Montag, 23. Juli 2012

Rien ne va plus? Wo nichts mehr (hin-)geht und alles zusammenläuft

Zugegeben, ich würde mich gerne entschuldigen. Dafür, dass ich zum xten Mal meinen Blog sträflichst vernachlässige oder dass ich wöchentliche Blogeinträge verspreche und sie nicht reinstelle. Ja, ich könnte mich dafür entschuldigen, ich könnte euch allen (die das hier lesen) sagen, wie leid es mir tut, dass ich nichts geschrieben habe. Und ehrlich: es tut mir auch leid! Ganz einfach, weil ich gerne an diesem Blog schreibe. Allerdings nur dann, wenn ich finde, dass es etwas Wichtiges zu sagen gibt. Man braucht ein Thema, um einen Blog zu schreiben... zumindest meiner Meinung nach.

Es gibt so viele Blogs in dieser großen, blühenden Landschaft genannt "Internet". So viele, dass es eigentlich schon uncool ist, überhaupt einen Blog zu führen. Man gilt schon als Nerd, wenn man einen Blog schreibt, als Außenseiter, der keine sozialen Kontakte hat. Am Besten ein Mensch, der sich nur über einen Blog artikulieren kann. Teilweise mag das stimmen, teilweise nicht. Das ist wohl wie mit den sozialen Netzwerken, in denen Menschen hunderte von Freunden auf der Liste haben und diese Menschen sind dann auch mehr oder weniger zumindest bekannt mit der Person. Andererseits gibt es Menschen, die sammeln Profile auf ihrem eigenen Profil, um den schönen Schein zu wahren, um den Menschen, die ihr Profil betrachten, das Gefühl zu geben: "Wahnsinn, der hat's drauf! Was für ein beliebter Mensch!"

So gesagt: ich gehöre wohl eher in die Nische, habe nicht zig Follower auf meiner Seite, die meinen Blog lesen wollen oder sich dafür interessieren, was ich zu sagen habe. Das ist allerdings okay, denn vor einem Jahr sah die Sache noch ganz anders aus: durch soziale Netzwerke hatte ich mehr Leser auf meiner Seite, zugegeben... andererseits stellt sich die Frage, ob diese Leser wirklich "wünschenswerte Leser" waren. Es gab sowohl positive als auch negative Reaktionen, ein buntes Poutpourri aus Menschen, die mich lobten, mich beleidigten, mir erzählten, wie die Welt funktioniert. Frei nach dem Motto: "Es gibt nichts, was es nicht gibt!". Leider stimmt der Spruch, wie mit allen Dingen des Lebens.

Nun hänge ich hier in meinem Nischenblog, habe kaum Leser, keine Reaktionen auf meine Beiträge... und lange habe ich nichts dazu gesagt, es bei der einen oder anderen flapsigen Bemerkung ruhen lassen. Allerdings bin ich jetzt einmal absolut ehrlich: es stinkt! Verdammt, es stinkt gewaltig. Nicht, dass ich meine, mein Blog sei der beste, spektakulärste und phänomenalste Blog der Welt, es ist nur... ich gucke mir die restlichen Blogs an, die es so gibt. Zugegeben, nicht alle Blogs, dafür hat wohl kein Mensch auf diesem Planeten Zeit. Aber ich habe einige Blogs gesehen, hauptsächlich Blogs, in denen es ums Stricken, Häkeln, Basteln, Kochen, Putzen oder die spannenden "Abenteuer" einer Ehe geht. Womit ich sagen will: es geht oft um Egotrips, mit vielen bunten Bildchen "aufregend" verpackt und mit hunderten Menschen, die dem regelmäßig folgen. Bei einigen dieser Blogs habe ich wirklich gelesen und mich ernsthaft gefragt, ob das überhaupt irgendeinen Menschen auf diesem Planeten interessiert. Ja, tut es! Warum? Vielleicht weil Menschen immer schon auf sehr "leichte Kost" abgefahren sind (in allem, außer beim Essen natürlich!). Es ist schwer herauszufinden, auf was Menschen wirklich stehen, gerade wenn man nicht in der Werbebranche tätig ist. Nun habe ich ein wenig Grundwissen über Marketing und Werbung, mein Problem ist allerdings, dass ich nichts von Werbung halte. Wer das bis jetzt noch nicht gemerkt hat, dem schreibe ich es in aller Deutlichkeit noch einmal hier und jetzt und für alle Zeit: Ich hasse Werbung! Damit katapultiere ich mich jedoch selbst meilenweit vom Mainstream hin zum Nischenblog, den keiner lesen will.

Gut, dann möchte das hier niemand lesen, damit kann ich leben. Die Frage stellte sich für mich dadurch die letzten Wochen, ob ich überhaupt noch weiter bloggen möchte. Sind Blogs wirklich das, was ich als Autorin schreiben möchte? Möchte ich damit meine Zeit verschwenden mit dem Wissen, dass sich durch die Anregungen und Analysen meinerseits nichts ändern wird? Kann ich überhaupt noch Themen finden, die meinem eigenen Anspruch gerecht werden, nicht grenzenlos an BILD-Niveau grenzen und darüber in sinnvollem Ausmaß schreiben?

Ich denke, ich kann das. Der Blog wird weiterhin bestehen bleiben. Wie lange, das kann keiner sagen - vielleicht hackt sich auch jemand in meinen Account und löscht alles aus reiner Boshaftigkeit oder weil er denkt, es muss mehr sinnlose als sinnvolle Blogs geben (ohne meinen eigenen jetzt wirklich in eine der Kategorien stecken zu wollen). Und wenn ich keinen Grund mehr sehe, den Blog weiterzuführen, werde ich ihn verwaisen lassen (was ich bereits getan habe). Eins verspreche ich jedoch (obwohl ich beides gut beherrsche): ich werde hier weder über Strickprojekte noch über Kochrezepte philosophieren. Nicht in diesem Blog!

Das war nun eine sehr lange Ansprache zum Thema "Blog - ja oder nein!". Aber ich will nicht nur darüber schreiben, das wäre ein wenig zu wenig und würde diesem Blog genauso wenig gerecht wie Strickmuster und Kochrezepte.

Die Ereignisse der letzten Wochen haben mich immer wieder hin und her gerissen und ich habe mich gefragt, wie ich das Ganze in einem Blogbeitrag thematisch kompensieren kann. Der Krieg in Syrien, die Machtlosigkeit der UN, der Opportunismus Russlands und Chinas zu dem Thema. Dann auf der anderen Seite (immer noch!) die Eurokrise, in Griechenland sowieso, jetzt die beschlossene Hilfe für Spanien. Die Frage, wie sehr man den Steuerzahler damit belasten sollte, Fehler von Banken und Spekulanten auszugleichen. Alle politischen Probleme der Welt dann jedoch wieder einmal in den Schatten gestellt vom ständigen Nörgeln über den nicht vorhandenen Sommer in Deutschland. Also wechseln sich die großen Sorgen immer mit den nichtigen Sorgen ab in einem Hin und Her, das einem Tennisspiel in Wimbledon gleicht. Aber: es haben mich doch eher die wirklichen Sorgen der Gesellschaft beschäftigt - und über das Wetter reden war noch nie so meine Sache!

In den letzten Monaten waren die gleichen Themen in den Nachrichten vorherrschend wie seit Beginn des Jahres und das gesamte letzte Jahr: die drohende Pleite der gesamten Eurozone und der Krieg in Syrien. Wenn man sich die Situation in Syrien anschaut, fragt man sich doch als politisch interessierter Mensch immer und immer wieder, warum diesem Drama nicht endlich ein Ende gemacht wird: tagtäglich sterben Menschen in Syrien, erschossen in Gefechten, Schuldige wie Unschuldige. Traurigerweise können wir alle gut dabei zusehen. Die Frage nach dem "Warum?" kann dabei nicht beantwortet werden.

Mit Entsetzen, Fassungslosigkeit und Kopfschütteln habe ich vor zwei Wochen das Interview mit Syrien's Staatsoberhaupt Assad gesehen, ein Fernehinterview, geführt vom Publizisten Jürgen Todenhöfer. Die Ausreden, mit denen sich Assad anscheinend vorlieblich selbst am glücklichsten machte, zeugten von entweder absolutem Wahnsinn oder dem personifizierten Bösen. Abstreiten, leugnen, Tatsachen verdrehen - die drei klassischen Elemente eines jeden Diktators, verpackt in eine nonchalante Art und Weise zu sprechen, so dass jeder Zuschauer denken mag, was für ein sympathisches Kerlchen Assad doch ist. Erst in solchen Momenten zeigt sich wohl immer und immer wieder, wie falsch wir alle denken, wenn wir uns einbilden, das Böse trüge ein unverkennbares Gesicht, würde nicht in der Tarnung durch die Weltgeschichte geistern und wäre einfacher auszuschalten als jede Lichtquelle.

Die Mühe, das Böse vom Guten zu unterscheiden, macht den meisten Menschen wohl denn auch so viel aus, dass sie sich dafür entscheiden, lieber wegzuschauen als zu handeln. Nur so ist wohl zu erklären, dass der Konflikt in Syrien seit 18 Monaten vor sich hinbrodeln kann und es hier in Deutschland (oder allgemein in der westlichen Welt) kaum jemand interessiert. Das alte Thema: "Was mich nicht betrifft, interessiert mich auch nicht!" trifft wohl wieder zu. Erst in dieser Woche, zum ersten Mal in den ganzen 18 Monaten, gab es einen Vorsprung von 1 % bei einer "Mehrheit" der Deutschen, die für eine Einmischung der Vereinten Nationen in den Konflikt sind. 1%! Es ist verdammt traurig, dass Menschen, denen es gut geht, nicht mehr bereit sind, anderen Menschen, die in Not sind, zu helfen. Die Angst, selbst dabei in Gefahr zu geraten, scheint wohl zu groß zu sein. Die Befürchtung, wir könnten nicht alle 200 Jahre alt werden, nagt an uns wie die Maus an einem Stück Käse. Das eigene Wohl scheint so verdammt wichtig zu sein, dass wir alle Dinge, die uns nicht betreffen, aber nichtsdestotrotz schrecklich sind, ganz weit von uns weg schieben. Es ist wichtig, glücklich zu sein, zufrieden zu sein, gesund zu sein. Das sehe ich alles ein, auch ich strebe danach und ich finde das auch für jeden Menschen wichtig. Wahrscheinlich ist das aber der entscheidende Knackpunkt: ich finde das für jeden Menschen wichtig, jeder Mensch hat ein Recht auf dieses Grundgut an Lebensqualität. Doch nicht jeder Mensch hat Zugang zu diesem "Wohlfühlpaket". Den meisten Wohlstandsmenschen wird es leider immer egaler, wie andere Menschen über die Runden kommen, Hauptsache, es geht ihnen selbst gut.

So geht es wohl auch in Syrien. Erst vor kurzem sagte Sigmar Gabriel, der SPD-Parteivorsitzende, wir werden eines Tages zurückblicken und es bitter bereuen, heute nicht in den Syrienkonflikt einzugreifen. In Sebreniza war es damals ähnlich, es wurde viel zu lange gewartet, es wurde nicht eingegriffen - Tausende von Menschen starben. In Syrien sind wir auch längst dort, weit über 15 000 Menschen sind bereits tot, Tausende flüchten über die Grenzen in die Türkei und in den Libanon. Assad lässt dabei selbst über die Grenzen schießen, die Menschen fliehen unter Todesangst, wenn sie überhaupt die Grenzen überqueren können. Wie lange wollen wir noch zusehen? Haben wir alle zuviele Actionfilme in unseren Leben gesehen, dass wir nicht mehr eine wirklich ernste Lage erkennen? Ist uns denn wirklich alles scheißegal, solange wir nur glücklich, satt und zufrieden mit uns selbst sind? Ist das Masturbieren auf das eigene Leben wirklich so schön, dass man alles um sich herum vergisst?

Wenn ich Dokumentationen über die Zeit um und nach dem zweiten Weltkrieg sehe, stelle ich mir noch viel mehr Fragen. Wir leben seit nunmehr 67 Jahren in Frieden. Hier in Deutschland, keiner redet von weltweitem Frieden. Die Welt ist viel zu weit von weltweitem Frieden entfernt und wahrscheinlich werden wir den Frieden nie erreichen, da es zu viele Unterschiede gibt. Unterschiede, die unser Leben lebenswert machen, es auf der anderen Seite allerdings zur Qual werden lassen. All das entstanden aus der Freiheit zu entscheiden, dem Willen, sich für A und gegen B zu entscheiden. Die Entscheidung, geleitet von Vorlieben, die dann im Ende zu Meinungsverschiedenheiten führt. Dann die Konflikte, die daraus entstehen, um dann in Streit und Auseinandersetzungen zu resultieren. Die nächste Stufe hierzu ist nur noch der Krieg: sich bis hinter die Zähne zu bewaffnen und den Meinungsgegner auszuschalten.

Bedauerlicherweise denke ich in letzter Zeit immer öfter, dass wir das wahrscheinlich brauchen, in all der aufgeladenen Stimmung. Es bedarf wohl eines Krieges, damit die Menschen wieder zu Verstand kommen. Freilich keines Krieges ausschließlich in Syrien, daraus würde Deutschland wohl nie etwas lernen. Nein, Deutschland braucht wiedermal Krieg. Einfach alles, was zu blöd ist, auf den Baum zu klettern, über den Haufen schießen. Das klingt utopisch? Nicht  mehr ganz dicht? Seien wir doch mal ehrlich: wir alle sind doch nicht mehr ganz dicht, wenn wir uns nur noch auf technische Errungenschaften und immer mehr Reichtum konzentrieren und es gleichzeitig fertigbringen, das Schicksal tausender Menschen im Krieg komplett zu ignorieren. Natürlich ist Syrien weit von uns weg, das macht die Sache aber nicht weniger dramatisch. Auch die Hungersnot in der Sahelzone ist weit weg... ist sie deswegen weniger dramatisch, weniger mitreißend? Anscheinend schon. So lange hier jeder Bierbauch täglich seinen Schweinebauch auf den Mittagstisch bekommt, ist die Welt in Ordnung.

Vielleicht braucht Deutschland einmal hautnahe das Elend, den Krieg, die Gefahr, jeden Tag zu den Opfern gehören zu können. Vielleicht braucht dieses Volk mal die geballte Faust Leben ins Gesicht, zu spüren, was es heißt, täglich ums Überleben zu kämpfen, sich anzustrengen, die Klamotten, die man am Leib trägt, noch zu halten, um nicht alles zu verlieren. Zugegeben, es gibt viele Menschen, denen es bereits jetzt so geht, mitten in Deutschland. Menschen, die täglich kämpfen müssen, um in diesem wirtschaftlichen Standard mithalten zu können. Auch das kann eine Qual sein, genauso gravierend wie die Qual in der Sahelzone, nichts zu essen zu haben. Trotzdem: was ist mit den Menschen, denen es einfach zu gut geht, die Leid und Elend ignorieren können? Brauchen die nicht mal irgendeine Art "Hallo, wach!"-Spritze, die ihnen zeigt, wie das Leben funktioniert, worauf es ankommt?

Nun, wer bin ich schon, den Menschen zu erzählen, worauf es im Leben ankommt? Die unterschiedlichen Vorlieben des Lebens sorgen einfach dafür, dass jeder Mensch andere Prioritäten hat und sich nach ihnen richtet. Wer kann oder darf da schon sagen, was wirklich wichtig ist und was nicht? Im Ende muss die Vernunft siegen, egal in welche Richtung! Aber Vernunft, Vernunft... was war das nochmal? Und wie definiert man sie?

Vielleicht gibt es darauf bis zum nächsten Blogeintrag Antworten. Wahrscheinlich ist, dass es einen nächsten Eintrag geben wird. Wann? Ich will mich nicht auf den nächsten Samstag festlegen. Wenn es mir allerdings gelingt, hoffe ich doch auf eure Leserschaft... wo auch immer ihr alle sein mögt!

In diesem Sinne, allen Lesern eine schöne neue Woche und bis zum nächsten Mal.

LG Gene :-) 


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