Sonntag, 20. Februar 2011

Die Straftat, trivial zu sein

Lange ist mein letzter Blogeintrag her, hauptsächlich begründet darin, dass ich nur selten Lust und Zeit habe, einen Eintrag zu verfassen und das Zeitgeschehen inner- und außerhalb des Internets zu kommentieren. Aber seitdem wir im Jahr 2011 leben, gibt es doch so einige Auf- und Abreger, die und beschäftigen und auf Trab halten.

Gute Vorsätze hatten wir wohl alle, als am 31.12.2010 die Sektkorken und Silvesterkracher knallten und zum Gehörsturz führten ... "Same procedure as every year, James"... Richtig? Und was bleibt nach rund drei Wochen davon übrig? Heiße Luft, mit der man maximal sich selbst einheizen kann in der kalten Jahreszeit. Niemand hört wirklich auf zu rauchen, keiner nimmt soviel Gewicht ab, dass es sich sichtlich bemerkbar machen würde und niemand, aber auch wirklich niemand verzichtet auf Trivialität.

Trivi...was? Nun, erst einmal zur Worterklärung für alle, die sich nicht damit auskennen SOLLTEN. Ich denke schon, die Meisten von uns wissen, was gemeint ist, aber ich will an dieser Stelle doch unbedingt einmal Wikipedia ins Spiel bringen und deren Definition des Begriffs Trivialität zitieren:

"Als trivial (von lateinisch trivialis, „jedermann zugänglich“, „altbekannt“; enthält die Begriffe tres, „drei“ und via, „der Weg“) gilt ein Umstand, der als naheliegend, für jedermann ersichtlich oder leicht zu erfassen angesehen wird."

Soviel dazu. Verständlich ist das, wir wollen uns nicht groß anstrengen, es ist schon alles anstrengend genug, von der Geburt an (da strengen sich mehr unsere Mütter an, aber für uns selbst war auch einige Anstrengung involviert). Danach wachsen wir auf, wir lernen, was wir tun können, danach was wir tun sollen und wenn wir etwas tun wollen lernen wir, warum wir das nicht tun dürfen. Schließlich werden wir volljährig und denken noch in unserem jugendlichen Leichtsinn: "Jawohl, ich hab's geschafft!" Wir wähnen uns in dem Traum, wir könnten tun, was immer wir wollten.

Weit gefehlt! Die Verpflichtungen hören nicht mehr auf, das Vergnügen schrumpft pro Tag auf ein Minimum von zwei bis drei Stunden, der Rest der Zeit geht auf in der Pflicht, aus dem Bett erfolgreich und ohne Knochenbruch aufzustehen, sich zurechtzumachen und es bis zur Arbeit zu schaffen. Wer dort Glück hat, schläft den ganzen Tag auf seinem Bürosessel und kassiert einen riesigen Gehaltsscheck (und nein, ich spreche nicht primär von Politikern in diesem Fall, wenngleich sie nicht zu 100% ausgeschlossen werden sollten!). Wer eher Pech hat, der darf arbeiten, und das bis zum psychischen und physischen Schmerzempfinden und das nur, um abends totmüde auf der Couch zu landen bei Dosenbier und TK-Pizza.

Wen wundert es, bei diesem Schreckensszenario, dass der Mensch die Trivialität dem Intellektuell-Anspruchsvollen vorzieht. Irgendwann ist das Maß einfach voll und in letzter Zeit scheint es immer voller zu werden: wenn man sich schon in irgendeiner Form anstrengt, dann muss der Rest des Lebens immer leichter werden.

Nicht nur, dass wir uns immer weniger mit den eigenen Füßen fortbewegen, weil wir von öffentlichen bis zu privaten Verkehrsmitteln von A nach B kutschiert werden, nein, wir möchten in ALLEN Lebenslagen Bequemlichkeit. Das daunenflauschigweiche Kissen der Technik macht es möglich - vom Mobiltelefon, dass nicht nur zum Telefonieren, sondern auch zum Fotografieren, ins Internet gehen und neuerdings zu Schönheitsbeurteilung dient, bis hin zum Computer, zur Kaffeemaschine, die jetzt nicht nur Wasser und Pulverkaffee durch einen Filter jagt, nein, es gibt noch die Möglichkeit auszusuchen, welchen Modekaffee man trinken will (das am Besten mit George Clooney, so lange John Malkovich als Petrus nicht stört!) und dazu gibt es dann (schon wieder!) Tiefkühlpizza. Leider wurde bis jetzt noch nichts erfunden, dass es bequem macht, eine Pizza zu backen, die wie selbstgemacht schmeckt. Die Werbung verspricht viel - was sie allerdings hält, steht auf einem anderen Blatt.

Ein ebenfalls treuer Wegbegleiter im selbstgemachten Bett der Bequemlichkeit (und das im Gegensatz zum Internet nicht erst seit vorgestern) ist das Fernsehen. Dieses überschlägt sich inzwischen mit allem, was keinen Zuschauer auch nur im entferntesten dazu bringt, nachzudenken. Man könnte sogar noch weiter gehen: Fernsehen macht heutzutage so dumm, dass der Zuschauer glatt vergessen könnte, was den Denkprozess an sich ausmacht. Wir lassen uns berieseln, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche... und das inzwischen auf hunderten von Kanälen, weil jeder, der etwas auf sich hält, sich inzwischen teures Digitalfernsehen anschafft, auf dessen Sendern sich dann Wiederholungen der Sendungen befinden, die der gemeine Kabelfernsehgucker bereits vor fünf Jahren "genießen" durfte.

Vielleicht ist nur mit Trivialität zu erklären, was sich gerade nicht nur im Fernsehen, sondern auch am Arbeitsplatz, im Internet und auf sämtlichen Straßen abspielt. Alle sprechen nur noch von der einen Sendung, die im Fernsehen vom Privatsender RTL auf die Menschheit mal wieder losgelassen wurde und wir hatten doch schon alle befürchtet, wir dürften sie nie wieder sehen. Seit "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" wieder läuft, ist Deutschland (zumindest laut RTL) ganz gaga auf die C-Prominenz, die sich gerade durch den australischen Dschungel quält (oder war's eher umgekehrt? wer weiß?). Aber kann das wirklich sein, dass die Trivialität derart weit geht? Lassen wir mal die Ekelprüfungen aus dem Spiel, das schlucken von Tiergedärmen oder verfaulten Früchten, ich spreche vom Reiz, sich die Reibereien von Menschen untereinander anzusehen. Dieses Phänomen hatten wir ja schon einige Male, und sie sind eigentlich erklärlich für sämtliche Reality-Formate, die im Programm laufen: seien sie fiktiv oder real, ob DSDS oder der X-Diaries auf RTL II (die übrigens wohl den Titel der "Geschichten aus der Gruft" Deutschlands ergattern dürften), es geht nur ums Streiten, ums sich gegenseitig fertig machen, ums Zerstören oder zerstört werden. Geht unsere Bequemlichkeit so weit, dass wir uns im Fernsehen jetzt ALLES ansehen müssen, dass jegliche Form von Anstrengung bedeutet, selbst reale Intrigen? Seifenopern waren gestern, Realityformate beherrschen den Markt. Was es bringt sei dem Zuschauer überlassen, wahrscheinlich wird man ihn auch nach solch einer Sendung fragen können, worum es ging und es werden sich nur Satzfetzen hervorbringen lassen, wahrscheinlich ist das sogar nur das Maximum.

Aber ist das wirklich eine Straftat? Wenn ja, welche? Mord am eigenen Gehirn? Vielleicht, immerhin gibt es so viele Dinge, die alles bequem machen im Leben, was hat unser Gehirn noch zu tun? In den 80er Jahren gab es wenigstens noch Gameshows, da konnten die Leute mitraten, ein wenig die grauen Zellen anstrengen. Aber heute gilt es nur noch das Motto "Klappe halten und zugucken!", kein Denken, es wird alles schön bunt appetitlich (oder auch weniger beim Dschungelcamp) serviert.
Oder kommt die Straftat von uns selbst? Vielleicht liegt es nicht daran, dass wir diese Sendungen gucken, um uns an ihnen zu ergötzen und uns nicht anzustrengen, vielleicht ist uns einfach zuviel in unserem realen faden Leben abhanden gekommen. Die wahren Gefühle, die Einzigartigkeit jeder einzelnen Emotion. Und da wir die im Erfolgswahn und Ehrgeizdruck verloren haben, sehen wir uns Realityformate an.

Sollen wir es so mal stehen lassen? Als beruhigende Entschuldigung dafür, dass wir unsere Gehirne medial auf Eis gelegt haben? Bitteschön, ich bin gerne bereit, allen zu helfen. Und wenn es nur um schlechte Ausreden geht, sich "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" anzugucken.

In diesem Sinne - bis zum nächsten Mal!

LG Gene :-)

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