, richtig gute TV-Formate Schuld, die nur leider nicht im deutschen TV landen. Wie gesagt, TV-Serien, das können die Amis. Nicht alle sind grenzenlos genial, aber ein Großteil unterhält gut. Das Traurige: vielleicht 20 Prozent dieser guten Serien landen überhaupt im deutschen Free-TV. Der Rest wird entweder unterschlagen oder kommt nur ins deutsche TV, wenn man gewillt ist, dafür 25 Euro und mehr pro Monat zu bezahlen - Digital TV sei Dank!

Wohin also nun mit diesem ganzen Wissen über das TV? Vielleicht musste ich es einfach mal rausschreien (und ich bin nichtmal bei Castingshows und DSDS angekommen!), vielleicht lässt mir dieses Thema in dieser Woche einfach keinen Raum für irgendein anderes brisantes Thema. Wenn ich nun gerade an deutsche Kochshows denke, kocht bei mir so einiges über, vor allem vor Wut! Doch wie gesagt: Wer guckt diesen ganzen Scheiß eigentlich??? Ich weiß, ich bin es nicht. Wenn ich mir wirklich etwas Neues angucke (und bei Gott, ich habe gar nicht mehr die Geduld, jedem dusseligen TV-Format aus Deutschland noch eine Chance zu geben!), dann schalte ich spätestens nach zwei Minuten um, wenn mir etwas nicht gefällt. Aber wer sind denn nun die Idioten, die "Mitten im Leben" als lohnende TV-Unterhaltung betrachten? Immerhin haben solche Sendungen der Marke "scripted reality TV" (schönes Neudeutsch, nicht wahr?) Einschaltquoten, die eine Millionen Zuschauer bei weitem übersteigen. Gut, ich verlange jetzt nicht, dass blutrünstige Krimiserien im Nachmittagsprogramm laufen sollten, aber mal ehrlich: übergewichtige Frauen, die eifersüchtig ihren Freunden hinterherjagen und alles eine Stunde lang darin gipfelt, wer wen lauter anschreien kann? Wer nicht schon taub ist, wünscht sich nach 5 Minuten zugucken bei dieser Sendung die absolute Taubheit!

Wollen Menschen mit niedrigem Bildungsgrad wirklich dummes Fernsehen gucken? Sind sie wirklich gewillt, nur sensationslüsternes Schrott-TV zu schauen, statt sich durch das Fernsehen noch ein bisschen zu bilden? Gut, die Leute sind ja alle selbst Schuld, es gibt bildungsreiche Alternativen im TV. Bei denen schreien die Fans des "scripted reality TV"'s allerdings nur angewidert "igitt, igitt!". Ein Sender wie ARTE ist nunmal verschrieen, dass er zu langweilig ist und nur dazu dient, dass man sich doch ein wenig bildet. Zugegeben, vielleicht sind die Formate solcher Sender einfach etwas zu sehr auf Bildung getrimmt und dadurch nicht unterhaltend genug. Andererseits: könnten die Privatsender nicht auch solche Sendungen erfinden? Besser noch: Bildungssendungen, die noch zusätzlich den Faktor "Unterhaltung" beinhalten? Das Schöne an der Sache wäre immerhin: der Zuschauer würde was lernen und es würde die Privatsender fast weniger kosten, solche Sendungen zu produzieren, als den Doku-Glibber herzustellen, der sich inzwischen im TV tummelt.

Nun, es gäbe noch hundert Dinge zum Thema "Schrott-TV" zu schreiben. Vielleicht ist es an dieser Stelle wieder einmal Zeit für eine Blogserie. Immerhin wurde mir ja gerade eine gute Serie aus dem TV gestohlen. Was bleibt ist Fernsehunterhaltung "aus der Konserve". Sprich: ich wehre mich gegen den TV-Schrott und gucke mir dann doch lieber eigens ausgesuchte Unterhaltung von der DVD an. DAS ist dann wohl meine Freiheit und meine einzige Waffe, um mich gegen den Unsinn des täglichen TV's zu wehren.

In diesem Sinne wünsche ich den Lesern dieses Blogs ein schönes Wochenende und eine gute neue Woche. Bis zum nächsten Samstag und dem nächsten Blogeintrag - hoffentlich weniger TV-lastig! ;-)

LG Gene :-)

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